Steuerrecht

Bescheid, Einkommen, Versorgung, Berufung, Einkommensteuerbescheid, Bewilligung, Arbeitsentgelt, Gewerbebetrieb, Arbeitseinkommen, Minderung, Revision, Arbeit, Widerspruchsbescheid, Feststellungsbescheid, Vermietung und Verpachtung, analoge Anwendung, entsprechende Anwendung

Aktenzeichen  L 20 VG 10/17

Datum:
17.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1084
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 7 VG 4/14 2017-05-11 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.05.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist die Zahlung von Versorgungskrankengeld. Der Beklagte hat die Zahlung von Versorgungskrankengeld mit Bescheid vom 24.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.20214 abgelehnt, weil der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Einkünfte aus Kapitalvermögen, jedoch keine Einkünfte iSv § 16b BVG iVm §§ 15 bis 18 EStG erzielt habe. Hiergegen wendet sich der Kläger in zutreffender Weise im Rahmen einer zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG). Diese zum SG Nürnberg erhobene Klage ist aber unbegründet und wurde zu Recht abgewiesen. Die genannten Verwaltungsentscheidungen des Beklagten, die der Kläger angefochten hat, erweisen sich als rechtmäßig. Der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt, denn er hat aufgrund des Angriffs gegen seine Person am 10.01.2009 keinen Anspruch auf Versorgungskrankengeld.
Der Anspruch des Klägers auf Versorgungskrankengeld richtet sich zunächst nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Danach erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger dem Grunde nach vor. Durch Bescheid des Beklagten vom 15.07.2010 wurden bei ihm Schädigungsfolgen aufgrund des gegen ihn gerichteten Angriffs vom 10.01.2009 anerkannt, für die laut dem Bescheid vom 15.07.2010 ein Anspruch auf Heilbehandlung besteht.
Die dem Kläger damit auf seinen am 02.04.2009 beim Beklagten eingegangenen Antrag (vgl. 18a Abs. 3 Satz 1 BVG) zustehende Versorgung umfasst nach dem entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 1 BVG u.a. Heilbehandlung (§§ 10 ff. BVG). Dazu gehört auch Versorgungskrankengeld iSd §§ 16 ff. BVG.
Nach dem hier einschlägigen § 16 Abs. 1a) BVG (idF vom 05.12.2006, gültig ab 01.01.2007, juris) wird Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der folgenden Vorschriften u.a. Beschädigten gewährt, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Nach den dem Beklagten vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war der Kläger zumindest in den ersten Monaten nach dem tätlichen Angriff vom 10.01.2009 aufgrund eben dieses Angriffs (= Schädigung) arbeitsunfähig bzgl. seiner bisherigen Tätigkeit als Unternehmensberater bzw. Unternehmer, was vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wurde.
Obwohl dem Kläger damit dem Grunde nach Versorgungskrankengeld zustehen könnte, ist ihm solches nicht zu gewähren, weil in seinem Fall mangels feststellbaren Regelentgelts die Höhe des Versorgungskrankengeldes 0 € beträgt.
Grundsätzlich beträgt das Versorgungskrankengeld nach § 16a Abs. 1 BVG (idF vom 01.11.2011, gültig ab 05.11.2011, juris) 80 vH des erzielten regelmäßigen Entgelts (Regelentgelt) und darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Die auf abhängig Beschäftigte zugeschnittene Regelung des § 16a BVG wird durch § 16b BVG ergänzt, dessen Abs. 1 bis 4 (idF vom 01.11.2011, gültig ab 05.11.2011, juris) wie folgt lauten:
„(1) Hat der Berechtigte unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 bis 14 des Einkommensteuergesetzes), aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 des Einkommensteuergesetzes) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes) erzielt, ist § 16a entsprechend anzuwenden.
(2) 1Bemessungszeitraum ist das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt. 2Das Versorgungskrankengeld ist für Kalendertage zu zahlen. 3Als Regelentgelt gelten die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt worden sind. 4Ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten ist nicht vorzunehmen. 5Den Gewinnen sind erhöhte Absetzungen nach den §§ 7b bis 7d und 7h bis 7k des Einkommensteuergesetzes, nach den §§ 82a, 82g und 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, nach den §§ 14 bis 15 des Berlinförderungsgesetzes und nach den §§ 7 und 12 des Schutzbaugesetzes hinzuzurechnen, soweit sie die nach § 7 Abs. 1 oder 4 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Absetzungen für Abnutzung übersteigen. 6Ferner sind Sonderabschreibungen nach den §§ 7f und 7g des Einkommensteuergesetzes sowie nach den §§ 81 und 82f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung hinzuzurechnen. 7Freibeträge für Veräußerungsgewinne nach den §§ 14, 14a, 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes und Freibeträge nach § 13 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes sind nicht zu berücksichtigen.
(3) Findet eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht statt, ist Bemessungszeitraum das letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufene Kalenderjahr, für das der Berechtigte die Gewinne nachweisen kann; die nachgewiesenen Gewinne gelten als Regelentgelt.
(4) Kann ein Regelentgelt nach Absatz 2 oder 3 nicht festgestellt werden oder ergibt ein nach Absatz 2 oder 3 festgestelltes Regelentgelt wegen wesentlicher Änderungen nach Ende des Bemessungszeitraumes oder aus anderen Gründen keinen angemessenen Maßstab für den Einkommensverlust, so ist das Regelentgelt unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.“
Da der Kläger unmittelbar vor dem Angriff am 10.01.2009 kein Arbeitsentgelt als abhängig Beschäftigter erzielt hatte, sondern allenfalls Einkünfte iSv § 16b BVG, sind dessen Regelungen zur Festsetzung des maßgeblichen Regelentgelts des Klägers heranzuziehen.
