Steuerrecht

Berücksichtigung der verdeckten Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen

Aktenzeichen  2 V 2822/15

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132587
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3 Nr. 40d, § 22 Nr. 3, § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 45a
AO § 218

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Streitig sind im Einspruchsverfahren der Antragsteller (Ast) gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 6. August 2015, ob dem Ast verdeckte Gewinnausschüttungen und seit seinem Ausscheiden als Gesellschafter der S-GmbH (- GmbH -, vormals … GmbH) sonstige steuerpflichtige Leistungen i.S.v. § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen sind.
Die Ast sind seit 30. September 2005 verheiratet und wurden vom Antragsgegner in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Am 19. Dezember 2008 haben die Ast ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im inländischen N aufgegeben (vgl. Meldebescheinigung des Marktes N vom 19. März 2009) und wohnen seither in E (Österreich).
Unternehmenszweck der GmbH war zunächst die Tätigkeit als Bauträger, seit 2005 gibt die GmbH ihren Unternehmenszweck mit Dienstleistungen und Vertrieb an. An der GmbH waren bis 6. April 2005 zu 100% und ab 7. April 2005 zu 50% der im August 2009 verstorbene O, durch Anteilsabtretung ab 7. April 2005 bis 2. Juni 2006 zu 50% der Ast und durch Anteilsabtretung des Ast ab 3. Juni 2006 S zu 50% als Gesellschafter beteiligt. Der Freistaat Bayern ist seit 2009 wegen Ausschlagens des Erbes durch die Rechtsnachfolger von O zu 50% an der GmbH beteiligt. Geschäftsführer der GmbH waren bis 11. Mai 2005 O, ab 11. Mai 2005 bis 2. Juni 2006 der Ast und seit 2. Juni 2006 S. Die GmbH war in den Streitjahren steuerlich vertreten von der Rechts- und Steuerberatungskanzlei Rechtsanwalt …, bei der der Ast als Sachbearbeiter tätig war. Die Jahresabschlüsse für die GmbH erstellte der Ast. Auch nach seinem Ausscheiden aus der GmbH hatte der Ast weiterhin Zugriff auf Konten der GmbH.
Die … Speditions GmbH (Inhaber: RH) hat in den Jahren 2005 und 2006 von der GmbH, während der Zeit der Beteiligung des Ast, verschiedene Rechnungen über Vermittlungsleistungen erhalten, denen Umsätze mit den US-Streitkräften zugrunde gelegen haben sollen. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatten jedoch weder der Gesellschafter O noch der Ast nachweislich Kontakte zu den US-Streitkräften unterhalten. Bei den Rechnungen der GmbH handelte es sich um Scheinrechnungen, die der Firma … Speditions GmbH den Abzug von Betriebsausgaben ermöglichen sollten. Bei der GmbH wurden entsprechend Einnahmen gebucht. Die Zahlungen der … Speditions GmbH erfolgten nicht auf den laufenden Konten der GmbH, sondern auf einem nicht in der Buchführung der GmbH erfassten Bankkonto der GmbH, zu dem der Ast auch nach seinem Ausscheiden als Gesellschafter der GmbH weiterhin Zugang hatte. Durch vorhandene Verlustvorträge der GmbH ergaben sich keine körperschaftsteuerrechtlichen Folgen der Zahlungen für die GmbH (vgl. Einspruchsentscheidung des Finanzamts M vom 11. September 2014, Rb-Akte Bd II, Bl. 62).
Im Zeitraum 11. Mai 2012 bis 11. November 2013 fand bei der GmbH eine Außenprüfung statt, die sich u.a. auf Körperschaftsteuer und Steuerabzug vom Kapitalertrag für 2005 bis 2008 erstreckte. Die Prüferin stellte in Zusammenarbeit mit der Steuerfahndungsstelle u.a. fest, dass die Buchführung der GmbH nicht ordnungsgemäß gewesen sei (vgl. im Einzelnen, BP-Bericht vom 13. November 2013, Tz. 4, Rb-Akte, Bd. II, Bl. 6 f.).
