Steuerrecht

Aussetzung der Vollziehung in Bauträgerfällen

Aktenzeichen  V B 20/16

Datum:
23.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 27 Abs 19 UStG 2005 vom 25.07.2014
§ 13a Abs 1 Nr 1 UStG 2005
§ 13b UStG 2005
§ 17 Abs 2 Nr 1 S 1 UStG 2005
Art 20 Abs 3 GG
§ 69 Abs 2 S 2 FGO
§ 69 Abs 3 S 1 FGO
UStG VZ 2010
UStG VZ 2011
Abschn 182a Abs 11 UStR 2008
Abschn 13b.3 S 8 UStAE
§ 176 AO
Art 2 Abs 1 GG
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

1. NV: Für die Besteuerungszeiträume 2010 und 2011 bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG (vgl. BFH-Beschluss vom 17.12.2015 XI B 84/15) .
2. NV: Darüber hinaus ist für die Besteuerungszeiträume 2010 und 2011 ernstlich zweifelhaft, ob der in der Person des Bauleistenden begründete Steueranspruch entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bereits in diesen Jahren uneinbringlich geworden sein könnte. Zumindest zweifelhaft ist, ob das Finanzamt zu einer Erstattung an den Bauträger auch dann verpflichtet ist, wenn der Bauträger den auf den Leistungsbezug entfallenden Steueranteil nicht an seinen Vertragspartner gezahlt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 27.01.2016 V B 87/15) .
3. NV: Es ist nicht danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger die vom Bauleistenden bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten oder für Bestandsimmobilien verwendet hat. Auch bei einer Verwendung für Bestandsimmobilien ist ernstlich zweifelhaft, ob das Finanzamt entgegen der früheren Verwaltungsauffassung in Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2008 und Abschn. 13b.3. Abs. 8 UStAE 2011/2012/2013 eine Besteuerung der Leistung beim Bauleistenden verlangen kann .

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 30. November 2015, Az: 3 V 774/15, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2015  3 V 774/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

1
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erbrachte in den Streitjahren 2010 und 2011 Bauleistungen an eine Bauträger-GmbH (B-GmbH), die Organgesellschaft der A-GbR als Organträger war. Die B-GmbH verwendete die bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten und für Bestandsimmobilien. Die Antragstellerin und die B-GmbH gingen von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Dementsprechend versteuerte die A-GbR als Steuerschuldner die Leistungsbezüge von der Antragstellerin.
2
Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) verlangte die A-GbR die Erstattung der von ihr nach § 13b UStG entrichteten Steuer. Daraufhin änderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt –FA–) die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2010 und 2011 der Antragstellerin durch die Änderungsbescheide vom 17. April 2015 gemäß § 164 der Abgabenordnung. Dabei ging das FA davon aus, dass die Antragstellerin die steuerpflichtig an die B-GmbH erbrachten Leistungen als Steuerschuldner zu versteuern habe. Zur Begründung wies das FA auf die Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG hin. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.
3
Demgegenüber gewährte das Finanzgericht (FG) die beantragte Vollziehungsaussetzung. Es sah die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide insbesondere im Hinblick auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit als ernstlich zweifelhaft an.
4
Hiergegen wendet sich das FA mit Beschwerde. § 27 Abs. 19 UStG sei anzuwenden. Es bestehe ein vorrangiges Interesse am Vollzug eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes. Zu beachten seien die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.
5
Das FA beantragt,unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Vollziehungsaussetzung zur Umsatzsteuer 2010 und 2011 abzulehnen.
6
Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des FG.


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