Steuerrecht

Grundsteuererlass, Leerstand, Nachweis von Vermietungsbemühungen, Beweisausforschungsantrag

Aktenzeichen  M 10 K 19.425

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26825
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GrStG § 33

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Der Klageantrag des nicht anwaltlich vertretenen Klägers, die Beklagte zur Aufhebung des Widerspruchsbescheids zu verurteilen und einen Betrag von 50% der geleisteten Grundsteuer zurückzuerstatten sowie die Kostenrechnung für den Widerspruchsbescheid zu stornieren und die bezahlte Summe zurückzuerstatten, sind bei sachgerechter Auslegung nach § 88 VwGO vom erkennbaren Rechtsschutzziel des Klägers als Antrag auf Aufhebung des einen Erlass ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 8. Januar 2019 sowie auf Verpflichtung der Beklagten zu dem vom Kläger beantragten hälftigen Erlass der Grundsteuer im Jahr 2016 zu verstehen.
2. Die so verstanden zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 1. September 2017 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 8. Januar 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da ihm kein Anspruch auf einen teilweisen Erlass der Grundsteuer zusteht, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
2.1 Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Grundsteuergesetz (GrStG) wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen.
Ein Steuerpflichtiger hat die Ertragsminderung nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, U.v. 25.6.2008 – 9 C 8/07 – NVwZ-RR 2008, 814/815; BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 4 ZB 09.1962 – juris). Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (BFH, U. V. 4 20.10.2007 – II R 5/05 – juris). Der Begriff des Vertretenmüssens ist weit auszulegen und greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf die zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Bei der Auslegung des § 33 GrStG ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen ist. Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, desto intensiver und nachhaltiger haben die Vermietungsbemühungen zu sein (VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 6 K 13.596 – juris). Eine Grenze ist erreicht, wenn die Kosten für Werbemaßnahmen nicht mehr in einem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur Vermietungschance stehen.
Der Grundstückseigentümer, der in den Genuss einer Vergünstigung des § 33 GrStG gelangen will, ist daher grundsätzlich gehalten, einen Makler mit der Vermarktung zu beauftragen oder sich herkömmlicher Medien zu bedienen, das Objekt am Markt anzubieten (BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 4 ZB 09.1962 – juris; VG München, U.v. 18.6.2009 – M 10 K 09.1205 – juris; VG Dresden, U.v. 31.1.2012 – 2 K 1344/10 – juris; VG Ansbach, U.v. 17.8.2011 – AN 11 K 10.02420 – juris; VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 6 K 13.596 – juris). Die Feststellung, dass fehlende Vermietungsbemühungen keine Auswirkungen auf die Ertragsminderung gehabt haben, ist nur möglich, wenn der Grundeigentümer bzw. die von ihm beauftragten Personen versucht haben, den Kreis möglicher Interessenten möglichst umfassend zu erreichen (OVG NRW, B.v. 25.11.2016 – 14 A 1636/15 – juris). Maßgeblich für die Bewertung sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, das jeweilige Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9 B 37/16 – juris).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Frage, ob ein Gewerbeobjekt immer im Internet anzubieten ist, nicht fallübergreifend allgemeingültig beantwortet werden. Es läge allerdings gerade bei gewerblich genutzten Immobilien nahe, diese im Internet anzubieten (BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9 B 37/16 – juris).
2.2 Die vom Kläger vorgetragenen Vermietungsbemühungen sind nicht ausreichend für den Nachweis, dass er sich im Jahr 2016 nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat.
2.2.1 Zunächst hat sich der Kläger schon im Verwaltungsverfahren darauf berufen, dass die Maklerfirma … und … mit der Vermarktung beauftragt worden sei. Dabei wird nicht ganz klar, ob der Kläger mit Vermarktung nur die Vermietung oder auch den Verkauf des Gebäudes meint. In seinen Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2017 und vom 11. September 2017 wird ausgeführt, er versuche alles Erdenkliche, um das Objekt zu vermieten bzw. dass er niemanden dazu zwingen könne, mit ihm einen Mietvertrag für das Objekt abzuschließen.
Das Büro Augsburg des Immobilienmaklers … und … hat der Beklagten hierzu mit Mail vom 13. Oktober 2017 mitgeteilt, dass die Gewerbeimmobilie im Immobilienportal Immobilienscout sowie auf der … und … … Homepage eingestellt sei; das Objekt werde tatsächlich schon seit etwa 2 Jahren im Internet angeboten. Zu den mit übersandten Screenshots der Anzeigen erläuterte das Immobilienbüro, dass das in der Anzeige in Immobilienscout genannte Einstellungsdatum 11. März 2017 nicht aussagekräftig sei, da die Anzeige nicht durchgängig geschalten, sondern immer wieder neu eingestellt worden sei, um das Objekt wieder mit dem Vermerk „Neu“ auf dem Portal erscheinen zu lassen. Des Weiteren sei vor Ort ein großes Vermarktungsbanner am Gebäude angebracht, die Immobilie werde in dem Shop in … im Schaufenster ausgestellt. Auch auf der Messe … … in … sei sie angeboten worden.
