Steuerrecht

Gewerbeuntersagung wegen Steuerrückständen

Aktenzeichen  RN 5 K 19.2084

Datum:
27.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3505
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Steuerrückstände sind nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich nicht angeben; Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung in Ziffer II ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist abzuweisen. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 30.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Die Gewerbeuntersagung in Ziffer 1 des Bescheides ist rechtmäßig, sie erfüllt die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO.
a) Das Landratsamt … ist gem. § 155 Abs. 2 GewO, § 37 ZustV i.V.m. § 35 Abs. 7 GewO für den Erlass der Gewerbeuntersagung zuständig. Die Klägerin wurde gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört.
Die IHK Niederbayern wurde gem. § 35 Abs. 4 GewO zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung angehört. Dabei wäre – selbst wenn die Anhörung nicht den Anforderungen des § 35 Abs. 4 GewO genügen würde – dies nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Die Anhörung konnte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflussen. Die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit der Klägerin dartun, sind so gravierend, dass das Landratsamt nicht aufgrund einer von der IHK günstigen Darstellung von dem Erlass einer Gewerbeuntersagung hätte absehen können (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, 82. EL Oktober 2019, GewO § 35 Rn. 170 m.w.N.). Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Bescheidserlasses erhebliche Steuerrückstände und kam ihren sonstigen steuerlichen Pflichten nicht nach. b) Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die Klägerin ist unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO, die Untersagung ihres Gewerbes ist zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
Gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist das Gewerbe zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden mit Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
aa) Es liegen mit den erheblichen Steuerrückständen in Höhe von etwa 34.000 EUR und den nicht abgegebenen Steuererklärungen im Zeitpunkt des Bescheidserlasses Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit der Klägerin in Bezug auf das von ihr ausgeübte Gewerbe belegen.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (etwa BVerwG, Urteil vom 19.03.1970 – I C 6/69, VerwRspr 1971, 223, 224; Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 52.78, juris, Rn. 17; Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 5; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29). Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29).
Die Unzuverlässigkeit muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO aus Tatsachen ergeben. Diese in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen sind von der Behörde danach zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft schließen lassen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 31). Zukünftige Verstöße müssen demnach wahrscheinlich sein (BVerwG, Urteil vom 16.9.1975 – I C 44/74, NJW 1976, 986, 988; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 32). Diese Tatsachen müssen dabei nicht unmittelbar im Gewerbebetrieb entstanden sein, sie müssen sich allerdings auf das Gewerbe beziehen und die Unzuverlässigkeit jedenfalls im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 33).
Die Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden in Form eines moralischen oder ethischen Vorwurfes noch einen Charaktermangel voraus (BVerwG, Urteil vom 29.03.1966 – I C 62.65, juris, Rn. 7; Urteil vom 05.08.1965 – I C 69.62, juris, Rn. 37; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30). Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens, unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu untersagen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 16; Beschluss vom 23.11.1990 – 1 B 155/90, juris, Ls. 1; Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 21). Entfallen die Untersagungsvoraussetzungen danach, wird die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht berührt. Wohlverhalten nach Bescheidserlass kann nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, Rn. 7). Der Bescheid des Landratsamtes … wurde mit der Bekanntgabe gegenüber der Klägerin am 04.12.2018 erlassen.
(1) Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergibt sich hier zum einen aus ihren Steuerschulden in Höhe von etwa 34.000 EUR im Zeitpunkt des Bescheidserlasses.
Das Fehlen von Geldmitteln kann die ordnungsgemäße Führung des Betriebes im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindern. Von dem Gewerbetreibenden muss im Interesse eines redlichen und ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund fällt nur dann weg, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und – trotz seiner Schulden – nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 15; BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO § 35 Rn. 23a). Dabei kommt es nicht darauf an, welche Ursachen zu der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft im Wesentlichen an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise an (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146/80, juris, Rn. 15).