Nach § 16b Abs. 2 Satz 1 BVG ist Bemessungszeitraum das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt. Der Einkommensteuerbescheid muss dabei unanfechtbar und abschließend sein, d.h. er darf nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stehen; ferner muss er bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorliegen und ein zeitnahes Kalenderjahr betreffen, nämlich das Vorjahr oder das Jahr davor (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 15.02.1989, 9/4b RV 45/87). Denn ein Einkommensteuerbescheid ist insofern nur dann ein brauchbares Beweismittel, wenn er zum einen nicht mehr jederzeit abänderbar ist und somit einen belastbaren Aussagewert besitzt und wenn er zum anderen durch eine gewisse zeitliche Nähe zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch eine brauchbare Aussage über den wirtschaftlichen Schaden gerade aufgrund der Arbeitsunfähigkeit beinhalten kann.
Eine Festsetzung des Regelentgelts als Grundlage des Versorgungskrankengeldes nach § 16b Abs. 2 BVG scheidet damit aus. Der Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2007 datiert vom 11.12.2009 und lag damit bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit noch nicht vor. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 wurden erst im Jahr 2012 erstellt. Laut Kläger sei der letzte unanfechtbare Steuerbescheid bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit 2009 derjenige für das Jahr 2003 vom 04.12.2006 gewesen. Auch dabei handelt es sich jedoch nicht um einen nach § 16b Abs. 2 Satz 1 BVG maßgeblichen Einkommensteuerbescheid. Zum einen stand auch dieser Einkommensteuerbescheid zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 10.01.2009 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO (vgl. Schreiben des Steuerberaters Manaus vom 22.09.2010), zum anderen lassen die Einkünfte aus dem Einkommensteuerbescheid 2003 – und erst recht aus etwaigen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden für noch weiter zurückliegende Kalenderjahre – keine Rückschlüsse mehr zu auf die Einkommenssituation des Klägers zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 10.01.2009, zumal der Kläger ein wechselndes Berufsleben hinter sich hat und die Tätigkeit als Unternehmer bzw. Unternehmensberater erst ca. 2006 (mit Unterbrechung 2007 wegen einer Tätigkeit im Ausland) aufgenommen hat (vgl. die Ausführungen des Klägers bei der nervenärztlichen Begutachtung durch Dr. Z am 04.02.2010).
Auch § 16b Abs. 3 BVG kann für die Ermittlung des Regelentgelts nicht herangezogen werden, weil, anders als dort vorausgesetzt, beim Kläger gerade eine Veranlagung zur Einkommensteuer stattfand.
Damit ist vorliegend für die Festsetzung des Regelentgelts § 16b Abs. 4 BVG maßgeblich, wovon auch der Beklagte zu Recht ausgegangen ist (vgl. ausdrücklich dessen Schreiben vom 18.08.2020).
Kann ein Regelentgelt nach § 16b Abs. 2 oder 3 BVG nicht festgestellt werden oder ergibt ein nach Abs. 2 oder 3 festgestelltes Regelentgelt wegen wesentlicher Änderungen nach Ende des Bemessungszeitraums oder aus anderen Gründen keinen angemessenen Maßstab für den Einkommensverlust, so ist nach § 16b Abs. 4 BVG das Regelentgelt unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.
Bei der „Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von der Rechtsprechung auszufüllen ist. Der Gesetzgeber wollte mit § 16b BVG den Schwierigkeiten und Besonderheiten Rechnung tragen, die die Festsetzung des Regelentgelts bei Selbstständigen mit sich bringt. Ziel war es dabei, eine praktikable Regelung zu treffen, die eine möglichst schnelle Entscheidung über die Höhe des Versorgungskrankengeldes ermöglicht. Folglich dürfen bei der Festsetzung des Regelentgelts nur Beweismittel verwertet werden, die vorliegen oder zumindest ohne größeren Zeitaufwand sofort beschafft werden können (HK-SozEntschR/Stefanie Vogl, 1. Aufl. 2012, BVG § 16b Rn. 14). Es geht letztlich um eine Schätzung des durch die Arbeitsunfähigkeit verursachten wirtschaftlichen Schadens, die sich in erster Linie an der Einkommenslage vor der Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 16b Abs. 2 und 3 BVG) orientiert (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2010, B 9 VS 1/09 R).
