Steuerrecht

Gewerbeuntersagung wegen Steuerrückständen rechtmäßig

Aktenzeichen  RO 5 K 17.371

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23458
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 4
AO § 149
UStG § 18

 

Leitsatz

Vorliegend rechtfertigen sowohl 6 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis als auch Steuerrückstände in Höhe von 32.743,48 € und von 13.828,32 € Gewerbesteuerrückständen die Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 GewO. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Verwaltungsakt rechtmäßig ist und damit den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Untersagung der Ausübung des Gewerbes „Einzelhandel mit Möbel, Verkauf von Möbel aller Art“ in Ziffer I ist rechtmäßig. Die Beklagte konnte nach § 35 Abs. 1 GewO die Ausübung des Gewerbes untersagen, da die hier vorliegenden Tatsachen, namentlich die Rückstände sowie die Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis ausreichende Gründe sind, um die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit darzutun und die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich ist.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist nach ständiger Rechtsprechung und Literatur, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, U.v. 19.03.1970 – I C 6.69 – DVBl. 1971, 277; Pielow, Gewerbeordnung 2013, § 35 Rn. 19). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten. Erforderlich ist weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs, noch ein Charaktermangel. Die Unzuverlässigkeit muss sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen ergeben. Die bereits geschehenen Tatsachen hat die Behörde daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen, d.h. ob sie die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit erfordert kein Verschulden des Gewerbetreibenden (BVerwGE 24, 38). Es kommt auch nicht darauf an, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit knüpft daher weniger an die Vermögenslosigkeit als solche an, sondern an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise (Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 63).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung ist immer der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155/90 – juris Rn. 4), hier der 06.02.2017. Ein späterer Entfall der Untersagungsvoraussetzungen berührt die Rechtmäßigkeit einer ausgesprochenen Untersagungsverfügung nicht, weil Wohlverhalten nach Bescheidserlass nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden kann. Schon hieraus wird klar, dass die späteren Überweisungen vom 06.03.2017 den Bescheid nicht rechtswidrig werden lassen. Umso mehr wird dies dadurch gestützt, dass ein Dritter (F… GmbH) diese Überweisungen getätigt hat, sodass hierin auch noch kein erster Ansatz in Richtung eines sanierten Gewerbes, aus dem heraus die Verbindlichkeiten über die Zeit beglichen werden können, gesehen werden kann.
a. Im Schuldnerverzeichnis war der Kläger bei Bescheidserlass mit 6 Einträgen verzeichnet. Zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis ist es wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft (§ 882c Nr. 1 ZPO) gekommen. Gemäß § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft nur dann verpflichtet, wenn er die zu vollstreckende Geldforderung nicht innerhalb von zwei Wochen nach Fristsetzung durch den Gerichtsvollzieher beglichen hat. Sollte der Schuldner es allerdings so weit kommen lassen, so wird daraus seine Zahlungsunwilligkeit deutlich.
Diese Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zeigen, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. dazu BayVGH vom 23.8.2015, Az. 22 ZB 15.1271 Rn. 12 und auch BayVGH vom 28.8.2013, Az. 22 ZB 13.1419 Rn. 19) und schon allein aus diesem Grund mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorliegt.
b. Daneben rechtfertigen allein die hier zum Zeitpunkt des Bescheidserlass aufgelaufenen Steuerrückstände in Höhe von 32.743,48 € beim Finanzamt und von 13.828,32 € Gewerbesteuerrückständen bei der Stadt X… die Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 GewO.
Es ist allgemein anerkannte Meinung und ständige Rechtsprechung, dass Steuerschulden geeignet sind, auf die Unzuverlässigkeit zu schließen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Staat und Gemeinden sind auf den fristgerechten Eingang der von ihnen erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren ständig zunehmenden Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Wenn ein Gewerbetreibender sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat und der Gemeinde entzieht, so schädigt er nicht nur die Allgemeinheit, sondern versucht damit zugleich, sich in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten in redlicher Weise erfüllen. Von einem Gewerbetreibenden, der mit derart unlauteren Mitteln unter Missachtung der Belange der Allgemeinheit und seiner Mitbewerber nur seine eigenen ge-schäftlichen Interessen verfolgt, kann nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führen wird (BVerwG, B.v. 17.01.1964 – VII B 159/63).
