Steuerrecht

Berücksichtigung von zeitraumbezogenen Zuzahlungen des Arbeitnehmers für ein ihm auch zur Privatnutzung überlassenes betriebliches Kfz

Aktenzeichen  VI R 19/18

Datum:
16.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:B.161220.VIR19.18.0
Normen:
§ 8 Abs 2 S 2 EStG 2009
§ 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2009
§ 11 EStG 2009
§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 40a Abs 2 EStG 2009
§ 40a Abs 5 EStG 2009
§ 40 Abs 3 S 3 EStG 2009
§ 8 Abs 1 Nr 1 SGB 4
§ 42 AO
R 8.1 Abs 9 Nr 4 S 2 LStR 2015
R 8.1 Abs 9 Nr 4 S 3 LStR 2015
EStG VZ 2015
Spruchkörper:
6. Senat

Leitsatz

1. Zeitraumbezogene (Einmal-)Zahlungen des Arbeitnehmers für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz sind bei der Bemessung des geldwerten Vorteils (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und vorteilsmindernd zu berücksichtigen.
2. Dies gilt auch bei zeitraumbezogenen Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur Privatnutzung überlassenen betrieblichen Kfz (entgegen R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Sätze 2 und 3 LStR und BMF-Schreiben vom 04.04.2018 – IV C 5-S 2334/18/10001, BStBl I 2018, 592).

Verfahrensgang

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. April 2018, Az: 9 K 210/17, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.04.2018 – 9 K 210/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
I. Der mittlerweile verstorbene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Rentner. Im Streitjahr (2015) erzielte er u.a. Einnahmen aus einer Tätigkeit bei der … GmbH. Die Geschäfte der GmbH führte ein Sohn des Klägers. Die GmbH versteuerte die Einnahmen des Klägers nach § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 2 % des Arbeitsentgelts. Das Arbeitsentgelt ermittelte sie wie folgt:
Gehalt
 75 € 
geldwerter Vorteil PKW-Nutzung
        
(574 € abzüglich vom Kläger gezahlter Zuschuss 200 €)          
374 € 
Bruttoverdienst
449 € 
2
Der privaten PKW-Nutzung lag ein am …2010 zwischen der GmbH und dem Kläger geschlossener Kraftfahrzeugüberlassungsvertrag (Kfz-Überlassungsvertrag) als Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag zugrunde. Danach überließ die GmbH dem Kläger ein Fahrzeug der Marke … ab dem …2010 zur überwiegend betrieblichen, aber auch zur privaten Nutzung.
3
In § 2 Nr. 6 des Kfz-Überlassungsvertrags hieß es weiter:
“Der Arbeitnehmer leistet für die Anschaffung des Fahrzeugs eine einmalige Zuzahlung in Höhe von 20.000,00 Euro, die er auf das Konto des Arbeitgebers überweist. Die Zuzahlung wird für einen Zeitraum von 96 Monaten gezahlt. Sollte das Fahrzeug vorzeitig zurückgegeben, veräußert oder getauscht werden, werden dem Arbeitnehmer für jeden nicht genutzten Monat 1/96stel erstattet.”
4
Der Kläger leistete die Einmalzahlung in Höhe von 20.000 € vereinbarungsgemäß im Jahr 2010 an die GmbH.
5
Im Juni 2016 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2015 durch. Dabei berechnete der Prüfer den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung des dem Kläger überlassenen Firmenfahrzeugs wie folgt:
Bruttolistenpreis …
57.322 €
privater Nutzungswert pro Monat gemäß 1 %-Regelung         
573 € 
Nutzungswert pro Jahr (573 € x 12)
6.876 €
6
Die Zuzahlung des Klägers zu den Anschaffungskosten des PKW in Höhe von 20.000 € berücksichtigte der Prüfer nicht anteilig auf die Dauer der Nutzungsüberlassung des PKW verteilt. Nach R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 (jetzt) Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) sei der nach Anrechnung im Zahlungsjahr 2010 verbleibende Zuzahlungsbetrag in den darauffolgenden Kalenderjahren vielmehr auf den Privatnutzungswert für das Kfz anzurechnen und wie folgt zu berücksichtigen:
Zuzahlung Arbeitnehmer
20.000 €
abzüglich geldwerter Vorteil 2010
6.876 €
        
13.124 €
abzüglich geldwerter Vorteil 2011          
6.876 €
        
6.248 €
abzüglich geldwerter Vorteil 2012
6.248 €
        
0 € 
7
Entsprechend minderte die Einmalzahlung des Klägers den privaten Nutzungswert bis Ende des Jahres 2012, sodass nach Auffassung des Prüfers ab dem Kalenderjahr 2013 der geldwerte Vorteil aus der privaten Kfz-Nutzung mit jährlich 6.876 € bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sei. Vor diesem Hintergrund errechnete der Prüfer für die Kalenderjahre beginnend ab 2013 folgende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit für den Kläger:
Gehalt (75 € x 12)
900 € 
geldwerter Vorteil Kfz-Nutzung           
6.876 €
        
7.776 €
8
Im August 2016 gab der Kläger das Fahrzeug an die GmbH vorzeitig zurück. Diese erstattete ihm daraufhin 21/96 des Zuzahlungsbetrags.
9
Mit Bescheid vom 15.02.2017 veranlagte das FA den Kläger zur Einkommensteuer für das Streitjahr. Dabei setzte es bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit –wie vom Prüfer berechnet– einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 7.776 € an und brachte davon den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 € in Abzug.
10
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Ausweislich der Kfz-Überlassungsvereinbarung habe er die Zuzahlung in Höhe von 20.000 € für eine Nutzungsdauer von 96 Monaten geleistet. Das entspreche einem monatlichen Zuzahlungsbetrag in Höhe von 208,33 €. Folglich habe die GmbH seinen Bruttoarbeitslohn, bei dem der monatliche geldwerte Vorteil um 200 € gemindert worden sei, zutreffend berechnet und ordnungsgemäß pauschal lohnversteuert.
11
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1626 veröffentlichten Gründen statt.
12
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
13
Es beantragt sinngemäß,das Urteil des Niedersächsischen FG vom 16.04.2018 – 9 K 210/17 aufzuheben und Einkommensteuer für das Streitjahr auf 7.666 € festzusetzen.
14
Der Kläger beantragt sinngemäß,die Revision als unbegründet zurückzuweisen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.


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