Steuerrecht

Erweiterte Gewerbeuntersagung, Gewerbeuntersagungsverfahren, Unzuverlässigkeit, Steuerrückstände, Gewerbetreibender, Maßgeblicher Zeitpunkt, Verwaltungsgerichte, Leistungsunfähigkeit, Steuerliche Erklärungspflichten, Gerichtliche Kostenentscheidung, Gewerbeausübung, Untersagungsverfügung, Gewerbliche Tätigkeit, Geschäftsführerpflichten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Gewerbliche Betätigung, Ratenzahlungsvereinbarung, Versuchte Steuerhinterziehung

Aktenzeichen  M 16 K 17.6016

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41344
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin demzufolge nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids vom 27. November 2017, der das Gericht folgt, wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
1. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht die weitere Ausübung der gewerblichen Tätigkeit „Groß- und Einzelhandel mit, sowie Im- und Export von Textilien; An- und Verkauf von Immobilien; Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien“ im stehenden Gewerbe untersagt.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids am 29. November 2017 vor (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
a) § 35 GewO ist das notwendige Korrelat zur Gewerbefreiheit. Diese Vorschrift soll verhindern, dass der Gewerbetreibende schrankenlosen Gebrauch von der Gewerbefreiheit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Belange der Allgemeinheit macht. Ziel der Untersagung ist es, diejenigen Gewerbetreibenden vom Wirtschaftsverkehr auszuschließen, die wegen einer nicht ordnungsgemäßen Gewerbeausübung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Oktober 2019, § 35 Rn. 15, Brüning in Beck-OK, Stand 1.3.2020, § 35 vor Rn. 1, jeweils m.w.N.).
Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 8).
b) Daran gemessen war die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids am 29. November 2017 im Gewerbeuntersagungsverfahren unzuverlässig und war die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass die Klägerin ihr Gewerbe auch künftig nicht ordnungsgemäß ausüben wird.
aa) Nach den Feststellungen der Beklagten im Bescheid vom 27. November 2017 hatte die Klägerin jeweils mit Stand vom 24. November 2017 Steuerrückstände beim Finanzamt in Höhe von 5.566,26 Euro und Gewerbesteuerrückstände beim Kassen- und Steueramt der Beklagten in Höhe von 11.198,70 Euro. Im Vergleich zu der erkennbar überschaubaren Wirtschaftskraft des klägerischen Gewerbes ist dieser Rückstand erheblich (Rückschlüsse auf die Wirtschaftskraft erlauben die jeweiligen Umsatzsteuerforderungen, vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2017 – 22 C 16.2481 – juris Rn. 9), zumal Vollstreckungsversuche in das Vermögen der Klägerin nach Mitteilung des Finanzamts sowie des Kassen- und Steueramts der Beklagten ohne Erfolg blieben.
Die der Klägerin im behördlichen Verfahren eröffnete Möglichkeit, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse etwa durch die Vorlage von Ratenzahlungsvereinbarungen zu ordnen, hat diese nicht genutzt. Die Klägerin legte auch sonst kein konkretes Konzept zu einer planmäßigen Schuldentilgung vor. Mit einer geordneten Rückführung der Steuerverbindlichkeiten konnte deshalb im Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht gerechnet werden.
bb) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin ergänzend mit der persönlichen Unzuverlässigkeit des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers der Klägerin begründet, soweit diese der Klägerin zuzurechnen ist.
Soweit sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin aus ihrer wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit ergibt, kommt es allerdings nur auf die Vermögensverhältnisse und Verbindlichkeiten der Klägerin selbst an, nicht jedoch auf die Verbindlichkeiten ihres Geschäftsführers. Gleichwohl können aber Unzuverlässigkeitsgründe in der Person des Geschäftsführers der Klägerin, deren vertretungsberechtigtes Organ er ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), der Klägerin zuzurechnen sein. Dies gilt insbesondere für Unzuverlässigkeitsgründe, die sich aus dessen Pflichtverletzungen als Geschäftsführer ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10, 20).
So liegt es hier. Nach Mitteilung des Finanzamts München vom 14. September 2017 wurden die Steuererklärungen für die Klägerin teilweise verspätet bzw. gar nicht abgegeben. Auch die Nichtabgabe bzw. deutlich verspätete Abgabe von Steuererklärungen über einen längeren Zeitraum lässt erkennen, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt in gewerberechtlicher Hinsicht unzuverlässig war, weil ihr Geschäftsführer den mit einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachkam. Der Geschäftsführer hat es nicht nur unterlassen, die steuerlichen Erklärungspflichten der Klägerin vollständig und rechtzeitig zu erfüllen, dieser hat es auch über Jahre hinweg unterlassen, den Wechsel oder die Ausdehnung des Gegenstands des Gewerbes der Klägerin anzumelden. Trotz Aufforderung durch die Beklagte ist der Geschäftsführer der Klägerin seiner Anzeigeverpflichtung auch nicht im Lauf des Verwaltungsverfahrens nachgekommen. Aus den Eintragungen im Handelsregister ergibt sich, dass Gegenstand des Unternehmens der Klägerin der „An- und Verkauf von Immobilien, (die) Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien“ ist. Gewerberechtlich angemeldet wurde für die Klägerin demgegenüber vom vormaligen Geschäftsführer im Jahr 1998 lediglich der Gewerbegegenstand „Import, Export, Groß- und Einzelhandel mit Textilien“. Die bußgeldbewehrte Zuwiderhandlung gegen die sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GewO ergebende Anzeigepflicht (§ 146 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b GewO) durch den zur Anzeige verpflichteten Geschäftsführer der Klägerin ist ein weiterer Beleg dafür, dass dieser nicht für eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung der Klägerin Sorge trägt.
