Steuerrecht

Gewerbeuntersagung, gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, GmbH mit unzuverlässigem Geschäftsführer, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (Vollstreckungsportal), Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Steuerrückstände, Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen, gewerbebezogene Straftat, Ordnungswidrigkeiten, Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften

Aktenzeichen  M 16 S 20.6845

Datum:
19.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36724
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
GewO § 35 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2020 wird insoweit wiederhergestellt, als der Antragstellerin in Nr. 1 des Bescheids die gewerbliche Tätigkeit „Einzelhandel mit NonFood-Produkten“ untersagt wurde und in Nr. 2 des Bescheids die Untersagung auch auf gewerbliche Betätigungen ausgedehnt wurde, die nicht den Handel mit oder anderweitiges Inverkehrbringen von Lebensmitteln (inkl. Getränken) sowie die Verarbeitung, Zubereitung oder Herstellung von Lebensmitteln (inkl. Getränken) beinhalten.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin ¾ und die Antragsgegnerin ¼.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte (erweiterte) Gewerbeuntersagung der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin zeigte am 6. Oktober 2004 unter der Betriebsanschrift O* Hellip Straße … in M* … die gewerblichen Tätigkeiten „Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Lebensmitteln; Einzelhandel mit Naturkostartikeln; Einzelhandel mit Non-Food-Produkten (Geschenkartikeln, Schreibwaren, Sportartikeln, Textilien, Haushaltswaren, Elektrogeräten, Schuhen, usw. ausgenommen überwachungspflichtige Güter); Betrieb eines Partyserviceunternehmens und/oder Cateringunternehmens; Abgabe von alkoholfreien Getränken und/oder zubereiteten Speisen an Stehgäste während der Ladenöffnungszeiten“ mit Beginn 21. Oktober 2004 an. Weitere Betriebsstätten in M* … (u.a. W* Hellip Straße 5 und 7, L* Hellip straße 80, I* … Hellipr Straße 52, H* Hellip straße 23a, S* Hellip straße 5) wurden an- und später wieder abgemeldet. Einzelvertretungsberechtigt war seit 2006 der alleinige Geschäftsführer Herr Hellip H* …
Durch Mitteilung der Staatsanwaltschaft M* … * vom 1. Juli 2020 (Nr. 39 der Anordnung über Mitteilung in Strafsachen – MiStra) wurde die Antragsgegnerin davon in Kenntnis gesetzt, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin als Inhaber der Betriebsstätte in der T* Hellip Str. 102 in M* … strafrechtlich in Erscheinung getreten ist: Das Amtsgericht M* … erließ am … Mai 2020 gegen Herrn H* … einen Strafbefehl (Az.: … … … … …*) wegen vorsätzlichem Inverkehrbringen von nicht sicheren, für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen. Die Entscheidung wurde am 30. Mai 2020 rechtskräftig.
Nach den aktenkundigen Ermittlungen der Antragsgegnerin war die Antragstellerin zudem am 14. Juli 2020 mit drei Eintragungen (*.8.2019, …9.2019, …10.2019) im Schuldnerverzeichnis jeweils wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ erfasst. Beim Kassen- und Steueramt M* … hatte die Antragstellerin laut Mitteilung vom 21. Juli 2020 Rückstände in Höhe von 678,49 Euro. Das Finanzamt M* … teilte mit Schreiben vom 27. Juli 2020 mit, dass aus dem Jahr 2020 Forderungen in Höhe von 9.171,20 Euro gegen die Antragstellerin bestehen. Einige Voranmeldungen seien fristgerecht eingereicht worden, der Großteil der Erklärungen und Voranmeldungen sei jedoch nicht fristgerecht bzw. noch gar nicht eingereicht worden. Nach ergänzender Mitteilung vom 16. September 2020 betrugen die Rückstände beim Finanzamt zu diesem Zeitpunkt noch 1.714,47 Euro. Coronabedingt bestehe derzeit eine Stundung.
Hinsichtlich des Geschäftsführers der Antragstellerin teilte das Finanzamt M* … am 16. September 2020 mit, dass gegen diesen Forderungen in Höhe von ca. 3.000 Euro bestehen, die aufgrund verschiedener Stundungsanträge derzeit aber nicht vollstreckt werden. Im Schuldnerverzeichnis war der Geschäftsführer einmal (**.3.2020) wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft eingetragen. Im Gewerbezentralregister war der Geschäftsführer mit Stand 15. Juli 2020 neunmal eingetragen, davon dreimal wegen Verstößen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen/Herstellen/Behandeln von Lebensmitteln und sechsmal wegen Verstoßes gegen die statistische Auskunftspflicht.
Auf dieser Grundlage hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin sowie die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern jeweils mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 zur beabsichtigten (erweiterten) Gewerbeuntersagung an.
Die Industrie- und Handelskammer erhob keine Einwände.
