Steuerrecht

Erweiterte Gewerbeuntersagung, Gewerbeuntersagungsverfahren, Steuerrückstände, Unzuverlässigkeit, Untersagungsverfügung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Verwaltungsgerichte, Gewerbliche Betätigung, Vertretungsberechtigter, Selbständiger Gewerbetreibender, nichtselbständige Tätigkeit, Gerichtliche Kostenentscheidung, Gewerbliche Tätigkeit, Gläubigerbefriedigung, Gewerbebetrieb, Untersagungsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Schuldnerverzeichnis, Leistungsunfähigkeit, Vorläufige Vollstreckbarkeit

Aktenzeichen  M 16 K 20.1268

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41583
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 7a
GewO § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger demzufolge nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids vom 25. Februar 2020, der das Gericht folgt, wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
1. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die künftige selbständige gewerbliche Betätigung „Groß- und Einzelhandel mit, sowie Im- und Export von Textilien; An- und Verkauf von Immobilien, Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien“ im stehenden Gewerbe“ untersagt.
Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist § 35 Abs. 7a GewO.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
Nach § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO kann eine Gewerbeuntersagung i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO nicht nur gegen den Gewerbetreibenden selbst, sondern auch gegen Vertretungsberechtigte – wie hier den Kläger – oder als mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragte Personen ausgesprochen werden, wenn gegen den Gewerbetreibenden – wie hier – selbst ein Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eingeleitet ist. Diese Vorschrift ermöglicht es, einer Person, die nicht Gewerbetreibende ist, die künftige Ausübung eines Gewerbes untersagen. Das Untersagungsverfahren gegen Vertretungsberechtigte oder als mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragte Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Nicht erforderlich ist, dass die beiden Verfahren zeitlich parallel zu einem Abschluss gebracht werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 des § 35 GewO sind nach § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 19 ff. m.w.N.).
Die Untersagung nach § 35 Abs. 7a Satz 3, Abs. 1 GewO setzt voraus, dass Tatsa chen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Vertreters in Bezug auf das untersagte Gewerbe, alle anderen Gewerbe und die unselbständig leitenden Tätigkeiten im Sinn des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO dartun. Der Maßstab für die Prüfung der Unzuverlässigkeit ist bei der Anwendung des § 35 Abs. 7a GewO kein anderer als im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 GewO. Unterschiede bestehen insoweit, als sich die Unzuverlässigkeit im Rahmen § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO auf das ausgeübte Gewerbe bezieht, während sie in Anwendung des § 35 Abs. 7a GewO auf die künftige Gewerbeausübung in einem Gewerbe bezogen ist, das der bisherigen unselbständigen Tätigkeit entspricht. Unzuverlässig ist für eine künftige gewerbliche Betätigung der bisher unselbständig Tätige, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft ein seiner bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die insoweit erforderliche Prüfung ist derjenige der letzten Verwaltungsentscheidung. Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die eine ordnungsgemäße Betriebsführung und die Erfüllung öffentlichrechtlicher Zahlungspflichten verhindert, ohne dass Anzeichen für eine Besserung vorhanden sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 29 ff. m.w.N.).
Daran gemessen war der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung am 28. Februar 2020 im Gewerbeuntersagungsverfahren unzuverlässig und war die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass der Kläger ein künftiges Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausüben wird.
Nach den Feststellungen der Beklagten im Bescheid vom 25. Februar 2020 hatte der Kläger mit Stand jeweils vom 21. Januar 2020 persönliche Steuerrückstände beim Finanzamt in Höhe von 31.662,54 Euro und beim Kassen- und Steueramt der Beklagten persönliche Gewerbesteuerrückstände in Höhe von 34.873,79 Euro, die sich den Aufstellungen zufolge über Jahre hinweg angesammelt haben. Darüber hinaus war der Kläger im Schuldnerverzeichnis mit dem Vermerk „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ eingetragen. Auch diese Eintragung belegt hinreichend, dass der Kläger vollstreckbare Forderungen nicht wie geschuldet sofort zahlen kann und damit wirtschaftlich nicht leistungsfähig ist (vgl. § 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der Kläger bot danach im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht die Gewähr dafür, dass er in Zukunft ein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird.
