Steuerrecht

Gewerbeuntersagung wegen fehlender Zuverlässigkeit

Aktenzeichen  22 ZB 16.2177

Datum:
5.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112482
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1 Auf die Zahlungswilligkeit eines Gewerbetreibenden kommt es für die Richtigkeit eines Urteils nicht an, wenn das Verwaltungsgericht die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit allein aus objektiven Umständen wie der mangelnden wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ableitet. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Unzuverlässigkeitsgrund der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung nach einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet, d.h. nach einem realistischen Plan, der eine Rückführung seiner Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit erwarten lässt. Tilgungen nach Erlass der Untersagungsverfügung sind hierfür unerheblich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Gewerbeuntersagung kann auf Betätigungen als Vertretungsberechtigter und als Leiter eines anderen Gewerbebetriebs erstreckt werden, wenn ein Gewerbetreibender auch für andere von § 35 Abs. 1 S. 2 GewO erfasste Betätigungen als das konkret ausgeübte Gewerbe unzuverlässig und ein Ausweichen auf derartige Betätigungen nicht auszuschließen ist (BVerwG BeckRS 2015, 48135). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 15.5795 2016-07-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger ist bei der Beklagten mit zwei in eigener Person ausgeübten Gewerben gemeldet. Außerdem fungiert er nach Aktenlage als alleiniger Geschäftsführer zweier in den Jahren 2005 bzw. 2006 in das Handelsregister eingetragener Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in ihren Firmen seinen Familiennamen führen.
Mit Schreiben vom 18. März 2015 beantragte das Finanzamt München bei der Beklagten, dem Kläger die Ausübung aller Gewerbe sowie Betätigungen als Vertretungsberechtigter und Betriebsleiter eines Gewerbebetriebs zu untersagen, da er gewerberechtlich unzuverlässig sei. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass der Kläger dem Freistaat Bayern Einkommensteuer aus den Jahren von 2011 bis 2014 sowie Umsatzsteuer aus den Jahren 2012 und 2013 – jeweils zuzüglich steuerlicher Nebenleistungen – in einer Gesamthöhe von 72.404,92 € schulde. Die Rückstände würden seit einem Jahr kontinuierlich ansteigen. Die letzte freiwillige Zahlung in Höhe von 288,83 € habe der Kläger am 27. November 2013 geleistet. Forderungspfändungen seinen erfolglos verlaufen. Steuererklärungen und Steuervoranmeldungen habe er nicht oder erst nach mehreren Mahnungen eingereicht.
Nach den Feststellungen der Beklagten standen am 30. Juni 2015 die Einkommen- und Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2012 bis 2014 sowie die Umsatzsteuervoranmeldung für das 4. Quartal 2013 aus; die steuerlichen Verbindlichkeiten des Klägers hätten sich bis zu jenem Tag auf 69.767,10 € verringert. Die Beklagte ließ das von ihr gegen den Kläger eingeleitete Gewerbeuntersagungsverfahren bis zum 21. September 2015 ruhen, um ihm Gelegenheit zu geben, seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen, und gab ihm auf, bis zu dem letztgenannten Tag Nachweise über die Begleichung der Steuerrückstände beizubringen bzw. eine mit dem Finanzamt geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung vorzulegen.
Bis zum 19. November 2015 stiegen die Steuerrückstände des Klägers nach den der Beklagten erteilten Auskünften des Finanzamtes auf 98.699,37 € an. Die am 27. November 2013 entrichteten 288,83 € stellten auch am 19. November 2015 nach Aktenlage die letzte freiwillige Zahlung des Klägers dar; ein am 14. Oktober 2015 unternommener Vollstreckungsversuch verlief nach Darstellung des Finanzamts fruchtlos. Ein vom Kläger zuletzt am 15. Oktober 2015 gestellter Antrag auf Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit sei abgelehnt worden, da der Kläger keine Unterlagen eingereicht habe. Die Einkommensteuererklärung für 2012 habe er am 11. September 2015 verspätet abgegeben. Hinsichtlich des Jahres 2013 stünden die Einkommen-, die Umsatz- und die Gewerbesteuererklärung, hinsichtlich des Jahres 2012 die beiden letztgenannten Jahressteuererklärungen aus. Am 6. Oktober 2015 habe das Finanzamt dem Kläger angedroht, die Einkommensteuerschuld des Jahres 2014 wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung für jenes Jahr zu schätzen.
