Steuerrecht

Erfolgloses Ablehnungsgesuch wegen Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags

Aktenzeichen  M 21 K 17.42896

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5290
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 54 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2, § 227 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen eines Richters rechtfertigen nicht die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn die ihnen zugrundeliegende Rechtsauffassung bzw. Ermessenserwägungen zumindest vertretbar sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ablehnung eines Terminverlegungsgesuchs durch einen Richter rechtfertigt nur dann dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn sie auf eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinausläuft oder sich für die Partei der Eindruck einer willkürlichen, sachwidrigen Benachteiligung aufdrängt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sieht die Prozessvollmacht die Möglichkeit vor, einen Unterbevollmächtigten zur Terminvertretung zu bestellen, ist hiervon jedenfalls dann Gebrauch zu machen, wenn noch ausreichend Vorbereitungszeit vorhanden ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4 Macht ein Bevollmächtigter eine Vielzahl von Klagen und Anträgen Asylsuchender anhängig, so dass von vornherein absehbar ist, dass er die große Anzahl daraufhin durchzuführender mündlicher Verhandlungen voraussichtlich nicht persönlich bewältigen kann, trifft ihn eine Eingehungsverantwortung.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Ablehnung des Richters am Verwaltungsgericht Dr. … wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am 2. Dezember 1982 geborener nigerianischer Staatsangehöriger. Er stellte am 12. Mai 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 18. Mai 2017 als unzulässig ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Nigeria an.
Hiergegen hat der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 29. Mai 2017 bei dem Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid des Bundesamtes vom 18. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Mit ausführlich begründetem Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 24. Januar 2018 (Az. M 21 S 17.42900) lehnte der nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG zuständige Einzelrichter den parallel laufenden Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Nach seiner Bestellung zum Einzelrichter wies er ferner die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2018 ab.
Nachdem der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 28. Februar 2018 mündliche Verhandlung beantragt hatte, terminierte der Einzelrichter die Sache mit einer der Bevollmächtigten des Klägers am 19. März 2018 zugestellten Ladung vom 12. März 2018 als erste von acht am 13. April 2018 im Halbstundentakt von 9:00 bis 12:30 Uhr mündlich zu verhandelnden Streitsachen auf den 13. April 2018 um 9:00 Uhr.
Am 4. April 2018 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers die Verlegung dieses und des nachfolgenden, auf 9:30 Uhr geladenen Termins eines anderen von ihr vertretenen Klägers (Az. M 21 K 17.44173). Zur Begründung trug sie vor, sie habe an diesem Tag bereits eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München wahrzunehmen, welche seit längerem feststehe und nicht verschiebbar sei.
Diesen Antrag lehnte der Einzelrichter mit Telefax vom 5. April 2018 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Kläger habe keinen erheblichen Grund im Sinne des § 173 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Terminverlegung glaubhaft gemacht. Zum einen fehle es bereits an einem schlüssigen Vortrag zur Darlegung eines erheblichen Grundes für eine Terminänderung sowie an den zur Glaubhaftmachung erforderlichen Belegen. Zum andern sei in der Rechtsprechung geklärt, dass es einem Rechtsanwalt, welcher durch einen kollidierenden Gerichtstermin an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gehindert sei, grundsätzlich zumutbar sei, einen Vertretungsanwalt mit der Terminswahrnehmung zu beauftragen, sofern wie hier genügend Zeit zu dessen Einarbeitung bestehe und der Schwierigkeitsgrad der Streitsache dem nicht entgegenstehe; letzteres sei zu verneinen, da die Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall durch einen Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO und den unwirksam gewordenen Gerichtsbescheid vorgeklärt sei. Die Heranziehung eines anderen Rechtsanwalts im Wege der Unterbevollmächtigung sei im vorliegenden Fall auch deshalb zumutbar, weil die Bevollmächtigte des Klägers angesichts der großen Menge asylrechtlicher Streitsachen, welche sie insbesondere seit Mai 2017 allein bei der 21. Kammer des Verwaltungsgerichts München anhängig gemacht habe, von vornherein mit einer Vielzahl von Terminkollisionen habe rechnen müssen.