Vorliegend wurden die zu berücksichtigenden Gesamtverhältnisse iSv § 16b Abs. 4 BVG maßgeblich durch das Arbeitseinkommen des Klägers unmittelbar vor dem Angriff am 10.01.2009, also im Jahr 2008, geprägt, zumindest insofern, als zu erwarten war, dass der Kläger ein solches auch im Jahr 2009 ohne die Arbeitsunfähigkeit wieder bzw. weiter erzielt hätte. Nach § 16b Abs. 3 BVG gelten, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer überhaupt nicht stattfindet, als Regelentgelt die für das letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufene Kalenderjahr nachgewiesenen Gewinne. Die sinngemäße Heranziehung dieser Regelung ist gleichermaßen naheliegend und angebracht bei der Ermittlung der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG, wenn eine Veranlagung zwar zu erwarten ist, ein nach § 16b Abs. 2 Satz 1 BVG maßgebender Steuerbescheid jedoch noch nicht vorliegt bzw. vorlag – wie im Falle des Klägers der Einkommensteuerbescheid 2008 zum Zeitpunkt des Angriffs im Januar 2009. Dies dürfte auch den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz (BVGVwV vom 26.06.1969, Beilage Nr. 15/69 zum BAnz. Nr. 119, geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 25.04.1974, BAnz. Nr. 83, und Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 27.08.1986, BAnz. Nr. 161, S. 12297), Ziff. 5 zu § 16b, entsprechen, wo für diesen Fall die entsprechende Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 9 bis 11 BVG (= Vorgängerregelung zu § 16b Abs. 3 und 4 BVG in der aktuellen Fassung) vorgesehen ist.
Wie der Kläger den Nachweis seiner Gewinne im Jahr 2008 erbringt, steht bzw. stand ihm frei. Er bzw. der Beklagte hat hierfür zulässigerweise auf die Festsetzungen des Einkommensteuerbescheids 2008 abgestellt, der zwar bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch nicht (und erst recht nicht unanfechtbar) vorlag (siehe dazu oben), allerdings im Laufe des Verwaltungsverfahrens (nämlich am 19.09.2012) erging und deshalb bei der Verwaltungsentscheidung des Beklagten über die Bewilligung von Versorgungskrankengeld an den Kläger mit Bescheid vom 24.09.2013 im Rahmen der Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG herangezogen werden konnte.
Nach dem somit im Rahmen der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG zu berücksichtigenden Einkommensteuerbescheid 2008 erzielte der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit folgende Einkünfte, für die nach § 16b Abs. 1 BVG das Regelentgelt in entsprechender Anwendung des § 16a BVG festzustellen ist:
– Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG): 57.873 €
– Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG): 2.000 €
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 57.873 € wurden durch die Veräußerung des Leasingobjekts der Firma G1 im Jahr 2008 erzielt; die Gesellschaft wurde sodann aufgelöst (vgl. Feststellungsbescheid 2008 des Finanzamts M vom 19.03.2010, Schreiben der H vom 05.03.2012 und Einspruchsentscheidung des Finanzamts E vom 22.02.2013). Im Jahr 2009 erzielte die Firma G1 deshalb nur noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 7,75 € (vgl. Feststellungsbescheid 2009 des Finanzamts M vom 24.11.2010). Dass die Klägerseite im Schriftsatz vom 30.06.2020 die Einordnung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angezweifelt hat, weil es sich bei der Firma G1 um eine Beteiligung an einem Flugzeug ohne Mitspracherecht gehandelt habe, ist angesichts der mehrmaligen und ausdrücklichen bestandskräftigen Entscheidungen der Finanzverwaltung ohne Bedeutung.
Diese – einmaligen – Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 57.873 € aufgrund der Veräußerung des Leasingobjekts der Firma G1 können jedoch nicht der Ermittlung des Regelentgelts bzw. des Einkommensverlusts nach § 16b Abs. 4 BVG zugrunde gelegt werden. Aufgrund der Entgelt- bzw. Einkommensersatzfunktion des Versorgungskrankengeldes setzt dessen Gewährung eine Einkommenseinbuße aufgrund der schädigungsfolgenbedingten Arbeitsunfähigkeit voraus (vgl. BSG, Urteile vom 10.08.1983, 9a RV 7/82, und vom 11.12.2008, B 9 VS 1/08 R; HK-SozEntschR/Stefanie Vogl, 1. Aufl. 2012, BVG § 16b Rn. 5). Die Firma G1 erzielte im Jahr 2009 aber nicht wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers keine (nennenswerten) Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr, sondern weil das Leasingobjekt vorher veräußert worden war. Da der Gewinn aufgrund der Veräußerung des Leasingobjekts der Firma G1 (als Einkünfte aus Gewerbebetrieb) nur einmalig eintreten konnte, stellt er keinen angemessenen Maßstab für den schädigungsfolgen- bzw. arbeitsunfähigkeitsbedingten Einkommensverlust dar und kann deshalb zur Festsetzung des Regelentgelts nach § 16b Abs. 4 BVG nicht herangezogen werden.
Ein – wenn auch sehr geringes – Versorgungskrankengeld ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger im Jahr 2008 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 16b Abs. 1 BVG, § 18 EStG) in Form einer Aufsichtsratsvergütung in Höhe von 2.000,00 € von der Firma E I erzielt hat (vgl. Einkommensteuerbescheid vom 19.09.2012 für das Jahr 2008 und Kontrollmitteilung des Finanzamts S vom 01.12.2009). Denn der Kläger hat, unabhängig von seiner Arbeitsunfähigkeit, diese Aufsichtsratsvergütung in gleicher Höhe auch im Jahr 2009 erhalten (vgl. Kontrollmitteilung des Finanzamts S vom 25.10.2010). Ein schädigungs- bzw. arbeitsunfähigkeitsbedingter Einkommensverlust des Klägers ist damit insofern gar nicht eingetreten. Im Gegenteil hat der Kläger 2009 noch eine weitere Aufsichtsratsvergütung laut Kontrollmitteilung des Finanzamts S vom 25.06.2009 erhalten und insgesamt im Jahr 2009 laut Einkommensteuerbescheid vom 09.03.2012 9.666 € Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (im Vergleich zu 2000 € im Jahr 2008) erzielt. Zieht man die 2000 € Aufsichtsratsvergütung im Jahr 2008 nach § 16b Abs. 1 und 4 BVG iVm § 16a Abs. 1 Satz 1 BVG als Regelentgelt für ein Versorgungskrankengeld in Höhe von 80 vH dieses Regelentgelts heran, so ist das Versorgungskrankengeld nach § 16f Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 BVG um 80 vH der 2009 erzielten Aufsichtsratsvergütungen (= Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bzw. Arbeitseinkommen) zu kürzen, so dass sich auch unter Berücksichtigung der (wenn auch geringen) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Ergebnis kein Versorgungskrankengeld für den Kläger ergibt. Dies entspricht auch der Entgelt- bzw. Einkommensersatzfunktion des Versorgungskrankengeldes.