Durch Bescheid vom 23. November 2015 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung der beiden von ihm in eigener Person betriebenen Gewerbe, ferner jede selbstständige gewerbliche Tätigkeit im stehenden Gewerbe sowie Betätigungen als Vertretungsberechtigter und Betriebsleiter eines Gewerbetreibenden. Begründet wurden diese Entscheidungen damit, dass der Kläger seinen steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten seit Jahren nicht ordnungsgemäß nachkomme, er sich in ungeordneten Vermögensverhältnissen befinde und er wirtschaftlich leistungsunfähig sei. Die auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Aussprüche seien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen worden, da sich die Unzuverlässigkeit des Klägers auf alle anderen Gewerbe sowie auf Betriebsleiter- und Vertretungsfunktionen erstrecke und Anhaltspunkte dafür fehlten, dass er nicht auf eine andere gewerbliche Tätigkeit ausweichen könnte.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 19. Juli 2016 als unbegründet ab.
Der Kläger beantragt, gestützt auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO,
hiergegen die Berufung zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang der Beklagten verwiesen.
II. Über den Antrag auf Zulassung der Berufung konnte ohne Anhörung der Beklagten entschieden werden, da sich aus der Antragsbegründung vom 23. November 2016 (vgl. zu ihrer Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen der vom Kläger in Anspruch genommenen Zulassungsgründe vorliegen.
1. Der Kläger versucht, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO daraus herzuleiten, dass das Verwaltungsgericht die Maßstäbe offen gelassen habe, anhand derer es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei gewerberechtlich unzuverlässig.
Diese Behauptung trifft in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Eingangs des letzten Absatzes auf Seite 11 des angefochtenen Urteils hat das Verwaltungsgericht vielmehr ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien Steuerrückstände dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer er seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, sei von Bedeutung. Dies entspricht (nahezu) wörtlich den Merkmalen, auf die das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Spruchpraxis abstellt, um die Erheblichkeit steuerlicher Rückstände im Rahmen des § 35 Abs. 1 GewO zu beurteilen (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 29.1.1988 – 1 B 164.87 – NVwZ 1988, 432; B. v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 57; B. v. 11.12.1996 – 1 B 250.96 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 65; B. v. 5.3.1997 – 1 B 56.97 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 66; B. v. 9.4.1997 – 1 B 81.97 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 67).
Ernstliche Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht eine zutreffende Subsumtion unter diese Kriterien vorgenommen hat, werden durch Antragsbegründung gleichfalls nicht aufgezeigt. Berücksichtigt man, dass das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 29. Januar 1988 (1 B 164.87 – NVwZ 1988, 432) festgehalten hat, es sei nicht zweifelhaft, dass Steuerrückstände in Höhe von ca. 50.500 DM ausreichen könnten, um den Befund der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit zu rechtfertigen, so hätte es näherer Darlegungen in der Antragsbegründung dazu bedurft, warum Steuerschulden im Umfang von knapp 100.000 Euro (d. h. in ungefähr vierfacher Höhe), wie sie kurz vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (nämlich dem Erlass der letzten der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens vorangegangenen Verwaltungsentscheidung; ständige Rechtsprechung seit BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/2 f.) bestanden, im konkreten Fall weder ihrem absoluten Betrag nach noch in Relation zur Größe des Gewerbebetriebs des Klägers als „erheblich“ anzusehen sein sollen; hierzu verhält sich die Antragsbegründung indes nicht. Ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten ist der Kläger der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass er bereits „seit längerer Zeit“ mit erheblichen Steuerbeträgen in Rückstand war (vgl. den einleitenden Satz des zweiten Absatzes auf Seite 11 des angefochtenen Urteils).