Daraufhin lehnte der Kläger durch seine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. April 2016 den Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung wurde vorgetragen, in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Besorgnis der Befangenheit begründet sei, wenn erhebliche Gründe im Sinne des § 227 ZPO tatsächlich vorlägen, sodass die Zurückweisung eines Terminverlegungsantrags für die betreffende Partei wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör schlechthin unzumutbar wäre, oder wenn sich aus der Ablehnung der Terminverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdränge. Beides sei vorliegend der Fall. Die Bevollmächtigte des Klägers habe angesichts der Tatsache, dass sie, wie sie auf Aufforderung hin ohne weiteres hätte glaubhaft machen können, den gesamten Vormittag bereits anderweitig am Verwaltungsgericht auftrete, erwarten können, dass der abgelehnte Richter eine Lösung wenigstens durch Terminverschiebung am selben Verhandlungstag finden werde. Ein solches Interesse habe der abgelehnte Richter jedoch nicht erkennen lassen. Auch habe er durch die sofortige Ablehnung des Terminverlegungsgesuchs dem Kläger von vornherein die Möglichkeit abgeschnitten, die Terminkollision und die Vorrangigkeit der kollidierenden Ladung durch Nachreichung von Belegen glaubhaft zu machen.
Der abgelehnte Richter hat unter dem 6. April 2018 eine dienstliche Äußerung abgegeben, in der er sich darauf berief, dass er seine Ablehnung des Terminverlegungsgesuchs mit einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung belegt habe.
Die Beklagte hat sich zu dem Ablehnungsgesuch nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Das Ablehnungsgesuch, über das nach § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO die gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufene 21. Kammer des Verwaltungsgerichts München ohne Mitwirkung des abgelehnten Einzelrichters zu entscheiden hat (vgl. BVerwG vom 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – NVwZ 2013, 225 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/F II 3 Nr. 47, m.w.N.), ist nicht begründet.
Die Ablehnung des Richters am Verwaltungsgericht Dr. R. ist unbegründet, weil nach Überzeugung der Kammer keine hinreichenden Gründe zu erkennen sind, die geeignet wären, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO). Zwar setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht voraus, dass der abgelehnte Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteilich ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt des Beteiligten her gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Auch ein vom Beteiligten objektiv zu Unrecht als Ausschließungsgrund angesehener Umstand kann daher im Einzelfall die Ablehnung rechtfertigen. Die rein subjektive Besorgnis, die nicht auf konkreten Tatsachen beruht, oder für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung des Richters nicht aus (BVerwG vom 06.12.1974 – III C 81.70 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 13 zur Ablehnung eines Sachverständigen, die sich gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach denselben Grundsätzen wie die Ablehnung einer Gerichtsperson richtet).
Selbst Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen eines Richters lassen noch nicht den Schluss auf dessen unsachliche Einstellung zu (BayObLG vom 12.05.1977 – DRiZ 1977, 244 = MDR 1977, 851 = FamRZ 1979, 737). Sie rechtfertigen nur dann die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn daraus bei objektiver Betrachtung auf eine unsachliche Einstellung des Richters gegenüber einem Verfahrensbeteiligten geschlossen werden kann. Ein Ablehnungsgrund liegt danach regelmäßig nicht vor, wenn die der beanstandeten Verfahrensentscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung bzw. Ermessenserwägungen zumindest vertretbar sind (OVG Berlin vom 29.05.1996 – 3 L 10.96, 3 L 11.96 – juris).
Die Ablehnung eines Terminverlegungsgesuchs durch einen Richter ist als solche grundsätzlich nicht geeignet, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (OLG Potsdam vom 30.09.1998 – 1 W 32/98 – NJW-RR 1999, 1291; OLG Köln vom 18.11.1996 – 14 WF 233/96 – NJW-RR 1997, 828). Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes kann in diesen Fällen nur angenommen werden, wenn die Zurückweisung des Verlegungsgesuchs auf eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) hinausläuft oder sich für die Partei der Eindruck einer willkürlichen, sachwidrigen Benachteiligung aufdrängt (OLG Potsdam, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O; KG Berlin vom 06.10.2004 – 15 W 98/04 – MDR 2005, 708).