Bei der prognostischen Bewertung, ob die Klägerin künftig ihr Gewerbe ordnungsge mäß ausüben und insbesondere ihren steuerlichen Pflichten nachkommen wird, konnte die Beklagte auch auf die Verurteilung des Geschäftsführers wegen Steuerhinterziehung abstellen. Denn der Geschäftsführer hat die steuerlichen Pflichten der Klägerin zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass fällige Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln ordnungsgemäß abgeführt werden. Diesen Pflichten kam er in der Vergangenheit nicht nach. An einer künftig ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Pflichten bestanden danach auch anlässlich der Verurteilung des Geschäftsführers wegen Steuerhinterziehung erhebliche Zweifel, weil Anlass für dessen Verurteilung ebenfalls die verspätete Abgabe von Steuererklärungen war.
cc) Von Vorstehendem ausgehend war in der Gesamtschau zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass die Klägerin nicht die Gewähr dafür bietet, sie werde ihr Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, wenn die dort genannten Voraussetzungen – wie hier – vorliegen. Ein Ermessensspielraum steht der Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der aufgeführten Steuerrückstände, die sich über einen längeren Zeitraum angesammelt haben und der Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten war die Untersagung der Gewerbeausübung zum Schutz der Allgemeinheit auch erforderlich. Eine mildere, gleichermaßen geeignete Maßnahme ist nicht ersichtlich. Die Gewerbeuntersagung ist vorliegend auch verhältnismäßig. Eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung kann allenfalls in extremen Ausnahmefällen unverhältnismäßig sein. Ein solcher Ausnahmefall wird nicht schon durch die vom Gewerbetreibenden vorgetragene Gefahr begründet, infolge der Gewerbeuntersagung seine gewerbliche Tätigkeit nicht mehr ausüben zu können und seine wirtschaftlichen Existenzgrundlage zu verlieren (BVerwG, B. v. 25.3.1991 – 1 B 10.91 – juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 24.10.2012 – 22 ZB 12.853 – juris Rn. 26, jeweils m.w.N.).
2. Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auf die Ausübung jeglicher selbständigen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin im stehenden Gewerbe ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das ihr insoweit eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Insoweit müssen Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Diese sind bei ungeordneten Vermögensverhältnissen – wie hier – aber regelmäßig gegeben. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 ff. m.w.N.).
Dem genügen die Ermessenserwägungen der Beklagten, die in der einzelfallbezogenen Begründung der erweiterten Untersagungsverfügung im Bescheid vom 27. November 2017 ihren Niederschlag gefunden haben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung vor. Insbesondere war die erweiterte Gewerbeuntersagung erforderlich, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen der Klägerin auf eine anderweitige Gewerbetätigkeit bestand. Diese Wahrscheinlichkeit ergab sich bereits aus dem Festhalten der Klägerin an dem tatsächlich ausgeübten Gewerbe trotz ihrer offenkundig fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dadurch hat die Klägerin erkennbar ihren Willen bekundet, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17). Auch die – nicht angezeigte – Ausdehnung des Gegenstands des Gewerbes der Klägerin auf eine andere Branche lässt erkennen, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht auf einen bestimmten Gewerbegegenstand beschränkt ist. Besondere Umstände im Einzelfall, die hier eine andere Bewertung hätten zulassen können, lagen nicht vor; dies hat die Beklagte zutreffend erkannt.
Hiervon ausgehend wurde das eingeräumte Ermessen auch sonst frei von Rechtsfehlern ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Klägerin ist gewerbeübergreifend unzuverlässig, wie insbesondere deren Steuerrückstände, aber auch die Nichtbeachtung der steuerlichen Erklärungspflichten belegen. Das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse und die Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten sind aber Zuverlässigkeitsvoraussetzungen, die für jeden Gewerbebetrieb gelten und sich nicht auf eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit beschränken. Das rechtfertigt die Annahme der Beklagten, dass die Klägerin ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes an den Tag legen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – juris Rn. 22, 26, jeweils m.w.N.).
Auch in Bezug auf die erweiterte Gewerbeuntersagung ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich im Einklang steht (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 22 ZB 15.1271 – juris Rn. 24 m.w.N.)
3. Die im Klageverfahren vorgebrachten Einwände der Klägerin gegen die Gewerbeuntersagungsverfügung führen zu keiner anderen Bewertung.
