Steuerrecht

Haftungsbescheid gegenüber ausländischen Vergütungsschuldner wegen mangelnden Steuerabzugs für künstlerische Darbietungen nach § 50a EStG

Aktenzeichen  7 K 52/16

Datum:
29.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2018, 738
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 1 Abs. 4, § 49, § 50a Abs. 4, § 50a Abs. 5 Satz 2, § 50a Abs. 5 Satz 2, § 50d Abs. 3 Satz 1
EStDV § 73

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Haftungssummen werden unter Änderung der Haftungsbescheide vom 23. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015 auf 7.483,03 € (IV/2001), 6.700,77 € (2002), 10.227,37 € (2003), 46.434,42 € (2004) und 9.949,67 € (2005) herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 98% und der Beklagte zu 2% zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine zwischenzeitlich insolvente Gesellschaft mit beschränkter Haftung österreichischen Rechts (Ges.mbH) mit Sitz in A. Sie ist eine Schwestergesellschaft der unter der gleichen Adresse ansässigen X-Ges.mbH (X-GmbH). Die Klägerin betrieb eine Konzertdirektion, die Gastspielreisen ausländischer Künstler in den Bereichen Konzert, Oper und Operette, Theater, Ballett und dergleichen in Deutschland veranstaltete. Seit Herbst 2000 schaltete sie in ihre Rechtsbeziehungen zu den inländischen Veranstaltern eine beteiligungsidentische GmbH (Y) mit Sitz in B ein.
Zwischen der Klägerin und der Y wurde am 15. September 2000 ein Rahmenvertrag geschlossen, in dem sich die Y verpflichtete, die Tourneeveranstaltungen der Klägerin in Deutschland durchzuführen und hierüber mit der Klägerin jeweils Absprachen zu treffen. Als Beispiel für eine solche Absprache wird auf die in den Akten befindliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Y über die Durchführung der Gastspiele mit dem … vom 10. November bis 6. Dezember 2000 verwiesen.
Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA -) gelangte zu der Auffassung, dass die Klägerin als Vergütungsschuldnerin für die ausländischen Künstler als Vergütungsgläubiger die Einkommensteuer nach § 50a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung abzuführen habe und forderte sie zunächst auf, Steueranmeldungen für die Anmeldungszeiträume III/2000 bis III/2001 einzureichen.
Nachdem die Klägerin weder die angeforderten Steueranmeldungen noch Freistellungsbescheinigungen für die an die Künstler gezahlten Vergütungen noch Unterlagen über die den Gastspielreisen zugrundeliegenden Honorarvereinbarungen mit den Künstlern vorgelegt hatte, erließ das FA für die Klägerin als Vergütungsschuldnerin der zweiten Stufe (im Verhältnis zu den auftretenden Künstler-Ensembles als Vergütungsgläubigern der zweiten Stufe) mit Datum vom 30. August 2002 einen Haftungsbescheid, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden. Die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug ermittelte das FA, indem es Kontrollmitteilungen über die von der Y mit den inländischen Veranstaltern abgeschlossenen Auftrittsvereinbarungen auswertete. Hierbei wurde die Klägerin gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG für die von den ausländischen Künstlern geschuldete Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag für die Anmeldungszeiträume III/2000 bis III/2001 in Höhe von 1.639.620,81 € in Haftung genommen (Einkommensteuer 1.554.142,95 €, Solidaritätszuschlag 85.477,86 €). Die Haftungssumme setzte sich aus einem nach Bruttovergütungen von 4.587.027,50 € bemessenen Steuerabzugsbetrag zusammen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Einspruch. Im Rahmen eines gleichzeitig gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung setzte der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 17. Mai 2005 (Az. I B 108/04) die Vollziehung des Bescheids für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von 1.329.665 € aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den BFH-Beschluss Bezug genommen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015 setzte das FA die Haftungsschuld auf 825.650,77 € (782.607,38 € Einkommensteuer, 43.043,39 € Solidaritätszuschlag) herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Abweichend vom ursprünglichen Haftungsbescheid nahm das FA die Klägerin nicht mehr für Vergütungen in Haftung, die Gastspiele von Künstlern betrafen, die gemäß den beim BFH eingereichten Unterlagen nicht über die Klägerin, sondern über die X-GmbH gebucht worden sind (IV. Quartal 2000: 1.480.000 DM; I. Quartal 2001: 1.735.000 DM; II. Quartal 2001: 20.800 DM; gesamt 3.235.800 DM) sowie die an das … geleistete Vergütung in Höhe von 13.600 DM. Darüber hinaus folgte das FA dem Hinweis des BFH, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Nettovergütung vereinbart worden sei und setzte einen Steuerabzug von 25% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag auf die um die Umsatzsteuer von 7% erhöhten Vergütungsbeträge an.
