Steuerrecht

Haftungsbescheid gegen Geschäftsführer wegen Gewerbesteuern

Aktenzeichen  M 10 K 15.5005

Datum:
21.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52453
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 34, § 69, § 191
HGB § 128, § 161 Abs. 2
BayGO Art. 62

 

Leitsatz

1 Der Erlass eines Haftungsbescheides setzt nicht voraus, dass zuvor ein Steuerbescheid gegen den Erstschuldner ergangen ist. Für die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides ist es deshalb unerheblich, ob dem Erstschuldner ein Gewerbesteuerbescheid wirksam bekanntgegeben wurde. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Geschäftsführer/Liquidator einer Komplementär-GmbH haftet als gesetzlicher Vertreter für Steuerschulden, die infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht erfüllt werden können (§§ 69, 34 AO). Er hat deshalb dafür Sorge zu tragen, dass auch künftig fällig werdende Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln bezahlt werden können. Diese Pflicht verletzt der Vertreter, wenn er die Gesellschaft auflöst und das Umlaufvermögen umbucht, ohne dafür zu sorgen, dass bereits entstandene, aber noch nicht fällige Gewerbesteuern bezahlt werden können. (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Entschließungsermessen zur Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ist nach kommunalrechtlichen Vorschriften (Art. 62 BayGO) auf Null reduziert, weil die Gemeinden verpflichtet sind, Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften zu erheben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Haftungsbescheid vom 27. Dezember 2012 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2015, des Änderungsbescheides vom 11. Dezember 2015 und des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2016, der den Kläger in Höhe von noch 482.661,87 Euro – auf diese Summe wurde die Klage beschränkt – in Haftung nimmt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Eine Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung der Widersprüche des Klägers gegen die beiden gegen ihn erlassenen Haftungsbescheide vom 3. April 2012 und vom 27. Dezember 2012 vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2015, der beide Widersprüche des Klägers zurückweist, war nicht erforderlich. Für das Widerspruchsverfahren gelten insoweit nicht die Vorschriften der VwGO. Selbst wenn man eine Verbindung der beiden Widersprüche für notwendig und aufgrund dessen den Widerspruchsbescheid für rechtswidrig erachtet, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der streitgegenständliche Haftungsbescheid vom 27. Dezember 2012 besteht in Form des letzten Änderungsbescheides vom 11. Januar 2016 weiterhin fort.
2. Auf die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Haftungsbescheides hat die (wirksame) Bekanntgabe des Gewerbesteuerbescheides vom 7. Juli 2011 keinen Einfluss. Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners setzt nämlich nicht voraus, dass die Erstschuld gegen den Schuldner, hier die KG, festgesetzt worden ist, vgl. § 191 Abs. 3 Satz 4 AO. Ein Haftungsbescheid kann ergehen, ohne dass zuvor ein Steuerbescheid gegen den Erstschuldner ergangen ist (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO, Stand: Mai 2016, § 191 Rn. 15 m. w. N.; BVerwG, B. v. 16.9.1997 – 8 B 143/97 – juris Rn. 7).
Im Übrigen besteht eine Personengesellschaft wie die KG so lange als Unternehmer fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und der Beklagten gehört, unter den Gesellschaftern beseitigt sind (vgl. BFH, B. v. 21.9.2006 – V B 102/05 – juris Rn. 5 m. w. N.; VG Köln, U. v. 16.10.2013 – 24 K 5185/11 – juris Rn. 90 und 122 ff.). Dies gilt ebenso für die nach § 161 Abs. 2 i. V. m. § 128 HGB akzessorisch haftende … GmbH. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Kapitalgesellschaft auch nach ihrer Löschung im Handelsregister und ihrer Abwicklung solange als fortbestehend anzusehen, wie sie steuerliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, Stand: Mai 2016, § 57 FGO, Rn. 3-5 m. w. N.; BFH, U. v. 6.5.1977 – III R 19/75 – juris Rn. 12). Daher konnte eine Adressierung des Gewerbesteuerbescheides vom 7. Juli 2012 ohne weiteres an die … GmbH als Vertreterin der KG erfolgen.
