Steuerrecht

Betriebsprämie für landwirtschaftliche Flächen – Selbstbewirtschaftung

Aktenzeichen  W 8 K 16.439

Datum:
15.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10825
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 1, Art. 2 lit. a, Art. 34 Abs. 1, Abs. 2, Art. 35 Abs. 1
MOG § 11

 

Leitsatz

1. Ein „Zurverfügungstehen“ von Antragsflächen ist anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber das wirtschaftliche Risiko trägt, so dass die Bewirtschaftung der Flächen für ihn erfolgt und keinem anderen Landwirt oder Dritten zugerechnet wird. Dies ist anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber in der Lage ist, bei der Nutzung der Fläche eine gewisse Entscheidungsbefugnis auszuüben und die Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten in seinen Namen und für seine Rechnung erfolgt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 35 VO (EG) Nr. 73/2009 verlangt keine bestimmte Form der rechtlichen Beziehung des Betriebsinhabers zu den landwirtschaftlichen Flächen. Er kann Eigentümer, Pächter oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigt sein. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beauftragung eines Geschäftsführers steht der Selbstbewirtschaftung nicht entgegen. Die Beauftragung führt nicht zur Übertragung des unternehmerischen Risikos. Vertragspartner der unternehmerischen Rechtsgeschäfte bleibt der Betriebsinhaber und wird nicht der Geschäftsführer. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Amtes für Landwirtschaft und Ernährung Schweinfurt vom 21. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie vom 3. März 2016 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2013 die Betriebsprämie in Höhe von 22.656,83 EUR zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin war notwendig.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des AELF Schweinfurt vom 21. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid der FüAk vom 3. März 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat für das Förderjahr 2013 einen Anspruch auf die Gewährung der Betriebsprämie in Höhe von 22.656,83 EUR (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für die begehrte Betriebsprämie für das Förderjahr 2013 ist Art. 34 Abs. 1, Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 i.V.m. Art. 74 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013. Danach wird eine Stützung im Rahmen der Betriebsprämienregelung den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die Zahlung der darin festgesetzten Beträge. Nach Art. 35 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen und diese Parzellen müssen außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Ein „Zurverfügungstehen“ ist dann anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber an dem Stichtag das wirtschaftliche Risiko für die Antragsflächen trägt, so dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen für ihn erfolgt und keinem anderen Landwirt oder Dritten zugerechnet wird. Dies ist anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber in der Lage ist, bei der Nutzung der Fläche eine gewisse Entscheidungsbefugnis auszuüben und die Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten in seinen Namen und für seine Rechnung erfolgt. Soweit der Betriebsinhaber Dritte mit der Erledigung einzelner Aufgaben beauftragt, muss er diesen gegenüber weisungsbefugt sein. Ist dies nicht der Fall, ist eine Zuordnung dieser Flächen zum Betrieb eines Landwirts nicht möglich (vgl. EuGH, U.v. 14.10.2010 – C-61/09 – juris; OVG Lüneburg, U.v. 23.5.2013 – 10 LB 138/10 -juris; VG München, U.v. 16.7.2015 – M 12 K 14.483 – juris). Dabei kommt es auf die rechtliche Grundlage für die Nutzung nicht an. Art. 35 VO (EG) Nr. 73/2009 wie auch andere Regelungen dieser Verordnung verlangen keine bestimmte Form der rechtlichen Beziehung des Betriebsinhabers zu den Flächen. Er kann Eigentümer, Pächter oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigt sein. Bei mehreren Nutzern ist einzelfallbezogen danach zu fragen, wer auf eigenes Risiko und selbstständig die Fläche überhaupt bzw. überwiegend gesät, sonst gepflegt und „geerntet“ hat (vgl. EuGH, U.v. 14.10.2010 – C-61/09 – EuZW 2011, 58 und juris; VG Oldenburg, U.v. 21.9.2017 – 12 A 3046/15- juris Rn. 31- 34 m.w.N.; VG Regensburg, U.v. 5.10.2017 – RO 5 K 16.1862 – juris Rn. 23).
Im vorliegenden Fall war letztlich nur streitig, ob die Klägerin im Förderjahr 2013 die beantragten Flächen tatsächlich selbst bewirtschaftete. Nachdem die Klägerin im Klageverfahren das von der Beklagtenseite geforderte Formular „Prüfung der Antragsberechtigung i.S.v. InVeKoS“ mit Schreiben vom 11. Januar 2017 (Bl. 51 ff. der Gerichtsakte) vorlegt hat, sowie aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlungen bestanden nach der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung keine konkreten Anhaltspunkte mehr, die gegen eine Selbstbewirtschaftung durch die Klägerin sprechen könnten.
Das im Klageverfahren vorgelegte ausgefüllte Formular war bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen, da bei der im vorliegenden Fall statthaften Versagungsgegenklage die Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen ist (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 57).