Der Geschäftsführer der Antragstellerin äußerte sich auf das Anhörungsschreiben, welches ihm am 30. Oktober 2020 zugestellt wurde, mit Schreiben vom *. November 2020. Den Rückstand beim Finanzamt habe er am 6. Oktober 2020 beglichen. Bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldungen seien inzwischen alle Unterlagen bis einschließlich Oktober beim Steuerberater. Seit Mitte März habe praktisch auf den kompletten Gastronomie-Umsatz verzichtet werden müssen und aufgrund des „Mischbetriebs Einzelhandel und Gastronomie“ habe es auch keinerlei Hilfen gegeben. Der Rückstand bei der Stadtkasse sei ebenfalls beglichen. Im Hinblick auf die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis bestünde Kontakt mit der Gerichtsvollzieherin, regelmäßige Abschlagszahlungen würden geleistet. Die Forderungen seien zum Großteil getilgt. Der strafrechtlich geahndete Vorfall habe sich in der ehemaligen Produktionsküche im Schlachthof M* … ereignet. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe sich vor seine Mitarbeiter gestellt und die volle Verantwortung übernommen. Die Betriebsstätte habe er sofort geschlossen und die Strafe beglichen. Hinsichtlich der Verstöße gegen die statistische Auskunftspflicht wurde ausgeführt, dass dies ursprünglich der Steuerberater erledigt habe und der Geschäftsführer der Antragstellerin nach Beendigung von dessen Mandat an dieser Aufgabe zu seinem tiefsten Bedauern gescheitert sei. Die verhängten „Geldstrafen“ seien alle beglichen worden. Ferner habe das Landesamt für Statistik den Geschäftsführer inzwischen von der Verpflichtung entbunden.
Daraufhin teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Novem ber 2020 mit, dass das Verfahren bis zum 24. November 2020 ausgesetzt und bis zu diesem Zeitpunkt die Vorlage konkret benannter Unterlagen erwartet werde. Sollten die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt oder weitere Unzuverlässigkeitstatbestände bekannt werden, würde das Gewerbeuntersagungsverfahren unverzüglich und ohne erneute Anhörung fortgesetzt werden.
Nachdem von Seiten der Antragstellerin bis zum genannten Datum keine Rückmel dung mehr erfolgte, erließ die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. Dezember 2020, zugestellt am 11. Dezember 2020, die streitgegenständliche (erweiterte) Gewerbeuntersagung. Der Antragstellerin wurde die gewerbliche Tätigkeit „Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Lebensmitteln; Einzelhandel mit Naturkostartikeln; Einzelhandel mit NonFood-Produkten (Geschenkartikeln, Schreibwaren, Sportartikeln, Textilien, Haushaltswaren, Elektrogeräten, Schuhen, usw. ausgenommen überwachungspflichtige Güter); Betrieb eines Partyserviceunternehmens und/oder Cateringunternehmens; Abgabe von alkoholfreien und/oder zubereiteten Speisen an Stehgäste während der Ladenöffnungszeiten“ im stehenden Gewerbe untersagt (Nr. 1) und die Untersagung auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ausgedehnt (Nr. 2). Der Antragstellerin wurde aufgegeben, die unter Nr. 1 fallende Gewerbetätigkeit spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheids einzustellen (Nr. 3). Für den Fall der Nichteinstellung der Gewerbetätigkeit wurde hinsichtlich der unter Nr. 1 genannten gewerblichen Tätigkeiten die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 4). In Nr. 5 des Bescheids verfügte die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheids. Nr. 6 des Bescheids betrifft die Verwaltungskosten. Zur Begründung berief sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf die Rückstände der Antragstellerin beim Finanzamt von über 30.000 Euro, die größtenteils bis 30. November 2020 gestundet gewesen seien, die drei Einträge der Antragstellerin im Schuldnerverzeichnis und die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers (Straftat, Ordnungswidrigkeiten, Eintrag im Schuldnerverzeichnis, Steuerrückstände und Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Antragstellerin sei damit zu rechnen, dass auch in Zukunft das Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausgeübt und jederzeit weitere Verstöße gegen geltende lebensmittelrechtliche Vorschriften begangen würden. Der Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Nachteilen und Gesundheitsgefährdungen durch das Inverkehrbringen verdorbener oder zum Verzehr nicht mehr geeigneter Lebensmittel lasse es nicht zu, mit dem Vollzug bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids zu warten.
Mit Schreiben/E-Mail vom … Dezember 2020 teilte Herr H* … der Antragsgegnerin insbesondere mit, dass er sich entschieden habe, die Geschäftstätigkeit einzustellen und Anfang 2021 eine andere Gesellschaft zur Übernahme bereit wäre. Des Weiteren sei seine Abberufung als Geschäftsführer und die Bestellung einer neuen Geschäftsführerin in Arbeit. Bei der letzten Nachkontrolle habe es keine Beanstandungen gegeben. Er bitte daher von der sofortigen Vollziehung Abstand zu nehmen und ihm (auch im Interesse der Mitarbeiter/innen) eine Chance zu geben, den Markt in bessere Hände zu geben.
