Steuerrecht

Gewerbliche Einkünfte eines Pokerspielers

Aktenzeichen  III R 67/18

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.250221.IIIR67.18.0
Normen:
§ 15 Abs 2 S 1 EStG 2002
§ 2 Abs 1 S 3 GewStG 2002
Art 103 Abs 1 GG
§ 96 Abs 2 FGO
§ 96 Abs 1 S 1 FGO
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002
EStG VZ 2007
GewStG VZ 2007
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. NV: Überschreitet die nachhaltige Betätigung eines Pokerspielers die Grenze zur Gewerblichkeit, macht es keinen Unterschied, ob der Spieler die Gewinne bei Pokerturnieren oder bei Spielen in Casinos erzielt.
2. NV: Ein Gewerbesteuer-Messbetrag kann bei einem Berufspokerspieler nur dann festgesetzt werden, wenn er eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Hierzu hat das FG Feststellungen zu treffen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 12. Oktober 2018, Az: 14 K 799/11 E,G, Urteil

Tenor

Die Revision der Kläger wird insoweit als unbegründet zurückgewiesen, als das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12.10.2018 – 14 K 799/11 E,G die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 betrifft.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil aufgehoben, soweit es die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags für das Jahr 2007 betrifft.
Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) wurde bekannt, dass der Kläger an Pokerturnieren teilnahm. Daraus resultierende Einnahmen hatten die Kläger nicht in den Einkommensteuererklärungen angegeben. Das FA führte beim Kläger im Jahr 2008 eine Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 durch. Im Verlauf der Prüfung gaben die Kläger die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 ab. Darin gaben sie an, der Kläger habe Glücksspielgewinne erzielt, diese seien aber nicht steuerpflichtig. Das FA folgte dem nicht. Mit Hilfe von Internetrecherchen schätzte es die Gewinne des Klägers aus seiner Tätigkeit als Berufsspieler und kam auf Beträge von X € (2004), X € (2005) und X € (2006). Für das Jahr 2007 (Streitjahr) setzte es einen Betrag von X € als “Pokerergebnis” an, der auf Angaben des Klägers beruhte.
2
Das FA erließ gegenüber den Klägern geänderte oder erstmalige Einkommensteuerbescheide, in denen gewerbliche Einkünfte des Klägers als Pokerspieler erfasst waren, u.a. einen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 30.11.2009. Außerdem erließ es gegenüber dem Kläger Gewerbesteuer-Messbescheide, u.a. einen Bescheid für das Jahr 2007, der auf einen Betrag von X € lautet. Die dagegen gerichteten Einsprüche der Kläger (Einkommensteuer) und des Klägers (Gewerbesteuer-Messbetrag) hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidungen vom 04.02.2011).
3
Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage, mit welcher die Kläger begehrten, die Einkünfte aus den Pokerspielen unberücksichtigt zu lassen, hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2006 statt. Es war der Ansicht, der Kläger habe in diesen Jahren noch keine steuerpflichtigen Einkünfte als Berufspokerspieler erzielt.
4
Im Übrigen (2007) wies das FG die Klage ab. Ab 2007 seien gewerbliche Einkünfte angefallen. In diesem Jahr habe der Kläger das zuvor ruhende Arbeitsverhältnis endgültig beendet und damit deutlich gemacht, dass er seinen Lebensunterhalt künftig durch eine Spielertätigkeit bestreiten könne und wolle. Der angeblich schlechte Gesundheitszustand der Klägerin habe den Kläger nicht davon abgehalten, der Spieltätigkeit intensiv nachzugehen und dafür eine Wohnung in B (Spielcasino) anzumieten. Auch habe der Kläger aufgrund der Teilnahme an Pokerturnieren und an weiteren Pokerspielen umfangreiche Turniererfahrung erlangt, sodass die Gewinne nicht mehr allein von guten Karten und glücklichen Spielverläufen abhängig gewesen seien. Ende 2007/Anfang 2008 sei der Kläger von dem Veranstalter D angesprochen, später “vermarktet” und durch die Einräumung von “Gebührenvorteilen” finanziell gefördert worden. Die Höhe der vom FA für das Jahr 2007 geschätzten Einkünfte des Klägers aus seiner Pokertätigkeit war nach Ansicht des FG nicht zu beanstanden.
5