3. Der streitgegenständliche Haftungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO. Gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 3 Abs. 2 AO sind § 191 sowie §§ 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkt anwendbar.
a. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Haftung des Klägers ergibt sich aus § 69 AO i. V. m. § 34 Abs. 1 AO. Danach haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 69 Satz 1 AO unter anderem die in § 34 AO bezeichneten Personen. Eine Haftung nach § 69 AO wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (vgl. BFH, U. v. 29.11.2006 – I R 103/05 – juris Rn. 12; U. v. 05.03.1991 – VII R 93/88 – juris Rn. 11 ff.; B. v. 11.08.2005 – VII B 244/04 – juris Rn. 9).
b. Der Kläger gehört zu den in § 34 Abs. 1 Satz 1 AO bezeichneten Personen, denn er war als Geschäftsführer/Liquidator der Komplementär-GmbH (… GmbH) deren gesetzlicher Vertreter. Gemäß § 128 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB haften die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unabhängig von deren Rechtsgrund den Gläubigern persönlich; eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. Bei einer Kommanditgesellschaft haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) danach die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 34 Abs.1 AO). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, haben deren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 34 Abs.1 AO) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der Kommanditgesellschaft zu erfüllen (vgl. VG Ansbach, U. v. 21.3.2007 – AN 11 K 06.03127 – juris Rn. 17; BFH, U. v. 6.3.2001 – VII R 17/00 – juris Rn. 15).
c. Nach § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.
Eine Pflichtverletzung des Klägers i. S. v. §§ 34, 69 AO liegt vor. Die Pflicht des Geschäftsführers, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden, besteht dabei nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschuld (vgl. BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris LS 2). Schon im Vorfeld obliegt es ihm, auf bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung Rücksicht zu nehmen und sich nicht (schuldhaft) außer Stande zu setzten, diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Eine die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insofern auch darin liegen, dass sich der gesetzliche Vertreter durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise außerstande setzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. In diesem Fall haftet der Geschäftsführer insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßen Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.1988 – 8 C 13/87 – juris Rn. 20, 23; BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris Rn. 23; vgl. auch etwa BFH, U. v. 21.12.2004 – I B 128/04 – juris).
So liegt der Fall auch hier. Die Gewerbesteuerschuld für das Veranlagungsjahr 2007 ist mit Ablauf des Jahres 2007 bereits entstanden (§ 38 AO, § 18 GewStG). Nach § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird; Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Folglich sind die Steueransprüche der Beklagten gegen die KG für das Veranlagungsjahr 2007 hier mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 kraft Gesetzes – unabhängig von der Festsetzung – entstanden (§§ 37 Abs. 1, 38 AO) und damit begründet. Dass die endgültige Festsetzung hier erst mit Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011 erfolgte, ist unbeachtlich; der Festsetzung des Anspruchs kommt insoweit nur deklaratorische Wirkung zu (sog. materielle Rechtsgrundtheorie, st. obergerichtliche Rspr., vgl. schon BFH, U. v. 10.11.1953 – I 108/52 S – BFHE 58, 294; Drüen in Tipke/Kruse, AO, Stand: Mai 2016, § 38 AO Rn. 10 m. w. N.).
Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand fehl, wonach der finanzbehördliche Messbetragsbescheid vom 17. Juni 2008, welcher wiederum auf den von den Steuerberatern der KG abgegebenen Steuererklärungen basierte, einen Gewerbesteuermessbetrag auf 0,00 Euro festsetzte. Das Finanzamt hatte sich dabei ausdrücklich die Nachprüfung und damit spätere Änderungen des Bescheids vorbehalten (§ 164 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AO). Die Beklagte hatte einen Gewerbesteuerbescheid auf Grundlage dieses Messbescheides nicht einmal erlassen. Der Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamtes vom 7. September 2009 in geänderter Form vom 9. Mai 2011 ist bestandskräftig geworden. Der Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011, der schließlich eine Gewerbesteuer für das Jahr 2007 in Höhe von 479.934,- Euro festgesetzt hat, ist ebenfalls bestandskräftig.