Nachdem die Klägerin auch für die folgenden Vergütungszeiträume bis 2005 weder die vom FA angeforderten Steueranmeldungen noch Freistellungsbescheinigungen vorgelegt hatte, erließ das FA mit Datum jeweils vom 23. Januar 2006 gegenüber der Klägerin als Vergütungsschuldnerin für die ausländischen Künstler als Vergütungsgläubiger fünf Haftungsbescheide gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG (jeweils für ein Jahr) für die Anmeldungszeiträume IV/2001 bis II/2005. Hierbei legte das FA geschätzte Besteuerungsgrundlagen zugrunde. Die Bemessungsgrundlage für den unterbliebenen Steuerabzug ermittelte das FA, indem es Kontrollmitteilungen über die von der Klägerin mit den inländischen Veranstaltern abgeschlossenen Auftrittsvereinbarungen auswertete und die darin vereinbarten Vergütungen jeweils zur Hälfte der Klägerin und der X-GmbH als an die ausländischen Künstler weitergeleitete Vergütungen zurechnete. Die Klägerin wurde darin für folgende Haftungsbeträge in Anspruch genommen:
Bei der Ermittlung der Haftungssummen ging das FA davon aus, dass sich die Klägerin zur Übernahme der im Inland anfallenden Steuern verpflichtet habe, sodass es einen Steuersatz von 33,96% auf die Vergütungen bis 2002 und von 25,35% ab 2003 anwendete.
Die gegen die Haftungsbescheide für die Anmeldungszeiträume IV/2001 bis II/2005 eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015).
Mit ihrer sowohl gegen den Haftungsbescheid für die Anmeldezeiträume III/2000 bis III/2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015 wie auch gegen die Haftungsbescheide IV/2001 bis II/2005 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin Folgendes vor:
Sie sei eine juristische Person nach österreichischem Recht, habe Theateraufführungen organisiert und unterliege dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich. Bei künstlerischen Ensembles, die von ihr für Aufführungen in Deutschland verpflichtet worden seien, handle es sich regelmäßig um staatliche, städtische oder nicht auf Gewinn ausgerichtete Ensembles. Das hessische Finanzgericht (Urteil vom 27.7.2010 4 K 982/09) habe festgestellt, dass in solchen Fällen die Einbehaltungs- und Abführungspflicht nach § 50a Abs. 4 EStG daran anknüpfe, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger (Theaterensemble) der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte erziele. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung seien Zahlungen nicht der Einkünfteerzielung zuzuordnen, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinn getragen seien. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Einkunftserzielungsabsicht trage das FA, da sich dieses auf das Vorhandensein steuerpflichtiger Einkünfte berufe. Sie legte Bestätigungen über die Subventionierung ausländischer Ensembles vor, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.
Vergütungen an in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Künstlerensembles, z.B. an das …, unterlägen bereits vom Ansatz her keiner Steuerpflicht.
Bei Rechtsbeziehungen zwischen einem deutschen und einem österreichischen Unternehmen lasse das DBA Österreich einen Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG nicht zu. Steuerpflichtig könnten nur die Vergütungen an einen aktiven Künstler mit Wohnsitz in Österreich für seine Tätigkeit in Deutschland sein. Aus diesem Grunde bestehe auch eine Steuerpflicht nach § 50a Abs. 4 EStG nur beim inländischen (deutschen) Vertragspartner. Dieser müsse gegenüber seinem Finanzamt steuerpflichtige Vergütungen i.S.d. § 50a Abs. 4 EStG anmelden und abführen.
Aufgrund des DBA Österreich entfalle für sie ein Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG. Sie habe 1984 in einem Verständigungsverfahren klären lassen, dass Deutschland nach dem DBA kein Besteuerungsrecht für die Einkünfte habe. Sie verweist auf Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom …, die sie vorlegt. Nachdem Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung des DBA aufgetreten seien, sei am 13.9.2000 erneut ein Verständigungsverfahren eingeleitet worden. In diesem Verfahren sei nach Durchführung eines Konsultationsgesprächs erneut ein fehlendes Besteuerungsrecht Deutschlands festgestellt worden und die weitere Wirksamkeit der Verständigungsvereinbarung vom BMF Wien festgestellt worden. Sie legt hierzu ein Schreiben bzw. E-Mail des BMF Österreich vom …vor.
Darüber hinaus sei § 50a Abs. 4 EStG für den Zeitraum der Steuerbemessung mangels Möglichkeit einer Nettobesteuerung nicht gemeinschaftsrechtskonform. Sie verweist auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteile vom 12.6.2003 – RS. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, IStR 2003, 458; vom 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, ECLI:EU:C:2006:630, IStR 2006, 743; vom 15.2.2007 – Rs. C-345/04 – Centro Equestre da Leziria Grande, ECLI:EU:C:2007, 96, IStR 2007, 212), in der dieser die Rechtswidrigkeit einer Bruttobesteuerung festgestellt habe. Zwar habe der EuGH das Steuerabzugsverfahren für steuerpflichtige Ein-künfte nach § 50a Abs. 4 EStG als legitim angesehen, allerdings mit dem Hinweis, dass es im Fall Scorpio (mit den Niederlanden) kein Amtshilfeabkommen und auch 1993 noch keine Gemeinschaftsrichtlinie gegeben habe. Zum Zeitpunkt, in dem im Streitfall der Steuerabzug vorgenommen worden sei, habe es sowohl eine EU-Richtlinie, wie auch – seit 1954 – ein Amtshilfeabkommen gegeben. Nach Art. 2 und dem Schlussprotokoll dieses Abkommens habe keine Besteuerung der Gesellschaft erfolgen dürfen.