Ferner stellte die Prüferin fest, dass die GmbH in der Zeit der Geschäftsführung durch den Ast einen Standort in R gehabt habe. Bei Aufgabe dieses Standorts mit dem Ausscheiden des Ast seien die 2005 und 2006 zugegangenen Möbel bei einer dem Ast nahestehenden Firma (eine der K-Firmen) verblieben. An den K-Firmen seien entweder der Ast oder die Astin beteiligt gewesen. Zudem seien vor und nach dem Ausscheiden des Ast aus der GmbH von der GmbH zahlreiche (private) Aufwendungen für den Ast beglichen worden und diese über das Gesellschafterverrechnungskonto gebuchten Zahlungen im Anschluss mit Verbindlichkeiten gegenüber Herrn O verrechnet worden. Der Gesellschafter O habe über Forderungen i.H.v. 689.626,45 € gegenüber der GmbH verfügt. Im Verzicht auf die Rückzahlung der Beträge seien dem Ast Vorteile zugewandt worden, denen keine Leistung des Ast gegenübergestanden hätten. Dem Ast seien verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von 15.555 € (Abgang Büromöbel an Ast im Jahr 2006, BP-Bericht vom 13. November 2013, vgl. Rb-Akte Bd. II, Bl. 19) sowie Zahlungen der GmbH für den Ast bis zu dessen Ausscheiden von 44.053 € im Jahr 2005 (1.111 € für Aufwendungen des Ast zum Erwerb seines Gesellschaftsanteils und 42.942 €) und von 61.508 € im Jahr 2006 zugeflossen. Nach dessen Ausscheiden habe die GmbH weiterhin Zahlungen für den Ast geleistet, im Jahr 2006 107.697 € und im Jahr 2007 158.433 € (vgl. Tz. 1.25 des BP-Berichts, Seiten 18 f.).
Der Steuerabzug vom Kapitalertrag hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttungen betrage für 2005 14.684 € bzw. für 2006 25.687 €. Beim Ast könne auf den Einbehalt des Kapitalertrags nicht verzichtet werden, da der Ast im Inland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Der Einbehalt betrage 33 1/3% von den dem Ast zugeflossenen Beträgen, da der ausbezahlte Betrag den Nettobetrag darstelle; die Höhe der Leistungen der GmbH seien 2005: 44.053 € und 2006: 77.063 € (15.555 € + 61.508 €) gewesen.
Dementsprechend erließ das Finanzamt M gegenüber der GmbH am 11. Dezember 2013 einen Nachforderungsbescheid u.a. über Kapitalertragssteuer 2005 und 2006 von insgesamt 40.684,33 € (14.684, 33 € + 25.687,66 €). Den dagegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt M mit (bestandskräftiger) Einspruchsentscheidung vom 11. September 2014 als unbegründet zurück.
Der Antragsgegner berücksichtigte in den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 6. August 2015 über Einkommensteuer für 2005 bis 2007 von den verdeckten Gewinnausschüttungen -in den Jahren 2005 von 44.053 € und 2006 von 77.063 €- 50% als steuerpflichtige Einnahmen (§ 3 Nr. 40d EStG) im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen des Ast sowie die dem Ast zugeflossenen Einnahmen in den Jahren 2006: 107.697 € und 2007: 158.433 € im Rahmen der sonstigen Einkünfte des Ast i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG.
Dagegen legten die Ast Einsprüche beim Antragsgegner ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Änderungsbescheide vom 6. August 2015. Zur Begründung tragen sie vor, dass die mit Nachforderungsbescheid vom 11. Dezember 2013 bestandskräftig festgesetzte Kapitalertragsteuer für die Jahre 2005 und 2006 hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttungen bereits gezahlt worden sei. Eine nochmalige Festsetzung in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 komme einer dreifachen Besteuerung desselben Sachverhalts gleich. Denn auch der Abfluss von zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben bei der Firma … Speditions GmbH seien bei deren Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln. Es liege eine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 AO vor. Das Erzielen von Einkünften aus sonstigen Leistungen des Ast in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2006 und 2007 werde bestritten. Aus der Aufstellung der Prüferin (vgl. Rb-Akte, Bd I, Bl. 38) ergebe sich, dass die Leistungen nicht dem Ast persönlich zugeflossen seien, sondern Firmen, an denen er nicht beteiligt gewesen sei. Hinzu komme, dass die Zahlung vom 2. März 2007 in Höhe von 72.651,19 € nicht der K-Firmen zugeflossen sei, sondern, wie in der Vernehmung von Herrn Huber festgestellt und am 21. März 2007 protokolliert, in Höhe von 70.000 € an RH zurückgeflossen sei.
Mit Bescheid vom 23. September 2015 lehnte der Antragsgegner den AdV-Antrag der Ast ab.
Im gerichtlichen AdV-Verfahren tragen die Ast ergänzend vor, dass die Steuerbescheinigungen der GmbH über die gezahlte Kapitalertragsteuer von 14.684,33 € (2005) und von 19.265,75 € (2006) am 28. Dezember 2015 an den Antragsgegner übersandt worden seien (vgl. vorgelegte Kopien, FG-Akte, Bl. 68 ff.). Darüber hinaus seien die Zahlungen aus der Auflistung der Betriebsprüfung folgenden Empfängern zuzuordnen:
Ast
K-Grundbesitz GmbH und Co. KG
K-Kanzlei GmbH und Co. KG
1.700,00 €
10.290,00 €
2.498,99 €
1.899,00 €
26.528,71 €
2.053,00 €
911,67 €
5.324,00 €
767,60 €
2.303,13 €
53,38 €
689,35 €
18.593,07 €
3.536,48 €
1.608,92 €
2.086,86 €
12.500,00 €
2.805,54 €
1.096,88 €
2.937,99 €
18.000,00 €
1.377,50 €
17.327,45 €
12.000,00 €
30.000,00 €
15.000.00 €
1.955,37 €
72.651,19 €
Davon seien infolge der Weitergabe an RH am 21. März 2007 70.000 € und am 10. April 2007 53.000 € abzuziehen.
Über die eingelegten Einsprüche gegen die Änderungsbescheide vom 6. August 2015 liegt noch keine Entscheidung des Antragsgegners vor.
Die Ast beantragen sinngemäß,
die Vollziehung der Änderungsbescheide vom 6. August 2015 über Einkommensteuer für 2005, 2006 und 2007 – soweit diese die genannten verdeckten Gewinnausschüttungen und sonstigen Einkünfte berücksichtigt habenwegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen Härte für die Dauer des Einspruchsverfahrens auszusetzen.
Das FA beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen,
hilfsweise bei Aufhebung der Vollziehung eine Sicherheitsleistung von mindestens 141.364,38 € anzuordnen.
Die Anordnung einer Sicherheitsleistung sei z.B. gerechtfertigt, wenn der Steuerbescheid nach erfolglosem Rechtsbehelf im Ausland vollstreckt werden müsse. Dies gelte auch, wenn in einem Mitgliedstaat der EU zu vollstrecken sei.
Die bei der GmbH festgesetzte Kapitalertragssteuer für die verdeckten Gewinnausschüttungen sei eine Steuer des Ast, die grundsätzlich nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechenbar sei, wenn die in § 45a EStG bezeichnete Bescheinigung der ausschüttenden GmbH vorgelegt werde.
Auch nach dem Ausscheiden des Ast als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH seien weiterhin Zahlungen der GmbH zugunsten des Ast geleistet worden. Grund für diese Zahlungen seien diverse Hilfstätigkeiten des Ast zur Steuerhinterziehung Dritter gewesen. Insoweit werde auf die Vernehmungsniederschrift des Ast vom 3. Dezember 2014 (vgl. Rb-Akte Bd. II, Bl. 88 ff.) Bezug genommen. Eine widerstreitende Steuerfestsetzung sei nicht erfolgt, da sich durch den Saldo von verdeckten Gewinnausschüttungen und Werbungskosten bei S keine steuerlichen Auswirkungen ergeben hätten. Die für den Ast geleisteten Zahlungen der GmbH seien zwar S als verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen, jedoch sei der Abfluss der inkriminierten Zahlungen bei den Einkünften von S aus Kapitalvermögen als Werbungskosten berücksichtigt worden (vgl. Einspruchsentscheidung vom 11. September 2014, Rb-Akte Bd. II, Bl. 65, und Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007, Rb-Akte Bd. II, 81 f., 84 f.).
