Steuerrecht

Erfolgloses Ablehnungsgesuch

Aktenzeichen  L 16 SF 202/17 AB, L 16 SF 203/17 AB, L 16 SF 204/17 AB, L 16 SF 205/17 AB, L 16 SF 206/17 AB, L 16 SF 207/17 AB

Datum:
19.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 42
SGG SGG § 60

 

Leitsatz

Bei Vorgängen, für die die Gerichtsleitung zuständig ist, kann von den mit der Hauptsache befassten Richtern darauf verwiesen werden, dass sich der Kläger an die Gerichtsleitung wendet, ohne dass in dem Verweis auf die Gerichtsleitung ein Befangenheitsantrag liegen muss.
Hinweis des Bearbeiters: Anstatt “Befangenheitsantrag” muss es im amtlichen Leitsatz wohl “Befangenheitsgrund” heißen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen des 16. Senats vom 27.04.2017 werden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Kläger führt im 16. Senat insgesamt sechs Rechtsstreitigkeiten (Az.: L 16 AS 861/16, L 16 AS 20/17, L 16 AS 23/17, L 16 AS 292/17 B PKH, L 16 AS 293/17 B PKH und L 16 AS 294/17 B PKH).
Mit Schreiben vom 27.04.2017 stellte der Kläger Ablehnungsantrag gegen „die Vorsitzende und weitere Richterinnen des 16. Senats“ bei „allen aktuell vorliegenden Verfahren“.
Den Ablehnungsantrag begründete der Kläger wie folgt:
„Ich bat im Informationsgesuch vom 31.07.2017 und Erinnerungsschreiben vom 18.04.2017 um die Auskunft, ob der Senat bei der Kriminalisierungsaktion des Gerichts gegen den Rechtssuchenden im Februar 2017 beteiligt war. Die Gerichtspräsidentin sprach in ihrer Stellungnahme nämlich im Plural von “Verfahren” aus dem Jahre 2016, was bedeutet, dass mehrere Senate bei der Aktion mitgewirkt haben könnten. Leider reagierte der Senat nicht auf die Bitte des Beteiligten und war nicht bereit, bis 25.04.2017 für Klarheit zu sorgen. Laut BVerfG 1 PBvU 1/02 vom 30.04.2003, Rn. 38 hat der Beteiligte ein Recht auf Information, um sein Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch zu gestalten. Der Beteiligte beabsichtigte, den Sachverhalt kurz, informell und ohne unnötige aufwendige formelle Schritte eines Ablehnungsgesuches zu klären. Da die Klärung per Informationsgesuch nicht möglich war, ist es nun nötig, den Sachverhalt im Rahmen eines formalen Ablehnungsantrags zu klären. Dadurch sollte ausgeschlossen werden, dass die Richterinnen des Senats direkt oder indirekt bei der Denunziationsaktion zwecks Kriminalisierung des Rechtssuchenden mitgewirkt haben. Die Neutralität der Richterinnen dürfte nicht vermutet, sondern ohne Zweifel sichergestellt werden.
Ich verzichte ausdrücklich nicht auf mein Recht zur dienstlichen Erklärung von abgelehnten Richterinnen. Ich beantrage, dass der zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Richter namhaft gemacht wird.”
Zum Ablehnungsgesuch nahmen die betroffenen Richterinnen des 16. Senats am 29.05.2017 wie folgt Stellung:
“Der Kläger führt im 16. Senat insgesamt sechs Rechtsstreitigkeiten (Az.: L 16 AS 861/16, L 16 AS 20/17, L 16 AS 23/17, L 16 AS 292/17 B PKH, L 16 AS 293/17 B PKH und L 16 AS 294/17 B PKH).
Das älteste derzeit anhängige Verfahren des Klägers ist am 08.12.2016 beim Bayerischen Landessozialgericht eingegangen.