Ferner seien Vergütungen für Theateraufführungen fallweise auch aufgrund des sog. Kultur-orchester-Erlasses nicht steuerpflichtig.
Die Y habe für bestimmte Vergütungen vorsorglich Steuerabzüge nach § 50a Abs. 4 EStG angemeldet. Unabhängig von der Frage der Steuerabzugsverpflichtung der Y sei jedenfalls sie, die Klägerin, ausschließlich verpflichtet, dem FA auf Anforderung die Vergütungen an die Ensembles resp. Künstler mitzuteilen, damit hier eine Steuerpflicht geprüft werden könne, da generell die Steueranmeldung durch den inländischen (nicht durch den ausländischen) Vergütungsschuldner zu erfolgen habe. Die Klägerin habe von dem FA keine Informationen erhalten, wie sich der eingeforderte Steuerabzug auf die einzelnen Projekte aufteile, so dass hier auch keine projektbezogene Stellungnahme möglich sei. Dem FA lägen zu den einzelnen Projekten ausführliche Informationen vor. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 50a Abs. 4 EStG unter Außerachtlassung der Unkosten sei vom Ansatz her unzulässig. Mit Wirkung des DBA Österreich ab 1.1.2003 trete auch die Freigrenze für Vergütungen an Künstler mit 250 € in Kraft. In Streitfall habe kein Künstler eine Vergütung erhalten, die den Freibetrag übersteige.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Haftungsbescheide und die hierzu erlassenen Einspruchsentscheidungen vom 6.11.2015 aufzuheben, hilfsweise die Zulassung der Revision.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen und verweist zu Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2018 wird Bezug genommen. Am 31.1.2018 ging bei Gericht per Telefax ein Schriftsatz des Geschäftsführers der Klägerin vom 30.1.2018 ein, auf den hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird.
II.
Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Haftungsbescheid betreffend die Anmeldungszeiträume III/2000 bis III/2001 richtet. Soweit sie sich gegen die Haftungsbescheide betreffend die Anmeldezeiträume IV/2001 bis II/2005 richtet, ist sie insoweit begründet, wie die Haftungssumme einen Betrag von insgesamt 80.795,26 € übersteigt und im Übrigen unbegründet.
1. Nach § 50a Abs. 4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (jetzt § 50a Abs. 1 EStG) wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer in bestimmten Fällen (hier nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG bei Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung einer Tätigkeit als Künstler bzw. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG bei Einkünften, die durch künstlerische Darbietungen oder durch deren Verwertung im Inland erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen) im Wege des Steuerabzugs erhoben. In diesen Fällen muss der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vornehmen und die einbehaltene Steuer an das zuständige Finanzamt abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Der Vergütungsschuldner haftet für die einzubehaltende und abzuführende Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG); soweit er seine Verpflichtungen nicht erfüllt, kann das Finanzamt die Steuer bei ihm durch Haftungsbescheid anfordern (§ 73g EStDV – Einkommensteuer-Durchführungsverordnung).
2. Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 4 EStG knüpft daran an, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte (§ 1 Abs. 4 EStG) erzielt. Sie setzt mithin voraus, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten Zahlungen aus der Sicht des Vergütungsgläubigers dem Einkünftekatalog des § 49 EStG unterfallen. Ist das nicht der Fall, so scheidet mangels einer abzuführenden Steuer eine Haftung des Vergütungsgläubigers nach § 50a Abs. 5 EStG i.V.m. § 73g EStDV aus.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Zahlungen nicht der Einkunftserzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche „Liebhaberei“ darstellen (BFH-Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2002, 861). Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663). Eine Zahlung, die auf einer solchen Leistung beruht, unterliegt deshalb bei dem Empfänger nicht der Einkommensteuer und löst für den Zahlenden keine Einbehaltungs- und Abführungspflicht i.S. des § 50a Abs. 4 EStG aus (BFH in BStBl II 2002, 861).
Eine Zuordnung der vorliegenden Einkünfte der Vergütungsgläubiger zu den einzelnen Einkunftsarten gemäß § 49 Abs. 1 EStG – in Betracht kommen hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummer 3 und 4 gehören, durch künstlerische Darbietungen oder durch deren Verwertung im Inland erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG) oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) – erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der im In- und Ausland gegebenen Tatbestandsmerkmale. Ob eine bestimmte Leistung der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der Liebhaberei zuzuordnen ist, muss daher bei beschränkt Steuerpflichtigen nach denselben Kriterien beurteilt werden wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (BFH in BStBl II 2002, 861). Bei der Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht ist somit auf die zu beurteilende Tätigkeit der Zahlungsempfänger in ihrer Gesamtheit abzustellen.