Eine Norm über die Höhe der für eine Gewerbeuntersagung relevanten Steuerrückstände lässt sich von Gesetzes wegen nicht aufstellen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, sind Steuerrückstände nur dann geeignet einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (BVerwG, B.v. 29.01.1988 – 1 B 164/87 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 19.01.1994 – 1 B 5/94 – juris Rn. 6). Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B.v. 09.04.1997 – 1 B 81/97 – juris Rn. 4). Trotzdem wird in der Literatur eine Grenze bei 5.000 € gezogen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 52; so auch der Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 17.12.2004, Az. IV A 4 – S. 0130 – 113/04, BStBl. I S. 117). Irrelevant dabei ist, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, B.v. 01.02.1994 – 1 B 9/94 – juris Rn. 3; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51).
Bei den hier vorliegenden Rückständen i.H.v. über 46.000 € gegenüber dem Finanzamt ist die Grenze von 5.000 € sehr deutlich überschritten. Hinzu kommt, dass schon seit Anfang 2013 die Thematik der Gewerbeuntersagung im Raum stand, aber allenfalls zeitweise Reduzierungen, nicht jedoch ein Konzept erreicht wurde, mit dem andauernd die laufenden Verbindlichkeiten beglichen oder durch gesicherte Abgabe von Steuererklärungen ggf. niedriger gehalten und Schätzungen vermieden werden. Für den Willen oder die Fähigkeit, fällige Steuerschulden freiwillig zu tilgen, bestehen keine Anhaltspunkte, vielmehr musste deren Erlangung stets auf dem Vollstreckungswege erreicht werden. Die angekündigte Tilgung durch Erlös aus einem Räumungsverkauf wurde zudem offenbar nicht erfüllt, vielmehr führten Überweisungen von dritter Seite zu einer Reduktion nach Bescheidserlass.
Die Vorlage von fehlenden Steuererklärungen war zunächst bis Ende Juni 2017 angekündigt, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 22.03.2018 nach der Einlassung des Klägervertreters aber offenbar nach wie vor nicht erfolgt. Hinzu kommt somit, dass der Kläger seine Mitwirkungspflichten (§ 149 AO, § 18 UStG) über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erfüllte und Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden mussten (§ 162 AO). Von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden ist zu erwarten, dass er seinen Mitwirkungspflichten ordnungs- und fristgemäß nachkommt. Dies gilt umso mehr, als offenbar Aussicht auf eine Erstattung zu seinen Gunsten besteht und er durch ordnungsgemäße Mitwirkung zu hoch angesetzte Schätzungen für mehrere Steuerjahre hätte verhindern können.
c. Da bereits die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis als auch die Steuerschulden für sich genügen, die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen, kommt es auf die weiteren Schulden nicht mehr an.
Somit ist der Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen. Die Unzuverlässigkeit ist offenkundig gewerbebezogen, es drohen der Allgemeinheit durch die wiederholt aussichtslose Gläubigerbefriedigung Gefahren für Gläubigervermögen und durch die Nichtzahlung von Steuerschulden wird öffentlichen Kassen ein Nachteil zugefügt. Zudem ist kein milderes, genauso effektives Mittel wie eine Gewerbeuntersagung ersichtlich.
d. Da die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit ein Umstand ist, der jeglicher Gewerbeausübung entgegensteht, konnte nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO eine erweiterte Gewerbeuntersagung ausgesprochen werden (vgl. OVG Münster, B.v. 23.11.2009 – 4 A 3724/06). Die Verletzung steuerlicher Pflichten und die allgemeine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit führen zu einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9/11) und die Wahrscheinlichkeit anderweitiger Gewerbeausübung folgt aus dem Umstand, dass der Kläger an seiner gewerblichen Tätigkeit trotz Unzuverlässigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen (BayVGH, B.v. 28.08.2013 – 22 ZB 13.1419). Ermessensfehler, die nach § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht hätten beanstandet werden können, sind nicht ersichtlich. Im Hinblick darauf, dass die Steuerrückstände lange bestanden und deren Rückführung nicht erkennbar planvoll angestrebt wurde, ergeben sich auch keine Zeichen für eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme.
2. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlagen hierfür sind die Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 31 und 36 VwZVG. Gegen die Höhe der angedrohten Zwangsgelder bestehen aus Sicht der entscheidenden Kammer keine Bedenken. Im Übrigen hat auch der Kläger insoweit nichts vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung im angegriffenen Bescheid begegnet keinen rechtlichen Bedenken und basiert auf den Art. 1, 2, 5 und 6 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses. Der Kostenrahmen für die Gewerbeuntersagung beträgt danach 50,- € bis 2.000,- €. Die von der Beklagten angesetzte Gebühr in Höhe von 250,- € bewegt sich im unteren Bereich dieses Kostenrahmens.
4. Da die Klage erfolglos war, war sie abzuweisen und es waren gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem unterlegenen Kläger die Kosten aufzuerlegen.
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.


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