Steuerschulden sind Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Damit Staat und Gemeinden ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können, sind sie auf den pünktlichen Eingang der von ihnen erhobenen Steuern angewiesen. Ein Gewerbetreibender, der sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entzieht, versucht damit, sich im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten erfüllen. Es kann daher von dem Gewerbetreibenden nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führt (BVerwG, Beschluss vom 17.01.1964 – VII B 159/63, VerwRspr 1964, 983, 984 f.).
Steuerrückstände sind nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch der Zeitraum, während dessen der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1988 – 1 B 164/87, juris Rn. 3; Beschluss vom 19.01.1994 – 1 B 5/94, juris, Rn. 6).
Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris Rn. 4). Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 52b; vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen vom 14.12.2010, IV A 3-S 0130/10/10019, BStBl I 2010, 1430).
Die Klägerin hatte damit im Zeitpunkt des Bescheidserlasses Steuerrückstände von insgesamt etwa 34.000 EUR, diese waren innerhalb eines Zeitraumes von über zwei Jahren fällig geworden.
Die Klägerin hatte bei Anregung des Gewerbeuntersagungsverfahrens am 04.09.2018 fällige Steuerrückstände (Einkommens- und Umsatzsteuer sowie Verspätungszuschläge) in Höhe von 30.150,56 EUR. Im Laufe des Gewerbeuntersagungsverfahrens erhöhten sich die Rückstände, am 19.11.2018 betrugen die Rückstände der Umsatzsteuer laut Kontoauszug des Finanzamtes 28.210,48 EUR einschließlich Verspätungszuschläge. Im Rahmen einer telefonischen Nachfrage durch das Landratsamt ergab sich, dass die Rückstände und Verspätungszuschläge am 30.11.2018 bzgl. der Umsatzsteuer 28.271,98 EUR, der Einkommenssteuerrückstände von 5.751,56 EUR betrugen. Laut Kontoauszug des Finanzamtes Passau vom 11.01.2019 betrugen die Rückstände der Umsatzsteuer inklusive Verspätungszuschläge zu diesem Zeitpunkt 28.596,98 EUR, die Rückstände der Einkommenssteuer einschließlich Verspätungszuschläge 5.838,56 EUR.
Diese Steuerrückstände sind sowohl absolut, als auch im Verhältnis zu der Gesamtbelastung der Klägerin von Gewicht. So liegen die Rückstände deutlich über der Mindestgrenze von etwa 5.000,00 EUR, auch im Verhältnis zum Umfang des Geschäftes der Klägerin sind sie bedeutsam.
Des Weiteren ist der Zeitraum, in dem sich die Steuerrückstände anhäuften, erheblich. Es handelt sich nicht um einen nur vorübergehenden oder kurzfristigen Zahlungsrückstand. Die Steuerrückstände stammen aus einem Zeitraum von über zwei Jahren. Die ältesten Rückstände mit Bezug zur Umsatzsteuer sind im April 2016 fällig geworden, die ältesten Rückstände stammen aus dem zweiten Quartal 2015. Für die Einkommenssteuer stammen die ältesten Rückstände aus 2014, diese waren im August 2016 fällig.
Die Klägerin trug im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass die Steuerrückstände teilweise auf Schätzungen beruhten, und auch Säumniszuschläge enthielten. Dies ändert jedoch nichts an der zulässigen Berücksichtigung für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit. Die Grundlage der Steuerschuld ist in diesem Zusammenhang genauso unbeachtlich, wie es keine Rolle spielt, ob es sich um die Hauptforderung oder Säumniszuschläge handelt. Nur die Fälligkeit der Steuerschuld ist maßgeblich, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, Beschluss vom 01.02.1994 – 1 B 9/94, juris, Rn. 3; Beschluss vom 29.01.1988 – 1 B 164/87, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 13.06.2006 – 22 ZB 06.1392, juris, Rn. 2; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51).