Am 31.03.2017 stellte der Kläger ein „Informationsgesuch“ an die Vorsitzende Richterin. Im Februar 2017 sei eine Meldung des Bayerischen Landessozialgerichts an die Kriminalpolizei eingegangen. Das Gericht habe die Behauptung aufgestellt, es lägen Beleidigung und festgefahrene Rechtspositionen vor und er habe ferner behauptet, die BRD wäre ein besatzungsrechtliches Staatsfragment, Richter wären Scheinbeamte und er hätte seine Mitgliedschaft in der BRD gekündigt. Er habe daraufhin die Gerichtspräsidentin kontaktiert. Laut dieser stünde der Fall mit Verfahren aus dem Jahr 2016 in Zusammenhang. Er habe keine Anhaltspunkte an der Neutralität des Senats zu zweifeln, stelle aber die Frage, ob die Meldung entgegen seiner Erwartung vom 16. Senat im Zusammenhang mit der Feststellungsklage vom 08.12.2016 getätigt worden sei. Der Kläger erinnerte am 18.04.2017 an die Beantwortung seines Schreibens, sollte er keine Information erhalten, müsse er gegen alle Richterinnen des Senats einen Ablehnungsantrag stellen, um mögliche Befangenheit auszuschließen.
Mit Schreiben vom 25.04.2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass es sich bei dem angesprochenen Vorgang um eine Gesichtsverwaltungsangelegenheiten handle und die Anfrage von der Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts beantwortet werden müsse.
Am 27.04.2017 lehnte der Kläger die Vorsitzende und die weiteren Richterinnen des 16. Senats bei allen aktuell vorliegenden Verfahren ab. Er habe mit Informationsgesuch vom 31.03.2017 und Erinnerungsschreiben vom 18.04.2017 um Auskunft gebeten. Der Senat habe hierauf nicht reagiert und war nicht bereit für Klarheit zu sorgen. Er habe ein Recht auf Information. Da die Klärung per Informationsgesuch nicht möglich gewesen sei, sei es nun nötig den Sachverhalt im Rahmen eines formalen Ablehnungsantrags zu klären. Dadurch solle ausgeschlossen werden, dass die Richterinnen des Senats direkt oder indirekt bei der Denunziationsaktion zwecks Kriminalisierung des Rechtsuchenden mitgewirkt hätten. Die Neutralität der Richterinnen dürfe nicht vermutet, sondern ohne Zweifel sichergestellt werden. Ausdrücklich verzichte er nicht auf das Recht zur dienstlichen Erklärung der abgelehnten Richterinnen und beantrage, dass der zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Richter namhaft gemacht werde.
Mit Schreiben vom 02.05.2017 teilte er mit, dass laut Information der Gerichtspräsidentin die Aktion nicht von der Gerichtsverwaltung, sondern von einer Gerichtsperson indiziert worden sei. Infrage käme der 8., 9. oder 16. Senat. Sowohl der 8. Senat als auch der 9. Senat hätten klar Stellung bezogen. Lediglich der 16. Senat habe sich nicht geäußert. Ausweichende Reaktionen und Stellungnahmen würden den Sachverhalt nicht klären und bei den Beteiligten den Verdacht wecken, dass der Senat bei der Aktion doch beteiligt gewesen sei, dies jedoch aus unbekannten Gründen nicht offen legen wolle, was an sich als plausibler Ablehnungsgrund aufgrund fehlender Neutralität gelte.
Der Kläger möchte in Erfahrung bringen, wer die Meldung an die Kriminalpolizei veranlasst hat. Hierzu stellte er ein „Informationsgesuch“ an die Vorsitzende Richterin des 16. Senats. Mit der Antwort auf seine Anfrage ist er nicht einverstanden. Es sieht die Richterinnen des erkennenden Senats als befangen an, da er unterstellt, dass diese die Meldung ohne ausreichenden Grund veranlasst hätten.”
Die dienstliche Stellungnahme der Richterinnen wurde dem Kläger aufgrund eines Büroversehens erst mit den Beschlüssen des Senats vom 13.06.2017, Az.: L 16 SF 93/17 AB, L 16 SF 94/17 AB, L 16 SF 95/17 AB, L 16 SF 96/17 AB, L 16 SF 97/17 AB und L 16 SF 98/17, zu seinen Ablehnungsgesuchen vom 27.04.2017 übersandt, mit denen die Ablehnungsgesuche als unbegründet zurückgewiesen worden waren, da die Richterinnen des 16. Senats erweislich keine Informationen an die Gerichtsleitung weitergegen hätten.