Mit Schreiben vom … Dezember 2020 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch bei der Antragsgegnerin ein und erhob mit Schriftsatz vom selben Tag beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2020 (Verfahren M 16 K 20.6844). Mit weiterem Schriftsatz vom … Dezember 2020 ließ die Antragstellerin zudem (sinngemäß) beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Gewerbeuntersagung bestünde nicht. Zum 11. Dezember 2020 habe gegenüber dem Finanzamt ein Rückstand in Höhe von 32.144,58 Euro bestanden, von denen 31.600,82 Euro auf nicht gelöschten Schätzbeträgen für die Umsatzsteuer Februar 2020 bis Juni 2020 beruhen würden. Die sich nach Abgabe der Umsatzsteuererklärung am 29. Oktober 2020 errechneten (wesentlich niedrigeren) Beträge seien im November bzw. am 1. Dezember 2020 beglichen worden. Für das Frühjahr 2021 habe das Finanzamt eine Umsatzsteuerprüfung angekündigt. Die noch ausstehenden Umsatzsteuervoranmeldungen würden derzeit vom Steuerberater vorbereitet werden. Die letztlich verbleibenden Verbindlichkeiten in Höhe von 543,76 Euro würden sich weitgehend aus Säumnis- und Verspätungszuschlägen für Februar bis Juli 2020 ergeben. Die Gesellschaft bestünde seit 2004, Steuerrückstände hätten lediglich aus dem Jahr 2020 vorgelegen. Die Angaben im Vollstreckungsportal seien unrichtig, die zuständige Gerichtsvollzieherin habe im Schreiben vom 15. Dezember 2020 bestätigt, dass gegenüber der Antragstellerin keine Aufträge auf Zwangsvollstreckung vorliegen. Weiter werde insbesondere darauf hingewiesen, dass Herr H* … mit sofortiger Wirkung nicht mehr Geschäftsführer der Antragstellerin sei. Am 23. Dezember 2020 sei die Löschung von Herrn H* … und die Eintragung von Frau T* … als neuer Geschäftsführerin im Handelsregister vom Notar beantragt worden. Zwar sei für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, die Antragsgegnerin habe vorliegend jedoch kein Widerspruchsverfahren „angeordnet“ und auch keine Anhörung durchgeführt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
In Ergänzung zur Bescheidsbegründung weist die Antragsgegnerin im Wesentlichen darauf hin, dass seit dem Jahr 2013 mit außerordentlicher Stetigkeit Ordnungswidrigkeiten im Betrieb begangen worden seien. Es müsse jederzeit damit gerechnet werden, dass Kunden und Verbrauchern erneut erheblich in ihrem Wert geminderte Waren angeboten oder sogar durch deren Verzehr unabsehbare gesundheitliche Schädigungen verursacht werden. Die in der Vergangenheit beanstandeten und zuletzt sogar strafrechtlich geahndeten Verhaltensmuster hätten sich über eine geraume Dauer hinweg sowohl im Gebahren des bisherigen Geschäftsführers wie auch der allgemeinen Geschäftspraxis der Antragstellerin festgesetzt. Daher könne selbst durch einen kurzfristigen Geschäftsführerwechsel nach Bescheidserlass – wie hier geschehen – nicht davon ausgegangen werden, dass nur deshalb nun auch zwangsläufig völlig veränderte Umstände im Ladengeschäft vorherrschen werden. Dies sei besonders kritisch zu betrachten, da der bisherige Geschäftsführer zudem alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin sei und es sich bei der nun neu eingesetzten Geschäftsführerin um seine Lebensgefährtin handele. Es müsse stark in Zweifel gezogen werden, ob es sich um einen tatsächlichen Wechsel der Vertretungsberechtigung handele oder nicht gar um ein sogenanntes Strohmannverhältnis. Fakt sei, dass der bisherige Geschäftsführer als Lebensgefährte der neuen Geschäftsführerin und alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin auch weiterhin über großen Einfluss am Tagesgeschäft verfüge, was die Zukunftsprognose bezüglich der notwendigen, gravierenden Änderungen negativ färben würde. Ferner mag derzeit zwar kein offener Vollstreckungstitel bei der örtlich zuständigen Gerichtsvollzieherin vorliegen, wie die Antragstellerin nachgewiesen habe, jedoch bestehe die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden schon dann, wenn er sich in der Vergangenheit ein einziges Mal im Vollstreckungsportal der Länder habe „eintragen lassen“. Die auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruhende Steuerfestsetzung stehe im Übrigen im Rahmen der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeitsprognose einer aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen resultierenden Steuerfestsetzung gleich. Sofern weitere hygienerechtliche Verstöße bekannt würden, behalte sich die Antragsgegnerin vor, den Bescheid auch vor einer Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag zu vollziehen. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2021 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass bei einer Betriebsprüfung am 26. Juli 2021 erneut hygienerechtliche Verstöße festgestellt worden seien.
Gegen die gegenüber dem Geschäftsführer verfügte (erweiterte) Gewerbeuntersagung (ebenfalls vom 8. Dezember 2021) wurde keine Klage erhoben. Am 28. Dezember 2020 wurde Herr H* … als Geschäftsführer aus dem Handelsregister gelöscht und die o.g. neue Geschäftsführerin eingetragen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Eil- und Klageverfahren sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaften und auch sonst zulässigen Anträge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage haben in der Sache nur teilweise Erfolg.