Weitere Einkünfte iSv § 16b Abs. 1 BVG, die im Rahmen der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG zur Festsetzung des Regelentgelts für das streitgegenständliche Versorgungskrankengeld heranzuziehen wären, sind unter Berücksichtigung des klägerseitigen Vortrags sowie der vorgelegten bzw. vom Gericht beigezogenen Unterlagen nicht ersichtlich. Ausgehend von den Einkommensverhältnissen 2008 kann damit für den Kläger bezüglich keiner der in § 16b Abs. 1 BVG genannten Einkunftsarten ein Regelentgelt festgesetzt bzw. ein (nicht auf 0 € zu kürzender) Versorgungskrankengeldanspruch festgestellt werden.
Ein Regelentgelt und darauf basierend ein Versorgungskrankengeldanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger 2008 noch weitere, nicht von § 16b Abs. 1 BVG erfasste Einkünfte, insbesondere aus Kapitalvermögen, erzielt hat.
Laut Einkommensteuerbescheid 2008 lagen beim Kläger 2008 folgende nicht in § 16b Abs. 1 BVG erwähnte Einkünfte vor:
– Einkünfte aus Kapitalvermögen: 80.081 €
– Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: -2.531 €
– sonstige Einkünfte: 2.559 €
Maßgeblich für die Einordnung der Einkünfte innerhalb der verschiedenen Einkunftsarten im Rahmen der Ermittlung des durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Einkommensverlusts ist die steuerliche Einkommensfeststellung durch die Finanzverwaltung (HK-SozEntschR/Stefanie Vogl, 1. Aufl. 2012, BVG § 16b Rn. 2). Dies entspricht § 15 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit ist. Der Gewinn wird nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (nur) bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ermittelt. Die Sozialversicherungsträger bzw. Sozialleistungsträger haben weder fachlich noch personell ausreichend Möglichkeit, um die Feststellungen der Finanzbehörden überprüfen zu können. Eine solche Überprüfung haben sie deshalb nur dann vorzunehmen, wenn der Versicherte/Leistungsberechtigte bzw. Steuerpflichtige gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder die steuerrechtliche Bewertung des Finanzamts schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (BSG, Urteil vom 30.09.1997, 4 RA 122/95).
Vorliegend stützt der Kläger den streitigen Anspruch auf Versorgungskrankengeld maßgeblich auf seine laut Einkommensteuerbescheid 2008 erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 80.081 €, die im Jahr 2009 signifikant zurückgegangen seien (vgl. Berufungsbegründung vom 05.09.2017). Laut der vom Kläger mit Schreiben vom 30.12.2013 vorgelegten, aber trotz Aufforderung der Berichterstatterin nicht näher erläuterten Tabelle betrugen die Einkünfte „Kap/nichtselb“ im Jahr 2009 nur noch 9.733 €, laut Einkommensteuerbescheid vom 09.03.2012 für das Jahr 2009 betrugen diese Einkünfte 0 €. Der Kläger hat weder gegenüber der Finanz- noch gegenüber der Versorgungsverwaltung oder im sozialgerichtlichen Verfahren Einwendungen gegen die Einordnung der 80.081 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen erhoben, so dass nach der zitierten BSG-Rechtsprechung sich eine (nochmalige) Überprüfung dieser Einordnung erübrigt. Vielmehr vertritt die Klägerseite die Auffassung, dass diese 80.081 €, wenngleich sie keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit iSd § 16b Abs. 1 BVG darstellten, dem Regelentgelt für die Berechnung eines Versorgungskrankengeldes zuzuschlagen seien, weil diese Einkünfte des Klägers, anders als im Normalfall bei Einkünften aus Kapitalvermögen, sehr wohl auf einem hohen persönlichen Arbeitsaufwand des Klägers beruhten.
Diese Einschätzung könnte Ziff. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz (BVGVwV) zu § 16b entsprechen, wo es heißt:
„Treffen die maßgeblichen Gewinne mit nicht zu berücksichtigenden Einkünften zusammen oder findet bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ein Verlustausgleich statt, ist das Nettoeinkommen fiktiv zu ermitteln.“
Ob es sich dabei bei den „nicht zu berücksichtigenden Einkünften“ auch um solche aus Kapitalvermögen handeln kann, ist unklar. Der Beklagte, an den sich die Verwaltungsvorschriften richten, hat dies jedenfalls nicht so gesehen. Zu diesem Ergebnis führt auch die Auslegung des § 16b BVG.