Der Kläger hat als gesetzlicher Vertreter der … GmbH, der zur Geschäftsführung der KG gesetzlich berufen war, am 4. November 2008 das Erlöschen der KG bewirkt. Er hat sich außerstande gesetzt, die seinerzeit im Jahre 2007 bereits entstandene, aber noch nicht fällig gewordene Gewerbesteuerforderung zu erfüllen (vgl. VG Stade, U. v. 2.4.2014 – 3 A 1404/12 – juris Rn. 35). Laut dem Jahresabschluss der KG zum Geschäftsjahr vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 war zum Jahresende noch ein Umlaufvermögen von 528.162,46 Euro bei der KG vorhanden. Dieses wurde laut dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten im Januar 2009 auf ein Gemeinschaftskonto der beiden Kommanditistinnen (… GmbH und … GmbH) gebucht.
d. Die Pflichtverletzung war auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 11. Aufl., 2012, § 69 Rn. 32 m. w. N.).
Dies ist hier der Fall. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger, der bis zum 16. Februar 2009 (Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Auflösung der … GmbH) Geschäftsführer der … GmbH, die Komplementärin der KG war, über die zur Ausübung dieser Funktionen notwendigen, hohen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte und verfügt. Hätte er die ihm danach mögliche Sorgfalt walten lassen, hätte ihm ohne Weiteres klar sein können und müssen, dass mit der „vorläufigen“ Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ das Besteuerungsverfahren für die Gewerbesteuer 2007 nicht beendet ist und es – gerade im Hinblick auf den Vorbehalt der Nachprüfung in dem Bescheid vom 17. Juni 2008 – zu abweichenden Einschätzungen durch das Finanzamt und damit auch zu Steuerfestsetzungen gegenüber der steuerpflichtigen KG kommen könnte, wie dies auch der damalige Steuerberater der KG im Schreiben vom 19. Juni 2008 (Anlage A5 der Gerichtsakte) im letzten Absatz ausgeführt hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte eine Verteilung des vorgehaltenen Geldes nicht mehr erfolgen dürfen. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ist es dem Finanzamt nicht verwehrt, einen von der Steuererklärung abweichenden “Ansatz” zu wählen. Dadurch, dass er diese nahe liegende Möglichkeit, die tatsächlich nach erfolgter Außenprüfung im Jahre 2009 eingetreten ist, außer Acht gelassen hat und nicht dafür Sorge getragen hat, dass ausreichende Mittel zur Deckung noch nicht fälliger oder streitiger Verbindlichkeiten vorhanden sind – wie es zu seinen steuerrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer und später Liquidator gehört hätte (§ 161 Abs. 2 i. V. m. § 155 Abs. 2 Satz 2 HGB; vgl. auch BFH, U. v. 16.6.1971 – I R 58/68 – juris) -, sondern ohne Durchführung eines Liquidationsverfahren die Löschung der KG und eine Umbuchung des Umlaufvermögens bewirkt hat, hat er seine Sorgfaltspflichten in ungewöhnlich hohem Maße verletzt (vgl. VG Stade, U. v. 2.4.2014 – 3 A 1404/12 – juris Rn. 36).
Ein gesetzlicher Vertreter handelt in jedem Fall grob fahrlässig, wenn er in diesem Stadium die Liquidation der Gesellschaft betreibt bzw. die Auflösung der Gesellschaft beschließt, ohne dafür Sorge zu tragen, dass die vor Auflösung entstandenen Steuern festgesetzt und entrichtet werden können. In seiner Eigenschaft als Liquidator der … GmbH musste dem Kläger spätestens mit der Prüfungsanordnung des Finanzamts … für die KG am 4. Dezember 2008 bewusst werden, dass eine Gewerbesteuerfestsetzung noch erfolgen könnte. Eine Umbuchung des bei der KG zum 31. Dezember 2008 noch vorhandenen Umlaufvermögens ist erst danach im Januar 2009 erfolgt. Dieser Vorgang ging der Auflösung der KG voraus, so dass diese außer Stande gesetzt wurde, die bereits entstandene und erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Denn nach der endgültigen Veranlagung der KG konnte die Gewerbesteuer 2007, festgesetzt zuletzt mit Bescheid vom 7. Juli 2011, bei Fälligkeit zum 19. Oktober 2009 aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Vermögenslosigkeit der KG nicht mehr eingezogen werden. Auch die Auflösung, Liquidation und schließlich die Löschung der … GmbH als persönlich haftende Komplementärin der KG am 20. Mai 2010 führte dazu, dass die Gewerbesteuerschuld von dieser nicht mehr beigetrieben werden konnte.
