Steuerrecht

Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer

Aktenzeichen  1 K 488/17

Datum:
27.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2019, 664
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 8 Abs. 1, § 31 Abs. 1a, § 34 Abs. 13a S. 2
FGO § 40 Abs. 2
InsO § 80 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 13.03.2017 und die Verwaltungsakte vom 24.11.2016 über die Ablehnung des Antrags auf Körperschaftsteuerveranlagung für 2008 der B GmbH i. I. und auf Verlustrücktrag von 2008 in das Veranlagungsjahr 2007 werden aufgehoben.
2. Das Finanzamt wird verpflichtet, unter Zugrundelegung der am 07.11.2016 eingereichten Körperschaftsteuererklärung für die B GmbH i.I. die Körperschaftsteuerveranlagung für 2008 durchzuführen sowie einen Körperschaftsteuerbescheid 2008 zu erlassen, einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2007 gem. § 10d Abs. 1 EStG zu erlassen, mit der Maßgabe, dass ein Verlustrücktrag in Höhe von 9.092 € von 2008 in das Veranlagungsjahr 2007 berücksichtigt wird, und einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags in das Veranlagungsjahr 2007 in Höhe von 9.092 € zu erlassen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist begründet, da noch keine Festsetzungsverjährung für das Veranlagungsjahr 2008 und das Rücktragsjahr 2007 eingetreten ist. Die angegriffenen Verwaltungsakte und die Einspruchsentscheidung sind daher aufzuheben und das Finanzamt ist zu verpflichten, eine Körperschaftsteuerveranlagung 2008 entsprechend der eingereichten Steuererklärung durchzuführen, einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2007 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 2008 in Höhe von 9.092 € zu erlassen und den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 festzustellen.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1. Der Kläger war als Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH i.I. zur Erhebung der Klage befugt (§ 40 Abs. 2 FGO). Die Verfügungsbefugnis eines Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO) umfasst auch die Wahrnehmung der Interessen der Insolvenzmasse gegenüber dem Finanzamt (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719).
1.2. Das Gericht legt das Klagebegehren dahin aus, dass der Kläger die Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsakte des Finanzamts vom 24.11.2016 beantragt, durch die der Erlass der begehrten Steuer- bzw. Verlustfeststellungsbescheide abgelehnt wurde. Weiter beantragt er mit seiner Klage, das Finanzamt zur Durchführung der Körperschaftsteuerveranlagung 2008 mit den Besteuerungsgrundlagen entsprechend der eingereichten Steuererklärung, zum anschließenden Verlustrücktrag in das Jahr 2007 – durch Erlass eines geänderten Körperschaftsteuerbescheids 2007 – und zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 zu verpflichten.
Letztendlich ist es Ziel der Klage, nach Erlass des geänderten Körperschaftsteuerbescheids 2007 die zu erstattende Körperschaftsteuer 2007 zur Insolvenzmasse zu ziehen. Dies brachte die Prozessbevollmächtigte bereits in ihrer Klageschrift vom 13.04.2017 zum Ausdruck, als sie beantragte, dass die Körperschaftsteuer 2007 und 2008 jeweils auf 0 € festzusetzen sei. Auch wenn die Prozessbevollmächtigte in ihrem Schreiben vom 04.07.2018 ausführt, dass es einer Klage wegen Körperschaftsteuer 2007 nicht bedarf, weil es auf die Festsetzungsverjährung für das Veranlagungsjahr 2008 ankomme, legt das Gericht ihren Schriftsatz rechtsschutzwahrend dahin aus, dass die Körperschaftsteuer 2007 weiterhin Gegenstand der Klage ist und nicht mit Schreiben vom 04.07.2018 zurückgenommen wurde. Vielmehr sind die dortigen Ausführungen, die als Klarstellung bezeichnet wurden, der Auslegung zugänglich. Sie erklären nicht eindeutig, dass die Klage wegen Körperschaftsteuer 2007 zurückgenommen wird, sondern beziehen sich auf die Frage einer Festsetzungsverjährung und stehen im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 171 Abs. 3 AO. Diese rechtsschutzwahrende Auslegung der mehrdeutigen Ausführungen ist geboten, da nur im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Jahr des Verlustrücktrags, hier 2007, über einen Verlustrücktrag in Höhe von 12.859 € (vgl. die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27.11.2018) zu entscheiden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 09.02.2017 X B 49/16, BFH/NV 2017, 721). Der Kläger ist durch den Verwaltungsakt vom 24.11.2016, mit dem der Verlustrücktrag in das Jahr 2007 abgelehnt wurde, beschwert.
