Steuerrecht

Heranziehung zur Gewerbesteuer für die Jahre 2011 bis 2013

Aktenzeichen  M 10 K 18.5943

Datum:
30.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7936
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 2, § 45 Abs. 1 S. 1, § 122, § 124 f., § 157 Abs. 1 S. 2, § 184, § 233a, § 237, § 351 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124, § 124 a Abs. 4, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1, 2
BGB § 738
HGB § 131 Abs. 3 Nr. 2, § 161 Abs. 2
GewStG § 14, § 16
ZPO § 709

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der zuletzt erlassene Gewerbesteuerbescheid vom 25. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Bescheid vom 25. November 2019 ist entgegen des klägerischen Vortrags nicht mangels Bekanntgabe nichtig.
Gem. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO, der gem. §§ 3 Abs. 2, 1 Abs. 2 Nr. 3 AO auf die Gewerbesteuer anwendbar ist, wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Gem. § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Die Person, für die der Verwaltungsakt „bestimmt ist“, ist der Inhaltsadressat der Regelung, der damit i.d.R. auch Bekanntgabeadressat ist. Wer richtiger Inhaltsadressat ist, ergibt sich aus den materiell-rechtlichen Vorschriften des Steuerrechts. Für die Frage der Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts ist es ohne Bedeutung, ob der im Verwaltungsakt bezeichnete Inhaltsadressat auch der nach materiellem Recht richtige Inhaltsadressat ist. Ist das nicht der Fall, ist der Verwaltungsakt zwar unter Umständen materiell-rechtswidrig, aber nicht wegen fehlerhafter Bekanntgabe unwirksam (Füssenich in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, 11. Edition Stand: 1.1.2020, § 122 Rn. 67; Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 122 Rn. 22, § 125 Rn. 7). Wer Inhaltsadressat des Verwaltungsakts ist, muss sich zweifelsfrei anhand des Verwaltungsakts bestimmen lassen (Füssenich, a.a.O Rn. 69). Ausreichend ist daher, dass der Adressat bestimmbar ist.
Vorliegend ist die Klägerin im Bescheid vom 25. November 2019 mit ihrem vollständigen, so im Handelsregister eingetragenen Namen als Adressatin bezeichnet, sodass zweifelsfrei bestimmt ist, an wen der Bescheid gerichtet ist.
Im Fall des Eintritts einer Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Erbfolge, Rechtsnachfolge in das Sondervermögen einer Personengesellschaft kraft Anwachsung gem. § 738 BGB oder einer Verschmelzung, Spaltung, Vermögensnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz) sind Verwaltungsakte an den Rechtsnachfolger zu richten. Der an einen Gesamtrechtsnachfolger gerichtete Verwaltungsakt ist unter Nennung seines Namens und unter Angabe des Rechtsnachfolgeverhältnisses bekannt zu geben (Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 122 Rn. 49; BFH, U.v. 29.1.2003 – I R 38/01 – juris Rn. 15).
Diesen Anforderungen genügt die Bezeichnung im Bescheid vom 25. November 2019. Der Vertreter der Klägerin führt aus, dass für die Klägerin bzw. deren Geschäftsführerin nicht erkennbar gewesen sei, was unter der Abkürzung „RNF“ im Bescheid vom 25. November 2019 zu verstehen sei. Für einen Durchschnittsmenschen sei nicht ersichtlich, dass damit das Wort „Rechtsnachfolger“ abgekürzt werde. Dem ist jedoch damit zu begegnen, dass gerade aufgrund des vorangegangen Behörden- und Gerichtsverfahrens für die Klägerin bzw. deren Geschäftsführerin erkennbar war, dass es sich dabei um eine Abkürzung für das Wort „Rechtsnachfolger“ handelt. Dass die Beklagte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH & Co. KG in Anspruch nimmt, ist einer der zentralen Punkte des bisherigen Behörden- und Gerichtsverfahrens. Insbesondere hat der Klägerbevollmächtigte bereits umfangreiche Ausführungen zur Frage der Rechtsnachfolge gemacht. Zudem wurde der Begriff im vorangegangenen Bescheid vom 31. Oktober 2018 noch ausgeschrieben. Es wäre daher lebensfremd, anzunehmen, dass jemand unter „RNF“ in diesem Zusammenhang etwas anderes als „Rechtsnachfolger“ bzw. „Rechtsnachfolgerin“ verstehen würde.
