Steuerrecht

Gewährung von Hochschulleistungsbezügen durch den Präsidenten einer Hochschule

Aktenzeichen  M 5 K 17.2446

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21971
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1

 

Leitsatz

Handelte ein Präsident einer Hochschule in eigener Sache und gewährte sich selbst besondere Leistungsbezüge, stellt dies einen solch schweren und offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz unparteilichen Verwaltungshandelns dar, dass diesem Verwaltungsakt die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben steht“. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Leistungsbescheid der Hochschule vom … Dezember 2016 und deren Widerspruchsbescheid vom … Mai 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Hochschule stützt ihre Rückforderung der an den Kläger ausgezahlten besonderen Leistungsbezüge in Höhe von 6.000 EUR zu Recht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
a) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der als eigenständiges Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts in Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist und dessen Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) entsprechen, dient der Rückabwicklung ohne Rechtsgrund erbrachter Leistungen oder sonstiger rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 48/82 – BVerwGE 71, 85 ff.; BayVGH, U.v. 9.3.1999 – 9 B 96.3716 – juris; U.v. 1.2.2006 – 14 B 00.2202 – BayVBl 2007, 403 ff.). Er ist neben dem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn nach § 48 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) anwendbar, weil er sich von diesem in den Tatbestandsvoraussetzungen und der Rechtsfolge unterscheidet.
b) Nach Art. 69 Abs. 1, Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG), § 4 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Gewährung von Hochschulleistungsbezügen und einer Nebenamtsvergütung (Bayerische Hochschulleistungsbezügeverordnung – BayHLeistBV) können Beamten und Beamtinnen der Besoldungsordnung W neben dem Grundgehalt besondere Leistungsbezüge für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung oder Nachwuchsförderung, die im Rahmen der hauptamtlichen Tätigkeit in der Regel über mehrere Jahre erbracht werden sollen, gewährt werden. Besondere Leistungsbezüge werden nach Art. 71 Abs. 2 Satz 1 BayBesG als Einmalzahlung oder als gesetzlich befristete monatliche Zahlungen vergeben. Nach § 6 Abs. 2 BayHLeistBV ist das Staatsministerium für Entscheidungen über die Gewährung von Hochschulleistungsbezügen an Präsidentinnen und Präsidenten einer Hochschule zuständig.
c) Die Auszahlung der hier gegenständlichen Einmalzahlung in Höhe von 6.000 EUR an den Kläger erfolgte auf Grund der Mitteilung des Kanzlers der Hochschule an das Landesamt für Finanzen vom 12. November 2013, jedoch ohne Rechtsgrund. Diese Mitteilung des Kanzlers stellte quasi eine Auszahlungsanordnung dar und war nicht selbst der Rechtsgrund für die Auszahlung an den Kläger, sondern setzte vielmehr einen solchen voraus. Eine Gewährung der Einmalzahlung durch das hierfür zuständige Staatsministerium erfolgte jedoch weder vor noch nach dieser Auszahlungsanordnung. Das vom Kläger als Präsident der Hochschule unterschriebene Schreiben vom 22. November 2013 enthält als Verwaltungsakt (Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) die Gewährung der Einmalzahlung. Dieser Verwaltungsakt ist jedoch nichtig und damit unwirksam (Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG).
aa) Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
(1) Besonders schwerwiegend ist ein Fehler, der in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte. Der Verstoß muss nach Art und Ausmaß ein Gewicht haben, dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Stabilität des Verwaltungsakts und damit der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 8).
(2) Zusätzlich zur besonderen Schwere des Fehlers ist es im Interesse der Rechtssicherheit – gewissermaßen als Ersatz für die Klärung der Frage der Rechtswidrigkeit in einem Rechtsbehelfsverfahren – erforderlich, dass der Fehler offenkundig sein muss. Offenkundigkeit bedeutet, dass die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein, sich geradezu aufdrängen muss. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ sein, d.h. es darf die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt doch rechtmäßig sein könnte, nach Lage der Dinge für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, weder besonders sach- noch rechtskundigen, aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht bestehen. Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze ist nicht Voraussetzung. Es genügt, dass im Sinne der strafrechtlichen Theorie der Parallelwertung in der Laiensphäre ein gerecht und billig denkender, aufgeschlossener Staatsbürger ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen zu dem Schluss kommen muss, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 12).
(3) Nicht schwer bzw. offensichtlich ist die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts, der allein unter Verletzung der Zuständigkeit im Instanzenzug ergangen ist, und zwar auch dann, wenn anstelle der zuständigen Behörde eine nachgeordnete Behörde gehandelt hat (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 17).