2. Unbehelflich ist das Vorbringen in der Antragsbegründung, mit dem der Kläger seine Zahlungswilligkeit aufzuzeigen versucht. Denn das Verwaltungsgericht hat ihm eine dahingehende subjektive Bereitschaft nicht abgesprochen, sondern sich zur Herleitung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausschließlich auf objektive Umstände – nämlich die Tatsache seiner erheblichen Zahlungsrückstände beim Finanzamt, die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten sowie seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit – gestützt (vgl. den zweiten Satz des ersten Absatzes auf Seite 11 des angefochtenen Urteils). Soweit der Begriff der Zahlungswilligkeit am Ende des ersten vollständigen Absatzes auf Seite 16 dieser Entscheidung aufscheint, erklärt sich dies daraus, dass das Verwaltungsgericht insoweit wörtlich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 1982 (1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/4) zitiert hat, in dem ausgeführt wurde, trotz eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit sei ein Gewerbetreibender dann nicht unzuverlässig, wenn er zahlungswillig sei und er nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeite. In der sich an dieses Zitat anschließenden Subsumtion hat das Verwaltungsgericht ausschließlich darauf abgestellt, dass der Kläger bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt über kein tragfähiges Sanierungskonzept verfügte; fehlende Zahlungswilligkeit wurde ihm auch insoweit nicht unterstellt.
Ohne Belang ist in vorliegendem Zusammenhang der Umstand, dass dem Kläger im fünften und sechsten Absatz auf Seite 7 des Bescheids vom 23. November 2015 mangelnder Leistungswille entgegengehalten wurde. Denn um dem Kläger einen Anspruch auf Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu verschaffen, wäre es erforderlich, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils als solchem (Ergebnisrichtigkeit) dargetan werden.
3. Die in der Begründung des Zulassungsantrags wiederholt aufgestellte Behauptung, der Kläger habe am 23. bzw. am 25. November 2015 (dem Tag der Bekanntgabe des Untersagungsbescheids) an einem Sanierungskonzept gearbeitet bzw. über ein solches Konzept sogar schon verfügt, ist weder geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Gerichtsentscheidung noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Streitsache aufzuzeigen. Denn der Unzuverlässigkeitsgrund der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit (er ergibt sich hier aus der Tatsache, dass der Kläger trotz der von ihm bekundeten Leistungswilligkeit bis zum Erlass der Untersagungsverfügung nicht in der Lage war, die bestehenden Steuerschulden im Fälligkeitszeitpunkt zu begleichen, und Vollstreckungsversuche in sein Vermögen wiederholt erfolglos verliefen) entfällt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 1982 (1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/4) und nach dem Urteil desselben Gerichts vom 15. April 2015 (8 C 6.14 – Rn. 14) nur dann, wenn der Gewerbetreibende im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt „nach“ (nicht „an“) einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (d. h. er einen realistischen Plan, der eine Wegfertigung seiner Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, tatsächlich und konsequent verwirklicht). Allein dann nämlich, wenn die letztgenannten Voraussetzungen nach außen hin erkennbar hervortreten, kann trotz eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit eine günstige Prognose über sein künftiges gewerbliches Verhalten angestellt werden. Sollte es zutreffen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Bekanntgabe der Untersagungsverfügung tatsächlich „an“ einem Sanierungskonzept „gearbeitet“ oder er sogar über ein solches Konzept verfügt hat (den Widerspruch, der zwischen den beiden in dieser Erklärung enthaltenen Einzelaussagen besteht, hat der Kläger in der Antragsbegründung nicht ausgeräumt, obgleich insoweit eine Gegebenheit aus seinem eigenen Lebenskreis inmitten steht), so würde dies zur Entkräftung des Unzuverlässigkeitsvorwurfs deshalb nicht ausreichen, weil der Kläger weder in der Antragsbegründung aufgezeigt hat noch sich aus den Akten Anhaltspunkte irgendwelcher Art dafür ergeben, dass er bereits damals ein Verhalten praktiziert hat, das eine alsbaldige Wegfertigung der aufgelaufenen Rückstände als sehr naheliegend erscheinen ließ. Der signifikante Anstieg der Steuerschulden bis zum 19. November 2015 und die Zahl der bis dahin nach wie vor ausstehenden Steuererklärungen belegten trotz des temporären geringfügigen Rückgangs der Schuldenhöhe im Laufe des Jahres 2015 vielmehr eine gegenteilige Entwicklung.
