Steuerrecht

Besteuerung von Arbeitslohnnachzahlungen bei Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis

Aktenzeichen  1 K 833/17

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40055
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 34 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die Bonizahlungen zu Recht nicht als außerordentliche Einkünfte in Gestalt einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert.
Außerordentliche Einkünfte gem. § 34 Abs. 2 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung vom 01.11.2011) werden entsprechend der Berechnung in den Sätzen 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert. Danach beträgt die Einkommensteuer auf die außerordentlichen Einkünfte das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.
Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht.
Als „Vergütung“ in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347).
Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. BFH-Urteile vom 31.08.2016 VI R 53/14, BStBl II 2017, 3227; vom 07.05.2015 VI R 44/13, BStBl II 2015, 890; vom 07.08.2014 VI R 57/12, BFH/NV 2015, 181, und vom 03.07.1987 VI R 43/86, BStBl II 1987, 820; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 34 Rz 32; Schmidt/ Wacker, EStG, 37. Aufl. 2018, § 34 Rz 44; Horn in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 34 EStG Rz 64). Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu (BFH-Urteile vom 07.05.2015 VI R 44/13, BStBl II 2015, 890 und vom 16.12.1996 VI R 51/96, BStBl II 1997, 222; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 34 Rz 30).
Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 02.08.2016 VIII R 37/14, BStBl II 2017, 258).
Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist zudem im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14.04.2015 IX R 29/14, BFH/NV 2015, 1354).
Bei der Auszahlung der erworbenen Boni im Streitjahr handelt es sich bei Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit im Sinn von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, die ermäßigt zu besteuern ist.
Für eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ist es nicht ausreichend, dass in dem Auszahlungsbetrag in Höhe von 47.260 € Boni enthalten sind, die in mehreren Jahren erworben und teilweise auf einem Bonuskonto angespart worden sind. Im Streitfall fehlt es an einem zweckbestimmten Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit.
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger den jeweiligen Bonus für sich betrachtet für den Arbeitserfolg innerhalb des einzelnen Vorjahres erworben. Dies schließt das Gericht aus dem Bonuskonto, auf dem jedes Jahr – mit Ausnahme von 2009 – ein Zugang eines Bonusbetrages verbucht wurde. Daraus ist ersichtlich, dass der Zeitraum der Arbeitsleistung, in dem die Qualität der Arbeitsleistung zu beurteilen war und mit einem Bonus honoriert wurde, nicht länger als ein Jahr betragen hat. Es fehlt an einem veranlagungszeitraumübergreifenden Geschehen für den jeweils erdienten Bonusanspruch. Es gab keine mehrjährige Zuteilungs- und eine spätere Auszahlungsphase.
Eine vertraglich vereinbarte Zweckbestimmung, dass mit dem erdienten Bonus eine mehrjährige Tätigkeit vergütet werden sollte, liegt nicht vor. Der Kläger hat dies weder vorgetragen noch eine Bonusvereinbarung vorgelegt, wonach der Arbeitgeber A und der Kläger vereinbart hätten, dass die auf dem Bonuskonto als Zugang erfassten Boni in den Jahren 2004 bis 2010 jeweils eine mehrjährige Arbeitsleistung honorieren oder sich nach der Leistung einer mehrjährigen Arbeitsphase berechnen.
Eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ergibt sich nicht allein daraus, dass der Auszahlungsbetrag im Streitjahr die Höhe der in den Jahren 2004 bis 2010 einzeln erworbenen Boni um ein Vielfaches übersteigt oder sich aus Boni zusammensetzt, die in vorangehenden Jahren, jeweils zwischen 3.380,01 € und 10.328,46 €, dem Bonuskonto gutgeschrieben wurden.
Allein von der Höhe und der Zusammensetzung des Auszahlungsbetrages kann nicht auf eine zweckbestimmte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit geschlossen werden. Eine entsprechende, geänderte Zweckbestimmung als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit liegt auch zum Auszahlungszeitpunkt nicht vor.
Im Ergebnis ändert sich die Zweckbestimmung für die (ganz oder teilweise) stehengelassenen und noch nicht entnommenen Boni der Vorjahre auch durch die Auszahlung von 47.260 € in einer Summe nicht.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger im Jahr 2011 kam es zwangsläufig zur Auszahlung des verbliebenen Geldbetrages auf dem Bonuskonto. Abzustellen ist für die Zweckbestimmung jedoch auf den einzelnen erdienten Bonusanspruch und nicht auf die Umstände, die zur Auszahlung gerade im Januar 2011 geführt haben. Die Zweckbestimmung für den Anspruch auf die Boni dem Grunde nach wurde durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht geändert. Sie sind weiterhin als Vergütung für eine einjährige Tätigkeit zu beurteilen (vgl. Tz. 2.1 des Urteils). Mit der Auszahlung im Jahr 2011 wird die durch die Ansparung aufgeschobene Auszahlung des Bonus in den einzelnen Vorjahren nachgeholt.
Die Auszahlung der Boni der Vorjahre ist nicht in zusammengeballter Form erfolgt.