Diese Gesetzesauslegung, nicht etwaige Ausführungen in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz (BVGVwV), ist für Gerichte maßgeblich. Denn Verwaltungsvorschriften entfalten Rechtswirkungen grundsätzlich nur innerhalb der Verwaltung, nicht darüber hinaus im Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Bürger oder im Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Gerichten. Sie sind autonomes Recht der Exekutive, das in einem gewaltenteiligen System, das die Rechtsetzung grundsätzlich der Legislative vorbehält, in der Regel nur für den eigenen Bereich Geltung beanspruchen kann, aber nicht darüber hinaus.
Folgende Erwägungen sprechen dagegen, auch Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Festsetzung des Regelentgelts nach § 16b BVG heranzuziehen:
Nach dem Wortlaut des § 16b Abs. 1 BVG sind dem Regelentgelt für die Berechnung des Versorgungskrankengeldes bei selbstständig Tätigen nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit zugrunde zu legen. Dagegen erfolgt nach § 16b Abs. 4 BVG die Festsetzung des Regelentgelts abstrakt „unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse“. Dem Wortlaut des Abs. 4 lässt sich damit nicht eindeutig entnehmen, ob nur die in Abs. 1 genannten Einkünfte oder auch sonstige Einkunftsarten im Rahmen der Gesamtverhältnisse nach Abs. 4 heranzuziehen sind.
Die systematische und teleologische Auslegung des § 16b BVG ergibt jedoch, dass dessen Abs. 4 nicht zu einem weitergehenden Versorgungskrankengeldanspruch als von Abs. 1 vorgegeben führen soll, sondern nur Ermittlungsschwierigkeiten bezüglich des Regelentgelts bei selbstständig Tätigen beheben bzw. mindern soll:
§ 16b Abs. 1 BVG regelt, bei welchen Einkunftsarten überhaupt ein Versorgungskrankengeld unter entsprechender Anwendung des § 16a BVG in Betracht kommt. Die Festsetzung des Regelentgelts im Einzelnen findet dann nach den Abs. 2 bis 4 statt. In Abs. 4 heißt es: „Kann ein Regelentgelt nach Absatz 2 oder 3 nicht festgestellt werden …“ Die – die grundsätzliche Reichweite des Versorgungskrankengeldanspruchs für Selbstständige einschränkenden – Vorgaben des Abs. 1 (also u.a. kein Regelentgelt aufgrund von Einkünften aus Kapitalvermögen) gelten damit auch für die Festsetzung des Regelentgelts nach Abs. 4, nicht nur nach den Abs. 2 und 3.
§ 16b Abs. 5 BVG regelt die Bestimmung des Regelentgelts in Sonderfällen. Danach gelten als Regelentgelt iSv § 16a Abs. 1 BVG auch
a) ein Betrag in Höhe von zehn Achtel der durch die Arbeitsunfähigkeit notwendigen Mehraufwendungen für die Haushaltsführung bei rentenberechtigten Beschädigten iSv § 30 Abs. 12 BVG,
b) das infolge der Arbeitsunfähigkeit durchschnittlich entgangene Bruttoeinkommen oder das Durchschnitteinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Berechtigte ohne die Arbeitsunfähigkeit angehörte, bei nicht erwerbstätigen Berechtigten, die durch die Arbeitsunfähigkeit an der Aufnahme einer bestimmten Erwerbstätigkeit gehindert sind,
c) ein Betrag in Höhe von zehn Achtel des Arbeitslosen- oder Unterhaltsgeldes bei Empfängern dieser Leistungen, die die Voraussetzungen nach Abs. 5b) nicht erfüllen.
Diese Sonderregelungen belegen, dass der Gesetzgeber erkannte, dass es in Einzelfällen angezeigt ist, über die in § 16b Abs. 1 BVG genannten Einkunftsarten noch weitere (fiktive) Einnahmen der Feststellung des Regelentgelts zugrunde zu legen. Die Regelung des § 16b Abs. 5 BVG ist ihrem Wortlaut nach abschließend. Eine weitergehende Ausdehnung des Regelentgeltbegriffs, namentlich auf Einkünfte aus Kapitalvermögen oder auch aus Vermietung und Verpachtung, war vom Gesetzgeber damit nicht beabsichtigt bzw. gewollt. Mangels planwidriger Regelungslücke scheidet deshalb auch eine analoge Anwendung des § 16b BVG auf die vom Kläger geltend gemachten Einkünfte aus Kapitalvermögen aus.
Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit § 16f BVG (idF vom 20.12.1988, gültig ab 01.01.1989, juris) ergibt sich, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Festsetzung des Regelentgelts nach § 16b BVG keine Berücksichtigung finden können. Nach § 16f Abs. 1 Satz 2 BVG ist das Versorgungskrankengeld zu kürzen, wenn der Berechtigte während dessen Bezugs Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit bezieht. Gleichermaßen ist nach § 16f Abs. 2 BVG das Versorgungskrankengeld zu kürzen, wenn der Berechtigte durch eine Erwerbstätigkeit während des Bezugs von Versorgungskrankengeld Arbeitseinkommen, also Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV; vgl. auch HK-SozEntschR/Stefanie Vogl, 1. Aufl. 2012, BVG § 16f Rn. 7), erhält. Sonstige Einkünfte, etwa aus Kapitalvermögen, sind also auf das Versorgungskrankengeld nicht anzurechnen – eben deshalb, weil sie auch für dessen Festsetzung nicht herangezogen werden. Es wäre widersinnig, wenn aufgrund von Einkünften aus Kapitalvermögen bei schädigungsbedingter Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld bestünde, der aber nicht gekürzt wird, wenngleich diese oder andere Einkünfte aus Kapitalvermögen weiter zufließen. Das Versorgungskrankengeld soll nicht dazu dienen, dem Berechtigten zusätzliche Gewinnchancen zu eröffnen (BSG, Urteil vom 06.11.1985, 9a RV 48/83).
