Steuerrecht

Entlastung von Kapitalertragsteuer trotz Zwischenschaltung einer GbR

Aktenzeichen  I R 77/17

Datum:
18.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:B.180521.IR77.17.0
Normen:
§ 43b EStG 2009
§ 50d Abs 1 EStG 2009
§ 50d Abs 3 EStG 2009
§ 20 Abs 1 Nr 1 EStG 2009
§ 39 Abs 2 Nr 2 AO
§ 8b Abs 4 KStG 2002 vom 21.03.2013
Art 3 Abs 1 EURL 96/2011
Art 5 EURL 96/2011
Art 13 DBA NLD 1959
EStG VZ 2014
EURL 13/2013
EWGRL 435/90
§ 43b Abs 2 EStG 2009 vom 25.07.2014
§ 17 EStG
§ 9 Nr 1 S 2 GewStG
Spruchkörper:
1. Senat

Leitsatz

Eine unmittelbare Beteiligung i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn diese Beteiligung unter Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GbR gehalten wird. Maßgebend ist die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 13. September 2017, Az: 2 K 2933/15, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13.09.2017 – 2 K 2933/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob Dividenden auch dann gemäß § 43b des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung (EStG) von Kapitalertragsteuer zu entlasten sind, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft über eine rein vermögensverwaltende GbR gehalten wird.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nach dem Recht der Niederlande gegründete Genossenschaft mit Sitz in Z (Niederlande). Sie ist seit …2013 zu mindestens 10 % an einer vermögensverwaltenden GbR beteiligt, der X-GbR. Weiterer Gesellschafter der X-GbR ist eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, an der fast ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind. Die X-GbR hält ihrerseits 100 % der Anteile an der inländischen Y-AG. Die Zwischenschaltung der X-GbR war aus regulatorischen Gründen erforderlich.
3
Die Y-AG nahm am …2014 eine Gewinnausschüttung vor; der Anteil der Klägerin belief sich auf … €. Hiervon behielt die Y-AG Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % (… €) zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % (… €) ein und führte sie an das zuständige Finanzamt ab.
4
Die Klägerin stellte daraufhin beim Beklagten und Revisionskläger (Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) einen Antrag auf vollständige Freistellung und Erstattung gemäß § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b EStG, hilfsweise einen Antrag auf Freistellung und Erstattung gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16.06.1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) –DBA-Niederlande 1959–, der eine Beschränkung der Kapitalertragsteuer auf 10 % vorsehe.
5
Mit dem Bescheid vom 22.01.2015 über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag setzte das BZSt die Freistellung/Erstattung auf lediglich 10 % der Ausschüttung zuzüglich des gesamten Solidaritätszuschlags fest. Grundlage sei die in Art. 13 Abs. 1 bis 3 DBA-Niederlande 1959 vorgesehene Beschränkung der Kapitalertragsteuer. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
6
Das Finanzgericht (FG) Köln gab der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil vom 13.09.2017 – 2 K 2933/15 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 383) statt, da die Klägerin die Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b EStG erfülle. Sie sei trotz Zwischenschaltung der X-GbR i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG “unmittelbar” an der Y-AG beteiligt gewesen. Dies ergebe sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), da die X-GbR eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft und keine Mitunternehmerschaft sei. Entsprechendes gelte im Rahmen des § 17 EStG und des § 8b Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung (KStG). Aus der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2011, Nr. L 345, 8) i.d.F. der Richtlinie 2013/13/EU des Rates vom 13.05.2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Steuern anlässlich des Beitritts der Republik Kroatien (ABlEU 2013, Nr. L 141, 30) –Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR 2011)– könne kein anderes Ergebnis hergeleitet werden.
7
Das BZSt macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
9
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.


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