Als einziges Indiz für das Bestehen und die Umsetzung eines Sanierungskonzepts bereits in zeitlicher Nähe zum Erlass bzw. zur Bekanntgabe des Untersagungsbescheids benennt die Begründung des Zulassungsantrags die am 23. November 2015 behauptetermaßen erfolgte Überweisung eines Betrages von 3.000,00 € an das Finanzamt; alle anderen im Schriftsatz der Klagebevollmächtigten vom 23. November 2016 erwähnten, die Steuerschulden betreffenden Tilgungsleistungen datieren aus der Zeit nach der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Verwaltungsakts, so dass sie zur Entkräftung des Unzuverlässigkeitsvorwurfs nicht herangezogen werden können. Durch eine am 23. November 2015 erfolgte Zahlung würde auch dann nicht aufgezeigt, dass der Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach einem Konzept vorging, das mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Rückführung seiner Steuerschulden innerhalb überschaubarer Zeit erwarten ließ, wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Tatsache dieser Zahlung durch die Anlage 3 zur Antragsbegründung ausreichend belegt wird (der insoweit vorgelegte Ausdruck dokumentiert die unter Angabe der Steuernummer des Klägers erfolgte Überweisung eines Betrages von 3.027,00 € auf ein Konto, dessen Nummer mit keiner der Kontonummern übereinstimmt, die auf den in den Akten befindlichen Schreiben als Bankverbindungen des Finanzamtes München oder der zugehörigen Finanzkasse genannt werden). Denn eine einzige freiwillige Zahlung in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Erlass einer Gewerbeuntersagung belegt als solche weder die Existenz eines erfolgversprechenden Sanierungskonzepts noch begründet sie die Erwartung, der betroffene Gewerbetreibende werde künftig dauerhaft in Übereinstimmung mit einem solchen Plan vorgehen.
Kommt es aber darauf, ob der Kläger am 23. November 2015 eine Zahlung in Höhe von 3.000,00 € leistete und ob er damals „an einem Sanierungskonzept arbeitete oder dieses Sanierungskonzept bereits vorlag“, nach alledem nicht entscheidungserheblich an, so bedarf es entgegen dem Vorbringen auf Seite 12 der Begründung des Zulassungsantrags keiner Ermittlungen darüber, ob diese Behauptungen zutreffen. Diese Umstände sind deshalb auch nicht geeignet, besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Streitsache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzutun.
4. Ebenfalls ungeeignet, die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen, ist der Hinweis des Klägers darauf, dass am 17. August 2015 ein Urteil des Oberlandesgerichts München ergangen sei, das ihm eine Forderung in Höhe von 34.512,23 € nebst Zinsen zugesprochen habe, wobei die Schuldnerin ihrer Zahlungspflicht jedoch erst im Februar 2016 in Höhe von 20.000,00 € und sodann bis Juli 2016 in monatlichen Raten à 3.000,00 € nachgekommen sei. Dieser Umstand erklärt in gewissem Umfang zwar, warum der Kläger bis zum Erlass der Gewerbeuntersagung seine Steuerschulden zumindest weithin nicht bedient hat, vermag an der Tatsache, dass er im November 2015 gewerberechtlich unzuverlässig war, indes nichts zu ändern. Denn der Eintritt dieser Rechtsfolge hängt nicht davon ab, ob der Gewerbetreibende unverschuldet (z. B. deshalb, weil ein Teil seiner Geschäftspartner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht termingerecht nachgekommen ist) wirtschaftlich leistungsunfähig geworden ist. Es genügt vielmehr der objektive Eintritt einer solchen Gegebenheit in Verbindung mit der Tatsache, dass über den Betroffenen im Zeitpunkt der auf § 35 Abs. 1 GewO gestützten Untersagungsverfügung keine positive Prognose angestellt werden kann. Da ungewiss war, ob – und bejahendenfalls wann und in welcher Höhe – die vom Oberlandesgericht zur Zahlung verurteilte Schuldnerin den Anspruch des Klägers erfüllen würde, vermag die bloße Tatsache, dass das zusprechende Urteil vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt erlassen wurde, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen.