Zudem ergibt sich aus dem Erfordernis der Angabe des Rechtsnachfolgeverhältnisses nicht, dass die konkrete Art des Rechtsnachfolgeverhältnisses angegeben werden muss. Entscheidend ist die Angabe, dass die Adressatin als Rechtsnachfolgerin in Anspruch genommen wird. Zunächst ist hier anzuführen, dass es für die Klägerin nicht darauf ankommt, ob sie als Rechtsnachfolgerin oder Gesamtrechtsnachfolgerin bezeichnet wird. Für sie ist zweifelsfrei erkennbar, dass sie als einzig verbliebene Gesellschafterin nach dem Erlöschen der GmbH & Co. KG für eine Steuerschuld in Anspruch genommen wird, die sich aus der Geschäftstätigkeit der GmbH & Co. KG ergibt. Andere Rechtsnachfolger kommen daher nicht in Frage, sodass es einer Konkretisierung insofern nicht bedarf. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 45 AO. Danach gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Die Norm, auf der die steuerliche Inanspruchnahme der Klägerin beruht, lässt daher von sich aus den Begriff des „Rechtsnachfolgers“ genügen und spricht nicht vom „Gesamtrechtsnachfolger“, obwohl sie gerade die Steuerpflicht des Rechtsnachfolgers im Fall der Gesamtrechtsnachfolge regelt (vgl. hierzu insbesondere auch BFH, U.v. 29.01.2003 – I R 38/01 – juris Rn. 15).
Der Beschluss des Bundesfinanzhofs, aus dem der Klägerbevollmächtigte herleiten will, dass es der Angabe der Art des Rechtsnachfolgeverhältnisses bedarf, behandelt einen völlig anderen Fall als den hier vorliegenden. Dort wurde ein Bescheid an „die Erbengemeinschaft“ gerichtet (BFH, B.v. 29.3.1972 – II S 12/71 – BFHE 105, 98). Stattdessen ist der oben geschilderte Grundsatz, dass sich der Adressat eine Verwaltungsakts anhand des Verwaltungsakt bestimmen lassen können muss, hier so anzuwenden, dass für die Klägerin jedenfalls klar erkennbar war, warum sie von der Beklagten in Anspruch genommen wird und daher die Angabe „als RNF“ genügt (vgl. zur Bestimmbarkeit des Inhaltsadressaten FG München, U.v. 14.9.2017 – 13 K 3144/15 – juris Rn. 70 ff.).
Das Gericht geht nicht davon aus, dass es für die Frage einer wirksamen Bekanntgabe auf die Frage ankommt, ob die Klägerin tatsächlich Rechtsnachfolgerin geworden ist, da dies eine Frage der Steuerschuld der Klägerin ist, die im Grundlagenbescheid, also vorliegend dem Gewerbesteuermessbescheid vom 15. November 2019, für den Folgebescheid, also hier den Gewerbesteuerbescheid, bindend festgelegt wird, §§ 171 Abs. 10, 184 Abs. 1 Satz 2, 351 Abs. 2 AO, und daher für die materielle Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids entscheidend ist, nicht jedoch für die hier thematisierte Bekanntgabe. Aber selbst wenn man die Prüfung, ob tatsächlich eine Rechtsnachfolge eingetreten ist, aufgrund der zwingenden Bekanntgabe an die Klägerin als „RNF“ bzw. „Rechtsnachfolgerin“ für erforderlich hält, ist nach dem aktuellen Sach- und Rechtsstand vom Vorliegen der Rechtsnachfolge auszugehen. Das Gericht folgt dabei insbesondere den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 8. Oktober 2019 (BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 4 CS 19.717 – juris Rn. 15 ff.), in dem der Verwaltungsgerichtshof ausführlich zu dieser Frage Stellung genommen hat.
Soweit der Klägerbevollmächtigte ausführt, die Bekanntgabe sei unwirksam, da es die GmbH & Co. KG nicht mehr gebe und an sie daher keine Bescheide wirksam bekanntgegeben werden könnten, kommt es hierauf nicht an. Der Bescheid wurde − richtigerweise − an die Klägerin gerichtet, die zur Steuer herangezogen werden soll. Da die Klägerin besteht, konnte und musste an sie bekanntgegeben werden. Eine Bekanntgabe an die GmbH & Co. KG sollte gerade nicht erfolgen.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November ist rechtmäßig.
a) Formelle Mängel des Bescheids liegen nicht vor. Insbesondere ist der Bescheid der Beklagten ausreichend bestimmt. Gem. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO muss ein Steuerbescheid die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Voraussetzung für eine ausreichende Bestimmtheit ist somit unter anderem, dass sich der Inhaltsadressat zweifelsfrei aus dem Bescheid bestimmen lässt (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 157 Rn. 15). Hier verweist das Gericht auf die Ausführungen zur Bestimmtheit des Bekanntgabeadressaten unter Nr. 1. Da Inhalts- und Bekanntgabeadressat identisch sind, ist auch von einer ausreichenden Bestimmbarkeit des Inhaltsadressaten auszugehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine Rechtswidrigkeit des Bescheides auch nicht daraus, dass dem Bescheid vom 25. November 2019 eine Klarstellung hinsichtlich des Verhältnisses zu den früher ergangenen Bescheiden fehle. Der Bescheid bezeichnet die Veranlagung ausdrücklich als „Berichtigungsveranlagung“. Dadurch ergibt sich für den Adressaten zweifelsfrei, dass seine Steuerschuld nur in der zuletzt festgesetzten Höhe besteht und der Vorgängerbescheid insoweit abgeändert wird.
b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
aa) Ein wirksamer Gewerbesteuermessbescheid liegt vor.
Voraussetzung für den Erlass eines Gewerbesteuerbescheids ist das Vorliegen eines wirksamen Gewerbesteuermessbescheids als Grundlagenbescheid (vgl. § 171 Abs. 10 AO; Klomp in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, 11. Edition Stand: 1.1.2020, § 175 Rn. 54). Dies ist hier erfüllt. Am 15. November 2019 hat das Finanzamt München wirksame Gewerbesteuermessbescheide über die Steuerpflicht der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 erlassen. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten ist auch hier von einer wirksamen Bekanntgabe der Bescheide auszugehen. Es gelten auch hier die unter 1. gemachten Ausführungen. Damit liegen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung jedenfalls wirksame Gewerbesteuermessbescheide vor, sodass die Beklagte einen Gewerbesteuerbescheid erlassen durfte.
bb) Die Frage, ob die Klägerin zur Gewerbesteuer herangezogen werden kann, also steuerpflichtig ist, ist nicht im Rahmen der Prüfung des Gewerbesteuerbescheids zu thematisieren. Einwendungen hiergegen sind gegen den Gewerbesteuermessbescheid anzuführen.
Der ergangene Gewerbesteuermessbescheid ist gem. § 171 Abs. 10 AO ein Grundlagenbescheid, der darauf aufbauende Gewerbesteuerbescheid ein Folgebescheid. Gem. § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung des Grundlagenbescheids, nicht durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden. Gem. § 184 Abs. 1 Satz 2 AO wird mit der Festsetzung der Steuermessbeträge auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Dabei handelt es sich also um eine „Entscheidung“ i.S.d. § 351 Abs. 2 AO, sodass Einwendungen gegen die persönliche und sachliche Steuerpflicht gegenüber den Finanzbehörden bzw. Finanzgerichten vorzubringen sind, nicht im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. hierzu auch VG München, B.v. 4.2.2008 – M 10 S 07.5861 – juris Rn. 15 ff.).
Aber selbst, wenn man die Frage, ob die Klägerin tatsächlich Rechtsnachfolgerin der GmbH & Co. KG geworden ist, vorliegend für relevant hält, führt das zu keinem abweichenden Ergebnis. Nach dem aktuellen Sach- und Rechtsstand ist davon auszugehen, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin geworden ist. Hierzu verweist das Gericht erneut auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 4 CS 19.717, denen es folgt.
cc) Die Werte des Gewerbesteuermessbescheids wurden von der Beklagten richtig übernommen, der Hebesatz wurde zutreffend angewendet (§§ 14,16 GewStG).
dd) Die im Bescheid vom 25. November 2019 erfolgte Festsetzung von Nachzahlungszinsen ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Nachzahlungszinsen sind die §§ 233a, 237, 238 AO. Von einer Nichtigkeit des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, nach dem die Zinsen für jeden Monat einhalb Prozent betragen, geht das Gericht nicht aus. Zwar mehren sich Zweifel dahingehend, ob ein Zinssatz in dieser Höhe verfassungsgemäß ist, allerdings liegt bisher keine dahingehende obergerichtliche Rechtsprechung vor, sodass auch im vorliegenden Verfahren von der Verfassungsmäßigkeit ausgegangen wird (vgl. Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 238 Rn. 1).
Die vorliegende Festsetzung von Nachzahlungszinsen entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Der für die einzelnen Jahre 2011, 2012 und 2013 angesetzte jeweilige Beginn des Verzinsungszeitraums folgt den Vorgaben des § 233a Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 18 GewStG; das angesetzte Ende der Verzinsungszeiträume entspricht den §§ 233a Abs. 2 Satz 3, 124 Abs. 1, 122 Abs. 2 AO.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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