Es kann ausgeschlossen werden, dass die von der Klägerin engagierten ausländischen Künstlerensembles unabhängig von der Frage nach ihrer Rechtsform ihre Tätigkeit im Inland nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt haben. Gegen eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht spricht insbesondere, dass es sich um professionelle Theater- und Musikgruppen gehandelt hat, die europaweite Tourneen durchführen. Anhaltspunkte, dass diese die betreffenden Leistungen nicht aus Gründen des Strebens nach Gewinn erbracht haben, sondern aus persönlichen Motiven, fehlen (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663). Die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln in ihrem Heimatland, wie von der Klägerin durch Vorlage von Bescheinigungen einiger Künstlerensembles geltend gemacht, spricht nicht gegen die Gewinnerzielungsabsicht der Ensembles (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778). Ausweislich der in den Akten vorhandenen Gastspielprogramme und Kontrollmitteilungen werden vor allem populäre Opern, Operetten, Musicals und Balletts gespielt, größtenteils von Bühnen, die für konventionelle und werktreue Inszenierungen bekannt sind (vgl. …), ein möglichst breites Publikum ansprechen und damit einen größtmöglichen kommerziellen Erfolg versprechen. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass unter diesen Voraussetzungen nicht das Streben nach Gewinn, sondern ausschließlich hehre künstlerische Ziele der Zweck der Aufführung ist. Auch soweit in der als Anlage 6 zur Klagebegründung vorgelegten Erklärung des … mitgeteilt wird, dass das Ballett eine Haushaltsinstitution der Selbstverwaltung ist, die von der Stadt … unterhalten wird und nach dem Non-Profit-Prinzip arbeitet und wirtschaftet, spricht dies nicht gegen die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Die Arbeit nach dem „Non-Profit-System“ schließt eine Gewinnerzielungsabsicht nicht generell aus, was u.a. auch dadurch belegt wird, dass auch nach deutschem Recht gemeinnützige Körperschaften sich z.B. im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs mit Gewinnerzielungsabsicht betätigen können (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Auflage, 7.33; FG München, Urteil vom 19. Juli 2010 7 K 472/08, EFG 2010, 1921). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. In dem von der Klägerin angeführten nicht veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 27. Juli 2010 4 K 982/09, bei dem Vergütungsgläubiger offensichtlich ein US-amerikanisches Musikensemble war, welches nach amerikanischen Recht als Non-Profit-Organisation eingestuft war, fehlten dem Gericht konkrete Anhaltspunkte, die eine Gewinnerzielungsabsicht hätten belegen könnten. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar, da nach Auffassung des Senats ausreichend Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielungsabsicht der Vergütungsschuldner gegeben sind, so dass sich für den Senat insoweit keine Zweifel ergeben.
3. Soweit sich die Klägerin auf den BMF-Erlass vom 20.07.1993 VV DEU BMF 1983-07-20 IV B 4-S. 2303-34/83, BStBl I 1983, 382 (Kulturvereinigungserlass), ergänzt durch BMF-Schreiben vom 30.05.1995 VV DEU BMF 1995-05-30 IV B 4-S. 2303-63/95, BStBl I 1995, 336 beruft, wonach ausländische Kulturvereinigungen, soweit eine Freistellung im Inland nicht schon nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu erfolgen hat, von der inländischen Einkommensteuer nach § 50 Abs. 7 EStG freizustellen sind, wenn ihr Auftritt im Inland wesentlich aus inländischen oder ausländischen öffentlichen Mitteln gefördert wird, so ist ihr entgegenzuhalten, dass dieser eine Abstandnahme vom Steuerabzug nur zulässt, wenn eine entsprechende Bescheinigung vom Bundesamt für Finanzen ausgestellt und dem zum Steuerabzug Verpflichteten vorgelegt wird. Da diese Voraussetzungen nicht vorliegen, durfte die Klägerin den Steuerabzug nicht unterlassen. Gleiches gilt, soweit sich ein entsprechender Freistellungsanspruch aus einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ergibt.