Statthafter Rechtsbehelf in der Hauptsache ist die Anfechtungsklage. Verwaltungsakte, die die Ausübung eines Gewerbes untersagen, unterfallen keiner der in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) aufgeführten Ausnahmetatbestände. Ein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nach §§ 68 ff. VwGO entfällt damit (Art. 15 Abs. 2 AGVwGO) und ist auch nicht fakultativ möglich.
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Gegenstand dieser Abwägung sind das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, insbesondere, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfes offensichtlich erscheinen. Offensichtlich sind die Erfolgsaussichten, wenn das beschließende Gericht im Eilverfahren meint, bereits mit hinreichender Sicherheit den Ausgang in der Hauptsache, also vorrangig seine eigene Entscheidung, prognostizieren zu können. Bei offener Erfolgsprognose ist eine (reine) Interessenabwägung durchzuführen, bei der die überschaubaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache gleichwohl mit einbezogen werden können (vgl. BVerfG, B.v. 11.6.2008 – 2 BvR 2062/07 – juris Rn. 12 ff.; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 80 Rn. 372 ff. m.w.N.).
Auch dann, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses, das gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO von der Behörde schriftlich zu begründen ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der (erweiterten) Gewerbeuntersagung setzt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) weiter voraus, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Gewerbetreibenden während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist verfassungsrechtlich (Art. 19 Abs. 4 GG) wie einfachgesetzlich (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die Regel und der Sofortvollzug die Ausnahme. Die Anordnung des Sofortvollzugs kann deshalb nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, die durch konkrete Gefahren bedroht sind, gerechtfertigt sein (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2020 – 22 CS 20.1600 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 11, BayVGH, 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Die Begründetheit dieser Besorgnis ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung auch solcher Umstände zu beurteilen, die erst nach dem Erlass des angefochtenen Bescheids eingetreten sind (vgl. OVG NW, B.v. 20.10.2016 – 4 B 1094/16 u.a. – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
Nach vorstehenden Maßstäben begegnet die (erweiterte) Gewerbeuntersagung (nachfolgend unter 1. bis 3.) keinen Bedenken, die Anordnung zu deren sofortiger Vollziehbarkeit (nachfolgend unter 4.) ist jedoch nur im tenorierten Umfang gerechtfertigt.
1. In formeller Hinsicht ist – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin – zunächst festzuhalten, dass insbesondere eine Anhörung i.S.v. Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) erfolgt ist. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2020, zugestellt am 30. Oktober 2020, wurde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hiervon machte der Geschäftsführer der Antragstellerin mit Schreiben vom *. November 2020 auch Gebrauch.
2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin sodann auch in materieller Hinsicht offensichtlich zu Recht die weitere Ausübung des Gewerbes „Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Lebensmitteln; Einzelhandel mit Naturkostartikeln; Einzelhandel mit NonFood-Produkten (Geschenkartikeln, Schreibwaren, Sportartikeln, Textilien, Haushaltswaren, Elektrogeräten, Schuhen, usw. ausgenommen überwachungspflichtige Güter); Betrieb eines Partyserviceunternehmens und/oder Cateringunternehmens; Abgabe von alkoholfreien und/oder zubereiteten Speisen an Stehgäste während der Ladenöffnungszeiten“ im stehenden Gewerbe nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) untersagt.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit u.a. des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids vor (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
2.1 Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es dabei nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss vielmehr die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 8).
Steht wie hier die Zuverlässigkeit einer juristischen Person in Rede, können Unzuverlässigkeitsgründe gerade in der juristischen Person liegen – wie etwa eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit (mit den Unterformen der Steuerschulden und der Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten) – oder auf einer Unzuverlässigkeit des vertretungsberechtigten Organs oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person beruhen, das der juristischen Person zurechenbar ist. Insbesondere Unzuverlässigkeitsgründe, die sich aus Pflichtverletzungen als Geschäftsführer der GmbH ergeben (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), sind der Gesellschaft folglich zuzurechnen. Davon zu unterscheiden sind Unzuverlässigkeitsgründe, die ausschließlich in der Person des Vertretungsberechtigten liegen und der juristischen Person nicht zuzurechnen sind; darunter wird insbesondere die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertretungsberechtigten selbst gefasst (vgl. zu alldem BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 28.8.2017 – 4 A 2233/15 – juris Rn. 8).
Daran gemessen war die Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids gewerberechtlich unzuverlässig und die Prognose der Antragsgegnerin gerechtfertigt, dass die Antragstellerin ihr Gewerbe auch künftig nicht ordnungsgemäß ausüben wird.