Die erdienten Boni der Vorjahre wurden nicht in einem Betrag im Jahr 2011 zusammengeballt ausgezahlt. In den Jahren 2006 sowie 2008 bis 2010 wurden bereits vier Mal Teilbeträge aus dem Bonuskonto entnommen, die in Summe 17.617,81 € von einem Gesamtzugang von 64.877,81 € betrugen. Der Zugang auf dem Bonuskonto setze sich aus Boni in Höhe von 50.046,14 € und Zinsen in Höhe von 14.831,67 € zusammen. Je nachdem, inwieweit in den Vorjahren auch Zinsen ausgezahlt wurden, entsprechen die Auszahlungen in den Jahren 2006 sowie 2008 bis 2010 35,20 v.H. der erdienten Boni bzw. 27,11 v.H. des gesamten Zugangs incl. der Zinsen. Diese vier Teilauszahlungen sind daher in Summe betrachtet auch nicht unbedeutend gering.
Es fehlt ferner an der „Außerordentlichkeit“ der Einkünfte, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber A erzielt wurden, da die Auszahlung des Restbetrages auf dem Bonuskonto in einer Summe von Anfang an vorgesehen war.
Dieses Erfordernis der „Außerordentlichkeit“ wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Es dient der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. zur ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung BFH-Urteil vom 25.02.2014, X R 10/12, BStBl II 2014, 668). Außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG liegen nach dem Sinn des Gesetzes bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten nur vor, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (BFH-Urteil vom 23.10.2014 X R 3/12, BStBl II 2014, 58).
Die Entwicklung des Bonuskontos zeigt, dass von Anfang an für jeden erdienten Bonusanspruch eine Wahlfreiheit des Klägers vereinbart gewesen sein muss. Der Kläger konnte sich den Bonus ganz oder teilweise im Jahr des Zugangs – wie in den Jahren 2006, 2008 und 2010 – auszahlen lassen. Er hatte auch die Wahl auf Auszahlung in Höhe eines Betrages, der den Zugang auf dem Bonuskonto – wie im Jahr 2009 – übersteigt. Andererseits bestand jedoch die Möglichkeit, die einzelnen Boni – ganz oder teilweise – auf dem Konto stehen zu lassen und „anzusparen“, um später – so der Sachvortrag – hierfür Gesellschaftsanteile zu erwerben. Die Auszahlung der angesparten, stehengelassenen Boni in einer Summe war folglich von Anfang an als eine Möglichkeit und Ziel der (teilweisen) Ansparung der Boni zwischen dem Arbeitgeber A und dem Kläger vereinbart, denn auch bei der Verwendung des Bonuskontos für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen wäre es zur Auszahlung in einem Betrag gekommen. In diesem Fall wäre der Geldbetrag nur nicht im Vermögen des Klägers verblieben, sondern er hätte hierfür sofort, evtl. auf abgekürztem Zahlungsweg und ohne Zufluss auf seinem Bankkonto, entsprechende Gesellschaftsanteile erworben. Diese andere Verwendung bei Auflösung des Bonuskontos führt nicht zu einem atypischen Geschehensablauf, denn es hat sich nur die Verwendung der angesparten und am Ende in einer Summe ausgezahlten Boni durch den Kläger verändert. Die Auflösung des Bonuskontos und Auszahlung der angesparten Boni in einer Summe war jedoch von Anfang an so vorgesehen.
Der vorliegende Fall ist abzugrenzen von den Fällen, in denen Einkünfte aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung nunmehr atypisch zusammengeballt zufließen, obwohl dies ursprünglich nicht so geplant war, wie z.B. die Nachzahlung von Arbeitslohn nach einem arbeitsgerichtlichen Prozess. Hier wäre der höhere Arbeitslohn planmäßig monatlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden.
Die geplante Anschaffung von Gesellschaftsanteilen mit den angesparten Boni entspricht dem Vortrag des Klägers und wird gleichermaßen durch den Arbeitgeber A bestätigt. Eine hiervon abweichende Vereinbarung liegt dem Gericht nicht vor. Da weder der Kläger noch die Prozessbevollmächtigte, die zugleich den Arbeitgeber A steuerlich berät, die vom Finanzgericht angeforderte Bonusvereinbarung vorgelegt haben, erachtet es das Gericht für sachgerecht, den schriftlichen Vortrag des Klägers und die Entwicklung des Bonuskontos als sonstigen, zu berücksichtigenden Umstand zu würdigen.
Bei den in dem Auszahlungsbetrag enthaltenen Zinsen handelt es sich ebenfalls nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit.
Die gutgeschriebenen Zinsen in Höhe von insgesamt 14.831,67 € entstanden durch die zeitversetzte Auszahlung der angesparten Boni. Das Bonuskonto wurde von dem Arbeitgeber A mit 8 v.H. per anno verzinst. Die Zinsen bemaßen sich nicht nach einer Arbeitsleistung des Klägers in mehreren Jahren, sondern allein nach dem Bestand des Bonuskontos am Ende des Kalenderjahres und der Zeit, die zwischen Zugang des Bonus auf dem Bonuskonto und seiner Auszahlung lag (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31.08.2016 VI R 53/14, BStBl II 2017, 322).
Das Gericht kann es letztlich dahinstehen lassen, ob in dem Auszahlungsbetrag von 47.260 € Zinsen entsprechend dem Anteil der Zinsen an den Zugängen auf dem Bonuskonto von ca. 23 v.H. (14.831,67 € bei einem Gesamtzugang von 64.877,81 €) enthalten sind oder ob die Zinsen bereits in den Auszahlungen der Vorjahre (insgesamt 17.617,81 €) enthalten waren, da die Klage sowohl für die erdienten Boni als auch für die Zinsen keinen Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sind nicht gegeben, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Rechtsfrage, ob bei der Prüfung einer Zusammenballung – wie bei einer Entschädigungsleistung – eine Vergleichsbetrachtung mit den voraussichtlichen Einkünften bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit den Einkünften des Vorjahres durchzuführen ist, ist nicht entscheidungserheblich, da bereits keine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit vorliegt.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben