Steuerrecht

Berücksichtigung einkommensmindernder langjähriger negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Aktenzeichen  8 K 954/18

Datum:
5.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 48323
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1,§ 143 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
Die Änderungsbescheide vom 19.07.2019 sind rechtmäßig und der Kläger ist durch sie nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs der von ihm entrichteten Schuldzinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände ist eine Absicht des Klägers zu Vermietung und Einkünfteerzielung für das Grundstück ABC 7 in Ort1 in den Streitjahren nicht feststellbar.
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zählen zu den Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden.
a) Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 01.12.2015 IX R 9/15, BStBl II 2016,335 m.w.N.). Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst worden ist (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747). Die Aufwendungen können selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307, m.w.N.).
b) Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück sind als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer (beabsichtigten) Bebauung des Grundstücks und anschließender Vermietung oder Verpachtung des Gebäudes besteht. Die Absicht, ein unbebautes Grundstück bebauen zu wollen, kann nicht unterstellt werden (BFH-Urteil vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554). Der Wille, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, muss aus äußeren Umständen erkennbar und in ein konkretes Stadium getreten sein (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761). Der Steuerpflichtige muss Maßnahmen ergriffen haben, die darauf abzielen, das Grundstück mit dem Ziel der Vermietung zu bebauen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554; vom 21. August 1990 IX R 83/85, BFH/NV 1991, 95). Das bedeutet nicht, dass der Steuerpflichtige in jedem Fall schon mit der Bebauung begonnen haben muss; die Absicht kann sich auch aus hinreichend eindeutigen Vorbereitungshandlungen ergeben.
2. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das FG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Auf die Bebauungs- und die Vermietungsabsicht als innere Tatsachen kann nur anhand von äußeren Umständen (Indizien) geschlossen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192). Die Erklärung des Steuerpflichtigen, er wolle das Grundstück bebauen, reicht insoweit nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 95). Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls. Dabei müssen nicht nur die im Streitzeitraum eingetretenen Umstände berücksichtigt werden. Bei der tatrichterlichen Würdigung der Umstände kann in Zweifelsfällen auch das spätere Verhalten des Steuerpflichtigen miteinbezogen werden (BFH-Urteile vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355; vom 4. Juni 1991 IX R 89/88, BFH/NV 1991, 741; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2006 IX B 202/05, BFH/NV 2007, 226). Starre Regeln für die Würdigung und Gewichtung der einzelnen Umstände gibt es nicht.
b) Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Erwerb des unbebauten Grundstücks, dessen Bebauung und anschließender Vermietung ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal für den Abzug von Werbungskosten. Er ist jedoch bei der tatrichterlichen Würdigung zu beachten, ob nach den Gesamtumständen ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit künftigen Einnahmen besteht (BFH-Urteile in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554, und in BFH/NV 1991, 741) .Dabei ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH eine abschließende (negative) Beurteilung der Vermietungsabsicht mit Rücksicht auf den bloßen Zeitablauf regelmäßig erst dann möglich, wenn eine Vermietung über mehr als zehn Jahre nicht zustande gekommen ist (BFH-Urteile vom 11.08.2010 IX R 3/10, BStBl II 2011, 166; vom 16.06.2015 IX R 27/14, BFH/NV 2016,98). Diese Rechtsprechung betrifft indes bebaute Grundstücke. Bei einem unbebauten Grundstück – wie hier – muss dieser Zeitrahmen im Hinblick auf die vor der Vermietung erforderliche Bebauung großzügiger gehandhabt werden (BFH-Urteil vom 01.12.2015 IX R 9/15, BStBl II 2016, 335 m.w.N.).
