Steuerrecht

Aufhebung der Rückforderung von Ausbildungsförderung

Aktenzeichen  M 15 K 17.2643

Datum:
18.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44449
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 45
BAföG § 11 Abs. 2 S. 1, § 26, § 27, § 28

 

Leitsatz

Die Anrechnung einer Termineinlage von 10.000 Euro auf einem Konto des Auszubildenden bei der Gewährung von Ausbildungsförderung scheidet aus, wenn der Auszubildende nachweisen kann, dass das Geld (hier: für die Mutter) treuhänderisch verwaltet wurde. (Rn. 21 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 18. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom … Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 45 Abs. 1 SGB X lagen nicht vor, da die Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum einen Anspruch auf die bewilligte Ausbildungsförderung hatte und der Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2013 damit rechtmäßig war.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am … Mai 2013 hatte die Klägerin kein den Freibetrag übersteigendes, auf den Bedarf gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 1 BAföG i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 28 Abs. 2 BAföG anzurechnendes Vermögen.
1. Zwar befanden sich unstrittig zum Zeitpunkt der Antragstellung auf dem auf den Namen der Klägerin lautenden Konto bei der C1. Bank … Sichteinlagen in Höhe von 47,12 Euro, Spareinlagen in Höhe von 81,89 Euro sowie Termineinlagen in Höhe von 10.000,- Euro. Die Klägerin war als Kontoinhaberin nach dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen, objektiv für die Bank erkennbaren Willen und unabhängig davon, aus wessen Mitteln das eingezahlte Geld stammte, Gläubigerin des Guthabens (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 12 unter Hinweis auf BGH, U.v. 18.10.1994 – IX ZR 237/93 – BGHZ 127, 229; BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – juris Rn. 31 ff.). Ein etwaiger anderweitiger, nicht nach außen kundgetaner Vorbehalt bei der Kontoerrichtung wäre gemäß § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich gewesen.
2. Allerdings scheidet vorliegend eine Anrechnung des Guthabens i.H.v. 10.000,- Euro aus, da es sich hierbei entweder schon nicht um Vermögen der Klägerin handelte oder ein Herausgabeanspruch der Mutter aus dem Treuhandverhältnis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG abzuziehen war.
2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Anerkennung von Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht ausgeschlossen. Das gilt auch für sogenannte verdeckte Treuhandverhältnisse (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – juris Rn. 13). Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, U.v. 28.8.2007 – B 7/7a AL 10/06 R – juris Rn. 16). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft setzt eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist; die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Darlehensverhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – juris Rn. 18).
An den Nachweis eines solchen Treuhandverhältnisses unter Angehörigen im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Abreden strenge Anforderungen zu stellen (BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – juris Rn. 38). Entsprechend diesen Vorgaben ist der Treuhandcharakter eines Kontos oder Depots nur anzunehmen, wenn eine entsprechende Treuhandabrede zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen worden ist. Zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Treuhandvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, sind alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu würdigen. Soweit die tatsächlichen Grundlagen des Vertragsschlusses der Sphäre des Auszubildenden zuzuordnen sind, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht insoweit zu seinen Lasten (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 19; B.v. 9.1.2009 – 5 B 53.08 – juris Rn. 5). Da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es zudem gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (BVerfG, B.v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 4.9.2008, 5 C 12.08 – juris Rn. 19; B.v. 9.1.2009 – 5 B 53.08 – juris Rn. 5). Ein gewichtiges Beweisanzeichen in diesem Sinne ist die Separierung des Treuguts (vgl. zur regelmäßig bestehenden Pflicht, das Treugut vom eigenen Vermögen des Treuhänders getrennt zu halten, § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 2 DepotG). Ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder kann aber auch dann bestehen, wenn der Treuhänder empfangenes Geldvermögen abredewidrig nicht getrennt von seinem Vermögen verwahrt hat. Ist allerdings die Separierung des Treuguts schon nicht Bestandteil des behaupteten Vertrages und hat der angebliche Treuhänder das Empfangene auch tatsächlich nicht von seinem eigenen Vermögen getrennt, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die Beteiligten eine verbindliche Treuhandvereinbarung tatsächlich nicht getroffen haben. Ferner spricht es gegen die Glaubhaftigkeit eines behaupteten Vertragsschlusses, wenn der Inhalt der Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Vertrages nicht genannt werden kann. Zweifel am Eingehen einer entsprechenden Verbindlichkeit können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die Durchführung des Treuhandvertrages nicht den geltend gemachten Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende eine treuhänderische Bindung (von Teilen) seines Vermögens nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet hat, sondern erst geltend macht, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Für das Vorliegen eines beachtlichen Treuhandverhältnisses kann es dagegen sprechen, wenn das Treugut nachweislich bereits zu dem Zeitpunkt an den Treugeber zurückgegeben worden war, zu dem der Auszubildende zum ersten Mal das Treuhandverhältnis offenlegte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte (zu alldem vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.9.2008, 5 C 12.08 – juris Rn. 20 f.).