1.3. Hinsichtlich der Klagegegenstände Körperschaftsteuer 2007 und 2008 sowie der gesonderten Feststellung des verbliebenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 ist das Vorverfahren erfolglos im Sinne von § 44 Abs. 1 FGO geblieben.
Aus dem Einspruchsschreiben vom 20.12.2016 geht aufgrund der Bezugnahme auf die Verwaltungsakte vom 24.11.2016 hervor, dass der steuerliche Vertreter den Verlustrücktrag in das Veranlagungsjahr 2007 beantragt hatte und die Körperschaftsteuer 2007 Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens war, auch wenn in dem Einspruchsschreiben vom 20.12.2016 die Jahresangabe „2007“ wohl versehentlich vergessen und der angegriffene Verwaltungsakt darin nur mit „Ablehnung Rücktrag verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2008 zur Körperschaftsteuer vom 24.11.2016“ bezeichnet ist. Das Finanzamt hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 13.03.2017 über die Körperschaftsteuer 2008 und 2007 und Verlustfeststellung zum 31.12.2008 entschieden, auch wenn im Rubrum neben der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2008 nur der „Verlustrücktrag von 2008 auf 2007“ genannt ist. Das Finanzamt stellt den Sachverhalt auch zum Veranlagungsjahr 2007 ausführlich dar und macht in den Gründen Ausführungen zum Eintritt der Festsetzungsverjährung für 2007 sowie dessen Abhängigkeit von der Festsetzungsverjährung für das Veranlagungsjahr 2008 (vgl. Tz. II. 1. der Gründe).
2. Die Verpflichtungsklage wegen Körperschaftsteuer 2008 ist begründet, da noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
2.1. Die reguläre Festsetzungsverjährung für die Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2008 ist mit Ablauf des 31.12.2015 eingetreten (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
Der Kläger war als Insolvenzverwalter gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AO nach Insolvenzeröffnung zur Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2008 als ein Veranlagungsjahr zeitlich vor der Insolvenzeröffnung am 01.04.2010 gem. § 31 Abs. 1 KStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) i.V.m. §§ 149ff. AO, § 25 Abs. 3 EStG verpflichtet.
Nachdem zunächst keine Steuererklärung abgegeben worden war, begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, mithin mit Ablauf des 31.12.2011 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt regulär vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und endete regulär mit Ablauf des 31.12.2015.
2.2. Eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist trat nicht gem. § 171 Abs. 13 AO ein, da das Finanzamt keine Forderung zur Körperschaftsteuer 2008 zur Tabelle angemeldet hat.
2.3. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2008 wurde jedoch gem. § 171 Abs. 3 AO gehemmt.
Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihre Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3 AO insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist im Schreiben des Bevollmächtigten vom 18.12.2015 ein wirksamer Antrag gem. § 171 Abs. 3 AO für die B GmbH i.I. betreffend die Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2008 gestellt.
2.3.1. Das Schreiben der Bevollmächtigten vom 18.12.2015 ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als ein Antrag des Klägers im Sinn von § 171 Abs. 3 AO auszulegen.
Die Bevollmächtigte stellte ihren Antrag mit dem Ziel, vor Eintritt der Festsetzungsverjährung eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer mit der Festsetzung auf 0 € zu beantragen und dadurch den Eintritt der Festsetzungsverjährung zu verhindern.
2.3.2. Der Antrag wurde außerhalb eines Einspruchs- und Klageverfahrens gestellt.
Das Finanzamt hatte bis zum 18.12.2015 weder einen Körperschaftsteuerbescheid 2008 erlassen noch eine Forderung zur Körperschaftsteuer 2008 zur Insolvenztabelle angemeldet, so dass es zu keinem Rechtsbehelfsverfahren kam.