Die steuerrechtlich geforderte Mitarbeit im Rahmen der BP (§§ 93, 93a, 200 AO) bei der GmbH sei weder von S noch von der beauftragten Kanzlei … geleistet worden. S habe sich auf mangelndes Wissen über die fraglichen Sachverhalte berufen und habe auf den Ast in seiner Funktion als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH und dann als Bearbeiter der Kanzlei … verwiesen. Der Ast habe im Schreiben vom 20. März 2013 die Beantwortung weiterer Fragen, obwohl er von der Kanzlei… dazu aufgefordert worden sei, verweigert. Auch auf spätere Angebote zur Klärung fraglicher Sachverhalte bzw. Vorlage klärender Unterlagen oder Besprechungen sei der Ast nicht eingegangen (vgl. Bp-Bericht, Rb-Akte Bd. II, Bl. 7).
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den BP-Bericht, die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 23. September 2015 sowie die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, auf die Einspruchsentscheidung vom 11. September 2014, die Zeugenvernehmung des Ast vom 3. Dezember 2014 und die nach § 45a EStG gefertigten Bescheinigungen der ausschüttenden GmbH über 14.684,33 € (2005) und über 19265,75 € (2006) in Ablichtung Bezug genommen.
II.
1. Soweit die Ast die Auffassung vertreten, an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 bestünden ernstliche Zweifel, weil die Kapitalertragsteuer (noch) nicht angerechnet worden ist, ist der Antrag ohne Aussicht auf Erfolg.
a) Zum einen ist der Antrag insoweit mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Die Ast können ihr Rechtsschutzziel einfacher dadurch erreichen, dass sie beim FA einen Abrechnungsbescheid nach § 218 AO beantragen. Hinzu kommt, dass sie die Bescheinigungen der ausschüttenden GmbH nach § 45a EStG erst mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 dem Antragsgegner vorgelegt haben.
b) Im Übrigen ist der Antrag auch insoweit ohne Aussicht auf Erfolg, weil die Anrechnung nicht zum Inhalt des Einkommensteuerbescheides (vgl. §§ 118 Satz 1, 155 Abs. 1 und 157 Abs. 1 Satz 2 AO) gehört. Die Anrechnung einbehaltener Steuerabzugsbeträge gehört zur Steuererhebung, die rechtlich von der Steuerfestsetzung zu unterscheiden ist.
2. Soweit die Ast die Auffassung vertreten, an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 bestünden ernstliche Zweifel, weil die verdeckten Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden seien, ist der Antrag unbegründet.
2.1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf AdV ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Bundesfinanzhof -BFHUrteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, Bundessteuerblatt -BStBlII 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1998, 994, vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).
Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde, und präsenten Beweismitteln ergibt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116; vom 16. Juni 2003 IX B 60/03, BFHE 202, 557, BStBl II 2003, 945).
Im summarischen Verfahren ist es nicht Aufgabe des Gerichts, Feststellungen aus umfangreichen Akten und Belegen zu treffen, ohne dass sie zuvor von den Beteiligten detailliert aufbereitet worden sind. Im gerichtlichen Verfahren hat die Verwaltung den Streitstoff und das Aktenmaterial so aufzubereiten, dass es dem Gericht ermöglicht wird, sich in angemessener Zeit und unter zumutbaren Arbeitsaufwand ein eigenes Urteil zu bilden. Umgekehrt ist es dann Sache des Ast, die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Im Besteuerungsverfahren bleibt der einer Straftat Verdächtige grundsätzlich auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens zur (wahrheitsgemäßen) Mitwirkung verpflichtet (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 69 Tz. 123, m.w.N.).
Nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) geht die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbegründender Tatsachen zu Lasten der Finanzbehörde, diejenige steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220, und vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Der objektiven Beweislast (Feststellungslast) im Klageverfahren entspricht eine objektive Glaubhaftmachungslast im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden.
Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279; vom 6. September 1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen bzw. aufzuheben (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2001 I S 3/01, BFHE 194, 360, BFH/NV 2001, 957).
2.2. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsgegner zu Recht bis zum Ausscheiden des Ast verdeckte Gewinnausschüttungen bejaht und diese je zur Hälfte den Einkünften aus Kapitalvermögen des Ast in den Streitjahren zugeordnet und der Einkommensteuer 2005 und 2006 unterworfen.
2.2.1. Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliegen erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nach § 32d Abs. 1 EStG einem gesonderten Steuertarif von 25% (Abgeltungsteuer).