Auf Anhörungsrüge des Klägers vom 26.06.2017 wurden mit Beschlüssen vom 17.08.2017, Az.: L 16 SF 147/17, L 16 SF 118/17, L 16 SF 181/17, L 16 SF 182/17, L 16 SF 183/17 und L 16 SF 184/17 die Beschlüsse des Senats vom 13.06.2017, Az.: L 16 SF 93/17 AB, L 16 SF 94/17 AB, L 16 SF 95/17 AB, L 16 SF 96/17 AB, L 16 SF 97/17 AB und L 16 SF 98/17 aufgehoben und die betreffenden Verfahren wegen Richterablehnung fortgeführt.
Mit Schreiben vom 26.06.2017 lehnte der Kläger die Richterinnen des 16. Senats erneut ab. Diese erneuten Ablehnungsgesuche wurden unter Az.: L 16 SF 146/17 AB, L 16 SF 147/17 AB, L 16 SF 148/17 AB, L 16 SF 149/17 AB, L 16 SF 150/17 AB und L 16 SF 151/17 AB erfasst. Die Ablehnung begründete der Kläger zum einen im Wesentlichen so, wie bereits mit Ablehnungsantrag vom 27.04.2017 geschehen. Zum anderen ergäbe sich die Befangenheit der Richterinnen aus ihren dienstlichen Äußerungen vom 29.05.2017; die Richterinnen hätten nicht eindeutig verneint, dass sie die Informationen an die Gerichtsleitung weitergegeben hätten, die dann von dieser an die Polizei gegangen seien.
Zu diesem erneuten Befangenheitsantrag vom 26.06.2017 haben die betroffenen Richterinnen wie folgt Stellung genommen: In ihrer Stellungnahme vom 19.07.2017 legt die Vorsitzende des 16. Senats dar, dass sie den Kläger auf eine mögliche Anfrage bei der Präsidentin, wer dieser die Informationen gegeben habe, hingewiesen habe. Die Richterin X. legt in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2017 dar, dass sie erst am 01.06.2017 für das Verfahren des Klägers zuständig wurde und der Kläger keine sie betreffende Befangenheitsgründe vorgetragen habe. Die Richterin Y. legt in ihrer Stellungnahme vom 20.07.2017 dar, dass sie von einer Stellungnahme absehe, da der Kläger keine sie betreffende Gründe geltend gemacht habe. Diese Stellungnahmen wurden an den Kläger weitergeleitet.
Zu den dienstlichen Äußerungen der betroffenen Richterinnen des 16. Senats sowohl zum ersten als auch zum zweiten Befangenheitsantrag äußerte sich der Kläger dann mit Schreiben vom 31.07.2017, dahingehend, dass auch in den dienstlichen Äußerungen ein klares Dementi der Weitergabe von Informationen enthalten sei. Solange die Vorsitzende des 16. Senats nicht jegliche Beteiligung mit klaren Worten bestreite, stehe sie unter dem Verdacht der Beteiligung und sei daher befangen. Soweit die beisitzende Richterin X. dargelegt habe, sie sei erst ab 01.06.2017 im Senat gewesen, ersetze dies ein klares Dementieren der Beteiligung nicht. Die Stellungnahme der beisitzenden Richterin Y., wonach sie bislang in dem Verfahren nicht tätig geworden sei, enthalte ebenfalls kein klares Dementi.
II.
Die Ablehnungsgesuche vom 27.04.2017 gegen die Richterinnen des 16. Senats sind zulässig.
Zwar ist ein Ablehnungsgesuch, mit dem ein Spruchkörper insgesamt abgelehnt wird, regelmäßig unzulässig bzw. offensichtlich unbegründet, da es an der notwendigen Individualisierung fehlt (vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht NJW 1997, 3327). Dies gilt jedoch nicht, wenn im Ablehnungsgesuch ein konkretes Vorbringen angesprochen wird, das einem oder mehreren Richtern im Spruchorgan zuordenbar ist.
So liegt der Fall hier. Eine Meldung von Daten des Klägers an die Gerichtsleitung, die offensichtlich Daten aus anhängigen Gerichtsverfahren an die Kriminalpolizei weitergeleitet hat, wäre einer zunächst namentlich noch unbekannten Richterin bzw. auch mehreren Richterinnen zuordenbar, so dass die Ablehnungsgesuche grundsätzlich zulässig sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.04.2004, Az.: 2 BvR 2225/03) kann bei Ablehnungsgesuchen gegen mehrere Richter, die gleichzeitig angebracht wurden und sich auf gleiche oder im Wesentlichen ähnliche Gründe stützen, über die Ablehnungsgesuche gegen die betroffenen Richter dann einheitlich entschieden werden (vgl. dazu auch BayLSG Beschluss vom 09.11.2012, L 16 SF 229/12 AB).