4. Das FA hat die Klägerin zu Recht durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen, da ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie in den Streitjahren Zahlungen an ausländische Künstler, die bei diesen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Deutschland steuerpflichtig sind, geleistet hat. Unstreitig hat die Klägerin selbst mit den ausländischen Künstlern Verträge abgeschlossen und war diesen gegenüber Vergütungsschuldnerin, so dass sie den Tatbestand des § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG verwirklicht hat. Da die Klägerin vorgetragen hat, insbesondere im Beschwerdeverfahren I B 108/04 vor dem BFH, dass ein Teil der in Deutschland aufgeführten Gastspiele „über die unter der gleichen Adresse wie die Antragstellerin ansässige Schwestergesellschaft X-GmbH gebucht wurden“, hat das FA dem dadurch Rechnung getragen, dass es die gemäß Mitteilung gegenüber dem BFH im Zeitraum Oktober 2000 bis April 2001 über die X-GmbH gebuchten Veranstaltungen nicht mehr der Klägerin, sondern der X-GmbH zurechnete und die für den Zeitraum Mai 2001 bis April 2005 im Schätzungsweg anhand des vorliegendem Kontrollmaterials ermittelten Vergütungen mangels genauerer Angaben jeweils zur Hälfte der Klägerin und der X-GmbH zurechnete. Die vom FA für den Zeitraum Oktober 2000 bis April 2001 der Schätzung zugrunde gelegten Vergütungen hat das FA dadurch ermittelt, dass es die Veranstaltungen gemäß der der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2003 beigefügten „Anlage zur Darstellung der Haftungsgrundlage der X-Ges.mbH“ zugrunde legte und aus dieser Veranstaltungen herausrechnete, die gemäß den beim BFH im Verfahren I B 108/04 eingereichten Unterlagen Aufführungen von über die X-GmbH gebuchte Künstler betrafen. In welchem Umfang in den Anmeldezeiträume IV/2001 bis II/2005 Gastspielensembles über die Klägerin gebucht worden sind, konnte das FA nicht feststellen, da die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Steueranmeldungen nicht nachgekommen ist. Da das FA auch auf andere Weise die Höhe der dem Steuerabzug unterliegenden Vergütungen nicht feststellen konnte, durfte es die dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterliegenden Vergütungen schätzen (§ 162 Abs. 1 Abgabenordnung – AO -). Das Gericht hält die vom FA angewandte Schätzungsmethode zur Ermittlung der Zahlungen an ausländische Künstler für vertretbar. Die Klägerin hat weder gegenüber dem FA, noch im gerichtlichen Verfahren Angaben zur Höhe der Zahlungen gemacht, wozu sie aber auf Grund ihrer Beweisnähe verpflichtet gewesen wäre. Sie ist ihrer Anmeldepflicht nicht nachgekommen und hat keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Zahlungen an ausländische Künstler der Höhe nach abschließend feststellen lassen. Da die Tatsachen und Beweismittel aus dem Wissens- oder Tätigkeitsbereich der Klägerin stammen und sie außerdem bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, führt dies nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO und in rechtsanaloger Anwendung von § 444 Zivilprozessordnung (ZPO) zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz. 70 ff.). Bei der Schätzung der Höhe der an ausländische Vergütungsgläubiger geleisteten Zahlungen hat sich das FA an die in den Kontrollmitteilungen über die von der Y mit inländischen Veranstaltern abgeschlossenen Auftrittsvereinbarungen ausgewiesenen Zahlen orientiert. Vergütungen an in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Künstlerensembles wie das … hat das FA nicht einbezogen. Die Annahme, dass davon 50% auf Gastspielensembles entfallen, die über die Klägerin gebucht worden sind, hält der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte für vertretbar. Diese Schätzung ist schlüssig, ihre Ergebnisse wirtschaftlich vernünftig und möglich (vgl. Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung, § 162 Rz. 20 und 22). Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass das FA die geschätzten Vergütungen im Grundsatz in der Höhe ermittelt hat, wie gemäß dem vorliegenden Kontrollmaterial seitens der inländischen Veranstalter Zahlungen an die Y für die betreffenden Veranstaltungen erfolgt sind, obwohl die Klägerin nach ihren Angaben geringere Zahlungen an die Künstler geleistet hat. Die Klägerin hat nur unvollständige bzw. ab IV/2001 keine Unterlagen über die Gastspiele eingereicht. Insbesondere hat sie das FA über ihre Vertragsbeziehungen zu den ausländischen Künstlern vollständig im Unklaren gelassen und keinen einzigen Künstlervertrag offengelegt. Da sie ihrer Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht zur Ermittlung der einzubehaltenden Abzugssteuern nicht nachgekommen ist, war es auch weder möglich, die Vollständigkeit der erfassten Veranstaltungen zu überprüfen noch zu ermitteln, welche zusätzlichen Kosten die Klägerin den Künstlern, z.B. als Reise- und Übernachtungskosten, ersetzt hat, obwohl auch die zusätzlich zur künstlerischen Gage bezahlten Beträge (Nebenleistungen) der Abzugssteuer unterliegen (BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 64/99, BStBl II 2003, 641). Die Klägerin hat durch ihr schwerwiegendes pflichtwidriges Verhalten Anlass zu der Schätzung gegeben und muss es daher hinnehmen, dass ein gröberes Schätzungsverfahren zur Anwendung kommt und die Schätzung dabei auch zu ihrem Nachteil ausfallen kann (BFH-Beschluss vom 7. April 2009 XI B 115/08, BFH/NV 2009, 1085). Soweit der ehemalige steuerliche Vertreter der Klägerin und ihrer Schwestergesellschaften mit Schreiben vom 24.04.2008 dem FA Zusammenstellungen zu den Veranstaltungen der Y für die Saison 2000/2001 vorgelegt hatte und darin die von der Y an die Klägerin gezahlten Beträge ausgewiesen hat und eine Kostenzusammenstellung für diese Gastspiele beigefügt hat, so sind diese Unterlagen nicht aussagekräftig genug, um eine Herabsetzung der Schätzung der von der Klägerin geleisteten abzugspflichtigen Vergütungen zu rechtfertigen, zumal die Klägerin das Schreiben des FA vom 07.10.2008, mit dem ergänzende Angaben und Unterlagen angefordert wurden, nicht beantwortet hat. Die genaue Ermittlung der Höhe der steuerabzugspflichtigen Honorare nebst Nebenkosten hätte die Abgabe von Steueranmeldungen erfordert, welche die Klägerin hartnäckig verweigert hat. Die Kostenzusammenstellungen mit pauschalen und im Einzelnen nicht überprüfbaren Zahlen erfüllen schon deshalb nicht die notwendigen Voraussetzungen für den Abzug von in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Dienstleister zusammenhängenden Betriebsausgaben (siehe nachfolgend Ziff. 8), weil es sich nicht um Betriebsausgaben der Vergütungsgläubiger handelt.
5. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Anwendung der Milderungsregelung in § 50a Abs. 4 Satz 5 EStG, bei dem es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen Freibetrag von 250 € je Künstler und Darbietung handelt, sondern um einen gestaffelten Steuersatz, der den besonderen Risiken einer Überbesteuerung durch zu hohe Quellensteuersätze Rechnung trägt (Strunk in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 105. Lieferung, § 50a, Rz. 46). Eine Aufteilung der Vergütung nach der Anzahl der die Darbietung umfassenden Personen ist nur vorzunehmen, wenn Gläubiger der Vergütung mehrere Personen sind. Im Streitfall hat die Klägerin die Verträge mit den Vergütungsgläubigern zwar nicht vorgelegt, jedoch ist es aufgrund der vorliegenden Informationen und Unterlagen offensichtlich, dass keine Verträge mit den Ensemblemitgliedern, sondern mit der jeweiligen Körperschaft, bei welcher die Künstler engagiert waren, abgeschlossen wurden, denn wie die Klägerin selbst vorträgt, waren Vergütungsschuldner überwiegend kommunale und staatliche Ensembles. Eine Aufteilung auf die beteiligten Personen ist in diesem Fall nicht vorzunehmen, da der Steuerabzug für die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte einer juristischen Person vorzunehmen ist (BMF-Erlass vom 01.08.2002 – VV DEU BMF 2002-08-01 IV A 5-S. 2411-33/02, BStBl I 2002, 709). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ausländische Vergütungsgläubiger in Einzelfällen in der Rechtsform einer Personengesellschaft organisiert waren; dies würde aber an dem Ergebnis nichts ändern, da in diesem Fall eine Aufteilung der Gesamtvergütung nach Köpfen nur vorzunehmen wäre, soweit an der Personengesellschaft ausschließlich die auftretenden Personen beteiligt sind (BMF vom 25.11.2010, IV C 3-S 2303/09/10002, FMNR5df000010, BStBl I 2010, 1350). Dies kann im Streitfall nach den gesamten Umständen ausgeschlossen werden.
6. Die Klägerin war als Vergütungsschuldner im Sinne von § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der Künstler vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das FA abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG). Da sie diese Verpflichtung nicht erfüllt hat und deshalb für die einzubehaltende und abzuführende Steuer haftet (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG), war das FA berechtigt, die Steuer bei ihr durch Haftungsbescheid anzufordern (§ 73 EStDV). Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung dergestalt entnehmen, dass – wie die Klägerin meint – nur Vergütungsschuldner, die im Inland über eine Betriebsstätte oder eine vergleichbare Einrichtung verfügen, zum Steuerabzug verpflichtet sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist vielmehr ausreichend, dass Entgelte an Künstler oder für die Verwertung künstlerischer Darbietungen im Inland entrichtet werden, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig sind. Das Anbieten oder Verwerten künstlerischer Veranstaltungen im Inland rechtfertigt die Verpflichtung zum Steuerabzug für Rechnung der Künstler auch für Vergütungsschuldner, die über keine Betriebsstätte oder vergleichbare Einrichtung im Inland verfügen. Die an eine Betätigung im Inland anknüpfende beschränkte Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers stellt nach der Rechtsprechung des BFH den für die Verpflichtung zum Steuerabzug erforderlichen Inlandsbezug her (BFH-Urteil vom 22. August 2007 I R 46/02, BStBl II 2008, 190 m.w.N.; Gosch in Kirchhof, EStG, 16. Auflage 2017, § 50a EStG Rdnr. 33; Loschfelder in Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 50a EStG Rdnr. 9; a.A. Maßbaum in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 282. Lieferung 10.2017, § 50a EStG m.w.N.).
7. Ob einzelne DBA das Besteuerungsrecht für die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte der ausländischen Künstler dem ausländischen Wohnsitzstaat zuweisen, hat ebenso wenig Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG) wie die in den jeweiligen DBA verankerten Diskriminierungsverbote (BFH-Urteil vom 21. Mai 1997 I R 79/96, BStBl II 1998, 113; Kube in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50a, A 50). Die Schwierigkeiten des Fiskus bei der Durchsetzung von Steuerforderungen gegenüber ausländischen Künstlern für deren inländische Auftritte rechtfertigen den Steuerabzug (BFH-Urteil vom 22. August 2007 I R 46/02, BStBl II 2008, 190). Denn gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem Steuereinbehalt und der Steuerabführung hätte die Klägerin nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG nur dann absehen dürfen, wenn sie die Steuerfreistellung ihrer Einkünfte im Abzugsverfahren durch eine Bescheinigung des damaligen Bundesamtes für Finanzen nachgewiesen hätte. Dies ist jedoch – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht geschehen.