Dass die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen für die Berechnung des Versorgungskrankengeldes außer Acht zu lassen sind, zeigt auch ein Vergleich mit der Berechnung des „normalen“ Krankengeldes für Selbstständige nach § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Danach gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Nach dem auch im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V maßgeblichen § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (iVm § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, §§ 4 bis 7i, § 13a EStG) zählen zum Arbeitseinkommen nur Einkünfte bzw. Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit (siehe bereits oben). Auch § 47 SGB V vermittelt Selbstständigen damit im Gleichklang zu § 16b BVG einen Krankengeldanspruch nur bezüglich eines arbeitsunfähigkeitsbedingten Ausfalls von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit – und dies sogar, obwohl nach § 240 SGB V auch andere Einkünfte, z.B. aus Kapitalvermögen, bei selbstständig Tätigen durchaus der Beitragspflicht unterliegen können. Im Übrigen richtet sich auch der Krankengeldanspruch des Arbeitnehmers nach § 47 Abs. 1 und 2 SGB V – ebenso wie nach § 16a BVG – nur nach seinem Arbeitsentgelt, unabhängig davon, ob für ihn ggf. weitere Einkünfte, namentlich aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung, arbeitsunfähigkeitsbedingt weggefallen sind.
Diese systematischen Erwägungen verdeutlichen, dass es auch nicht Sinn und Zweck der Regelung des § 16b Abs. 4 BVG sein kann, über den unbestimmten Rechtsbegriff der Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse dem Beschädigten eine Entschädigung für ein eventuell entgangenes Einkommen, das nicht typischerweise auf einer selbstständigen Tätigkeit beruht, insbesondere für Einkünfte aus Kapitalvermögen, zu gewähren, obwohl solches Einkommen während der Arbeitsunfähigkeit nach § 16f BVG umgekehrt nicht zu einer Kürzung des Versorgungskrankengeldes führt und obwohl auch das „allgemeine“ Krankengeld für Selbstständige nach § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V einen arbeitsunfähigkeitsbedingten Einkommensverlust, der nicht auf einer selbstständigen Tätigkeit mit typischerweise persönlichem Arbeitseinsatz beruht, nicht entschädigt. Dafür, dass das Versorgungskrankengeld nach § 16 ff. BVG insoweit eine Besserstellung gegenüber dem allgemeinen Krankengeld nach § 44 ff. SGB V bewirken soll, ist nichts ersichtlich, zumal die Regelungen ansonsten weitestgehend auf denselben Prinzipien fußen.
Dies bestätigt auch die historische Auslegung des § 16b BVG. § 16b Abs. 1 BVG in der aktuellen Fassung entspricht § 16b Abs. 1 Satz 1 BVG idF bis 30.06.1990. Die damalige Vorgängerregelung des § 16b Abs. 4 BVG, die Sätze 9 und 10 des § 16b Abs. 1 BVG idF bis 30.06.1990 lauteten wie folgt: „Findet eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht statt, so hat der Berechtigte die Gewinne nachzuweisen. Ist er hierzu nicht in der Lage, so sind die Gewinne unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.“
Auch diese Regelung bezog sich durch die explizite Bezugnahme auf „die Gewinne“ (die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (nur) bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ermittelt werden, siehe oben) nur auf die in § 16b Abs. 1 Satz 1 BVG (aF) genannten Einkunftsarten. Sie wurde durch Art. 1 Nr. 3 Buchst d KOVAnpG 1990 ausgebaut und durch die in § 16b BVG neu eingefügten Abs. 3 und 4 ersetzt. Zur Begründung heißt es dazu in der Beschlussempfehlung und im Bericht des Ausschusses des Deutschen Bundestages für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 11/7097, S. 21): „Die Änderungen zu § 16b sollen bei Selbstständigen, deren Einkommen sich nach Ende des Bemessungszeitraumes wesentlich geändert hat, die Feststellung eines zeitnahen und angemessenen Regelentgelts ermöglichen. Eine genauere Regelung für alle denkbaren Fälle ist allerdings nicht möglich. Deswegen ist in Absatz 4 nur in allgemeiner Form die Festsetzung des Regelentgelts „unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse“ vorgesehen (vgl. die Formulierung im bisherigen Absatz 1 Satz 10).“
Es ging dem Gesetzgeber bei § 16b Abs. 4 BVG also nicht darum, den Umfang des Versorgungskrankengeldes durch Einbeziehung weiterer Einkunftsarten über diejenigen des Abs. 1 hinaus zu erweitern, sondern (nur) darum, Ermittlungsschwierigkeiten bei der Festsetzung des Regelentgelts zu verringern.
Insgesamt können deshalb die vom Kläger erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 80.081 € im Jahr 2008 nicht zur Festsetzung des Regelentgelts nach § 16b Abs. 1 und 4 BVG herangezogen werden.