2.2 Gemessen an diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen wurde aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen und der Aussagen der Klägerin und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass zwischen der Klägerin und ihrer Mutter ein Treuhandverhältnis bestand.
Zwar spricht gegen eine Treuhandabrede, dass die Klägerin nicht bereits in den Antragsformularen die Umstände offengelegt und insbesondere das Guthaben i.H.v. 47,12 Euro (Sichteinlagen) und 81,89 Euro (Spareinlagen) bei der C2. Bank, welches nach Angaben der Klägerin ihr selbst gehört haben soll, nicht angegeben hatte.
Für ein Treuhandverhältnis spricht jedoch, dass die Klägerin das Vorliegen einer Treuhandabrede substantiiert darlegen konnte und Ungereimtheiten hinsichtlich der Hintergründe sowie der Durchführung der Vereinbarung durch die in allen wesentlichen Aspekten übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden konnten. Das Gericht hält die Aussagen der Klägerin und der Zeugin für glaubhaft. Der Sachverhalt wurde von der Zeugin sicher, detailreich, mit Benennung zeitlicher Anknüpfungspunkte und nachvollziehbar vorgetragen. Auch möglicherweise nachteilige Angaben, z.B. der Vortrag, dass die Zeugin mit ihren eigenen Konten den Freibetrag bereits ausgenutzt habe und sie aus diesem Grund das Geld auf einem Konto der Klägerin angelegt habe, ließ die Zeugin nicht aus. Überdies wurde der Vortrag der Klägerin und der Zeugin durch die vorgelegten, die entsprechenden Transaktionen ausweisenden Kontoauszüge bestätigt.
Unabhängig davon, dass die Klägerin die Vereinbarung mit ihrer Mutter zunächst nicht als Treuhandabrede bezeichnete und im Widerspruchsverfahren einen mit „Darlehensvereinbarung“ überschriebenen Vertrag vorlegte, schilderte sie bereits nach der Aufforderung des Beklagten zur Vorlage einer Bankbestätigung einen Sachverhalt, der in Hinblick auf den Betrag in Höhe von 10.000,- Euro einem Treuhandverhältnis im oben beschriebenen Sinn entspricht. Auch konnte die tatsächliche Durchführung der vorgetragenen Vereinbarung durch die eingereichten Belege nachgewiesen werden, wonach die Klägerin innerhalb weniger Wochen bzw. Tage nach Fälligkeit der Termineinlagen den Betrag von 10.000,- Euro nebst eines Teils der Zinsen über ihr Girokonto auf das Konto ihrer Mutter zurücküberwies. Die damit von der Abrede, wonach die Zinsen der Klägerin zustehen sollten, teilweise abweichende Durchführung konnten die Klägerin und die Zeugin übereinstimmend damit erklären, dass die Klägerin auch die Zinsen an ihre Mutter überwiesen habe, soweit sie diese nicht für ihre Ausgaben benötigt habe. Auch konnte die Zeugin plausibel darlegen, wieso sie ihre Ersparnisse auf das Konto der Klägerin zur Verwahrung überwies, und eine zeitliche Anknüpfung der Transaktionen an einen größeren Geldzufluss aus zwei Aufträgen aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit vornehmen. Für eine Treuhandvereinbarung spricht auch die von der Rechtsprechung grundsätzlich geforderte Separierung des Treuguts, welches von der Klägerin durch die Anlage als Termingeld – mit Ausnahme zum Zwecke der Rücküberweisung – ohne Vermischung mit anderem Vermögen der Klägerin vollzogen worden ist. Das Gericht hat insoweit auch in der mündlichen Verhandlung den Eindruck erhalten, dass die Klägerin die 10.000,- Euro nicht als „ihr“ Vermögen ansah. Für die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags spricht überdies, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin – ebenfalls belegt durch entsprechende Kontoauszüge – bereits zuvor vergleichbare Transaktionen durchgeführt hatten. Die Zeugin konnte auch nachvollziehbar erklären, wieso sie auf Anraten ihres Steuerberaters erst nach Überweisung des Betrags und trotz ähnlicher früherer Transaktionen am … Dezember 2008 erstmals eine schriftliche Vereinbarung trafen. Darüber hinaus war das Guthaben nachweislich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin nach Aufforderung des Beklagten das Treuhandverhältnis offenlegte und sich damit zum ersten Mal die Frage der ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte, bereits an die Treugeberin, die Mutter der Klägerin, zurückgeflossen. Auch die Tatsache, dass das Guthaben nicht vor Antragstellung am … Mai 2013 an die Mutter der Klägerin zurücküberweisen wurde, wertet das Gericht als Indiz, dass die vorgetragenen Motive und nicht die Vermeidung einer Anrechnung im Rahmen der BAföG-Antragstellungen Grund für die betreffenden Transkationen waren.
Nach alledem waren die 10.000,- Euro aufgrund der zugrundeliegenden Treuhandabrede nicht auf den ausbildungsrechtlichen Bedarf der Klägerin anzurechnen, sodass diese kein den Freibetrag übersteigendes Vermögen innehatte. Daher war der Bescheid des Beklagten vom … Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2017 aufzuheben und der Klage vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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