5. Erst recht unbehelflich ist aus den vorstehend aufgezeigten Gründen der in der Antragsbegründung enthaltene Hinweis darauf, dass sich der Kläger eines Anspruchs aus einem Unternehmensverkauf in Höhe von 85.000,83 € berühmt, den er bislang vergeblich auf dem Klagewege durchzusetzen versucht habe. Angesichts der fehlenden Entscheidungserheblichkeit dieser Frage besteht entgegen der auf Seite 12 der Antragsbegründung aufgestellten Behauptung kein Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Richtigkeit des Vorbringens, der Kläger habe auf den Eingang des Kaufpreises aus diesem Rechtsgeschäft vertraut, so dass sich auch aus diesem Gesichtspunkt keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO herleiten lassen.
6. Nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen, ist ferner das Vorbringen in der Antragsbegründung, das sich mit der Abgabe von Steuererklärungen durch den Kläger befasst. Denn er räumt selbst ein, die Jahressteuererklärungen 2013 sowie die Gewerbe- und die Umsatzsteuererklärung 2012 einschließlich der Bilanzen für diese beiden Jahre erst am 1. Februar 2016 bzw. am 29. Januar 2016 – d. h. nach dem Erlass des Untersagungsbescheids – beim Finanzamt eingereicht zu haben. Da Jahressteuererklärungen gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 AO bis zum 31. Mai des Jahres einzureichen sind, das dem Jahr folgt, auf das sich die Steuererklärung bezieht, und der Kläger nicht geltend gemacht hat, dass ihm für die Abgabe dieser Steuererklärungen Fristverlängerungen bewilligt wurden, bestätigt sein Vorbringen, dass ihm insoweit Verletzungen der Steuererklärungspflicht zur Last fallen.
Als unter dem Blickwinkel des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unbehelflich erweist sich ferner der in der Antragsbegründung enthaltene Hinweis darauf, dass der Kläger die Steuererklärungen für 2011 lange vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eingereicht habe, und dass am 28. April 2015 der jenes Jahr betreffende Einkommensteuerbescheid ergangen sei. Denn das Verwaltungsgericht hat aus dem Verhalten des Klägers, das die Abgabe von Steuererklärungen für 2011 betrifft, keine ihm nachteiligen Folgerungen gezogen. Eingangs des ersten vollständigen Absatzes auf Seite 15 des Urteils vom 19. Juli 2016 hat es vielmehr darauf hingewiesen, dass die Nichtabgabe der Steuererklärungen „ab dem Jahr 2012“ durch ihn nicht mit behaupteten Versäumnissen des Finanzamtes gerechtfertigt werden könne.
Die Ergebnisrichtigkeit dieses Urteils (allein hiervon hängt das Bestehen eines Zulassungsanspruchs nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ab; vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 sowie Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 124 Rn. 7a mit umfangreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung in der Fußnote 15) wird auch nicht durch das Vorbringen in der Antragsbegründung in Frage gestellt, demzufolge der Kläger die Einkommensteuererklärung 2012 am 11. September 2015 abgegeben hat und ihm für die Abgabe der Jahressteuererklärungen 2014 Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2016 bewilligt worden sei. Beide Behauptungen wurden im Schriftsatz vom 23. November 2016 zwar in keiner Weise belegt; ihre Richtigkeit ergibt sich jedoch aus den als Blatt 142 bzw. Blatt 193 in der Akte der Beklagten enthaltenen Vermerken, in denen die Ergebnisse fernmündlicher Rückfragen der Beklagten beim Finanzamt München festgehalten wurden.
Hinsichtlich der Jahressteuererklärungen 2014 fehlt es damit an einem Pflichtenverstoß des Klägers; in Ansehung der Einkommensteuererklärung 2012 beschränkt sich sein Fehlverhalten auf die – allerdings gravierende – Überschreitung der gesetzlichen Abgabefrist nach § 149 Abs. 2 Satz 1 AO. Angesichts der Vielzahl und der Schwere der vom Kläger im Übrigen verwirklichten Unzuverlässigkeitstatbestände vermag der Umstand, dass er die Einkommensteuererklärung 2012 vor dem Erlass der Untersagungsverfügung – wenn auch mit mehrjähriger Verspätung – tatsächlich eingereicht hat, und dass er mit der Vorlage der Jahressteuererklärungen 2014 bis über diesen Zeitpunkt hinaus zuwarten durfte, an der sachlichen Rechtfertigung des Bescheids vom 23. November 2015 und des diese behördliche Maßnahme bestätigenden Urteils vom 19. Juli 2016 nichts zu ändern. Nur ergänzend ist deshalb festzuhalten, dass beide Gegebenheiten durch das Verwaltungsgericht nachweislich zur Kenntnis genommen wurden (vgl. die auf Seite 3 unten des Urteilsabdrucks erwähnte Einreichung der Einkommensteuererklärung 2012 am 11.9.2015 und die dort auf Seite 6 Mitte erfolgte Wiedergabe des Hinweises des Klägers auf die ihm für die Abgabe der Jahressteuererklärungen 2014 bewilligte Fristverlängerung), und dass die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht einmal entfernte Anhaltspunkte dafür enthalten, dass der Befund der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers explizit auf einen dieser beiden Sachverhalte gestützt wurde.
7. Weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Streitsache resultieren schließlich aus der Behauptung, die beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer der Kläger ist, hätten ihre steuerrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten seit ihrer Gründung erfüllt; dieser Umstand widerlege die über den Kläger angestellte Prognose insofern, als von seiner gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit ausgegangen worden sei, stelle sie aber zumindest nachdrücklich in Frage. Auch sei die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf die Gesellschaften, deren Geschäftsführer der Kläger ist, unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, zumal Ermittlungen hinsichtlich des steuerlichen Erklärungs- und Zahlungsverhaltens des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer dieser beiden Gesellschaften unterblieben seien.
Ein Zulassungsgrund wird durch dieses Vorbringen – wie vorab anzumerken ist – von vornherein insoweit nicht dargetan, als die Beklagte die auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützte Untersagung der vom Kläger tatsächlich ausgeübten Gewerbe gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auf jedwede sonstige gewerbliche Betätigung des Klägers in eigener Person erstreckt hat. Aber auch soweit die Antragsbegründung damit die Erweiterung des Untersagungsausspruchs auf Betätigungen des Klägers als Vertretungsberechtigter und als Leiter eines anderen Gewerbebetriebs bekämpft, erweist sie sich als nicht durchgreifend. Derartige Regelungen können nämlich dann rechtsfehlerfrei getroffen werden, wenn ein Gewerbetreibender zum einen auch für andere von § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erfasste Betätigungen als das konkret ausgeübte Gewerbe unzuverlässig ist, und wenn zum anderen ein Ausweichen auf derartige Betätigungen nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – BVerwGE 65, 9/10 f.; ebenso BVerwG, U. v. 15.4.2015 -8 C 614 – Rn. 17 f.). Die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erforderliche Ermessensausübung hat sich ihrerseits am Grad der Wahrscheinlichkeit zu orientieren, mit der mit einer solchen anderweitigen Betätigung zu rechnen ist (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – BVerwGE 65, 9/12).