Dasselbe gilt auch für die Einkünfte der Grundstücksverwaltungsgesellschaft L aus dem Jahr 2008. Unabhängig von der Frage, ob die Einkünfte der Firma L 2008 – ebenso wie diejenigen der Firma G1 (siehe oben) – auf einem einmaligen Veräußerungsgeschäft (hier: eines Büro- und Wohnhauses in E) beruhten und deshalb keinen angemessenen Maßstab für den Einkommensverlust bzw. das Regelentgelt nach § 16b Abs. 4 BVG darstellen, können die Einkünfte der L nach dem Vorgesagten nicht bei der Berechnung des Versorgungskrankengeldes Berücksichtigung finden; denn dabei handelt es sich nicht um eine der in § 16b Abs. 1 BVG genannten Einkunftsarten, insbesondere nicht um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 02.08.2013 an den Beklagten ausgeführt, bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb 2008 (57.873 €) handele es sich im Wesentlichen noch um Einkünfte der Firma L. Demgegenüber haben jedoch der Steuerberater K im Schreiben vom 15.06.2011, der Kläger selbst im Schreiben vom 03.06.2013 und auch der Klägerbevollmächtigte im Schreiben vom 30.06.2020 an das Gericht erklärt, dass es sich bei den Einkünften der Firma L um solche aus Vermietung und Verpachtung (oder aus privaten Veräußerungsgeschäften) gehandelt habe. Dies entspricht auch den Feststellungen des Finanzamts E im Feststellungsbescheid 2008 betreffend die Grundstücksverwaltungsgesellschaft L vom 01.04.2011. Zwar hat der Steuerberater K auch ausgeführt, man versuche, die Einordnung der Einkünfte der Firma L als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erwirken, um so einen Verlustausgleich mit anderen Einkunftsarten zu ermöglichen; er hat jedoch zugleich erklärt, dass die Firma L 2008 jedenfalls kein positives Einkommen aus Gewerbebetrieb erzielt habe – und nur ein solches könnte Grundlage für ein eventuell zu gewährendes Versorgungskrankengeld sein.
Schließlich würde dem Kläger auch kein Anspruch auf Versorgungskrankengeld zustehen, wenn man – entgegen den obigen Ausführungen – über § 16b Abs. 1 BVG hinaus weitere Einkunftsarten, namentlich solche aus Kapitalvermögen, im Rahmen der nach § 16 Abs. 4 BVG zu berücksichtigenden Gesamtverhältnisse oder im Wege der Analogie zur Festsetzung des Regelentgelts heranziehen würde.
Grundgedanke bei der Gewährung von (Versorgungs) krankengeld ist dessen Entgelt- bzw. Einkommensersatzfunktion (siehe dazu bereits oben). Dem Berechtigten soll das wegen krankheitsbedingter (bzw. schädigungsfolgenbedingter) Arbeitsunfähigkeit entgehende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ersetzt werden (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 47 SGB V (Stand: 05.01.2022) Rn. 18 m.w.N. auf die Rspr. des BSG). Voraussetzung für die Gewährung von (Versorgungs) krankengeld wäre damit zumindest, dass Einkünfte durch persönlichen Arbeitsaufwand, wie dies typischerweise bei Arbeitseinkommen aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit iSv § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bzw. § 16b Abs. 1 BVG (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständige Arbeit) der Fall ist, erzielt wurden und diese gerade aufgrund der Arbeitsunfähigkeit entfallen sind.
Inwieweit die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 81.081 €, die der Kläger der Festsetzung des Regelentgelts für das von ihm begehrte Versorgungskrankengeld zugrunde legen möchte, auf seinem persönlichen Arbeitseinsatz beruhen, um diese Einkünfte im Rahmen der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG bzw. einer Analogie zu den in § 16b Abs. 1 BVG genannten Einkunftsarten zu berücksichtigen, konnte der Senat trotz mehrmaliger Nachfragen beim Kläger nicht ermitteln.
Der Berichterstatter hat den Kläger wiederholt aufgefordert, eine tabellarische Aufstellung über seine wirtschaftlichen Aktivitäten in den Jahren 2007 bis 2009 vorzulegen, woraus ersichtlich werde, welche Investments und Beteiligungen er über seine Firma A abgewickelt habe. Nur so könne ggf. nachvollziehbar gemacht werden, inwieweit die Klägerseite zu Recht geltend mache, dass die Einkünfte der Firma A entgegen den Feststellung der Finanzverwaltung nicht als Kapitaleinkünfte, sondern sozialrechtlich als Arbeitseinkommen zu qualifizieren seien. Der Klägerbevollmächtigte hat zunächst geantwortet, dass der Kläger die gewünschte Erklärung nicht abgeben werde. Sodann hat der Bevollmächtigte eine Schweigepflichtentbindungserklärung für weitere Ermittlungen bei der Finanzverwaltung abgegeben, trotz Hinweises des Berichterstatters auf die Folgen des § 106a Abs. 3 Satz 1 SGG die geforderten Angaben aber weiter nicht gemacht. Auch einer späteren Aufforderung der Berichterstatterin um Präzisierung der mit Schriftsatz vom 30.12.2013 vorgelegten Tabelle über die vom Kläger Jahren 2006 bis 2010 erzielten Einkünfte dahingehend, mit welchen Firmen bzw. Gesellschaften oder aufgrund welcher Tätigkeiten für welche Auftraggeber etc. die jeweiligen Einkünfte vom Kläger erzielt worden seien, ist die Klägerseite, auch nach nochmaliger Übersendung der Tabelle durch die Berichterstatterin, nicht nachgekommen.