Die Ablehnungsgesuche vom 27.04.2017 gegen die Richterinnen des 16. Senats sind jedoch unbegründet.
Anhaltspunkte dafür, dass Umstände vorliegen, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterinnen des 16. Senats rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.
Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein.
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Meldung von Daten des Klägers durch Richter an die Gerichtsleitung, die solche Daten offenbar im Februar 2017 an die Kriminalpolizei weitergeleitet hat, einen Ablehnungsgrund darstellt.
Denn die Richterinnen des 16.Senats haben keine Daten aus im 16. Senat anhängigen Verfahren weitergegeben.
Aus den Akten der vom Kläger im 16. Senat geführten Verfahren ergibt sich gerade nicht, dass seitens einer Richterin des 16. Senats ein Verhalten an die Gerichtsleitung gemeldet worden wäre, wie sie dann von der Gerichtsleitung an die Kriminalpolizei weitergeleitet wurde. Vielmehr war den Richterinnen des 16. Senats der vom Kläger geschilderte Sachverhalt im Zusammenhang mit dessen Meldung an die Kriminalpolizei offensichtlich unbekannt. Dementsprechend wurde dem Kläger auch mit gerichtlichen Schreiben vom 25.04.2017 auf die entsprechenden Nachfragen des Klägers vom 31.03.2017 und 18.03.2017 mitgeteilt, dass es sich um eine Gerichtsverwaltungsangelegenheit handle, die von der Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts beantworten werden müsse. Hieraus ist für den Kläger ohne weiteres ersichtlich, dass der 16. Senat in diese Angelegenheit nicht involviert war und deshalb keine weiteren Auskünfte geben konnte, der Kläger sich also an die Gerichtsleitung, die die Meldung an die Kriminalpolizei veranlasst hatte, wenden müsse. Damit oblag es dem Kläger, die von ihm gewünschten Auskünfte von der Stelle einzufordern, die über entsprechendes Wissen verfügt, über das der 16. Senat nicht verfügt.
Ein willkürliches Verhalten der betroffenen Richterinnen, das ein Ablehnungsgesuch rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Der Hinweis der Vorsitzenden des Senats an den Kläger, sich betreffend des von ihm geschilderten und den Richterinnen des 16. Senats unbekannten Sachverhalts an die Gerichtsleitung zu wenden, war in der Sache gerechtfertigt.
Ein Anlehnungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass die Richterinnen des 16. Senats in ihren dienstlichen Äußerungen eine Weitergabe von Informationen über den Kläger an die Gerichtsleitung nicht ausdrücklich dementiert haben. Aus den Stellungnahmen ist ersichtlich, dass die Richterinnen schon über den Vorgang an sich, nämlich die Weitergabe von Informationen über den Kläger an die Gerichtsleitung und anschließend an die Polizei unzureichend informiert waren. Da es sich bei diesem Vorgang offensichtlich um ein Zusammenwirken der Gerichtsleitung mit anderen Richtern handelte, konnte der Kläger ohne Weiteres darauf verwiesen werden, sich über diesen Vorgang und dessen Einzelheiten bei der Gerichtsleitung kundig zu machen, ohne dass eine weitergehende Stellungnahme der Richterinnen, geschweige denn eine Dementi eigener Beteiligung nötig gewesen wäre.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.


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