2.3.3. Der Antrag wurde mit Eingang bei der Veranlagungsstelle des Beklagten „gestellt“.
2.3.4. Das Schreiben vom 18.12.2015 ist dahin auszulegen, dass eine Steuerfestsetzung beantragt wird.
Die Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO erfasst alle – ausdrücklich oder konkludent – vorgetragenen Begehren/Bitten (an die Finanzbehörde) auf ein entsprechendes Verwaltungshandeln, u.a. auf Festsetzung einer Steuer oder Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (vgl. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, Stand 31.03.2017, § 171 Rz 18). Ein Antrag liegt nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO auch dann vor, wenn die begehrte Handlung der Finanzbehörde nicht über das nach dem Offizialprinzip des § 85 AO ohnehin gebotene Verwaltungshandeln hinausgeht (Paetsch in: Gosch, AO/FGO, 143. Lieferung, Stand 01.03.2017, § 171 AO, Rz. 23).
Informationshalber teilte der Bevollmächtigte mit, dass er mit der Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen beauftragt worden war. Er stellte den Antrag, dass die festzusetzende Körperschaftsteuer 0 € und der Gesamtbetrag der Einkünfte -1.000.000 € betragen sollten. Durch die Formulierung, dass die Bearbeitung der Anträge bis auf weiteres zurückgestellt werden könnten und den Antrag, dass die Körperschaftsteuer 0 € betragen solle, brachte er zum Ausdruck, dass er letztendlich, nach Bearbeitung des Antrags, den Erlass eines Steuerbescheids begehrte.
2.3.5. Der Antrag ist wirksam gestellt, obwohl er nicht vom Kläger unterzeichnet war.
Der Antrag ist auch dann wirksam, wenn er nicht persönlich vom Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH i.I. gem. § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO, sondern von einem Dritten als Bevollmächtigtem gem. § 80 AO gestellt wird (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2013 II R 57/11, BStBl II 2016, 506.
Vorliegend wurde der Antrag von Frau Heindl „im Auftrag“ für die bevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft unterzeichnet. Trotz fehlender Unterschrift des gesetzlichen Vertreters der Bevollmächtigten ist dies ausreichend, um den Antrag der Bevollmächtigten zuzurechnen, so dass eine Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung nicht an der Unwirksamkeit der Antragstellung scheitert.
2.3.6. Der Antrag wurde nicht zugleich oder im Zusammenhang mit der Abgabe der Körperschaftsteuererklärung gestellt, zu deren Erstellung und Abgabe der Kläger verpflichtet ist. Mit dem Schreiben wird daher nicht die Verpflichtung des Klägers zur Abgabe der Steuererklärung für die GmbH i.I. nachgekommen oder diese gar erfüllt. Nach dem Inhalt des Schreibens steht die Abgabe der Steuererklärung noch nicht unmittelbar bevor. Die Prüfung der beschlagnahmten und asservierten Unterlagen bzw. PC-Tower, die die Bevollmächtigte nach der Freigabe durch das Amtsgericht 2 und die Staatsanwaltschaft 2 mit Schreiben vom 05.03.2015 bzw. 13.03.2015 abholen konnte, war noch nicht abgeschlossen. Der Kläger als Insolvenzverwalter konnte – nach Darstellung der Bevollmächtigten – die handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung und zur Rechnungslegung bis zum 18.12.2015 noch nicht erfüllen und noch keine Steuererklärung abgeben. Daher ist dieser isolierte Antrag nicht gleichbedeutend mit dem inzident mit Abgabe einer Steuererklärung gestellten Antrag, einen Steuerbescheid entsprechend der Angaben in der Steuererklärung zu erlassen. Vielmehr ist er zu diesem Zeitpunkt nur auf den Erlass eines Schätzungsbescheids in beantragter Höhe gerichtet.
2.3.7. Der Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO enthält keine Einschränkung dahin, dass ein isolierter Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinn von § 171 Abs. 3 AO generell ausgeschlossen ist, wenn der Antragsteller oder sein Vollmachtgeber kraft Gesetzes verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lehnt einen Antrag nach § 171 Abs. 3 AO nur in den Fällen ab, in denen der Antrag „mit der Abgabe“ oder „im Zusammenhang mit der Abgabe“ der Steuererklärung gestellt worden war (vgl. BFH-Beschluss vom 08.09.2003 VI B 87/03, BFH/NV 2004, 9; BFH-Urteil vom 15.05.2013 IX R 5/11, BStBl II 2014, 143).
Auch aus dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 3 AO ist nicht ersichtlich, warum bei Anträgen auf Steuerfestsetzung die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO generell nicht eingreifen soll, wenn bereits die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund einer bestehenden Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung zur Anwendung kam. Bei den anderen Tatbestandsvarianten des § 171 Abs. 3 AO, zum Beispiel einem Antrag auf schlichte Änderung gem. § 129 AO, schließen sich die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO ebenso wenig aus.
