Steuerrecht

Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit

Aktenzeichen  22 C 17.1016

Datum:
13.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Für die Rechtmäßigkeit der einfachen Gewerbeuntersagung als gebundener Entscheidung ist – anders als bei der erweiterten Gewerbeuntersagung – nicht maßgeblich, ob die Behörde die maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei erfasst und gewürdigt hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Gewerbeanmeldung hat ebenso wie die Gewerbeabmeldung keine konstitutive Wirkung. Die Gewerbeanzeige nach § 14 Abs. 1 GewO ist aber ein widerlegbares Indiz für die tatsächliche Gewerbeausübung und spricht gegen eine dauerhafte Einstellung des Gewerbebetriebs. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis, erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen und erhebliche Steuerschulden im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses sprechen für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit. (Rn. 11 und 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 16.1354 2017-05-08 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt im vorliegenden Beschwerdeverfahren sein Prozess-kostenhilfegesuch für ein vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg anhängiges Klageverfahren weiter, mit dem er die Aufhebung eines Bescheids des Landratsamts Würzburg vom 1. Dezember 2016 erstrebt. Durch diesen Bescheid wurde ihm – unter Androhung unmittelbaren Zwangs (Nr. 3 des Bescheids) – die Ausübung des Gewerbes „Beratung, Verkauf und Vermittlung von Produkten zur Einsparung und Optimierung (Schwerpunkt: Verbrennungsmotoren)“ als selbständiger Gewerbetreibender untersagt und die Einstellung der untersagten Tätigkeit binnen eines Monats ab Zustellung bzw. Bestandskraft des Bescheids angeordnet (Nr. 1 des Bescheids); untersagt wurden ihm zudem jede andere selbständige Gewerbeausübung und die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs Beauftragter (Nr. 2 des Bescheids).
Gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2016 hat der Kläger am 30. Dezember 2016 Anfechtungsklage erhoben und für diese Klage am 10. Januar 2017 Prozesskostenhilfe beantragt. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 8. Mai 2017 Prozesskostenhilfe in Bezug auf die erweiterte Gewerbeuntersagung (Nr. 2 des Bescheids vom 1.12.2016) bewilligt, im Übrigen aber den Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Nrn. 1 und 3 des Bescheids vom 1. Dezember 2016 hat der Kläger Beschwerde erhoben, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht, soweit sich seine Anfechtungsklage gegen die Untersagung des von ihm ausgeübten Gewerbes (Nr. 1 des Bescheids vom 1.12.2016) und die zwangsmittelbewerte Aufforderung zur Einstellung dieser Tätigkeit (Nr. 3 des Bescheids) richtet. Denn insoweit hat seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO; § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die (einfache) Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, um die es im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht, ist eine gebundene Entscheidung. Dies bedeutet, dass die Gewerbeuntersagung dann rechtmäßig ist (und eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage keinen Erfolg haben kann), wenn die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erfüllt sind. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu beurteilen (std. Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 22 ZB 17.786 – juris Rn. 11 m.w.N.; BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – GewArch 2015, 366 m.w.N.). Entscheidend sind die in diesem Zeitpunkt objektiv gegebenen Tatsachen; dagegen ist für die Rechtmäßigkeit der (einfachen) Gewerbeuntersagung als gebundener Entscheidung – anders als bei der (im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gegenständlichen) erweiterten Gewerbeuntersagung – nicht maßgeblich, ob die Behörde die entscheidungserheblichen Umstände rechtsfehlerfrei erfasst und gewürdigt hat (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 22 ZB 16.1784 – juris Rn. 18).
Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dann auszusprechen, wenn – im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (siehe oben) – Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, und die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Mit der Gewerbeuntersagung wird nicht aktuelles oder früheres Fehlverhalten geahndet. Vielmehr sind (vergangene oder gegenwärtige, noch andauernde) Umstände Grundlage der von der Behörde anzustellenden Prognose darüber, ob erstens der Gewerbetreibende in Bezug auf das betroffene Gewerbe künftig unzuverlässig ist und zweitens (vgl. das zusätzliche Merkmal „sofern die Untersagung…“) die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (std. Rspr, vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – GewArch 2015, 366, Rn. 14; BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris, Rn. 9). Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt einerseits, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt (BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226.96 – GewArch 1997, 68, Rn. 4 m.w.N.); deutlich wird dies vor allem bei objektiven, regelmäßig nicht persönlichkeitsabhängigen Unzuverlässigkeitsgründen wie der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit. Andererseits kann für die Prognose bedeutsam sein, weshalb es zu solchen Umständen gekommen ist. So können z.B. die „die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände“ bei rechtswidrigem Verhalten des Gewerbetreibenden nicht ausnahmslos in jedem Fall bejaht werden, ohne dass hierbei die Frage in den Blick genommen würde, inwieweit Pflichtverletzungen vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurden (BayVGH, B.v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.284 – juris Rn. 9 m.w.N.). Auch bei objektiven Unzuverlässigkeitsgründen kann eine konkrete Einzelfallbetrachtung ergeben, dass z.B. in dem einen Fall trotz objektiv gegen eine künftige Zuverlässigkeit sprechender Tatsachen die (vergangenen oder aktuellen) persönlichen Gründe eine positive Prognose rechtfertigen können, wogegen in einem andern Fall – bei gleichen objektiven Unzuverlässigkeitsgründen – andere persönliche Gründe die negative Prognose nicht zu entkräften vermögen oder sie sogar stützen.
2. Gemessen an diesen Umständen hat die Anfechtungsklage vorliegend keine Erfolgsaussicht.
2.1. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe das angemeldete Gewerbe gar nicht ausgeübt. Zwar kann nur ein tatsächlich ausgeübtes Gewerbe nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO untersagt werden; vgl. BayVGH, B.v. 14.2.1997 – 22 B 96.524 – und B.v. 13.6.2017 – 22 C 16.2481 – juris Rn. 11 und 12 m.w.N.; Tettinger/Wank/ Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 14 m.w.N.). Nach derzeitiger Aktenlage ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Gewerbeuntersagung entbehrlich gewesen wäre, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses das untersagte Gewerbe nicht (mehr) ausgeübt hätte Der Kläger hat zwar im Verwaltungsverfahren (Schreiben vom 26.11.2016) erklärt, sein jetziges – das untersagte – Gewerbe sei „aufgrund der gesunkenen Energiepreise nicht ausführbar“. Das Landratsamt hat diese – nur undeutliche – Erklärung im angefochtenen Bescheid aber zu Recht nicht als erheblich angesehen und darauf hingewiesen, dass das Gewerbe weiterhin angemeldet sei. Denn eine Gewerbeanmeldung (d.h. die Anzeige nach § 14 GewO) hat zwar ebenso wie die Gewerbeabmeldung keine konstitutive Wirkung (BayVGH, B.v. 13.6.2017 – 22 C 16.2481 – juris Rn. 12 m.w.N.; Tettinger/ Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 14 Rn. 2, § 35 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Es liegt aber nahe, dass ein Gewerbe, dessen Aufgabe noch nicht angezeigt worden ist, jedenfalls bei Gelegenheit oder – wie im Fall des Klägers – bei sich verbessernder wirtschaftlicher Konjunktur wieder beständig ausgeübt werden soll; die Gewerbeanzeige nach § 14 Abs. 1 GewO ist ein – widerlegbares – Indiz für die tatsächliche Gewerbeausübung und gegen eine dauerhafte und ernsthafte Einstellung des Gewerbebetriebs (Friauf, GewO, § 25 Rn. 86, 87 m.w.N.). Im Fall des Klägers spricht für eine weiterhin beabsichtigte Ausübung des untersagten Gewerbes zudem, dass er sich gegen die Untersagung zur Wehr setzt und in Bezug auf seine zum 30. Dezember 2016 (und damit nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses) vorgenommene Gewerbeabmeldung auf Anfrage des Verwaltungsgerichts erklärt hat, die Abmeldung sei Folge der Marktentwicklung (vgl. Schriftsatz vom 4.3.2017); die Erklärung des Klägers in diesem Schriftsatz ist so zu verstehen, dass er trotz seiner Gewerbeabmeldung das Klageverfahren insgesamt fortführen und sich die Möglichkeit einer erneuten Ausübung desselben Gewerbes – entgegen der bundesweit und dauerhaft geltenden Wirkung der Untersagung (vgl. Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 160, 161) – erhalten möchte.
2.2. Nach Aktenlage ist derzeit davon auszugehen, dass im Fall des Klägers eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit aufgrund wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, deren Behebung nicht absehbar ist, besteht, und dass die Gewerbeuntersagung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
2.2.1. Der Kläger stellt mit seinem Vorbringen im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren nicht in Abrede, dass es im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu seiner Person sechs Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aus dem Jahr 2015 gab, mit den Hinweisen „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ bzw.„Gläubiger-befriedigung nicht nachgewiesen“, dass zuletzt am 11. April 2016 eine Vollstreckungsmaßnahme erfolglos war und dass er im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erhebliche Schulden hatte.