Zu Recht hat die Beklagte auch auf die Versäumnisse des Klägers als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … … … GmbH Bezug genommen, bei der über einen langen Zeitraum hinweg ebenfalls erhebliche Steuerrückstände aufgelaufen sind (vgl. OVG NW, B.v. 28.8.2017 – 4 A 2232/15 – juris Rn. 5 m.w.N.). So bestanden im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des gegenständlichen Bescheids Gewerbesteuerrückstände der GmbH beim Kassen- und Steueramt der Beklagten in Höhe von über 60.000 Euro sowie eine Eintragung der Gewerbetreibenden im Schuldnerverzeichnis mit dem Vermerk, „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ (s. im Übrigen auch VG München, Urteil vom 16.6.2020 in der Streitsache M 16 K 17.6016). Auch den Wechsel der Betriebsart bzw. die Ausdehnung auf eine branchenfremde Betriebsart von „Import, Export, Groß- und Einzelhandel mit Textilien“ (lt. Gewerbeanzeige von 1998) auf den „An- und Verkauf von Immobilien, (die) Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien“ (vgl. Handelsregisterauszug v. 29.1.2020) hat der Kläger als Geschäftsführer trotz Aufforderung durch die Beklagte pflichtwidrig nicht angezeigt (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 146 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b GewO).
Die gegen den Kläger ausgesprochene Gewerbeuntersagung ist auch erforderlich, weil zu erwarten ist, dass der Kläger in eine selbständig ausgeübte gewerbliche Tätigkeit ausweicht (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 32 m.w.N.). Der Kläger war in der Vergangenheit offenbar selbst gewerblich tätig, was sich aus dem Strafurteil des Amtsgerichts München vom … Mai 2017 ergibt, demzufolge der Kläger wegen Steuerhinterziehung sowie versuchter Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Danach sei der Kläger selbständig gewesen und habe Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb als Immobilienmakler erwirtschaftet. Davon abgesehen hat der Kläger selbst dargelegt, dass er noch niemals Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit erzielt habe. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass es für einen Beschäftigten wie den Kläger mit Rücksicht auf die gegen seinen Arbeitgeber gerichtete Gewerbeuntersagung naheliegt, sich als selbständiger Gewerbetreibender zu betätigen (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 ebd.). Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände der Aufnahme einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit durch den Kläger entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar. Angesichts der Erforderlichkeit der Gewerbeuntersagung ist es zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden auch sonst nicht unverhältnismäßig, dem Kläger vorbeugend eine gewerbliche Betätigung zu untersagen.
Die Ermessensausübung der Beklagten beim Erlass der Untersagungsverfügung ist nicht zu beanstanden. Sie hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und der Bescheidsbegründung ist zu entnehmen, dass die Beklagte davon ausging, der Kläger werde auf eine selbständige gewerbliche Tätigkeit ausweichen. Danach würde die Zahlungsunfähigkeit des Klägers bei entsprechender Ausübung einer selbständigen Gewerbetätigkeit zu weiteren Vermögenschädigungen Dritter führen, sei es sachgerecht und geboten, die künftige gewerbliche Betätigung – wie bisher unselbständig in der Firma GmbH ausgeübt – zu untersagen und müsse damit gerechnet werden, dass der Kläger diese bislang unselbständig ausgeübten Tätigkeiten – als Einzelunternehmer – in gleicher Weise fortführen würde.
2. Nach Vorstehendem ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Gewerbeuntersagung auf die Ausübung jeglicher selbständigen gewerblichen Tätigkeit sowie auf eine Tätigkeit des Klägers als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person erweitert hat. Die Beklagte hat auch insoweit das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung auf die vorgenannten Tätigkeiten erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Vertretungsberechtigte oder die mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Insoweit müssen Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Betroffenen in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Diese sind bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen – wie hier – aber regelmäßig gegeben. Ist ein Gewerbetreibender oder – hier – eine Person i.S.d. § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 ff. m.w.N.).