2.2.2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn eine Körperschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat und der Vermögensvorteil dem Gesellschafter zugeflossen ist. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das „Nahestehen“ in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Nur in diesem Falle spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die nahestehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zum Gesellschafter nicht erhalten hätte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05, BStBl. II 2007, 830, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze und der präsenten Beweismittel bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vom 6. August 2015. Das Verbleiben der Büromöbel ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Ast als Zuwendung zu Lasten der GmbH so zu beurteilen, als hätte der Ast als Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die ihm nahestehende Person (K-Firmen) weitergegeben. Darüber hinaus stellen auch die in den Jahren 2005 und 2006 vorgenommen Zahlungen der GmbH für den Ast bis zu seinem Ausscheiden verdeckte Gewinnausschüttungen dar.
Zwar trägt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung grundsätzlich die Finanzbehörde (vgl. BFH Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179). Das gilt auch hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung etwaiger eine verdeckte Gewinnausschüttung auslösender Vorgänge (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 52/02, BFH/NV 2003, 1221). Die Gesellschafter sind aber nach § 90 AO verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die in ihrer Sphäre und ihrem Wissen liegenden Umstände offen zu legen. Verweigert er seine Mitwirkung geht dies zu seinen Lasten. Denn die Nichterfüllung der ihm nach § 90 AO auferlegten Pflichten zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts führt für die Finanzbehörde zu einer Reduzierung des Beweismaßes hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462; vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BStBl II 2004, 171, und vom 9. Juli 2003 I R 48/02, BStBl II 2004, 425; vom 22. September 2004 III R 9/03, BStBl 2005, 160).
Die Möbel befinden sich nicht mehr im Betriebsvermögen der GmbH, sondern befinden sich am früheren Firmensitz der GmbH bei einer der K-Firmen. Der Ast hat seine Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts verweigert (vgl. BP-Bericht, Rb-Akte Bd. II, Bl. 7). Trotz mehrfacher Aufforderung hat sich der Ast zum Verbleib der Büromöbel und auch zum Wert nicht geäußert. Auch im gerichtlichen AdV-Verfahren ist der Ast seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im Übrigen wird auf die in diesem Zusammenhang zutreffende weitere Begründung in der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2014 Bezug genommen. Hinzu kommt, dass der Ast anlässlich seiner Vernehmung in der Steuerstrafsache gegen den Beschuldigten RH am 3. Dezember 2014 selbst eingeräumt hat, dass er die Büroausstattung der GmbH erhalten hat (vgl. Rb-Akte Bd. II, Bl. 93).
Hinsichtlich der zu seinen Gunsten von der GmbH geleisteten Zahlungen von 1.111 € und 42.942 im Jahr 2005 und 61.508 € im Jahr 2006, die vom Antragsgegner als dem Ast zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt worden sind, fehlt es bereits am substantiierten Bestreiten des Ast.
2.3. Unter Berücksichtigung präsenter Beweismittel bestehen im Streitfall auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vom 6. August 2015 über die Einkommensteuer 2006 und 2007, soweit der Antragsgegner die Zahlungen der GmbH für den Ast (vgl. Zusammenstellung der Buchungen der GmbH ab Ausscheiden des Ast, vgl. Rb-Akte Bd. I, Bl. 38) als sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG berücksichtigt hat. Der Ast hat im Schriftsatz vom 29. Dezember 2015 selbst vorgetragen, dass die Zahlungen für ihn oder für eine der K-Firmen geleistet worden sind (vgl. FG-Akte, Bl. 66). Bei den K-Firmen handelt es sich um dem Ast nahestehenden Firmen (s.o.).
2.3.1 Nach § 22 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind sonstige Einkünfte, Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften im Sinne der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Solche Einkünfte sind nicht einkommensteuerpflichtig, wenn sie weniger als 256 € im Kalenderjahr betragen haben. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Leistungen im Sinne des Satzes 1 erzielt hat oder erzielt; § 10d Absatz 4 EStG gilt entsprechend.
Eine sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 2012 IX R 6/10, BStBl II 2012, 581, m.w.N.). Hinreichend ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise, dass die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen „ausgelöst“ wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2004 IX R 13/02, BStBl II 2005, 44, m.w.N.). Durch Anknüpfen an die wirtschaftliche Veranlassung als Korrektiv ist der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG hinreichend konkretisiert (Bestimmtheitsgebot), ohne dadurch eine Art Generaltatbestand zu eröffnen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 33/07, BFH/NV 2009, 1253, m.w.N., Klaus Jachmann, jurisPR-SteuerR 46/2009, Anm. 3).