2.1.1 Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid wurden von der Antragstellerin eine Vielzahl von Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen nicht bzw. nicht fristgerecht eingereicht. Zudem war sie dreimal wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diese Eintragungen belegen hinreichend, dass die Antragstellerin vollstreckbare Forderungen nicht wie geschuldet sofort zahlen kann bzw. konnte und zeigen darüber hinaus, dass die Antragstellerin bzw. ihr Vertretungsberechtigter zur Erfüllung der ihr/ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, den Gläubigern den notwendigen Überblick über die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin zu verschaffen, wiederholt freiwillig nicht bereit war (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2013 – 22 ZB 13.1419 – juris Rn. 19 m.w.N.). Aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags ist der Gerichtsvollzieher befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen, sofern dieser die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung nicht innerhalb gesetzter Frist begleicht (§§ 802a Abs. 2 Nr. 2, 802c, 802f Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Zur Abgabe der Vermögensauskunft wird der Schuldner geladen; die Ladung und eine Belehrung über die erforderlichen Angaben, Rechte und Pflichten sowie u.a. über die Folgen einer unentschuldigten Terminssäumnis sind dem Schuldner zuzustellen (§ 802f ZPO). Erst wenn der Schuldner grundlos dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft fernbleibt oder ohne Grund wesentliche Teile der Auskunft verweigert oder die zum Beleg seiner Angaben erforderlichen Unterlagen nicht beibringt, ordnet der Gerichtsvollzieher die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis an (§§ 882b Abs. 1 Nr. 1, 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers, die auch den Eintragungsgrund enthält, wird dem Schuldner bekannt gegeben (§§ 882c Abs. 2 und 3 Satz 1, 882b Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Gegen die Eintragungsanordnung kann der Schuldner binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe Widerspruch beim zuständigen Vollstreckungsgericht einlegen sowie beantragen, dass die Eintragung einstweilen ausgesetzt wird; über diese Rechtsbehelfe ist der Schuldner zu belehren (§ 882d ZPO). Obwohl dem Geschäftsführer der Antragstellerin in Anbetracht der genannten Verfahrensschritte bis zur Eintragung im Schuldnerverzeichnis bewusst sein musste, dass der jeweilige Gläubiger seine Forderung zu vollstrecken sucht und ihm auch klar sein musste, dass er die Vermögensauskunft pflichtwidrig nicht abgab, ließ er es wiederholt auf Vollstreckungsmaßnahmen und schließlich Eintragungen im Schuldnerverzeichnis ankommen. Dass sich der Geschäftsführer der Antragstellerin ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt um die Begleichung der den Eintragungen zugrundliegenden Forderungen bemüht hat und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt (wohl nach Bescheidserlass) offenbar auch gänzlich getilgt hat, ist begrüßenswert, lässt in Anbetracht der Kürze der Wohlverhaltensphase, aber noch keine positive Prognose zu. Die Antragstellerin muss nämlich nicht nur die eigenen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aus dem Jahr 2019 (*.8.2019, …9.2019, …10.2019) verantworten, sondern sich insoweit auch die persönliche Eintragung ihres auch aus diesem Grund unzuverlässigen Geschäftsführers vom … März 2020 zurechnen lassen. Bereits auf Grundlage dieser Eintragungen im Schuldnerverzeichnis war daher die negative Prognose der Antragsgegnerin gerechtfertigt.
2.1.2 Neben den Einträgen wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ hat die An tragsgegnerin die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu Recht auch wegen der persönlichen Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers der Antragstellerin vor dem Hintergrund der begangenen Straftat und den begangenen Ordnungswidrigkeiten angenommen.
Gegen den (ehemaligen) Geschäftsführer der Antragstellerin wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts M* … vom … Mai 2020 (Az.: … … … … …*) wegen vorsätzlichem Inverkehrbringen von nicht sicheren, für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen verhängt. Der Begründung des Strafbefehls zufolge wurde am *. August 2019 bei einer Kontrolle der Betriebsstätte in der T* Hellip Str. 102 in M* … festgestellt, dass in den Geschäftsräumen Lebensmittel zur Abgabe an Kunden aufbewahrt und zubereitet wurden, die auf Grund der im Betrieb herrschenden unhygienischen und ekelerregenden Zustände zum menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet waren. Durch die in der Betriebsstätte vorgefundenen Verunreinigungen waren Verunreinigungen der verkauften Lebensmittel zudem nicht auszuschließen. Mängel wurden im Hof mit Abfalllager, in der Kühlzelle im Hof, im Eingangsbereich/Vorraum der Personaltoilette, in der Personaltoilette, in der Küche, im Büro mit Umkleide, im Zusammenhang mit der Vorbereitungsküche mit Lagerfläche, im Lagerbereich, in der Tiefkühlzelle und im Zusammenhang mit der Kühlung von Milchprodukten und Obst und Gemüse festgestellt (vgl. im Detail Seiten 2 bis 8 des Strafbefehls). So befanden sich etwa offene und verschlossene Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum/Verbrauchsdatum teilweise abgelaufen war, in den zum Teil schimmelähnlich verunreinigten (Tief-)Kühlzellen. Mittel zum hygienischen Waschen und Trocknen der Hände fehlten nicht nur in der (verschmutzten und modrig riechenden) Personaltoilette, sondern auch in der (stellenweise mit schwarzschimmelähnlichen Belägen bzw. alten Fettablagerungen und Mäusekot verunreinigten) Küche. Neben Mäusekot war teilweise ein erheblicher bis massiver Befall von Schaben und anderen Insekten (Fruchtfliegen und Stubenfliegen) feststellbar.