Im Schreiben vom 30.06.2020 hat der Klägerbevollmächtigte zwar schließlich zu den Aktivitäten der A eK bzw. später UG ausgeführt, er sei, entsendet von dieser oder einer anderen Firma von ihm, bei der er jeweils Gesellschafter sei, im Beirat verschiedener Firmen in Österreich bzw. Ungarn gesessen und habe in diese Firmen mehrere 100.000 € investiert. Ferner habe die Firma A noch andere kleinere Kunden gehabt, die der Kläger nicht mehr wiedergeben könne. Der finanzielle Einsatz des Klägers über die Firma A ist jedoch für den Umfang seines zeitlichen Arbeitsaufwands unbeachtlich. Dieser Arbeitsaufwand für die Firma A bzw. dessen finanzielle Bedeutung wurde durch den klägerseitigen Vortrag nicht substantiiert dargelegt. Im Gegenteil – bei der Begutachtung durch Dr. Z führte der Kläger aus, dass er in Bezug auf seine finanzielle Situation und die laufenden Geschäfte, an denen er sich arbeitsmäßig derzeit gar nicht beteilige, völlig unbesorgt sei. Unabhängig davon, ob die Angaben im Schriftsatz vom 30.06.2020 wegen § 106a Abs. 3 Satz 1 SGG überhaupt noch beachtet werden müssen, reichen sie jedenfalls nicht aus, um einen eigenen Arbeitseinsatz des Klägers in einer bestimmten Größenordnung zu belegen, jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die es nachvollziehbar machen würde, die im Jahr 2008 (über die A eK bzw. UG) steuerrechtlich erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen sozialrechtlich als Arbeitseinkommen, vergleichbar den Einkunftsarten nach § 16b Abs. 1 BVG, im Rahmen der Gesamtverhältnisse nach § 16b Abs. 4 BVG zu berücksichtigen. Dabei ist unerheblich, inwieweit der Kläger die Einkünfte aus Kapitalvermögen der G in Höhe von 79.796,00 € laut Feststellungsbescheid des Finanzamts B vom 01.03.2010 unter der Firma A erzielt hat. Er selbst hat die G überhaupt nie eigens erwähnt, geschweige denn vorgetragen, dass seine daraus erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem Arbeitseinsatz seinerseits (über denjenigen im Rahmen der Firma A hinaus) verbunden gewesen wären. Angesichts fehlender Unterlagen und fehlender bzw. äußerst pauschaler Angaben des Klägers zu seinem Engagement im Rahmen der Firma A bzw. allgemein zu den von ihm vorgetragenen Einkünften aus Kapitalvermögen – trotz mehrmaliger gerichtlicher Nachfragen – war es dem Senat auch nicht möglich, insofern von Amts wegen noch weitere Ermittlungen anzustellen.
Ausgehend von den Einkommensverhältnissen 2008 steht dem Kläger damit kein Anspruch auf Versorgungskrankengeld zu. Die Festsetzung des Regelentgelts nach den Gesamtverhältnissen iSv § 16b Abs. 4 BVG fußt letztlich auf einer Schätzung des durch die Arbeitsunfähigkeit verursachten wirtschaftlichen Schadens, die sich nach der gesetzgeberischen Konzeption in erster Linie an der Einkommenslage bzgl. der in § 16b Abs. 1 BGB genannten Einkunftsarten vor der Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 16b Abs. 2 und 3 BVG), vorliegend also im Jahr 2008, orientiert. Die Schätzung kann aber auch allgemein darauf gerichtet sein, dem selbstständigen Beschädigten für den zeitweisen Ausfall seiner Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit eine angemessene Entschädigung zu geben, etwa in Höhe eines tatsächlichen oder fiktiven Vertreters (BSG, Urteil vom 29.04.2010, B 9 VS 1/09 R). Dies setzt aber voraus, dass der Beschädigte ohne die Arbeitsunfähigkeit eine selbstständige Tätigkeit iSv § 16b Abs. 1 BVG (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständige Arbeit) weiter ausgeübt hätte. Vorliegend sind hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine solche anderweitige Schätzung des Einkommensverlusts nach § 16b Abs. 4 BVG weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger trotz Nachfrage des Gerichts (Schreiben vom 12.05.2020) nur pauschal darauf verwiesen (Antwort vom 30.06.2020), dass durch den Angriff im Januar 2009 eine Vielzahl von Einnahmen des Klägers weggebrochen sei, jedoch keinerlei nähere Ausführungen dahingehend gemacht, wie sich seine beruflichen Pläne für 2009 gestaltet hätten, inwieweit er selbstständige Tätigkeiten iSv § 16b Abs. 1 BVG 2009 überhaupt ausgeführt hätte und ggf. welche Einkünfte dadurch ohne die Arbeitsunfähigkeit zu erwarten gewesen wären, um darauf basierend eine Schätzung des arbeitsunfähigkeitsbedingten Einkommensverlustes iSv § 16 Abs. 1 und 4 BVG vornehmen zu können.
Insgesamt kann deshalb für den Kläger kein Regelentgelt nach § 16b BVG festgestellt werden, das zu dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Versorgungskrankengeld führen würde. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig ergangen, die hiergegen erhobene Klage hat das SG Nürnberg mit Urteil vom 11.05.2017 zu Recht abgewiesen. Die Berufung des Klägers musste daher ohne Erfolg bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Auch der Beigeladenen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.


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