c) Finanzielle Schwierigkeiten stehen der Annahme der Bebauungsabsicht grundsätzlich nicht entgegen. Erforderlich ist allerdings, dass der Steuerpflichtige trotz der finanziellen Schwierigkeiten konkret damit rechnen konnte, das Grundstück in überschaubarer Zeit bebauen zu können, und dass er seine Bauabsicht nachhaltig zu verwirklichen sucht (BFH-Urteil in BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192). Dafür kann der Abschluss von Bausparverträgen sprechen (BFH-Urteil in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554). Ebenso beachtlich ist jedoch, wenn sich der Steuerpflichtige auf andere Weise erkennbar darum bemüht, das für die Bebauung erforderliche Eigenkapital anzusparen. Nicht erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpft, um sich möglichst sofort ein Darlehen zu verschaffen. Ein vorsichtiges, auf das Ansparen von Eigenkapital gerichtetes Finanzierungsverhalten spricht nicht gegen die (behauptete) Bebauungsabsicht. In diesem Fall muss sich aber aus weiteren Umständen ergeben, dass sich der Steuerpflichtige seinen Angaben entsprechend verhalten und entsprechende Mittel tatsächlich angesammelt hat. Dafür kann die spätere Verwendung der angesparten Mittel rückwirkend von Bedeutung sein.
d) Weitere Indizien, aus denen sich der wirtschaftliche Zusammenhang ergeben kann, sind nach der Rechtsprechung die Bebaubarkeit des Grundstücks (BFH-Urteile in BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761; in BFH/NV 1991, 741; vom 19. Dezember 2007 IX R 30/07, BFH/NV 2008, 1300), die Beauftragung eines Architekten oder eine Bauvoranfrage (BFH-Urteil in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554). Dass es sich dabei von Fall zu Fall auch um mehr oder weniger unverbindliche Vorbereitungshandlungen handeln kann, steht dem nicht grundsätzlich entgegen. Jedenfalls zusammen mit anderen Indizien können diese Umstände für die (behauptete) Bebauungsabsicht sprechen.
e) Zu berücksichtigen ist weiter, ob Anhaltspunkte für eine Veräußerungsabsicht des Steuerpflichtigen bestehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1300) oder fehlen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).
3. Im vorliegenden Streitfall ist aus den Akten sowie den Einlassungen des Klägervertreters bekannt, dass sich der Kläger um die Finanzierung des Projekts bemüht, indem er Bausparverträge bespart hat und mit den fälligen Guthaben bestehende Bankkredite getilgt hat. Nach den Erkenntnissen des beklagten Finanzamts aus der Einkommensteuererklärung des Klägers für 2016 hatte der Kläger noch erhebliche Schulden allein aus dem Darlehen für das strittige Objekt; die Finanzierung des Gebäudes wäre erst ab 2022 überhaupt möglich.
Der Klägervertreter weist wiederholt darauf hin, dass der Kläger das Vermietungsobjekt in Eigenleistung erstellen werde und dies einen längeren Zeitraum beanspruchen werde.
Nach den bisherigen Erkenntnissen des Gerichts ist auch im Jahr 2020 mit der Bebauung des Grundstücks noch nicht begonnen worden. Aus dem Luftbild bei Google Maps aus dem Jahr 2020 ist deutlich erkennbar, dass lediglich zwei Container auf dem Grundstück abgestellt sind. Im bisherigen Verlauf des Verwaltungs- und Klageverfahrens hat der Kläger weder Angaben gemacht, wie er und wann er die Bebauung plane. Konkrete Angaben hierzu fehlen vollständig.
Auch die Einlassung des Klägervertreters im Verfahren 7 K 1572/19 ändert daran nichts.
Konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begonnene oder in unmittelbarer Zukunft beginnende Bebauung gibt es nach wie vor nicht.
Die Einlassung des Klägers besteht im Wesentlichen aus bloßen Absichtserklärungen.
Tatsache ist, dass nach wie vor keinerlei Bautätigkeit aufgenommen worden ist.
Da inzwischen 17 Jahre seit Anschaffung des Grundstücks vergangen sind, ist auch der von der Rechtsprechung geforderte „großzügige“ Zeitrahmen bei unbebauten Grundstücken nunmehr deutlich überschritten.
Für die objektiven Umstände, aus denen auf das Vorliegen der Bebauungs- und Vermietungsabsicht geschlossen werden soll, ist der Steuerpflichtige darlegungs- und beweisbelastet (BFH-Urteile in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554, und vom 14. November 1989 VIII R 270/84, BFH/NV 1990, 776). Kann sich das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass die Bebauungs- und Vermietungsabsicht vorlag, geht dies zu Lasten des Klägers, der sich hierauf beruft.
Nach diesen Grundsätzen kann im Ergebnis nicht von der für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden.
Die negativen Einkünfte bezogen auf das Objekt ABC 7 sind steuerlich nicht zu berücksichtigen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.


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