Zuvor wurde bei einer Kontrolle am … September 2015 festgestellt, dass bei einer Lieferung durch die Antragstellerin zwei leicht zu öffnende Styroporbehältnisse, die mit zubereiteten und unter anderem leichtverderblichen Lebensmitteln/Speisen befüllt waren, ohne ausreichenden Warenschutz im öffentlich zugänglichen Bereich vor einem Kinderhort in unmittelbarer Nähe zur Straße abgestellt worden waren, § 3 Satz 1 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (LMHV). Der Verstoß wurde mit einer Geldbuße in Höhe von 250 Euro geahndet (vgl. Bußgeldbescheid vom 7. April 2016, Az.: …*).
Auch in der Betriebsstätte in der O* Hellip Str. … in M* … wurden vor und nach der o.g. strafrechtlichen Ahndung Verstöße gegen lebensmittelrechtliche (Hygiene-)Vorschriften festgestellt: Bei einer Kontrolle am … August 2012 wurde festgestellt, dass abgepackte Fleischprodukte („Bio Rinderrouladen“) in der Kühltheke bei zu warmen Temperaturen gelagert wurden. Eine Untersuchung der entnommenen Proben durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ergab, dass das Produkt nicht bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zum Verzehr durch den Menschen geeignet war, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 5 VO (EG) 178/2002. Der Verstoß wurde mit einer Geldbuße in Höhe von 250 Euro geahndet (vgl. Bußgeldbescheid vom 23. Mai 2013, Az.: …*). Bei einer Kontrolle am *. August 2018 wurden Verstöße im Verkaufsraum und in der Metzgerei- und Backwarenabteilung festgestellt. Unter anderem wiesen die Türen der Tiefkühlschränke im Verkaufsraum im unteren Bereich schwarzschimmelähnliche Beläge auf, das gesamte Kühlregal in der Obst- und Gemüseabteilung war mit schwarzschimmelähnlichen Belägen behaftet und die Schiebetüren-Laufschienen der Kühlvitrinen, in denen offene und verpackte Lebensmittel gelagert wurden, waren stark mit alten Lebensmittelresten verunreinigt (§ 3 Satz 1 LMHV, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004). Bei den Nachkontrollen am … August und … September 2018 waren alle Mängel weiterhin vorhanden. Erst bei der dritten Nachkontrolle am … Oktober 2018 waren alle Mängel behoben. Die Verstöße wurden mit einer Geldbuße in Höhe von 700 Euro geahndet (vgl. Bußgeldbescheid vom 28. Mai 2019, Az.: …*). Auch bei einer Kontrolle am *. August 2019 wurden Verstöße im Verkaufsraum, im Lagerraum und im Gemüsekühlhaus festgestellt. Beispielsweise waren erneut ein Kühlregal in der Obst- und Gemüseabteilung mit schwarzschimmelähnlichen Belägen behaftet und zwei Kühlvitrinen an Lüftungsschlitzen und Rückwänden stark mit alten Lebensmittelresten bzw. stellenweise schimmelähnlichen Belägen verunreinigt (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel V Nr. 1 Buchst. a, Kapitel IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004). Bei den Nachkontrollen am *. und … September 2019 waren alle Mängel weiterhin vorhanden. Erst bei der dritten Nachkontrolle am … Oktober 2019 waren die Mängel „weitestgehend“ behoben. Bei der Kontrolle am *. September 2019 wurden zudem Verstöße in der Küche festgestellt (u.a. stark verunreinigte/s Waschbecken, Dosen, Gläser und Verstöße im Zusammenhang mit der Lagerung von Lebensmitteln und Lebensmittelabfällen, § 3 Satz 1 LMHV, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel V Nr. 1 Buchst. a, Kapitel VI Nr. 2, Kapitel IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004), so dass die Küche von der Lebensmittelüberwachung am *. September 2019 vorübergehend geschlossen wurde. Die Schließung wurde am … September 2019 wieder aufgehoben. Die Verstöße gegen die lebensmittelrechtlichen Hygienevorschriften wurden sodann mit einer Geldbuße in Höhe von insgesamt 1050 Euro gegenüber dem (ehemaligen) Geschäftsführer der Antragstellerin und mit einer Geldbuße in Höhe von insgesamt 2.100 Euro gegenüber der Antragstellerin geahndet (vgl. Bußgeldbescheide vom 7. Januar 2020, Az.: … und …*). Auch bei (Nach-)Kontrollen am *. Januar, *., … und … September 2020 wurden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften festgestellt (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel I Nr. 1, Kapitel IX Nr. 3 VO (EG) 852/2004). Insoweit fällt erneut auf, dass trotz der am *. September 2020 in Anwesenheit von Herrn H* … durchgeführten Kontrolle und Belehrung die beanstandeten Punkte bei der Nachkontrolle am … September 2020 überwiegend noch immer nicht behoben waren. Hervorzuheben ist des Weiteren, dass bei der Nachkontrolle am *. Januar 2020 von der Lebensmittelüberwachung sechs Kisten mit abgelaufenen Lebensmitteln sichergestellt wurden. Laut Kontrollbericht wurden an diesem Tag im Kühlhaus mehrere Lebensmittel (Fleisch, Eier, Milchprodukte) vorgefunden, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits seit längerem (u.a. mehrere Monate) abgelaufen war. Insbesondere der vorgefundene Käse war bereits seit Mai 2018 abgelaufen. Eine Trennung von Lebensmitteln, die noch zum Verkauf angeboten werden sollten, und den bereits abgelaufenen Lebensmitteln erfolgte offenbar nicht.