2.3.8. Der Schreiben vom 18.12.2015 enthält einen konkreten, betragsmäßigen Antrag, die Körperschaftsteuer – ggf. gem. § 162 AO – auf 0 € festzusetzen, so dass der Umfang der Ablaufhemmung, „soweit“ der Antrag gestellt wurde, durch die Betragsbezeichnung bestimmt ist.
2.3.9. Die Rechtsprechung zu einem Antrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist auf den Streitfall nicht übertragbar, da mit § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine punktuelle Änderung begehrt wird.
Die Voraussetzung bei § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, dass der Antrag inhaltlich durch Bezeichnung eines Lebenssachverhalts konkretisiert sein muss, ist auf die Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO nicht übertragbar. Das Finanzamt muss bei der Prüfung einer Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO erkennen, inwiefern der (bereits erlassene) Bescheid für fehlerhaft gehalten wird, damit es dem „Antrag der Sache nach“, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu interpretieren als „dem Sachverhalt nach“ entsprechen kann. Eine vergleichbare, einschränkende Formulierung ist in der Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO nicht geregelt.
2.3.10. Der Betrag von 0 € ist von der Höhe her nicht unangemessen niedrig oder ins Blaue hinein genannt.
Dies verdeutlicht die Körperschaftsteuererklärung 2008 und der Jahresabschluss zum 31.12.2008, die am 07.11.2016 eingereicht wurden. Aus dem Jahresabschluss zum 31.12.2008 vom 07.11.2016 ergibt sich ein Jahresfehlbetrag in Höhe von – 345.096,89 €. Die Körperschaftsteuer ist danach und bei dem erklärten Steuerbilanzverlust von -344.542 €, wie schon mit Schreiben vom 18.12.2015 beantragt – auf 0 € festzusetzen. Dass der steuerliche Verlust in der Erklärung vom 07.11.2016 nicht in der ursprünglich beantragten Höhe von 1.000.000 € erklärt wurde, ist nicht entscheidungserheblich, da für die Beurteilung des Antrags nach § 171 Abs. 3 AO nur der Betrag für die beantragte Steuerfestsetzung für 2008, hier gleichbleibend 0 €, maßgeblich ist.
2.3.11. Der Antrag nach § 171 Abs. 3 AO verliert seine rechtliche Bedeutung oder Wirksamkeit nicht dadurch, dass die Bevollmächtigte dem Finanzamt einräumt oder gar nahelegt, den Antrag nicht sofort zu bearbeiten, sondern „bis auf weiteres zurückzustellen“. Die Formulierung, dass die Bearbeitung des Antrags zurückgestellt werden „kann“, ist nicht gleichbedeutend mit der Formulierung, dass ihn das Finanzamt noch nicht bearbeiten soll. Ebenso wenig beinhaltet dies die Aussage, dass der Antrag noch nicht bearbeitet werden kann. Es wird vielmehr in das Belieben und die freie Entscheidung des Finanzamts gestellt, ob zu dem Antrag sofort Stellung genommen oder dieser erst später bearbeitet wird.
2.3.12. Nach Auffassung des Gerichts ist es im Streitfall nicht entscheidungserheblich, ob § 171 Abs. 3 AO im Hinblick auf die Sonderstellung des Insolvenzverwalters und der typischen Erschwernisse, die steuerlichen Unterlagen zeitnah zu beschaffen, geboten ist. Es ist nicht darüber zu entscheiden, ob bei einem Antrag eines Insolvenzverwalters oder eines Bevollmächtigten eine besondere Auslegung von § 171 Abs. 3 AO vorzunehmen ist. Aus Sicht des Gerichts könnte es allenfalls für die Ermessensausübung im Zusammenhang mit der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds für den Insolvenzverwalter von Bedeutung sein, dass der steuerliche Vorberater ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer ausstehenden Forderung ausgeübt hat, steuerliche Unterlagen und PC-Tower asserviert bzw. beschlagnahmt wurden oder erst Gelder zur Insolvenzmasse gezogen werden müssen, um einen steuerlichen Berater für die Erstellung der Buchführung, steuerlichen Rechnungslegung und ausstehender Steuererklärungen zu beauftragen.