Die Auffassung der Klägerin, die „angeblichen“ Steuerschulden rechtfertigten keine Gewerbeuntersagung, trifft nicht zu. Es ist allgemeine Meinung, dass Steuerschulden auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen lassen, weil sie ohnehin Ausfluss mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.) oder andernfalls auf eine Leistungsunwilligkeit schließen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 52.78 – juris Rn. 17 m.w.N.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Die sich hier aus der Nichtentrichtung fälliger Steuern ergebende Leistungsunfähigkeit der Klägerin begründet grundsätzlich die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Steuerrückstände rechtfertigen die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden – wie hier – von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 6 m.w.N.). Ausweislich der Mitteilungen des Finanzamts und des Kassen- und Steueramts der Beklagten ist die Klägerin über Jahre hinweg ihren Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen.
Unzutreffend ist auch das Vorbringen der Klägerin, es sei nicht nachvollziehbar, woher die Steuerschulden kommen würden, wie sich diese zusammensetzten und welche Steuerarten betroffen seien. Die Beklagte hat die Höhe der Steuerschuld der Klägerin durch Anfrage bei den Steuerbehörden ermittelt. Aus den in den Behördenakten enthaltenen schriftlichen oder verschriftlichten Auskünften ergibt sich ohne weiteres, mit welchen Steuerzahlungen die Klägerin in welcher Höhe im Rückstand war und um welche Steuerarten es sich insoweit handelte (etwa Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer), insbesondere wessen Steuerrückstände in welcher Höhe jeweils im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden haben. Die Klagepartei ist den dokumentierten Feststellungen der Beklagten auch nicht substantiell entgegengetreten, sie hat insbesondere nicht durch einen entsprechenden Tatsachenvortrag aufgezeigt, was an den in der Behördenakte enthaltenen aber auch im Bescheid genannten Auskünften an die Beklagte unzutreffend sein soll. Eine anlasslose Pflicht des Gewerbeamts oder des Verwaltungsgerichts, Mitteilungen der Steuerbehörden über die Höhe von Steuerschulden und über Verstöße gegen steuerrechtliche Zahlungs- und Erklärungspflichten auf ihre Richtigkeit zu prüfen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.3.2029 – 22 ZB 18.1514 – juris). Das pauschale Vorbringen Rückstände beim Finanzamt bestünden nicht, die Klägerin sei mit allen öffentlichrechtlichen Pflichten auf dem Laufenden, genügt deshalb nicht der Substantiierungslast der Klagepartei.
Die Rechtsauffassung der Klägerin, die Auskünfte der Steuerbehörden an die Beklagte seien entgegen § 30 ff. AO (Steuergeheimnis) erlangt worden, trifft nicht zu. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO dürfen die Finanzbehörden an einem Gewerbeuntersagungsverfahren durch Mitteilung der Steuerrückstände mitwirken, weil ein zwingendes öffentliches Interesse an der praktischen Durchführung von Gewerbeuntersagungen aufgrund einer Vielzahl von Fällen von Steuerrückständen besteht (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 19; B.v. 23.9.1991 – 1 B 96/91 – juris Rn. 5 ff.; ebs. BFH, U.v. 29.7.2003 – VII R 39, 43/02 – juris Rn. 20 ff., jeweils m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin hält auch die Begründung der Gewerbeuntersagungsverfügung durch die Beklagte der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, ob eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsentscheidung und keine Ermessensentscheidung. Die Behörde wie das Gericht haben in der Vergangenheit liegende Tatsachen zu bewerten und hieraus eine Prognose über das künftige Verhalten des Gewerbetreibenden anzustellen, ob also künftig weitere Verstöße wahrscheinlich sind. Nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Erwägungen, denen zufolge die Beklagte die Untersagungsverfügung erlassen hat, genügen diesen formellen Begründungsanforderungen und sie sind, wie oben ausgeführt, auch in der Sache zutreffend. Erweist sich ein Gewerbetreibender als gewerberechtlich unzuverlässig – wie hier – ist seine Herausnahme aus dem Wirtschaftsleben notwendig zum Schutz der Allgemeinheit und/oder der im Betrieb Beschäftigten, so dass die Berufsausübung auch nicht unzulässig beschränkt wird. Vielmehr ist die Gewerbeuntersagung bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale regelmäßig erforderlich und verhältnismäßig (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1991 – 1 B 10.91 – juris Rn. 4; B.v. 11.5.1993 – 1 B 68.93 – juris Rn. 7, jeweils m.w.N.). Nichts Anderes ergibt sich im Ergebnis – wie ausgeführt – auch für die im Ermessen der Beklagten stehende Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe (Art. 39 Abs. 1 Satz 3, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
4. Gegen die der Klägerin eingeräumte Abwicklungsfrist von 10 Tagen nach Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung (Nr. 2 des Bescheidstenors) bestehen ebenso wenig Bedenken wie – angesichts der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit der Klägerin – gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs (Nr. 3 des Bescheidstenors). Die behördliche Kostenentscheidung der Beklagten (Nr. 4 des Bescheidstenors) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 450 Euro anhand des Gebührenrahmens von 50 bis 2.000 Euro ermessensgerecht (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/15 KVz).
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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