Dem genügen die Ermessenserwägungen der Beklagten, die in der einzelfallbezogenen Begründung der erweiterten Untersagungsverfügung im Bescheid vom 25. Februar 2020 ihren Niederschlag gefunden haben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer erweiternden Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 7a Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GewO lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung vor. Insbesondere war die erweiterte Gewerbeuntersagung erforderlich, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Klägers auf eine anderweitige Gewerbetätigkeit als das der … … … GmbH untersagte Gewerbe bestand. Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nachvollziehbar ausgeführt, durch das Festhalten des Klägers an der aktuellen Beschäftigung habe dieser gezeigt, sich in jedem Fall weiter gewerblich betätigen zu wollen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17). Dieser Fortführungswille des Klägers ergibt sich bereits daraus, dass er die … … … GmbH – ohne einen Insolvenzantrag zu stellen oder nach einem abgestimmten und tragbaren Sanierungskonzept zu arbeiten oder deren Liquidation zu betreiben – als Vertretungsberechtigter weiterführte, obwohl diese Gesellschaft im maßgeblichen Zeitpunkt offenkundig zahlungsunfähig und keine Besserung abzusehen war. Dies zeigen insbesondere die Steuerrückstände der GmbH beim Kassen- und Steueramt der Beklagten in Höhe von über 60.000 Euro sowie die Eintragung (auch) der GmbH im Schuldnerverzeichnis mit dem Vermerk, „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“.
Weiterhin hat die Beklagte fehlerfrei festgestellt, dass ein Ausweichen des Klägers auf 29 eine andere Betriebsart und/oder eine unselbständige Beschäftigung als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie eine mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person zu erwarten ist. Weder liegen besondere Umstände vor, denen zufolge die Ausübung eines selbständigen anderen Gewerbes oder eine unselbständige Tätigkeit als Vertretungsberechtigter derselben oder einer anderen Gewerbetreibenden oder als eine mit der Leitung eines Gewerbetreibenden beauftragte Person durch den Kläger ausgeschlossen werden kann, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass für diesen eine solche Betätigung nicht mehr in Betracht kommen würde.
Hiervon ausgehend wurde das eingeräumte Ermessen auch sonst frei von Rechtsfehlern ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist gewerbeübergreifend unzuverlässig, weil er insbesondere mit der Verletzung seiner persönlichen steuerlichen Pflichten aber auch mit der Verletzung der steuerlichen Pflichten der von ihm vertretenen Gewerbetreibenden gegen Regeln verstoßen hat, die für jeden Gewerbebetrieb gelten und die sich nicht auf eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit beschränken. Das rechtfertigt die Annahme der Beklagten, dass der Kläger ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes an den Tag legen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – juris Rn. 22, 26, jeweils m.w.N.).
3. Die im Klageverfahren vorgebrachten Einwände des Klägers gegen die Gewerbeuntersagungsverfügungen führen zu keiner anderen Bewertung.
Das Vorbringen, der Kläger sei 68 Jahre alt, habe keine Altersversorgung und beziehe weder Renten, noch habe er sich eine Altersversorgung aufbauen können, stellt keine ausreichende Begründung dar, derentwegen hier von der Gewerbeuntersagung abzusehen gewesen wäre. Besondere Umstände im Einzelfall, die eine andere Bewertung hätten ermöglichen können, bestanden nicht. Liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 7a i.V.m. § 35 Abs. 1 GewO vor und hat die Verwaltungsbehörde die Besorgnis des Ausweichens des Betroffenen auf die Ausübung eines selbständigen Gewerbes sowie auf Tätigkeiten i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zutreffend dargetan und ihre Ermessensentscheidungen danach ausgerichtet, ist der Erlass dahingehender Untersagungsverfügungen zum Schutz der Allgemeinheit in aller Regel erforderlich. So liegt es aus den vorgenannten Gründen auch hier. Ausweislich der Bescheidsgründe hat sich die Beklagte beim Erlass der Gewerbeuntersagungsverfügungen auch mit den sich für den Kläger ergebenden Härten auseinandergesetzt. Da Anzeichen für eine Besserung der wirtschaftlichen Situation nicht bestanden, eine künftige gewerbliche Betätigung des Klägers i.S.d. § 35 Abs. 7a Satz 1, § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sowie Tätigkeiten nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO durch diesen aber zu erwarten waren, ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin dem Schutz der Allgemeinheit den Vorrang einräumte vor dem Interesse des Klägers, sich zur Sicherung seines Lebensunterhalts gewerblich zu betätigen. Die sich aus den angefochtenen Gewerbeuntersagungsverfügungen ergebenden nachteiligen wirtschaftlichen Folgen für den Kläger wie das Angewiesensein auf Sozialhilfe sind deshalb nicht unverhältnismäßig, sondern erforderliche Folge der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers.