In den Betrieben der Antragstellerin wurde folglich über einen langen Zeitraum hinweg wiederholt und teils gravierend gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften verstoßen. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit sind auch diese Verstöße ein deutlicher Beleg dafür, dass die Antragstellerin nicht die Gewähr dafür bietet, dass das Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausgeübt wird. Die menschliche Gesundheit gehört zu den besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern. Ihrem Schutz dienen die lebensmittelrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Hygiene und Sauberkeit im Umgang mit Lebensmitteln und in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen Lebensmittel gelagert und verarbeitet werden (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182 – juris Rn. 19). Die Einhaltung dieser Hygienevorschriften gehört zu den zentralen Pflichten eines Gaststättenbetreibers bzw. eines lebensmittelverarbeitenden und -abgebenden Betriebs (so schon VG München, U.v. 21.12.2015 – M 16 K 15.2439 – juris Rn. 40). Die festgestellten Mängel zeigen, dass der Antragstellerin bzw. dem von ihr hierfür eingesetzten Personal die Einsicht in die Notwendigkeit solcher Anforderungen oder die Fähigkeit bzw. Kenntnis fehlt, die gebotene Hygiene und Reinlichkeit in den Betrieben zu gewährleisten. Auch die verhängten Bußgelder und der Strafbefehl führten nicht zu einer grundlegenden, anhaltenden Verhaltensänderung. Von Behördenseite aufgezeigte Mängel wurden – wie ausgeführt – häufig erst nach wiederholter Kontrolle und Beanstandung beseitigt.
2.1.3 Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid zu recht auch auf die (Umsatz-)Steuerrückstände der Antragstellerin beim Finanzamt gestützt hat, die bis kurz vor Erlass der Gewerbeuntersagung gestundet waren und hinsichtlich derer die Antragstellerin nach Abgabe der Umsatzsteuererklärungen am 29. Oktober 2020 realistisch von einer erheblichen Verminderung ausgehen konnte. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den (eigenen) Steuerrückständen des Herrn H* … tragen die Gewerbeuntersagungsverfügung gegenüber der Antragstellerin allerdings nicht (BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10). Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend insoweit eine andere Bewertung anzustellen wäre, hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Auch hierauf kommt es jedoch in Anbetracht des vorstehend Ausgeführten nicht entscheidungserheblich an.
Der zwischenzeitlich erfolgte personelle Wechsel in der Geschäftsführung ändert (unabhängig davon, ob es sich nur um einen formalen oder auch tatsächlichen Wechsel bei der Geschäftsführung handelt) an der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung ebenfalls nichts, da es sich hierbei um Entwicklungen nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung handelt und vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids ein solcher noch nicht einmal angekündigt war. Insoweit macht die Antragstellerin sinngemäß geltend, dass eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht mehr besteht, und hat die Möglichkeit einen Antrag auf Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO zu stellen. Davon abgesehen wurde auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass Herr H* … keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Leitung des Gewerbebetriebs der Antragstellerin hat.
2.2 Die Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 8). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Unzuverlässigkeitsgründe liegen im vorliegenden Fall insbesondere nicht ausschließlich in der Person des Geschäftsführers der Antragstellerin (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11).
3. Auch die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für den Erlass einer erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung vor. Die Antragsgegnerin hat das ihr insoweit eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung auf die vorgenannten Tätigkeiten erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Insoweit müssen Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Diese sind bei ungeordneten Vermögensverhältnissen und steuerlichen Pflichtverletzungen – wie hier – aber regelmäßig gegeben. Das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse ist eine Zuverlässigkeitsvoraussetzung, die für jeden Gewerbebetrieb gilt und sich nicht auf eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit beschränkt. Zudem hat der Geschäftsführer der Antragstellerin Regeln verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Das rechtfertigt die Annahme der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin bzw. ihr Vertretungsberechtigter ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes an den Tag legen werden (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – juris Rn. 22, 26, jeweils m.w.N.).
Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist auch erforderlich, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen der Gewerbetreibenden vorliegt. Besondere Umstände, die es ausschließen, dass die Gewerbetreibende in Zukunft ein anderes Gewerbe ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet, liegen nicht vor (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 GG im Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1.93 – juris Rn. 5). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
4. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der (erweiterten) Gewerbeuntersagung durch die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist jedoch in Teilen nicht gerechtfertigt. Die Anordnung genügt dabei zwar noch dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (4.1), aber jedenfalls teilweise nicht den materiellrechtlichen Anforderungen (4.2).