(4) Wie sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 44 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG aber ergibt, bleibt es bei der Regelung des Abs. 1 in Fällen des Handelns in eigener Sache gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG, wenn also ein Beteiligter in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig geworden ist (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 54). Nach Art. 9 BayVwVfG ist Verwaltungsverfahren die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist. Es schließt den Erlass des Verwaltungsakts oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein. Beteiligter ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG derjenige, an den die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat.
bb) Der Verwaltungsakt der Gewährung der Einmalzahlung vom 22. November 2013 wäre demnach nicht bereits allein wegen des Verstoßes gegen die alleinige Zuständigkeit des Staatsministeriums nichtig. Dass zusätzlich aber der Kläger in eigener Sache gehandelt und sich selbst die besonderen Leistungsbezüge gewährt hat, stellt einen solch schweren und offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz unparteilichen Verwaltungshandelns dar, dass diesem Verwaltungsakt im oben dargestellten Sinne die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben steht“. Jeder billig und gerecht denkende unvoreingenommene Beobachter muss zu dem Schluss kommen, dass diese Gewährung des Klägers als Präsidenten der Hochschule an sich selbst unmöglich rechtens sein kann. Ergänzend wird in dieser Hinsicht auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Hochschule im Bescheid vom … Dezember 2016 und im Widerspruchsbescheid vom … Mai 2017 verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe die Einmalzahlung wegen der von ihm unentgeltlich erbrachten Lehrleistungen in der Sache für gerechtfertigt gehalten, zumal der Vorschlag hierfür von Dritten gekommen sei, ändert an der Nichtigkeit des Verwaltungsakts nichts. Er umschrieb damit lediglich seine Motivlage.
cc) Dem vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2019 gestellten Hilfsbeweisantrag zum Beweis der Tatsache, dass Ausgangspunkt einer Diskussion über die Gewährung von Leistungsbezügen in Höhe von 6.000 EUR an den Kläger in der Hochschulleitungssitzung am 12. November 2013 der Vorschlag des Kanzlers gewesen sei, der Kläger solle 6.000 EUR erhalten („Du hast ja noch nie etwas bekommen.“), durch Einvernahme der namentlich genannten Mitglieder der Hochschulleitung als Zeugen, war nicht nachzukommen. Das Protokoll der Leitungssitzung vom 12. November 2013 befindet sich als Blatt 4 in der vom Beklagten vorgelegten Akte und wurde mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, enthält allerdings zum Beweisthema keine Aussage. Die benannten Zeugen waren nicht einzuvernehmen, denn es ist für die Nichtigkeit des im vom Kläger unterschriebenen Schreiben vom 22. November 2013 enthaltenen Verwaltungsakts der Bewilligung einer Einmalzahlung von 6.000 EUR an sich selbst rechtlich unerheblich, wer ursprünglich einen Vorschlag hierfür gemacht hat.
d) Der Rechtsgedanke des § 814 BGB steht der Rückforderung vorliegend nicht entgegen. Nach dieser Norm kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es ist bereits fraglich, ob man die Vorschrift des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (auch ihrem Rechtsgedanken nach) überhaupt nicht (vgl. OVG NRW, B.v. 9.11.2015 – 6 A 500/13 – juris), nur eingeschränkt (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.1989 – 4 S 3048/86 – juris – für den Fall der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch eine Privatperson gegen die öffentliche Hand) oder uneingeschränkt für anwendbar hält. Es wäre dem Kläger jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich hierauf zu berufen. Denn es würde dem auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BayVGH, U.v. 11.11.1998 – 6 B 95.2137 – juris) widersprechen, wenn der Kläger, der als Präsident und Dienstvorgesetzter auch des Kanzlers sich die Einmalzahlung durch einen nichtigen Verwaltungsakt selbst bewilligt und sodann den ausgezahlten Betrag entgegengenommen und behalten hat, einem Rückforderungsbegehren entgegenhalten könnte, sein Dienstherr habe – durch wen auch immer – von dem Fehlen des Grundes gewusst.
e) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auch nicht erloschen (zum Erlöschen vgl. VG Augsburg, U.v. 30.1.2014 – Au 5 K 10.2044 – juris Rn. 151 und VG Bayreuth, U.v. 19.2.2007 – B 3 K 04.1410 – juris Rn. 45, beide unter Verweis auf BVerwG, U.v. 10.11.1972 – VII 53.71 [Rn. 17]). Die Hochschule hatte von der Bewilligung der besonderen Leistungsbezüge des Klägers an sich im Jahr 2013 Kenntnis. Die dreijährige Frist begann erst mit Ablauf des Jahres 2013, weswegen der am … Dezember 2016 zugestellte Leistungsbescheid vom … Dezember 2016 das Erlöschen gehemmt hat (Art. 71 Abs. 1 und 2 Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs – AGBGB -, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
f) Ob neben dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch eine Rückzahlung der Einmalzahlung auch auf einen Schadensersatzanspruch nach § 48 BeamtStG gestützt werden könnte, ist vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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