Diese Vermarktungsbemühungen des Immobilienbüros sind zum einen schon nicht hinreichend nachgewiesen. Tatsächlich lässt sich aufgrund des Screenshots nur eine Anzeige ab dem 11. März 2017 belegen. Darüber hinaus ergibt sich aus den vorgelegten Screenshots, dass das angebotene Büro- und Produktionsgebäude mit einer Fläche von 3400 m² mit einem „Kaufpreis ab 4.400.00,00 €“ inseriert war, also verkauft werden sollte. Es wurde vom Kläger nicht dargelegt, dass über die Maklerfirma … und … (auch) eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins erfolgen sollte.
Ein Nachweis, dass das Gewerbeobjekt auch im Büro in … im Schaufenster ausgestellt und auf der Immobilienmesse … … angeboten worden sei, fehlt. Ebenso wurde nicht nachgewiesen, dass vor Ort ein großes Vermarktungsbanner am Gebäude angebracht gewesen sei.
Zum anderen reichen die vorgetragenen Aktivitäten nicht aus, um ein nach den eigenen Angaben des Klägers schwer vermittelbares Objekt auf einem schwierigen Markt intensiv und nachhaltig anzubieten bzw. zu bewerben.
2.2.2 Ergänzend legte der Kläger im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 sieben Rechnungen für von ihm selbst bei Immobilienscout24 geschaltete Anzeigen vor, um damit seine Vermietungsbemühungen zu unterstreichen.
Aus diesen Rechnungen ist aber nicht ersichtlich, ob die Gewerbeimmobilie zum Verkauf oder zu einer Vermietung inseriert worden war. Das Objekt wird bezeichnet als „3380 m² Bürou. Produktion“, was aufgrund der Größe und der Nutzungsart den Schluss zulässt, dass es sich um das streitgegenständliche Objekt handelte. Den Rechnungen lässt sich aber weder ein Kaufpreis noch ein Mietzins für das Objekt entnehmen, welche belegen würden, dass insoweit angemessene Bemühungen zu marktgerechten Bedingungen erfolgten.
2.2.3 Des Weiteren legt der Kläger im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 zu seinen Vermietungsbemühungen dar, dass er persönlich mit Interessenten im Jahr 2016 die Räumlichkeiten besichtigt habe, ohne dass es jedoch jeweils zu einer Anmietung der Immobilie gekommen sei.
Er habe zunächst versucht, das Objekt dem Landratsamt als Asylbewerberunterkunft anzudienen; es sei am 15. Februar 2016 eine große Besichtigung unter anderem mit dem Landrat und dem Oberbürgermeister der Beklagten erfolgt, wobei es bedauerlicherweise nicht zu einer Anmietung der Räumlichkeiten gekommen sei. Auch Besichtigungen mit insgesamt weiteren 7 Interessenten hätten nicht zu einer Vermietung der Räume geführt. Für die erfolgten Besichtigungen hat der Kläger jeweils die Vernehmung von Zeugen angeregt.
Auf eine beantragte Beweiserhebung kann das Gericht im Regelfall verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen. Auch ist das Gericht nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen. In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht der Beteiligten ab. Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Unsubstantiiert und damit unerheblich ist ein Beweisantrag insbesondere dann, wenn im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann und es sich deshalb um einen Beweisermittlungsantrag oder Beweisausforschungsantrag handelt (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2021 – 23 ZB 19.33381 – juris Rn. 5; BFH, B.v. 12.3.2014 – XI B 97/13 – BFH/NV 2014, 1062; FG Düsseldorf, U.v. 7.1.2020 – 10 K 2260/18 Kg – juris Rn. 34)
Eine weitere Aufklärung der vorgetragenen Besichtigungen bzw. der Vertragsverhandlungen mit den verschiedenen Interessenten ist nicht erforderlich, eine Beweiserhebung drängt sich dem Gericht nicht auf. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger die von ihm angeführten Besichtigungen und Vertragsverhandlungen durchgeführt hat. Es fehlt jedoch jeglicher Vortrag des Klägers, ob er sich im Sinne der Rechtsprechung nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Zu einem von ihm aufgerufenen Mietzins hat er keinerlei Angaben gemacht. Eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung scheidet damit aus, da die angegebenen Tatsachen nicht ausreichen, das für die Entscheidung erforderliche Beweisthema zu benennen.
2.2.4 Auch bei einer Gesamtschau aller vom Kläger vorgetragenen Bemühungen ergibt sich, dass er die durch einen Leerstand bedingte Ertragsminderung zu vertreten hat, da er sich nicht nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Insgesamt hat der Kläger zu wenig an Bemühungen um eine erfolgreiche Vermietung bzw. Vermarktung nachgewiesen. Insbesondere hat er auch nie dargelegt, zu welchem Mietzins das Gewerbeobjekt angeboten wurde und ob dies einem marktüblichen Mietzins entsprach.
Damit ist die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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