Unerheblich für die innerstaatliche Haftung der Klägerin für die nicht abgeführte Abzugsteuer auf von ihr gegenüber den ausländischen Künstlern geschuldeten Vergütungen ist eine mögliche Freistellung der von ihr selbst im Inland erzielten Einkünfte aus der Durchführung der im Inland ausgeübten künstlerischen Darbietungen nach dem DBA Österreich (BFH, Beschluss vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778). Das DBA Österreich spielt für die Abzugssteuer, die die Klägerin für Rechnung der ausländischen Künstler abzuführen hat und für die sie nicht Steuerschuldnerin, sondern lediglich Haftungsschuldnerin ist, keine Rolle, denn § 50a EStG und das DBA haben insoweit unterschiedliche Regelungsgegenstände. Während das DBA Besteuerungsrechte zuordnet, betrifft § 50a EStG allein die Vornahme des Steuerabzugs bei bestimmten beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigern. Daher kommt es nicht zu einer Überlagerung der Regelungen des § 50a EStG durch DBA-Recht (Kube in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50a, A 49; ähnlich Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 282. Lieferung 10.2017, § 4 EStG Rdnr. 10). Auch das Verständigungsverfahren nach Art. 21 DBA Österreich, auf das sich die Klägerin beruft, hat mit der Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin nichts zu tun, sondern betrifft ihre eigenen gewerblichen Einkünfte, die sie in der Bundesrepublik Deutschland erzielt.
8. Der Senat teilt auch die Bedenken der Klägerin gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG nicht.
Der Bereich der direkten Steuern fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft; die Mitgliedstaaten müssen die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (EuGH-Urteil vom 14.02.1995 C-279/93 – Schumacker, Entscheidungen des EuGH -EuGHEI 1995, 225). Insofern ist die europäische Dienstleistungsfreiheit zu beachten. Nach Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (-AEUV-) sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der Art. 56 ff. AEUV verboten. Gemäß Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Nach der Rechtsprechung des EuGHs verlangt die Dienstleistungsfreiheit die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die darauf beruhen, dass der Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung erbracht wird (EuGH-Urteil vom 26.02.1991 C-180/89 – Kommission/Italien, Slg. 1991, I-709 m. w. N.). Dabei verleiht die Dienstleistungsfreiheit nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (EuGH-Urteil vom 26.10.1999, C-294/97 – Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447 m. w. N.).
Mit Urteil vom 03.10.2006 (Rs. C-290/04 – Scorpio, a. a. O.) hat der EuGH entschieden, dass die Art. 56 und 57 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt. Zwar können solche Rechtsvorschriften Dienstleistungsempfänger davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen, und somit eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen. Sie sind jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der Einkommensteuer zu gewährleisten. Das Steuerabzugsverfahren stellt, zumindest wenn es keine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere Regelung über die gegenseitige Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderungen gibt, ein verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats dar. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 18.10.2012 (Rs. C-498/10 – X, IStR 2013, 26 Tz. 47) nun auch für die Zeit der Geltung der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG ab dem 01.07.2002 bestätigt. Soweit eine nationale Regelung durch die Verpflichtung zum Einbehalt einer Quellensteuer wegen des zusätzlichen Verwaltungsaufwands eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs bewirkt, kann diese Beschränkung – auch in Anbetracht der Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung im Bereich der Beitreibung der Steuern – durch die Notwendigkeit, eine effiziente Erhebung der Steuer zu gewährleisten, gerechtfertigt sein (Tz. 53 des Urteils). Der Auffassung hat sich der BFH im Hinblick auf bestehende bilaterale Vereinbarungen über Amts- und Vollstreckungshilfe angeschlossen: Die möglichen grenzüberschreitenden Amtshilfe- oder Vollstreckungsersuchen können die Nachteile, die der Finanzverwaltung aus ihrer fehlenden Ermittlungsmöglichkeit im EU-Ausland erwachsen, nicht ausgleichen (BFH-Urteil vom 05.05.2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814). Durch diese neue Rechtsentwicklung ist auch das von der EU-Kommission am 26.3.2007 gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV (Az. 1999/4852) überholt (vgl. Gosch in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 2017, § 50a EStG Rdnr. 2).
Darüber hinaus hat der EuGH jedoch entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften die Dienstleistungsfreiheit verletzen, wenn der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeit im Mitgliedsstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte der Steuer unterliegen. Das gilt jedoch nicht für nur mittelbar mit jener Tätigkeit zusammenhängende Betriebsausgaben; diese sind gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren zu berücksichtigen (Urteile vom 03.10.2006, Rs. C-290/04 – Scorpio, a. a. O., und vom 15.02.2007, Rs. C-345/04 – Centro Equestre da Leziria Grande, Slg. 2007, I-1425, BFH/NV 2007, Beilage 3, 277).