2.2.2. Was die Höhe der Steuerschulden angeht, sind das Landratsamt und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zum Einen bei dem für ihn früher zuständigen Finanzamt Erlangen noch Steuerrückstände aus gewerblicher Tätigkeit in Höhe von 109.506 € und zum Andern beim Finanzamt Würzburg aus einer früheren gewerblichen Tätigkeit Steuerschulden in Höhe von 36.833 € hatte. Derzeit ist indes nicht zweifelsfrei geklärt, ob im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses neben den beim Finanzamt Würzburg bestehenden Schulden (nach einer aktuellen, vom Beklagten mit seiner Antragserwiderung vom 12.6.2017 vorgelegten Aufstellung sind es mittlerweile 39.000 €) noch zusätzlich Schulden des Klägers beim Finanzamt Erlangen bestanden und wie hoch diese waren. Aktenkundig sind zwei getrennte Mitteilungen der beiden Finanzämter gegenüber dem Landratsamt (1. Finanzamt Würzburg vom 12.10.2016: Steuerrückstände von 36.833 € für den Zeitraum ab 2007, Bl. 60/61 der Behördenakte; 2. Finanzamt Erlangen vom 27.10.2016: Beitragsrückstände von 109.506 € für den Zeitraum ab 2007). Das Finanzamt Würzburg, das seinerzeit das Landratsamt auf eventuelle weitere, beim Finanzamt Erlangen bestehende Steuerrückstände des Klägers aufmerksam gemacht und eine dortige Nachfrage angeregt hatte, hat dem Landratsamt unter dem 12. Juni 2017 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 12.6.2017) erneut mitgeteilt, es dürften zusätzlich zu den Rückständen beim Finanzamt Würzburg noch Steuerrückstände beim Finanzamt Erlangen (zur Steuernr. 216/254/30272) bestehen. Die Schriftsätze des Klägers im Beschwerdeverfahren (vom 22.5.2017 und vom 9.7.2017) dagegen sind so zu verstehen, dass der Kläger geltend machen will, er habe beim Finanzamt Erlangen keine Schulden (mehr) und bei den vom Finanzamt Würzburg für die Zeit ab dem Jahr 2007 genannten Steuerrückständen handele es sich gleichfalls im Wesentlichen nur um diejenigen Beträge, die aus der Zeit seiner Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich des Finanzsamts Erlangen in den Jahren 2007 bis 2010 herrührten. Der Kläger gibt an, er sei erst am 1. August 2015 nach R. (Landkreis Würzburg) gezogen; die von 2007 bis 2010 in Erlangen aufgelaufenen Schulden seien „im Rahmen einer Aktenübernahme beim Finanzamt Würzburg gelandet“, es handele sich dagegen nicht um Schulden aus einer aktuellen Gewerbetätigkeit (Schriftsatz vom 22.5.2017).
2.2.3. Es kommt daher in Betracht, dass die gesamten Steuerschulden des Klägers nicht – grob gerundet – 150.000 €, sondern nur etwa gut ein Viertel dieser Summe (derzeit ca. 39.000 €) betragen. Aber auch dann, wenn man von diesem erheblich geringeren Schuldenstand (der allerdings etwaige Schulden außer Acht lässt, die nicht gegenüber der öffentlichen Hand bestehen) ausgeht, so kann dem Kläger eine positive Zuverlässigkeitsprognose nicht gestellt werden.