Ferner verfolgte die Klägerin kein sinnvolles und erfolgsversprechendes Sanierungskonzept. Eine letztmalige Zahlung erfolgte aufgrund von Pfändungen am 08.10.2018 in Höhe von 125,70 EUR. Während des Gewerbeuntersagungsverfahrens leistete die Klägerin keine freiwilligen Zahlungen auf ihre Steuerschuld, die einzige Zahlung erfolgte im Rahmen einer Kontenpfändung. Auch legte sie keinen konkreten Plan vor, im Rahmen dessen sie konkrete Ansätze zur zeitnahen Begleichung ihrer Rückstände vortrug.
(2) Des Weiteren ergibt sich die Unzuverlässigkeit der Klägerin daraus, dass sie ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht rechtzeitig nachkam. Diese sind Teil der Verpflichtungen, die sich im Rahmen der einwandfreien Führung des Gewerbes ergeben.
Laut Schreiben des Finanzamtes Passau hatte die Klägerin im Januar 2019 die Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nicht eingereicht. So hatte sie im Zeitpunkt des Bescheidserlasses trotz Aufforderungen des Finanzamtes die Steuererklärungen für Einkommens- und Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nicht eingereicht.
Dabei ist auch unerheblich, dass der Steuerberater der Klägerin nach deren Angaben die Steuererklärungen nicht fertig stellte. Die Klägerin war als Steuerpflichtige verpflichtet, die Steuererklärungen und die Voranmeldungen abzugeben. Sie musste die Einreichung der Erklärungen unabhängig von der Beauftragung des Steuerberaters jedenfalls überwachen (vgl. LG München I, Urteil vom 18. 5. 2004 – 23 O 14802/03, DStRE 2005, 120 f.)
(3) Aufgrund dieser vergangenen Tatsachen ließ sich im Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine positive Prognose für die zukünftig ordnungsgemäße Gewerbeausübung der Klägerin treffen. So stiegen die Steuerrückstände der Klägerin im Laufe des Gewerbeuntersagungsverfahren weiter an, freiwillige Zahlungen erfolgten nicht. Auch reichte die Klägerin ihre Steuererklärungen erst nach Erlass des Bescheides ein.
bb) Die Untersagung des Gewerbes ist zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Eine abstrakte Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit in Form einer nach der Lebenserfahrung typischerweise anzunehmenden Gefährdungslage ist hier gegeben (BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO, § 35 Rn. 35). Eine solche liegt jedenfalls darin, dass die Steuerrückstände der Klägerin – hier unter anderem das unberechtigte Vorenthalten von Umsatzsteuern – das Vermögen der öffentlichen Hand gefährden (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 08.03.2011 – 3 B 354/10, juris, Rn. 9).
cc) Die Gewerbeuntersagung ist auch verhältnismäßig. Ein milderes, gleich effektives Mittel zum Schutz des gefährdeten Vermögens der öffentlichen Hand ist hier nicht ersichtlich. Bei der Gewerbeuntersagung handelt es sich um die ultima ratio zur Abwehr der Gefährdungen aus der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (Landmann/Rohmer/Marcks, 81. EL März 2019, GewO § 35 Rn. 78). Die Schäden, die durch die Fortsetzung der Tätigkeit bei Erlass des Bescheides zu erwarten waren, standen nicht außer Verhältnis zu der Beeinträchtigung der Klägerin. Dies ergibt sich hier insbesondere aus der Höhe der Steuerrückstände sowie deren weiteren Anstiegs während des Gewerbeuntersagungsverfahrens. Eine teilweise Untersagung oder die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen wäre weniger wirksam. Anders als die vollumfängliche Gewerbeuntersagung sind diese nicht in der Lage, das Risiko der Vermögensgefährdung der öffentlichen Hand auszuschließen.
2. Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung in Ziffer 2 des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Die Gewerbeuntersagung konnte gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden, auf die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie auf alle anderen Gewerbearten erstreckt werden.
a) In Ziffer 1 des Bescheides wurde der Klägerin im selben Verfahren ihr tatsächlich ausgeübtes Gewerbe untersagt.
b) Die Unzuverlässigkeit der Klägerin beschränkt sich nach dem oben dargelegten Tatsachen nicht nur auf das von ihr ausgeübte Gewerbe. Die durch das Landratsamt … festgestellten Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass die Klägerin auch für andere Tätigkeiten und Gewerbe unzuverlässig ist.
Die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit und die Verletzung steuerlicher Pflichten sind Umstände, die gewerbeübergreifend zu einer Unzuverlässigkeit führen. Sie sind nicht auf die gegenwärtige Tätigkeit der Klägerin, den Einzelhandel mit Nahrungsergänzungsmitteln und dergleichen via Internet, beschränkt. Die Klägerin hat durch die Nichterfüllung ihrer steuerlichen Zahlungspflichten sowie durch die Nichtabgabe ihrer Steuererklärungen Verpflichtungen verletzt, die für sämtliche Gewerbetreibenden gelten, sie haben nicht nur einen Bezug zu ihrer konkret ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (BVerwG, Urteil vom 02. 02.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 27). c) Es war im Zeitpunkt der Gewerbeuntersagung auch ein Ausweichen der Klägerin auf andere Gewerbe zu erwarten. Diese Wahrscheinlichkeit folgt schon aus der Tatsache, dass die Klägerin – trotz der sich ansammelnden Steuerschulden und der sich daraus ergebenden Unzuverlässigkeit – an ihrer gewerblichen Tätigkeit festhielt. Durch das Festhalten an dem ausgeübten Gewerbe bekundet der Gewerbetreibende regelmäßig seinen Willen, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine zukünftige, anderweitige gewerbliche Tätigkeit des Klägerin ausschließen (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 29)
d) Auch durch die Ausübung sonstiger Gewerbe oder die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden sowie die Leitung eines Gewerbebetriebes durch die Klägerin besteht eine Gefährdung von Rechtgütern der Allgemeinheit. Es besteht die Gefahr, dass die Klägerin auch bei Aufnahme einer anderen gewerblichen Tätigkeit erneut Steuerrückstände anhäuft, oder dass dies auch bei der Tätigkeit als Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung eines Gewerbebetriebes Beauftragte geschieht.
e) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
3. Die Frist zur Betriebseinstellung In Ziffer 3 des Bescheides erfüllt die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 S. 2 VwZVG.
Es war der Klägerin billigerweise zuzumuten, ihren Betrieb bis zum 28.02.2019 bzw. innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides einzustellen. Die Frist ist mit der Angabe eines konkreten Datums bzw. durch die Nennung einer Frist von vier Wochen ab Bestandskraft bestimmt, es ist eindeutig erkennbar, wie viel Zeit der Klägerin zur Erfüllung bleibt.
Fehler sind im Rahmen der Ermessensausübung des Landratsamtes, insbesondere bei der Bemessung der Länge der Frist, nicht ersichtlich.
4. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides erfüllt die Voraussetzungen der Art. 29, 30, 31, 36 des Bayrischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
5. Die Kostenentscheidung in Ziffer 4 des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Als Veranlasserin des Verfahrens hat die Klägerin dessen Kosten gem. Art. 2 Abs. 1 KG zu tragen. Die Bescheidsgebühr von 400,00 EUR entspricht Art. 5, 6 Abs. 2 KG in Verbindung mit Tarifnummer 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses zum KG. Diese setzt einen Kostenrahmen von 50,00 EUR bis 2.000,00 EUR für Gewerbeuntersagungen nach § 35 Abs. 1 GewO fest. Die Höhe ist unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes nicht zu beanstanden.
II.
Die Klägerin hat als unterliegende Partei gem. § 154 Abs. VwGO die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 709 ff. ZPO.


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