Die Auffassung des Klägers, allein dessen Steuerrückstände rechtfertigten keine Ge werbeuntersagung, trifft nicht zu. Es ist allgemeine Meinung, dass Steuerschulden auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen lassen, weil sie ohnehin Ausfluss mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.) oder andernfalls auf eine Leistungsunwilligkeit schließen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 52.78 – juris Rn. 17 m.w.N.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit bei erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Die sich hier aus der Nichtentrichtung fälliger Steuern ergebende Leistungsunfähigkeit des Klägers begründet grundsätzlich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Steuerrückstände rechtfertigen die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Betroffenen – wie hier – von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Betroffene seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 6 m.w.N.). Ausweislich der Mitteilungen des Finanzamts und des Kassen- und Steueramts der Beklagten ist der Kläger über Jahre hinweg seinen Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen. Nichts Anderes ergibt sich für die Steuerrückstände der vom Kläger vertretenen … … … GmbH. Ob für diese Steuerrückstände beim Finanzamt bestanden (nach den Feststellungen der Beklagten waren dies mit Stand vom 22.1.2020 aber 2.888 Euro), kann dahinstehen, weil sie jedenfalls Gewerbesteuerrückstände von über 60.000 Euro hatte.
Unzutreffend ist auch das Vorbringen des Klägers, es sei nicht nachvollziehbar, woher die Steuerschulden kommen würden, wie sich diese zusammensetzten und welche Steuerarten betroffen seien. Die Beklagte hat die Höhe der Steuerschuld des Klägers, aber auch die der von diesem vertretenen … … … GmbH, durch Anfrage bei den Steuerbehörden ermittelt. Aus den in den Behördenakten enthaltenen schriftlichen oder verschriftlichten Auskünften ergibt sich ohne weiteres, mit welchen Steuerzahlungen der Kläger und die GmbH in welcher Höhe im Rückstand waren und um welche Steuerarten es sich insoweit handelte (etwa Einkommenssteuer und Gewerbesteuer), insbesondere wessen Steuerrückstände in welcher Höhe jeweils im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden haben. Die Klagepartei ist den dokumentierten Feststellungen der Beklagten auch nicht substantiell entgegengetreten, sie hat insbesondere nicht durch einen entsprechenden Tatsachenvortrag aufgezeigt, was an den in der Behördenakte enthaltenen aber auch im Bescheid genannten Auskünften an die Beklagte unzutreffend sein soll. Eine anlasslose Pflicht des Gewerbeamts oder des Verwaltungsgerichts, Mitteilungen der Steuerbehörden über die Höhe von Steuerschulden und über Verstöße gegen steuerrechtliche Zahlungs- und Erklärungspflichten auf ihre Richtigkeit zu prüfen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.3.2029 – 22 ZB 18.1514 – juris). Nicht zutreffend ist auch die klägerische Annahme, es komme nicht darauf an, welche Steuerschulden der Kläger selbst habe. Zur Prognose im Rahmen einer Gewerbeuntersagung mit vorbeugendem Charakter nach § 35 Abs. 7a GewO wegen fehlender Leistungsfähigkeit kommt es vielmehr entscheidend auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen an, hier also des Klägers (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 31 m.w.N.). Ergänzend konnte allerdings auf die Verletzung von Handlungspflichten des vertretungsberechtigten Klägers abgestellt werden, die sich hier aus dessen Geschäftsführertätigkeit ergeben haben. Dabei ist es unbeachtlich, ob der Kläger jemals ein Gehalt von der … … … GmbH bezogen hat.
