Steuerrecht

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Aktenzeichen  BayAGH I – 1 – 16/19

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52189
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen

Gründe

I.
Der Senat konnte ohne den nicht erschienenen Kläger verhandeln. Er wurde mit der Ladung bzw. Umladung auf die Folgen seines Fernbleibens hingewiesen, § 112c Abs. 1 BRAO, § 102 Abs. 2 VwGO (zu Bl. 35 und 42 d. A.).
In der Sitzung am 16.11.2020 konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden werden, da der Kläger in der Umladung vom 20.10.2020 unter Hinweis darauf, dass die Anordnungen mit der bisherigen Ladung (vom 13.07.2020) ihre Gültigkeit behalten, darauf hingewiesen worden war, dass auch bei seinem Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung ohne ihn verhandelt und entschieden werden wird, § 112c Abs. 1 BRAO, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die vom Kläger beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung war nicht geboten, da der Kläger keinen erheblichen Grund für sein angekündigtes Ausbleiben dargelegt und glaubhaft gemacht hat (§ 112 c Abs. 1 BRAO, § 173 VwGO, § 227 Abs. 1 und 2 ZPO). Wegen der durch einen Vermögensverfall indizierten Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten sind dabei an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 28.11.2016 – AnwZ (Brfg) 23/16, juris Rn. 10, m.w.N.). Der Kläger hat in seinem Antrag vom 10.11.2020 und ergänzender Begründung des Antrags mit Schriftsatz vom 13.11.2020 nicht substantiiert unter Angabe der Gründe dargelegt, weshalb er an der Teilnahme an dem Verhandlungstermin gehindert ist. Der pauschale Hinweis, er befinde sich noch in Italien, weil nach einer Autopanne die Reparatur längere Zeit in Anspruch genommen habe, reichte nicht aus, um vor dem Hintergrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Beschleunigungsgrundsatzes dem Antrag stattzugeben. Der Kläger hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb er sich in das Risikogebiet Italien begeben bzw. nach der Autopanne dort verblieben ist, um auf die Reparatur in Italien zu warten. Er selbst hat vorgetragen, dass ihm am 27.10.2020 mitgeteilt worden sei, dass das Auto binnen einer Woche wieder fahrbereit sei, tatsächlich habe das Fahrzeug erst am 10.11.2020 wieder abgeholt werden können. Schon bei einer Reparaturdauer von 1 Woche erschließt sich nicht, weshalb der Kläger persönlich vor Ort bleiben musste. Dies gilt umso mehr, als er sich in Begleitung seiner Mitarbeiterin V. S., der er das Fahrzeug Audi SQ5 mit dem amtlichen Kennzeichen M – … zur Nutzung überlassen hat, befand.
II.
1. Die gemäß § 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Anfechtungsklage ist zulässig. Die Klage ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden, § 112c Abs. 1 BRAO, § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet und war abzuweisen. Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 01.08.2019 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 112c Abs. 1 BRAO, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3, m.w.N.).
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also – da in Bayern die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich ist – auf den Ausspruch des Widerrufsbescheids abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr; vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2019 – AnwZ (Brfg) 65/17, juris Rn. 4, m.w.N.).
a) Ausgehend davon liegt Vermögensverfall hier vor. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 01.08.2019 lagen bei Obergerichtsvollzieher S. 34 Zwangsvollstreckungsaufträge gegen den Kläger vor. Darüber hinaus hatte auch das Amtsgericht Leipzig Zwangsvollstreckungsaufträgen liegen eine Vielzahl von Schuldtiteln zugrunde. Zudem wurden sowohl beim Landgericht München I als auch beim Amtsgericht München weiterer Schuldtitel gegen den Kläger erwirkt. Die Schuldenhöhe beläuft sich insgesamt auf über 5 Millionen Euro.
Zwangsversteigerungsbeschlüsse gegen den Kläger erlassen. Den Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen des Rechtssuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger, verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21.02.2018 – AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12, m.w.N.; BGH, Beschluss vom 20.11.2017 – AnwZ (Brfg) 46/17, juris Rn. 11, m.w.N.). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 21.02.2018 – AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12, m.w.N.).
b) Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger derartige Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Der Kläger konnte das Vorliegen des Vermögensverfalls auch im Übrigen nicht widerlegen.
aa) Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss er seine Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darlegen. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (BGH, Beschluss vom 15.09.2008 – AnwZ (B) 70/07, juris Rn. 5, m.w.N.). Eine derartige auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids bezogene substantiierte Vermögensaufstellung unter Angabe aller bestehenden Verbindlichkeiten sowie gegebenenfalls der Vorlage eines entsprechenden Tilgungsplans ist der Kläger schuldig geblieben. Eine solche Darstellung hatte der Kläger weder der Beklagten im Verwaltungsverfahren noch dem Senat im Klageverfahren vorgelegt. Er hat auch nicht dargelegt, dass die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegende Forderungen gegen ihn erfüllt oder in anderer Weise erledigt waren. Sein Einwand, dass die beiden größten Forderungspositionen der U. in Höhe von „angeblich“ 2..200.000 € und der P. AG i.H.v. „angeblich“ 3.200.000 € streitbefangen seien und er in den diesbezüglichen anhängigen Prozessen die Feststellung begehre, dass diese Forderungen nicht mehr bestünden, vermag das Vorliegen eines Vermögensverfalls nicht zu widerlegen. Denn maßgeblich ist, dass insofern rechtskräftige Entscheidungen und damit Schuldtitel vorliegen, die die Grundlage von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bilden. Es ist von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auszugehen (st.Rspr.; BGH, Beschluss vom 29.03.2019 – AnwZ (Brfg) 24/18, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 29.05.2018 – AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 05.09.2016 – AnwZ (Brfg) 39/15, juris Rn. 16, m.w.N.). Im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft (BGH, a.a.O.). Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, nicht im Widerrufsverfahren (BGH, a.a.O.).
bb) Auch der Einwand, dass die Forderungen beider Gläubiger durch Grundschulden abgesichert seien, die an der … eingetragen seien, verhilft seiner Klage nicht zum Erfolg. Der Kläger ist bereits nicht persönlich als Eigentümer des 395/1000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück … eingetragen, sondern vielmehr die M. Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG (Anlage K5); er hat nicht einmal behauptet, sich insofern der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen zu haben. Doch unabhängig davon ist allein maßgeblich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bestanden und vom Kläger nicht bedient werden konnten (BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, juris Rn. 6).
cc) Der Hinweis auf bestehendes Immobilienvermögen ist unerheblich. Immobilienvermögen ist bei der Beurteilung der Vermögensverhältnisse nur dann von Bedeutung, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung stand (st.Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 09.02.2015 – AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 10). Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit nach ständiger Senatsrechtsprechung entscheidend an (BGH, a.a.O., m.w.N.).
Soweit der Kläger vorträgt, die Immobilie in der … „hätte“ zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides für mindestens 25.000.000 € verkauft werden können, führt dies gerade nicht zu einer Liquidität. Unabhängig von den übrigen Umständen – im Grundbuch eingetragene Belastungen, Kläger nicht persönlich Eigentümer der Immobilie – ist allein maßgeblich, dass es nicht zu einem Verkauf des Grundstückes kam und keine Rede davon sein kann, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses über liquide Mittel verfügte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 167 VwGO, § 709 S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben, § 112e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO.


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