Steuerschulden in Höhe von 39.000 € sind angesichts des Umstands, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses nach eigener Aussage seit etwa drei Jahren praktisch keine Einnahmen aus dem angemeldeten Gewerbe erzielt hatte und (zu diesem Zeitpunkt) eine Besserung auch nicht in Sicht war, relativ beträchtlich. Der Kläger hat im Gerichtsverfahren u.a. erklärt, seit Januar 2014 Arbeitslosengeld zu beziehen und eine Geldstrafe in Höhe von 9.750 € durch seine Erträge aus gemeinnütziger Arbeit (mindestens 30 Stunden je Woche) begleichen zu können; wenn er weiterhin selbständig beruflich tätig sein dürfe, so reduziere sich die erforderliche gemeinnützige Tätigkeit auf 20 Stunden je Woche und nur so habe er die Möglichkeit, „vom Jobcenter wegzukommen“. Der Kläger gibt an, „das Jobcenter/Landratsamt“ habe ihn selber im August 2015 aufgefordert, ein Gewerbe anzumelden, da er aufgrund seines Alters (damals 63 Jahre) keine andere Chance gehabt habe. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen; Tatsache ist, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt ein Gewerbe angemeldet hatte, dieses – bei entsprechender Marktlage – auch ausüben wollte und weiterhin an dieser Absicht festhält. Eine selbständige berufliche Tätigkeit unter der „Last“ relativ hoher Schulden ohne Aussicht auf deren Minderung birgt die Gefahr, dass der verschuldete Gewerbetreibende seine eigenen finanziellen Interessen in unzulässiger Weise über die Interessen von Geschäftspartnern und Kunden stellt. Dies gefährdet den durch eine Gewerbeuntersagung zu schützenden redlichen und ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr. Die wirtschaftliche Lage auf dem Arbeitsmarkt und die geringen Vermittlungschancen in eine unselbständige Tätigkeit können es nicht rechtfertigen, einen nachgewiesenermaßen unzuverlässigen Gewerbetreibenden weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2012 – 22 ZB 12.992 – juris Rn. 13).
Aktenkundige Erkenntnisse oder Angaben des Klägers dazu, dass er vor dem maßgeblichen Zeitpunkt ernsthaft und auch nur annähernd zielstrebig versucht hätte, seine Schulden abzubauen und die – auf seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit gründende – Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit zu entkräften, gibt es vorliegend nicht. Von einem Tilgungsplan, eventuellen Ratenzahlungsvereinbarungen des Klägers oder auch nur von Bemühungen des Klägers um solche Vereinbarungen für die Zeit bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids ist in den gesamten Akten an keiner Stelle die Rede. Der Fortbestand der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis und das Prozesskostenhilfegesuch bestätigen vielmehr – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist (Beschluss S. 15) – die Fortdauer der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers. Dafür, dass der Kläger jedenfalls in der Vergangenheit auch geringes Interesse an der Begleichung von Steuerschulden hatte, zumindest aber derartigen Schulden deutlich geringeres Gewicht als privaten Schulden beimaß, spricht auch seine Äußerung im jüngsten Schriftsatz (vom 9.7.2017, S. 1): Danach stünden die Schulden aus den Jahren 2007 bis 2010 im Zusammenhang mit der von ihm begangenen (rechtskräftig geahndeten) Steuerhinterziehung; Grund für diese Steuerhinterziehung sei gewesen, dass er aus seinen Rücklagen „Altlasten“ aus einer zurückliegenden „Firmenpleite“ seiner Ehefrau aus der Zeit vor der Eheschließung mit ihm beglichen habe, so dass ihm die hierfür aufgewendeten Mittel dann im laufenden Geschäft u.a. für die Steuer gefehlt hätten.
2.3. Der Kläger hat im Klage- und im Beschwerdeverfahren in verschiedenen Schriftsätzen (u.a. vom 4.2.2017 und vom 9.7.2017) darauf hingewiesen, dass seine Ehefrau unerwartet am 31. Dezember 2016 gestorben sei, dass er das – aus immensen Schulden bestehende – Erbe seiner Ehefrau ausgeschlagen habe und dass sich nunmehr seine finanzielle Situation wesentlich anders darstelle als zu Lebzeiten seiner Ehefrau. Der Kläger weist auf verschiedene Optionen hin, mit denen er nach seiner Ansicht eine wirksame und nachhaltige Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation erreichen könne. Ob diese Einschätzung zutrifft und ob die geänderten Verhältnisse die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit entkräften können, wäre allerdings erst in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO zu prüfen. Für den vorliegenden Rechtsstreit sind die Veränderungen unerheblich, da sie nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (1.12.2016) eingetreten sind.
2.4. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen (einfachen) Gewerbeuntersagung und damit an der voraussichtlichen Erfolglosigkeit der Klage bestehen auch nicht in Bezug auf die Nebenentscheidungen zur Gewerbeuntersagung (Frist für die Einstellung der Tätigkeit, Zwangsmittelandrohung, Kosten). Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter Nr. 2.3 ab S. 15 des Beschlusses vom 8. Mai 2017 Bezug genommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.


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