Gegen das Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Revision insoweit, als es das Jahr 2007 betrifft. Zur Begründung tragen sie vor, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen. Es habe angenommen, dass der Kläger ab dem Jahr 2007 aufgrund seiner Turniererfahrung und seiner gewonnenen Kenntnisse nicht mehr nur vom Spielglück abhängig gewesen sei. Bei dieser Annahme hätte der Kläger in den Folgejahren immer erfolgreicher sein müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, vielmehr habe der Kläger in den Jahren nach 2007 bei vergleichbarer Intensität Verluste erlitten. Dass das FG den Vortrag der Kläger, es seien ab 2007 Verluste entstanden, als nicht glaubhaft ansehen wolle, sei erstmals den Urteilsgründen zu entnehmen gewesen. Bis dahin sei der Vortrag unstreitig gewesen.
6
Eine Überraschungsentscheidung sei auch insofern anzunehmen, als das FG hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den als Begründung angeführten schlechten Gesundheitszustand der Klägerin als nicht glaubwürdig angesehen habe. Im Vorfeld sei der diesbezügliche Vortrag nicht angezweifelt worden. Hätte das Gericht einen entsprechenden Hinweis gegeben, wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, den Nachweis für die Richtigkeit des Vortrags zu erbringen. Soweit das FG angeführt habe, dass es angesichts des Gesundheitszustands der Klägerin nahegelegen hätte, dass der Kläger im Hinblick auf eine sichere Einkommensquelle weiterhin seiner Arbeitstätigkeit nachgegangen wäre, habe es außer Acht gelassen, dass die finanzielle Lebensgrundlage durch Ruhegehaltsansprüche der Klägerin und durch die finanzielle Unterstützung der Eltern abgesichert gewesen sei. Soweit das FG als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers den Umstand angeführt habe, dass der Kläger in der Nähe von B eine Wohnung angemietet habe, sei darauf hinzuweisen, dass dies erst nach dem Jahr 2008 geschehen sei. Auch habe der Kläger die Wohnung nur aus Kostengründen angemietet, weil dies günstiger gewesen sei, als wenn er bei den Casinobesuchen in einem Hotel übernachtet hätte. Ein Verfahrensmangel liege darüber hinaus auch hinsichtlich der Beurteilung der Beziehungen zum Turnierveranstalter D vor. Das FG habe eine vertragliche Vereinbarung unterstellt. Den Vortrag, wonach es eine derartige Vereinbarung nicht gegeben habe, habe das Gericht als nicht glaubhaft angesehen. Wenn der Kläger akzeptiert habe, als E bezeichnet zu werden, dann habe dies daran gelegen, dass er nichts dagegen gehabt habe, mit einem der renommiertesten Anbieter in Verbindung gebracht zu werden. In den Jahren vor 2008 hätten die Beziehungen zu D ohnehin keine Rolle gespielt.
7
Das angefochtene Urteil sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht unrichtig. Das FG habe zu Recht angenommen, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2006 nicht gewerblich tätig gewesen sei und Verluste erlitten habe. Die Teilnahme an drei Turnieren im Jahr 2006 habe das FG nicht als gewerblich angesehen, sodass die Teilnahme an nur einem Turnier im Streitjahr nicht ausreichen könne. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), in der Gewerblichkeit bejaht worden sei, könne auf Cash Games nicht übertragen werden.
8
Die Kläger beantragen sinngemäß,das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die Einkommensteuer für das Jahr 2007 betrifft und den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 30.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.02.2011 dahin zu ändern, dass der Ansatz von Einkünften aus Gewerbebetrieb unterbleibt.
9
Der Kläger beantragt sinngemäß,das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Gewerbesteuer-Messbetrag für das Jahr 2007 betrifft, ebenso den Gewerbesteuer-Messbescheid 2007 vom 05.02.2010 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 04.02.2011.
10
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11
Das FA trägt vor, das FG-Urteil sei keine Überraschungsentscheidung. Das FG habe lediglich den Vortrag der Kläger anders gewürdigt, als diese es sich erhofft hätten.


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