2.3.2. Der Ast war nach seinem Ausscheiden weiter für die GmbH tätig. Dies hat er anlässlich seiner Zeugenvernehmung in der Strafsache gegen den Beschuldigten RH selbst bestätigt und vorgetragen, dass er die GmbH nach seinem Ausscheiden als Kunden behalten hat. Grund für die Zahlungen der GmbH sind diverse Hilfstätigkeiten des Ast zur Steuerhinterziehung Dritter gewesen. Diese Hilfstätigkeiten stellen Leistungen i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG dar. Er hat dafür auch ein Entgelt erhalten. Dies bestand darin, dass die GmbH für ihn private Rechnungen bezahlt hat oder ihm Geld zur Verfügung gestellt hat, das er an ihn nahestehende Personen, die K-Firmen, weitergereicht hat. Von Seiten der GmbH hat ansonsten keine Veranlassung bestanden Rechnungen für die K-Firmen zu bezahlen. Der Ast hat in seiner Zeugenvernehmung am 3. Dezember 2014 bestätigt, dass er vom Bankkonto der GmbH keine Barentnahmen getätigt hat und dass er private Rechnungen und Rechnungen der K-Firmen vom Konto der GmbH bezahlt hat. Wie viel Geld ihm so zugeflossen ist, konnte der Ast zwar nicht mehr sagen. Allerdings ist es nach seinen Angaben nicht wenig gewesen.
Anhaltspunkte für eine Aneignung ohne Wissen und Willen der GmbH liegen nicht vor. Insoweit wird auf die Feststellungen in der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2014 hinsichtlich des Gesellschafter-Geschäftsführers S verwiesen. Im Übrigen hatte auch der verstorbene Gesellschafter O Kenntnis von den an die Firma … Speditions GmbH gerichteten Scheinrechnungen (vgl. Auszug aus der Vernehmungsniederschrift vom 19. Dezember 2014, FG-Akte, Bl. 77).
Danach bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Zusammenstellung der Prüferin über die gebuchten Zahlungen der GmbH für den Ast (vgl. Rb-Akte der Rb-Akte Bd. I, Bl. 38) zutreffend ist und diese Zahlungen als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus sonstigen Leistungen (2006: 107.697 € und 2007: 158.433 €) zu erfassen gewesen sind.
Ob Kick-back-Zahlungen von 70.000 € am 21. März 2007 und von 53.000 € am 10. April 2007 in bar an erfolgt sind und damit Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind, hat der Ast nicht glaubhaft nachgewiesen. Der Auszug der Vernehmungsniederschrift vom 19. Dezember 2014 und die zusammengestellten Buchungen der Prüferin zugunsten des Ast und ihm nahestehender Firmen (Rb-Akte Bd. I, Bl. 38) sind weder betragsmäßig identisch noch gibt es Buchungen am 4. Juni 2007 und am 1. Juli 2007 noch stehen die behaupteten Kick-back-Zahlungen und die von der Prüferin zusammengestellten Buchungen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang. Zudem ist kein schlüssiger Grund vorgetragen, warum Kick-back-Zahlungen auch über die K-Firmen gelaufen sein sollen, wenn der Ast vom Bankkonto der GmbH die Beträge dafür bar abgehoben hat (vgl. Vernehmungsniederschrift vom 3. Dezember 2014, Rb-Akte Bd. II, Bl. 93).
Insofern ist eine widerstreitende Steuerfestsetzung zur Besteuerung verdeckter Gewinnausschüttungen bei RH weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Eine widerstreitende Steuerfestsetzung mit Steuerfestsetzungen bei S ist nicht erfolgt, weil sich durch den Saldo von verdeckten Gewinnausschüttungen und Werbungskosten keine steuerliche Auswirkung ergeben hat (vgl. Rb-Akte Bd. II, Bl. 81 ff).
3. Die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben.
Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Im weiteren Rechtsbehelfsverfahren werden die Ast, um eine Entscheidung zu ihren Gunsten erreichen zu können, ihrer Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung nachkommen müssen.
Sie werden dem FA nachvollziehbar, ggf. schriftlich unter Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere darzulegen haben, ob Kick-back-Zahlungen an RH als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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