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger zumindest grob fahrlässig verabsäumt, bei der KG oder auch bei der … GmbH als Komplementärin Mittel für die absehbar fällig werdenden Gewerbesteuerschulden 2007 zu hinterlegen.
e. Die der Beklagten zustehenden Ansprüche aus dem Gewerbesteuerschuldverhältnis (Steueranspruch, steuerliche Nebenleistungen, vgl. § 3 Abs. 2, § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 37 Abs. 1 AO) wurden nicht erfüllt, insoweit ist der Beklagten ein Schaden entstanden.
f. Die in der Nichterfüllung der Steuerberücksichtigungspflicht liegende Pflichtverletzung des Klägers ist ursächlich für den der Beklagten entstandenen (Haftungs)Schaden.
Kausalität in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Schaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Dabei sind nur solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen (sog. Adäquanztheorie); d. h. die Möglichkeit, dass infolge der Pflichtverletzung Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt werden, darf nicht so fern liegen, dass sie nach allgemeiner Lebenserfassung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann (Loose in Tipke/Kruse, AO und FGO, Stand: Oktober 2012, § 69 AO Rn. 20 ff. m. w. N.).
Hier ist die Pflichtverletzung des Klägers kausal für den Steuerausfall bei der Beklagten, denn dieser Schaden wäre nicht eingetreten, wenn der Kläger unter Rücksichtnahme auf die künftige Fälligkeit im Vorfeld entsprechende Mittel zur Zahlung der entstandenen Gewerbesteuerschulden für das Veranlagungsjahr 2007 bei der KG oder der … GmbH vorgehalten und bei Fälligkeit geleistet hätte. Die sich auf dem Geschäftskonto der KG zum 31. Dezember 2008 noch befindlichen 528.162,46 Euro hätten gerade für eventuelle Steuerverbindlichkeiten dort zurückgehalten werden müssen und hätten zur Begleichung der Steuerschulden ausgereicht.
g. Eine Haftung des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil nachweislich im Haftungszeitraum der … GmbH und der KG nicht ausreichend Mittel zur Verfügung standen, um die fälligen Gewerbesteuerschulden zu begleichen.
Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt seine Pflichten schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten. Er hat daher auch die Gewerbesteuern im gleichen Umfang zu tilgen wie die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger (vgl. BayVGH, B. v. 25.5.2004 – 4 CS 03.152 – juris; Loose a. a. O. Rn. 34 m. w. N.).
Der Einwand fehlender Mittel im Fälligkeitszeitpunkt greift im vorliegenden Fall nicht durch.
Denn Anknüpfungspunkt der Haftung ist hier, wie oben ausführlich dargestellt, gerade der Vorwurf gegenüber dem Kläger, dass er sich als gesetzlicher Vertreter der … GmbH grobfahrlässig außer Stande gesetzt hat, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen; demzufolge haftet er insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßem Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre (vgl. BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris Rn. 23). Zum 31. Dezember 2008 war bei der KG noch ein Umlaufvermögen von 528.162,46 Euro vorhanden, welches laut dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten im Januar 2009 auf ein Gemeinschaftskonto der beiden Kommanditistinnen (… GmbH und … GmbH) gebucht worden ist. Diese noch vor der Auflösung der KG vorhandenen Gelder hätten für die Tilgung einer etwaigen noch festzusetzenden Gewerbesteuerschuld vorgehalten werden können. Dass ansonsten noch Verbindlichkeiten offen gewesen sind, hat der Kläger nicht vortragen lassen und dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
h. Die Haftung erstreckt sich auch auf die mit Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011 festgesetzten Nachzahlungszinsen für 2007 (vgl. §§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, 3 Abs. 4, 233, 233a AO). Fehler hinsichtlich der Zinsberechnung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Nach § 69 Satz 2 AO umfasst die Haftung auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge im Sinne von § 240 AO.
i. Die Ermessenentscheidung seitens der Beklagten erfolgte pflichtgemäß und rechtsfehlerfrei, sowohl bzgl. des der Beklagten zustehenden Entschließungsermessens, überhaupt mittels der Haftungsbescheide gemäß § 191 AO tätig zu werden, wie auch bzgl. des Auswahlermessens.