4.1 Die Antragsgegnerin begründet unter 2.5 der Bescheidsgründe das besondere Interesse der Vollziehbarkeitsanordnungen auf den Einzelfall bezogen und nicht lediglich formelhaft mit dem Schutz (insbesondere der Gesundheit) der Allgemeinheit. Aus dieser Begründung ergibt sich noch hinreichend, dass die Antragsgegnerin den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung erkannt hat und aus welchen Gründen diese dem Vollzugsinteresse im vorliegenden Einzelfall Vorrang eingeräumt hat.
4.2 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der (erweiterten) Gewerbeuntersagung durch die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist jedoch nur insoweit gerechtfertigt, als der Antragstellerin bereits ausgeübte und künftige gewerbliche Tätigkeiten untersagt werden, die den Handel mit oder anderweitiges Inverkehrbringen von Lebensmitteln (inkl. Getränken) sowie die Verarbeitung, Zubereitung oder Herstellung von Lebensmitteln (inkl. Getränken) beinhalten, mithin also jeglichen gewerblichen Umgang mit Lebensmitteln und Getränken.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt – wie bereits ausgeführt – im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich zu der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Grundverfügung voraus, dass die Fortsetzung des Gewerbebetriebs während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2020 – 22 CS 20.1600 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 11, BayVGH, 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris Rn. 16 jeweils m.w.N.).
Die bisherige Betriebsführung zeigt in Anbetracht der unter 2.1.2 exemplarisch aufgeführten Verstöße, dass die Antragstellerin nicht bereit oder jedenfalls nicht in der Lage ist, die geltenden lebensmittelrechtlichen Hygienevorschriften zuverlässig zu befolgen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin daher zu Recht in sofort vollziehbarer Form jeden gewerblichen Umgang mit Lebensmitteln und Getränken untersagt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Abwehr von Gefahren zum Schutz des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Kunden/Verbraucher überwiegt im vorliegenden Fall das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Antragstellerin, ihren Betrieb insoweit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung fortzuführen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Grundverfügung ist nach den vorstehenden Ausführungen im tenorierten Umfang gegeben, weil ernsthaft zu befürchten ist, dass sich die mit der Gewerbeuntersagung bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren wird und keine Umstände substantiiert dargetan wurden oder ersichtlich sind, die eine der Antragstellerin günstigere prognostische Bewertung zulassen würden. Insbesondere genügt allein der – von der Antragsgegnerin zu recht kritisch hinterfragte – Wechsel in der Person des Geschäftsführers nicht (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 15 ff.). Wie die von der Antragsgegnerin am … Juli 2021 durchgeführte Kontrolle zeigt, bewirkt weder der Wechsel in der Geschäftsführung noch das laufende Gerichtsverfahren bzw. der drohende Sofortvollzug der (erweiterten) Gewerbeuntersagung die Einhaltung sämtlicher lebensmittelrechtlicher Hygienevorschriften. Vielmehr wurden erneut Verunreinigungen in der Küche und weitere Mängel in verschiedenen Bereichen des Betriebs festgestellt.
Aus diesen Gründen tritt im genannten Umfang unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls auch der von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene regelmäßige Vorrang der gerichtlichen Überprüfung einer hoheitlichen Maßnahme vor ihrem Vollzug gegenüber den überwiegenden Allgemeinbelangen ausnahmsweise zurück.
Es fehlen jedoch tragfähige Feststellungen dafür, dass auch über den gewerblichen Umgang mit Lebensmitteln hinaus ein besonderes öffentliches Interesse besteht, schon in der Zeitspanne zwischen dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids und dessen Bestandskraft die Gewerbeausübung zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris Rn. 14 ff.; BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 21 f.). Nach letzter Information (vgl. u.a. S. 158 der Behördenakte) bestehen wohl keine Rückstände mehr bei Stadtkasse und Finanzamt und auch weitere Einträge im Schuldnerverzeichnis erfolgten nicht. Vielmehr scheinen die den bisherigen (und noch nicht gelöschten) Eintragungen zugrundliegenden Forderungen zwischenzeitlich beglichen worden zu sein. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist daher insoweit wiederherzustellen.
5. Gegen die der Antragstellerin eingeräumte Abwicklungsfrist von fünf Tagen (Nr. 3 des Bescheidstenors) bestehen schließlich ebenso wenig Bedenken wie – angesichts der zweifelhaften wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin – gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs (Nr. 4 des Bescheidstenors). Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, haben kraft gesetzlicher Vollziehungsanordnung keine aufschiebende Wirkung (Art. 21a Satz 1 VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Soweit im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt wurde, fehlt es bis auf Weiteres an einem vollziehbaren (Grund-)Verwaltungsakt, so dass insoweit schon von Gesetz wegen keine Vollstreckung möglich ist (vgl. Art. 19 VwZVG). Einer Anordnung der aufschiebenden Wirkungen bedurfte es in diesem Zusammenhang daher nicht.
Die Kostenentscheidung des Gerichts beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streit wertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 sowie Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Im Hauptsacheverfahren ist ein Streitwert von 20.000 Euro angemessen. Für das Eilverfahren wird der Streitwert auf 10.000 Euro halbiert (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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