Die Rechtsauffassung des Klägers, die Auskünfte der Steuerbehörden an die Beklagte seien entgegen § 30 ff. AO (Steuergeheimnis) erlangt worden, trifft nicht zu. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO dürfen die Finanzbehörden an einem Gewerbeuntersagungsverfahren durch Mitteilung der Steuerrückstände mitwirken, weil ein zwingendes öffentliches Interesse an der praktischen Durchführung von Gewerbeuntersagungen aufgrund einer Vielzahl von Fällen von Steuerrückständen besteht (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 19; B.v. 23.9.1991 – 1 B 96/91 – juris Rn. 5 ff.; ebs. BFH, U.v. 29.7.2003 – VII R 39, 43/02 – juris Rn. 20 ff., jeweils m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers hält auch die Begründung der Gewerbeunter 36 sagungsverfügung durch die Beklagte der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, ob eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsentscheidung und keine Ermessensentscheidung. Die Behörde wie das Gericht haben in der Vergangenheit liegende Tatsachen zu bewerten und hieraus eine Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen anzustellen, ob also künftig Verstöße wahrscheinlich sind. Nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Erwägungen, denen zufolge die Beklagte die Untersagungsverfügung erlassen hat, genügen diesen formellen Begründungsanforderungen und sie sind, wie oben ausgeführt, auch in der Sache zutreffend. Nichts Anderes ergibt sich im Ergebnis daraus, dass der Erlass der Untersagungsverfügungen hier insgesamt im Ermessen der Beklagten stand (Art. 39 Abs. 1 Satz 3, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Denn die Beklagte hat ihr Ermessen gesehen, es dem Zweck der Ermächtigung des § 35 Abs. 7a, § 35 Abs. 1 GewO entsprechend ausgeübt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet und die Ausübung ihres Ermessens hinreichend begründet (Art. 39 Abs. 1 Satz 3, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.
Soweit es der Kläger als beleidigend bemängelt, die Beklagte habe ihm vorgeworfen, einen „eingewurzelten Hang zur Missachtung der öffentlichrechtlichen Pflichten und einen Mangel an sozialem Verantwortungsbewusstsein“ zu haben, trifft dies in Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids vom 25. Februar 2020 nicht zu. Den dahingehenden Vortrag der Beklagten hat der Kläger aber deren Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren vom 4. Mai 2020 entnommen (ebs. Stellungnahme vom 17. Januar 2018 im Klageverfahren der … … … GmbH, Az. M 16 K 17.6016). Diese Formulierungen rühren aus z.T. älteren Entscheidungen her (vgl. Landmann/Rohmer, GewO, Stand Oktober 2019, § 35 Rn. 52a worin seinerseits auf Entscheidungen von Obergerichten aus den 1970er Jahren verwiesen wird: „eingewurzelter Hang zur Missachtung der Rechtsordnung“; BVerwG, B.v. 9.2.1957 – I B 269.56 – Orientierungssatz zitiert nach juris: „Mangel an sozialem Verantwortungsbewusstsein“) und stehen insoweit mit gewerblich relevanten Verfehlungen in Zusammenhang, die dem Kläger hier angelastet werden. Eine beleidigende Absicht kommt der Verwendung dieser auch heute noch gebräuchlichen Wendungen sicherlich nicht zu, wenngleich erstere wohl eher dem Spektrum strafrechtlicher Wertungen überwiegend früheren Datums entlehnt ist und letztere ursprünglich bei der Nichtabführung einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge Verwendung fand bzw. findet (vgl. aber z.B. OVG RhPf, B.v. 29.8.2018 – 6 B 10744/18 – juris Rn. 31, Nichtabführung der Umsatzsteuer). Insoweit mag der Vortrag des Klägers durchaus einen Anstoß geben, nicht mehr zeitgemäße Formulierungen und Ausdrucksweisen in gerichtlichen und behördlichen Verwaltungsverfahren, wenn möglich, zu entschärfen und sich einer sachlichen, weniger wertenden Sprache zu bedienen, die als abschätzig missverstanden werden kann. An der in der Sache zutreffenden Einschätzung der Beklagten, dass es der Kläger in der Vergangenheit versäumt hat, ebenso seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen wie denen der von ihm vertretenen … … … GmbH, ändert sich dadurch allerdings nichts.
4. Gegen die dem Kläger eingeräumte Abwicklungsfrist von 10 Tagen für die Einstellung seiner in leitender Stellung abhängige Beschäftigung nach Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung (Nr. 3 des Bescheidstenors) bestehen ebenso wenig Bedenken wie – angesichts der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers – gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs (Nr. 4 des Bescheidstenors). Die behördliche Kostenentscheidung der Beklagten (Nr. 5 des Bescheidstenors) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 450 Euro anhand des Gebührenrahmens von 50 bis 2.000 Euro ermessensgerecht (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/15 KVz).
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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