Das Entschließungsermessen hinsichtlich des „Ob“ der Inanspruchnahme ist durch die kommunalrechtlichen Vorschriften jedenfalls im Regelfall auf Null reduziert (vgl. BayVGH, B. v. 21.4.2008 – 4 CS 07.2718 – juris Rn. 16). Durch Art. 62 Abs. 1 und 2 GO sind Gemeinden verpflichtet, Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften zu erheben. Besteht die Möglichkeit, Abgaben, die ein Steuerschuldner nicht entrichtet hat, vom Haftungsschuldner zu erhalten, ist die Gemeinde gehalten, die Abgaben einzutreiben, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen etwa für einen Erlass (§ 227 AO) vorliegen (vgl. BayVGH, U. v. 19.3.1997 – 4 B 96.679). Für einen Erlass sprechende Gesichtspunkte sind vorliegend nicht erkennbar.
Das Auswahlermessen wurde ebenfalls korrekt ausgeübt. Die weitere eingetragene Liquidatorin der … GmbH wird ebenfalls im gleichen Umfang in Haftung genommen. Es erfolgt eine Inanspruchnahme der Liquidatoren der Gesellschaft als Gesamtschuldner gemäß § 44 Abs. 1 AO. Die Inanspruchnahme des früheren dritten Geschäftsführers schließt die Beklagte ermessensfehlerfrei aus. Sie knüpft zwar an eine Pflichtverletzung an, die in den Zeitraum vor der Auflösung der … GmbH fällt, als noch ein dritter Geschäftsführer bestellt war.
Doch ist die … GmbH ebenfalls Schuldnerin der von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Juli 2011 festgesetzte Gewerbesteuerverbindlichkeit aufgrund ihrer akzessorischen Haftung nach § 161 Abs. 2 i. V. m. § 128 HGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist – wie oben bereits dargelegt – eine Kapitalgesellschaft auch nach ihrer Löschung im Handelsregister und ihrer Abwicklung solange als fortbestehend anzusehen, wie sie steuerliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, Stand: Mai 2016, § 57 FGO, Rn. 3-5 m. w. N.; BFH, U. v. 6.5.1977 – III R 19/75 – juris Rn. 12). Daher besteht die … GmbH auch zum jetzigen Zeitpunkt noch fort, so dass der Kläger als Liquidator in Anspruch genommen werden konnte und die Beklagte nicht auf einen früheren Geschäftsführer zurückgreifen muss, der überdies im Ausland lebt (vgl. vom Klägerbevollmächtigten im Verfahren M 10 K 15.5124 in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag).
Daher kann auch der Einwand des Klägerbevollmächtigten, die Steuerschuld sei bei der KG zu realisieren, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fortbesteht, nicht durchgreifen. Die Auflösung der KG ändert zum einen nichts an der grundsätzlich fortbestehenden Haftung der Gesellschafter für die im Zeitpunkt ihrer Beteiligung an der KG entstandenen Steuerschulden. Weiter hat die Auflösung der KG vor der Festsetzung der Gewerbesteuer keinen Einfluss auf das Bestehen der Gewerbesteuerpflicht, denn diese berührt die gewerbesteuerliche Existenz der KG nicht (vgl. bereits oben unter 2.). Eine Personengesellschaft wie die KG besteht so lange als Unternehmer fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und der Beklagten gehört, unter den Gesellschaftern beseitigt sind (vgl. BFH, B. v. 21.9.2006 – V B 102/05 – juris Rn. 5 m. w. N.; VG Köln, U. v. 16.10.2013 – 24 K 5185/11 – juris Rn. 90 und 122 ff.).
j. Der Haftungsbescheid enthält zu Recht auch eine Zahlungsaufforderung. Nach § 219 AO darf ein Haftungsschuldner nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldner ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Dies ist hier der Fall, da die (aufgelöste) KG ebenso wie die (aufgelöste) … GmbH – wie oben bereits dargelegt – über kein Vermögen mehr verfügen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 506.391,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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