Nach Maßgabe dieser – aufgrund des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht verbindlichen – Auslegung von Art. 56 und 57 AEUV durch den EuGH sind § 50a Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG, gemäß denen der Steuerabzug 25% bzw. 20% der Einnahmen ohne Abzug von Betriebsausgaben beträgt, in gemeinschaftsrechtskonformer Weise auszulegen: Dem Vergütungsschuldner mitgeteilte Aufwandspositionen sind prinzipiell bereits bei Vornahme des Steuerabzugs zu berücksichtigen. Ansonsten bleibt es für den Vergütungsgläubiger bei dem Erfordernis, ein Freistellungs- oder Erstattungsverfahren einzuleiten und innerhalb dieses Verfahrens seine beschränkte Steuerpflicht zu klären. Ein Grund dafür, das Abzugsverfahren wegen dessen vorbehaltloser tatbestandlicher Orientierung an der geleisteten Bruttovergütung gänzlich unangewendet zu belassen, besteht nicht. Es genügt, die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen in normerhaltender Weise zu reduzieren, die Norm aber als solche weiter anzuwenden. Eine weitergehende Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu (BFH-Urteil vom 10.01.2007 I R 87/03, BStBl II 2008, 22; BFH-Beschluss vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228, BFHE 219, 300; Gosch, DStR- 2007, 1553, 1554 ff.; bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 09.02.2010 2 BvR 1178/07, BFH/NV 2010, 1069).
Nach diesen Grundsätzen können im vorliegenden Verfahren – soweit es sich um Vergütungen an Künstler handelt, auf die die Rechtsvorschriften der Europäischen Union Anwendung finden (vgl. § 50a Abs. 3 Satz 2 EStG n.F.) – keine Betriebsausgaben der Vergütungsgläubiger berücksichtigt werden, denn bis zur Abgabe der Steueranmeldung und Abführung der Steuer hatte die Klägerin keine ihr mitgeteilten Betriebsausgaben der Vergütungsgläubiger geltend gemacht. Der Steuerabzug von den geleisteten Vergütungen ohne Abzug von Betriebsausgaben ist deshalb nicht zu beanstanden.
9. Das FA ist in den Haftungsbescheiden für die Anmeldungszeiträume IV/2001 bis II/2005 davon ausgegangen, dass sich die Klägerin zur Übernahme der im Inland anfallenden Steuern verpflichtet habe, hat also eine Nettolohnvereinbarung unterstellt, sodass es einen Steuersatz von 33,96% auf die Vergütungen bis 2002 und von 25,35% ab 2003 anwendete. Das ist jedoch unzutreffend. Zwar hat die Klägerin die Verträge zwischen ihr und den Vergütungsgläubigern nicht vorgelegt. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass sich darin Regelungen über die Übernahme der im Inland anfallenden Ertragsteuern befinden. Demzufolge haben die Vergütungsgläubiger Anspruch auf die vereinbarte Vergütung und haben als Steuerschuldner die darauf anfallenden Steuern selbst zu zahlen. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Vertragspartner sich darauf geeinigt hätten, dass die Vergütungsgläubiger Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung zuzüglich der von ihnen zu zahlenden Steuern haben, dass also die Klägerin als Vergütungsschuldnerin die vereinbarte Vergütung als Nettovergütung an die Vergütungsgläubiger auszahlt und zudem die daraus geschuldeten Steuern übernimmt. Eine solche Vereinbarung kann jedoch nicht bereits dann unterstellt werden, wenn sich später herausstellt, dass der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht vorgenommen hat und deshalb als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird (gl.A. FG-Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2012 12 V 12204/11, EFG 2012, 1352; Gosch in Kirchhof, EStG, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 50a Rn. 28; Grützner, IStR 2003, 346, 347; a.A. Holthaus, IStR 2002, 664). Erforderlich ist vielmehr eine entsprechende Einigung der Vertragsparteien darüber, dass die Nettovergütungen ausgezahlt werden sollen und der Vergütungsschuldner zusätzlich die anfallenden Steuern zu entrichten hat. In offensichtlicher Ermangelung einer solchen vertraglichen Regelung zwischen der Antragstellerin und den Vergütungsgläubigern ist nicht von einer Nettovereinbarung auszugehen.
Allerdings ist in die der Abzugssteuer nach § 50a Abs. 4 EStG unterliegenden Vergütungen die Umsatzsteuer einzubeziehen, die Teil des vom Vergütungsschuldner geschuldeten Entgelts ist, unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Vergütungsgläubiger gezahlt hat oder ob auf Grund der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV a.F. von der Entrichtung der Umsatzsteuer und seiner Geltendmachung als Vorsteuer abgesehen wurde. Daran hält die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH auch nach Aufhebung des § 52 UStDV 1993/1994 und der Ersetzung durch das sog. Reverse-Charge-Verfahren in § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 fest (BFH-Urteile vom 5. Mai 2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814 und I R 105/08, BFH/NV 2010, 2043). Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG kommt nicht in Betracht, da keine entsprechenden Bescheinigungen der Landesbehörden vorgelegt wurden. Daher wird bei der Ermittlung der Haftungsgrundlagen die Umsatzsteuer mit 7% (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG) berücksichtigt.
Die Abzugssteuern sind demensprechend auf folgende Beträge herabzusetzen:
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, erneut über die Frage zu entscheiden, ob ein ausländischer Vergütungsschuldner, der über keine Betriebsstätte oder vergleichbare Einrichtung im Inland verfügt, der Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 4, 5 EStG unterliegt.


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