Das zweitgenannte „objektive“ Erfordernis für die Rechtmäßigkeit eines auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausspruchs stellt die Antragsbegründung zu Recht nicht in Frage. Denn beim Kläger kann das Ausweichen auf eine Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines anderen Gewerbetreibenden nicht nur nicht ausgeschlossen werden; in Gestalt der von ihm wahrgenommenen Geschäftsführerfunktionen findet eine solche anderweitige Betätigung vielmehr bereits statt. Ist aber die Betätigung als Vertretungsberechtigter eines anderen Gewerbetreibenden im Fall des Klägers nicht nur wahrscheinlich, sondern bereits Gewissheit, so begegnet die Ermessensgemäßheit der Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf derartige Funktionen nach dem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 1982 (1 C 17.79 – BVerwGE 65, 9/12) aufgestellten Grundsatz keinen Bedenken.
Nicht dargetan werden die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO in der Antragsbegründung aber auch hinsichtlich der Frage, ob der Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im Hinblick auf seine Betätigung als Geschäftsführer der von ihm geleiteten Gesellschaften mit beschränkter Haftung (und als Vertretungsberechtigter eines jeden anderen Gewerbetreibenden) als unzuverlässig angesehen werden musste. Die korrekte Erfüllung der Steuererklärungs- und der Steuerentrichtungspflicht erwartet die Rechtsordnung nämlich nicht nur von jedem Gewerbetreibenden, sondern auch von jedem Vertretungsberechtigten eines Gewerbetreibenden sowie zumindest von solchen (faktischen) Betriebsleitern, deren Aufgabenbereich sich auf die kaufmännischen und rechtlichen Angelegenheiten eines Unternehmens erstreckt. Gleiches gilt für die Verpflichtung, eine gewerbliche Betätigung dann einzustellen, wenn das Unternehmen die betrieblich begründeten Verbindlichkeiten nicht nur vorübergehend nicht mehr vollständig und termingerecht zu bedienen vermag (d. h. wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit eingetreten ist). Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, die aus Verletzungen einer der vorerwähnten Pflichten resultiert, disqualifiziert eine Person deshalb grundsätzlich für alle in § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erwähnten Tätigkeiten (sog. gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit).
Dies würde auch dann gelten, wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der beiden von ihm geleiteten Gesellschaften mit beschränkter Haftung bisher nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist, wie die Antragsbegründung das behauptet. Denn der Zweck des Instituts der Gewerbeuntersagung ist es gerade, künftige Störungen des Wirtschaftslebens sowie Beeinträchtigungen anderer Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung präventiv zu verhindern, die sich aus gewerblichen Betätigungen sowie der Wahrnehmung von Vertretungs- und (sonstigen) Leitungsfunktionen durch unzuverlässige Personen ergeben können. Da sich die Bereitschaft einer Person, einen Gewerbebetrieb auch nach eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit weiterzuführen, erst dann manifestieren kann, wenn ein von ihr geleitetes Unternehmen in eine derartige Lage geraten ist, folgt aus dem Umstand, dass bei ihr ein derartiges Fehlverhalten noch nicht zutage getreten ist, nicht ohne Weiteres, dass sie in einer einschlägigen Konfliktsituation zu derartigem Tun nicht geneigt sein könnte; hat sie aus Anlass einer anderen gewerblichen Betätigung nachweislich einen solchen Rechtsverstoß begangen, spricht hierfür so lange eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, als sich bei ihr kein durchgreifender, den Anforderungen des § 35 Abs. 6 GewO genügender Einstellungs- und Verhaltenswandel nachweisen lässt oder zumindest substantiiert vorgetragen und entsprechend belegt ist, dass der Gewerbetreibende das an den in einem der mehreren Gewerbe an den Tag gelegte Fehlverhalten in den anderen Gewerben gerade nicht gezeigt hat, vielmehr sich dort nachweislich tadellos bestätigt hat. Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen. Ähnliches gilt für steuerliches Fehlverhalten, soweit es nicht auf wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit beruht. Auch insofern fehlt es an Anhaltspunkten für einen derartigen Einstellungs- und Verhaltenswandel bzw. an entsprechenden Darlegungen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Wegen der Streitwerthöhe wird auf die zutreffende Begründung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts verwiesen.


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