In der Begründung des Ablehnungsbescheids und des Widerspruchsbescheids hat sich die Beklagtenseite zwar beanstandungsfrei darauf gestützt, dass der Nachweis der Inhaberschaft des landwirtschaftlichen Betriebs mangels Vorlage des Formulars „Prüfung der Antragsberechtigung i.S.v. InVeKoS“ nicht erbracht wurde. Dem Gericht erschließt sich auch nicht, warum die Klägerin das Formular nicht bereits im Verwaltungsverfahren der Beklagtenseite vorlegte. Aus der verspäteten Vorlage kann jedoch nicht ohne Weiteres der Schluss auf eine fehlende Selbstbewirtschaftung gezogen werden. Zudem dürfen an den Nachweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da es sich insbesondere nicht um einen Fall der Doppelbeantragung handelt.
Mit den Angaben der Klägerin in dem vorgelegten Formular konnte die Klägerin die Betriebsinhaberschaft bzw. Selbstbewirtschaftung nachweisen. Dem Formular ist zu entnehmen, dass die bewirtschafteten Flächen Eigentumsflächen sind, die Klägerin berufliche Erfahrung als Landwirtin/Baumschule hat und die Bewirtschaftung des Betriebs auf eigenes unternehmerisches Risiko erfolgte. Zudem wurde die Steueranmeldung mit Steuernummer angegeben und erklärt, dass ein Bescheid über die Mitgliedschaft bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sowie ein Bescheid über die Mitgliedschaft LAK und/oder LKK als Nachweise dem Betrieb vorliegen. Weiter wurde auch die Ausrichtung der Betriebsführung auf Nachhaltigkeit und Dauer bestätigt.
Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Angaben der Klägerin nicht zutreffen, sind nicht gegeben.
Die Angaben der Klägerin werden unter anderem durch die vorgelegte Abrechnung des Unfallversicherungsbeitrags für das Jahr 2013 der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 10. November 2014 bestätigt. Diese ist eindeutig für das Unternehmen in H. ausgestellt und an die Klägerin, nicht an ihren Sohn, adressiert. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin Schuldnerin des Unfallversicherungsbeitrags im Jahr 2013 war. Daraus folgt wiederum, dass sie das unternehmerische Risiko trug, da sie persönlich für wesentliche Verpflichtungen des Unternehmens in H. haftete. Die Auskunft der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayreuth vom 24. Januar 2017, die Anmeldung sei nicht von der Klägerin durchgeführt worden, sondern über den automatisierten Abgleich mit den Antragsdaten des AELF, spricht weder für eine Selbstbewirtschaftung noch dagegen. Auch aus der Angabe, dieser Bescheid sei noch Gegenstand eines bei der Berufsgenossenschaft anhängigen Verfahrens, können keine weitergehenden Schlüsse gezogen werden.
Der Einwand der Beklagtenseite in Übereinstimmung mit der Auskunft der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayreuth vom 24. Januar 2017, die Angaben zur LAK oder LKK im Formblatt seien unzutreffend, weil keine Mitgliedspflicht entstanden sei, kann ebenfalls weder für noch gegen die Annahme der Selbstbewirtschaftung herangezogen werden. Denn die fehlende Mitgliedspflicht basiert nicht darauf, dass die Klägerin nicht die Betriebsinhaberin war, sondern dass sie eine gewisse Altersgrenze erreicht hatte.
Soweit die Klägerin in dem Formular die Frage Nr. 6, ob die Bewirtschaftung des Betriebes/der Flächen selbst durchgeführt wurde, verneinte, steht auch dies nicht der Selbstbewirtschaftung entgegen. Die Klägerbevollmächtigte führte hierzu in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2018 nachvollziehbar aus, dass die Klägerin diese Frage falsch verstanden habe, da ihr Sohn beauftragt gewesen sei. Eine solche Beauftragung des Sohnes quasi als eine Art Geschäftsführer steht dem unternehmerischen Risiko der Klägerin nicht entgegen, da eine Geschäftsführung nicht zur Übertragung des unternehmerischen Risikos führt. Vertragspartner der unternehmerischen Rechtsgeschäfte bleibt der Betriebsinhaber und wird nicht der Geschäftsführer. Die Klägerin würde als Betriebsinhaberin auch etwa im Falle einer Insolvenz zuerst haften und nicht ihr Sohn als Geschäftsführer. Selbst wenn der Sohn der Klägerin infolge seiner Beauftragung auch einen Teil des unternehmerischen Risikos trug, lag dennoch der Schwerpunkt des unternehmerischen Risikos bei der Klägerin.
Auch spricht nicht gegen eine Selbstbewirtschaftung durch die Klägerin, dass die Klägerin nur zeitweise Inhaberin des Betriebs war. Der in diesem Zusammenhang stehende Einwand der Beklagtenseite, die Angaben zur Nachhaltigkeit und Dauer seien zu bezweifeln, da der Betrieb bereits zwei Jahre später wieder in eine andere Gesellschaft ohne Beteiligung der Klägerin überführt worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Frage im Formblatt bezieht sich allein auf die Betriebsführung an sich und nicht ob die Betriebsführung durch einen bestimmten Betriebsinhaber nachhaltig und dauerhaft beabsichtigt war.
Als weiteres Indiz für das unternehmerische Risiko kann auch die Eigentümerstellung der bewirtschafteten Flächen herangezogen werden. Eigentümerin der Flächen war die Klägerin. Dies wurde auch im Schreiben des AELF Schweinfurt vom 31. Januar 2017 bestätigt.
Nach alldem hat die Klägerin ihre Selbstbewirtschaftung in ausreichendem Maße nachgewiesen, so dass sie einen Anspruch auf die Gewährung der Betriebsprämie hat.
Unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens des Sohnes der Klägerin (VG Würzburg, U.v. 15.4.2019 – W 8 K 16.367) ergibt sich hinsichtlich der Betriebsprämie für das Jahr 2013 ein auszuzahlender Betrag in Höhe von 22.656,83 EUR (vgl. Schreiben des AELF Schweinfurt vom 4. Februar 2019).
Wegen der unrichtigen Sachbehandlung waren auch die in Nr. 2 und Nr. 3 des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids festgesetzten Kosten nach § 16 Abs. 5 KG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin war notwendig.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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