Derartige Gründe sind entgegen der Darstellung der Klagepartei vorliegend nicht gegeben. Im Mittelpunkt der Ablehnung des Verlegungsgesuchs steht das – an die als Einzelanwältin tätige Bevollmächtigte des Klägers gerichtete – Verlangen des abgelehnten Richters, angesichts der vorgetragenen Terminkollision einen anwaltlichen Vertreter mit der Terminswahrnehmung zu beauftragen. Hierbei handelt es sich um ein von obergerichtlicher Rechtsprechung gebilligtes Vorgehen, welches keinesfalls geeignet ist, eine sachwidrige Benachteiligung des vertretenen Klägers zu begründen. Sieht die Prozessvollmacht – wie hier – die Möglichkeit vor, einen Unterbevollmächtigten etwa zur Terminvertretung zu bestellen, ist hiervon jedenfalls dann Gebrauch zu machen, wenn noch ausreichend Vorbereitungszeit vorhanden ist (VGH Mannheim vom 30.01.1998 – A 12 S 157/98 – NVwZ 1998, Beilage Nr. 5, 43 = VBlBW 1998, 260). Dem hat sich die Kammer in einer Vielzahl von Fällen angeschlossen. Da hierdurch die Gewährung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung in zumutbarer Weise gerade sichergestellt werden kann, ist dem Kläger zugleich der Einwand abgeschnitten, der Grund für die Ablehnung des Richters ergebe sich aus dessen bewusster Vorenthaltung dieses Grundrechts.
Hinzu kommt vorliegend der – in der Rechtsprechung sicherlich neue – Gedanke einer gewissen Eingehungsverantwortung der Bevollmächtigten des Klägers. Diese wird grundsätzlich nicht davon ausgehen können, dass sie sich auf Dauer der Möglichkeit der Bestellung von Unterbevollmächtigten verweigern kann, obwohl sie mit oft nur das Rubrum und die Antragstellung enthaltenden Klage- und Antragsschriften in rascher Folge (hier insbesondere seit Mai 2017) eine Vielzahl von Klagen und Anträgen Asylsuchender anhängig gemacht hat, so dass von vornherein absehbar war, dass sie die große Anzahl daraufhin nach § 101 Abs. 1 VwGO obligatorisch durchzuführender mündlicher Verhandlungen voraussichtlich nicht persönlich bewältigen kann und – da auch das Gericht die anfallende Arbeit auf mehrere Kammern verteilen musste – es unvermeidlich zu Terminkollisionen kommen werde. Auch in dieser Argumentation des abgelehnten Richters kommt keinesfalls eine sachwidrige Benachteiligung der vertretenen Partei zum Ausdruck; die Argumentation ist vielmehr als ausschließlich sachbezogen zu werten.
Das hier als Ablehnungsgrund allein in Betracht kommende Schreiben vom 5. April 2018 gibt auch sonst keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln. Soweit der Bevollmächtigten des Klägers darin die mangelnde Schlüssigkeit des Terminverlegungsgesuchs vorgehalten und im Widerspruch zu § 227 Abs. 2 ZPO, wonach die erheblichen Gründe für eine Terminverlegung nicht unaufgefordert, sondern erst auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen sind, beanstandet wurde, die Terminkollision sei nicht belegt worden, dürfte dies im vorliegenden Fall lediglich dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass das Terminverlegungsgesuch nicht unverzüglich nach Erhalt der Ladung am 19. März 2018, sondern erst am 5. April gestellt wurde und daher für weiteren zeitraubenden Schriftverkehr sowie besonders sorgfältiges Abwägen der benutzten Worte kaum noch Zeit blieb. Auch darin kann die Kammer keine unsachliche Einstellung des abgelehnten Richters gerade dem Kläger gegenüber erkennen. Spannungen – zumal fachlicher Art – allein zwischen Bevollmächtigten und dem Richter können grundsätzlich keine Ablehnung rechtfertigen (OLG Karlsruhe vom 27.05.1986 – 12 W 21/86 – NJW-RR 1987, 126 = Justiz 1986, 362).
Das Ablehnungsgesuch konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Verfahrens über das Ablehnungsgesuch sind Bestandteil der Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die in der verfahrensabschließenden Entscheidung befunden wird.
Dieser Beschluss ist nach § 146 Abs. 2 VwGO, § 80 AsylG unanfechtbar.


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