2.3.13. Nachdem der Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3 AO bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Antrag auf Steuerfestsetzung vom 18.12.2015 gehemmt ist, ist das Finanzamt gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet, die Veranlagung für 2008 durchzuführen, die Besteuerungsgrundlagen nunmehr wie in der eingereichten, inhaltlich unstrittigen Körperschaftsteuererklärung erklärt anzusetzen und einen Körperschaftsteuerbescheid 2008 zu erlassen, mit dem die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wird.
2.3.14. Das Finanzamt ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht daran gehindert den begehrten Körperschaftsteuerbescheid zu erlassen, da damit kein Steueranspruch des Staates festgesetzt wird. Ausschließlich in diesem Fall wäre der Erlass des Steuerbescheides ausgeschlossen, da ein Steueranspruch wegen Körperschaftsteuer 2008 im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden wäre (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 InsO). Vielmehr wird vorliegend die Steuerfestsetzung auf 0 € mit dem Ziel eines Verlustrücktrags in das Jahr 2007 beantragt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10.12.2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719).
2.3.15. Das Finanzamt ist gem. § 101 FGO zur Durchführung der Veranlagung zu verpflichten, obwohl der Kläger die Körperschaftsteuererklärung für 2008 nicht eigenhändig unterschrieben hatte.
Die Verpflichtung zur eigenhändigen Unterschrift für das Jahr 2008 ergibt sich für den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH i.I. aus § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.Vm. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG sowie § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AO. Eine Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Körperschaftsteuererklärung gab es für den Veranlagungszeitraum 2008 noch nicht (§ 31 Abs. 1a KStG i.V.m. § 34 Abs. 13a Satz 2 KStG i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.2008).
2.3.16. Die Buchführung und die Aufzeichnungen der GmbH i.I. sind gem. § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen.
Die Höhe des erklärten Steuerbilanzverlusts ist weder vom Finanzamt bestritten noch drängen sich dem Finanzgericht Zweifel an der Richtigkeit der Buchführung auf. Das Finanzamt selbst hat in dem gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermesstrag für 2008 vom 13.12.2016 den Jahresabschluss zum 31.12.2008 und einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 344.542 € zugrunde gelegt.
3. Das Finanzamt ist verpflichtet, den Verlustrücktrag in das Veranlagungsjahr 2007 vorzunehmen und den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 12.03.2009 gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG zu ändern, da insofern noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Die Änderung des bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheides 2007 vom 12.03.2009 ist nicht wegen Festsetzungsjährung ausgeschlossen. Gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 und Satz 4, 1. Halbs. EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG sind die negativen Einkünfte aus dem Jahr 2008 zurückzutragen in das Veranlagungsjahr 2007 und vom Gesamtbetrag der Einkünfte im Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 12.03.2009 in Höhe von 9.092 € abzuziehen. Die Festsetzungsfrist endet soweit negative Einkünfte zurückgetragen werden können nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem die negativen Einkünfte nicht ausgeglichen werden (10d Abs. 1 Satz 4, 2. Halbs. EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Wie unter Tz. 2 ausgeführt, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist im Verlustentstehungsjahr 2008 aufgrund des wirksamen Antrags gem. § 171 Abs. 3 AO weiterhin gehemmt, so dass dem Klageantrag insofern zu entsprechen ist, als ein Verlustrücktrag in Höhe von 9.092 €, nicht aber in Höhe der Summe der Einkünfte von 12.859 € zurückzutragen ist.
4. Weiterhin besteht die Verpflichtung des Finanzamts, den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 gem. § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG gesondert festzustellen.
Der Ablauf der Feststellungfrist für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG ist gem. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG (in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006) gehemmt, da die Festsetzungsfrist für das Veranlagungsjahr 2008, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist, noch nicht abgelaufen ist.
Der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 errechnet sich aus den nicht ausgeglichen negativen Einkünften im Jahr 2008 in Höhe von 344.542 € abzüglich des Verlustrücktrags in das Jahr 2007 in Höhe von 9.092 €.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, da der Kläger mit seiner Verpflichtungsklage Erfolg hat.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten des Klägers sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
7. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu einem Antrag nach § 171 Abs. 3 AO vorliegt, wenn zwar eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung vorliegt, der Antrag aber nicht zeitgleich oder im Zusammenhang mit der Abgabe einer Steuererklärung gestellt wird.


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