Steuerrecht

Kein Erlass der Grundsteuer

Aktenzeichen  W 8 K 18.1353

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11383
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GrStG § 33 Abs. 1 S. 1, S. 2
AO § 163, § 227

 

Leitsatz

1. Ein Steuerpflichtiger hat die Ertragsminderung bei einem Leerstand dann nicht zu vertreten, wenn er sich – was er nachzuweisen hat – nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat; je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, desto intensiver und nachhaltiger haben die Vermietungsbemühungen zu sein. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Erlass der Grundsteuer nach §§ 163, 227 AO kommt bei Ertragsminderung nicht in Betracht, da in diesem Fall die sachliche Unbilligkeit abschließend in den §§ 32 ff. GrStG geregelt ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Ablehnung des Erlasses der Grundsteuer mit Bescheid vom 14. September 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dass die Voraussetzungen für einen Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, ist insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 14. September 2018 zutreffend begründet. Auf diese Gründe, die sich das Gericht zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Erlaubnis sind nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen.
Anspruchsgrundlage für einen Erlass der Grundsteuer ist § 33 GrStG i.V.m. § 34 GrStG. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Grundsteuergesetz (GrStG) wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat; beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen. Normaler Rohertrag ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Gemäß § 34 Abs. 1 GrStG wird der Erlass jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres für die Grundsteuer ausgesprochen, die für das Kalenderjahr festgesetzt worden ist (Erlasszeitraum), wobei für die Entscheidung über den Erlass die Verhältnisse des Erlasszeitraums maßgeblich sind. Der Antrag ist bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen (§ 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG). Der Steuerpflichtige ist nach § 90 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet; er hat insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben (BVerwG, U.v. 14.05.2014 – Az. 9 C 1/13 – juris Rn. 19; B.v. 03.12.2014 – 9 B 73/14 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 08.12.2016 – 4 ZB 16.1583 – Rn. 13; VG Bayreuth U. v. 21.2.2018 – 4 K 17.173 – juris).
Ein Steuerpflichtiger hat die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, U. v. 25.6.2008 – 9 C 8/07 – NVwZ-RR 2008, 814/815; BayVGH, B. v. 18.1.2010 – 4 ZB 09.1962 – juris). Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (BFH, U.v. 20.10.2007 – II R 5/05 – juris). Der Begriff des Vertretenmüssens ist weit auszulegen und greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf die zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Bei der Auslegung des § 33 GrStG ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen ist. Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, desto intensiver und nachhaltiger haben die Vermietungsbemühungen zu sein (VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 6 K 13.596 – juris). Maßgeblich für die Bewertung sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, das jeweilige Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9B 37/16 – juris).
Der Kläger hat bereits unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GrStG erfüllt sind, keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer, da für den konkreten Erlasszeitraum – das Kalenderjahr 2010 – nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Kläger die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.
Weder die vom Kläger vorgelegten Unterlagen noch die Aussagen des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen sind geeignet, den Nachweis für nachhaltige Vermietungsbemühungen konkret im Kalenderjahr 2010 zu erbringen. Sowohl die vorgelegten Unterlagen als auch die Ausführungen des Zeugen genügen nicht den inhaltlichen Anforderungen an einen Nachweis. Die Unterlagen treffen keine Aussagen in Bezug auf das Kalenderjahr 2010. Ebenso verhält es sich mit den Aussagen des einvernommenen Zeugen. Zwar sind die Aussagen des Zeugen grundsätzlich glaubhaft, da die in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zum einen im Wesentlichen mit den Angaben in dem Bestätigungsschreiben des Zeugen (Fax vom 27. November 2015) übereinstimmen und der Zeuge in der mündlichen Verhandlung auch ehrlich angab, wenn er sich aufgrund des zeitlichen Abstandes nicht mehr erinnern konnte. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge aus „Gefälligkeit“ mit dem Kläger abgesprochene Aussagen getätigt hätte, konnte das Gericht nicht erkennen. Jedoch konnte der Zeuge aufgrund des zeitlichen Abstandes und der damit verbundenen erheblichen Erinnerungslücken keine inhaltlich verwertbaren Angaben für das Jahr 2010 machen.
Im Einzelnen ist zu den vorgelegten Unterlagen und den Ausführungen des Zeugen folgendes anzumerken:
Das Kündigungsschreiben der E. Grundstücksgesellschaft vom 10. Oktober 2005 zum 30. April 2006 (Bl. 54 der Behördenakte) kann nicht für Vermietungsbemühungen im Jahr 2010 herangezogen werden. Zum einen betrifft es lediglich die Jahre 2005 und 2006 und nicht das Jahr 2010. Zum anderen ist Gegenstand dieses Schreibens eine Kündigung und nicht eine Vermietungsbemühung.
Soweit der Zeuge in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend mit seinem Bestätigungsschreiben (Fax vom 27. November 2015) aussagte, dass in den Jahren 2007 bis 2010 verschiedene Vermarktungsbemühungen gab, bestehen, wie bereits erwähnt, zwar keine Zweifel hinsichtlich der Glaubhaftigkeit dieser Angaben, jedoch enthalten die Angaben des Zeugen keine konkreten Angaben zu Vermietungsbemühungen im Kalenderjahr 2010. Er trug lediglich allgemein vor, dass es in den Jahren nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses durch das Unternehmen E. ständig Vermietungs- und Verkaufsbemühungen gegeben habe. Für ein substantiiertes Vorbringen wären aber insbesondere Angaben dazu erforderlich gewesen, wie oft der Zeuge im Jahr 2010 versuchte, das Objekt zu vermieten, und in welcher Form die Vermarktung wie etwa durch Internet- oder Zeitungsinserate erfolgte. Ebenso wenig konnte der Zeuge dieses Vorbringen durch entsprechende Unterlagen belegen.
Auch die Verweise auf die fehlgeschlagenen Vermietungsbemühungen mit der Mietinteressentin L. und einem Interessenten für ein Freizeitcenter führen zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen konnte der Zeuge diese Vertragsverhandlungen zeitlich nicht eindeutig dem Jahr 2010 zuordnen. Zum anderen wären lediglich zwei Vermietungsbemühungen nicht ausreichend, um annehmen zu können, dass der Steuerpflichtige alle ihm zumutbare Maßnahmen ergriffen hat. Nicht zu überzeugen vermag an dieser Stelle der klägerische Einwand, anderweitige Vermietungsbemühungen während den Vertragsverhandlungen mit der Mietinteressentin L. hätten diese von weiteren Vertragsverhandlungen Abstand nehmen lassen. Vielmehr entspricht es regulärem wirtschaftlichem Gebaren, sich nicht nur auf einen möglichen Vertragspartner zu verlassen. Überdies führen weitere Interessenten dazu, dass sich ein möglicher Vertragspartner aus Konkurrenzgesichtspunkten häufig dann tatsächlich (schneller) für den Abschluss des Geschäfts entscheidet.
Außerdem ist der in diesem Zusammenhang gemachte Vorwurf, die Gemeinde habe die Vermietungsbemühungen verhindert, indem sie entsprechende Genehmigungen abgelehnt habe, nicht geeignet, ein Mitverschulden der Gemeinde am Leerstand zu begründen. Denn es wurde nur vorgetragen, dass die Gemeinde die Genehmigung ablehnte. Aus welchen Gründen dies erfolgte oder, dass die Ablehnung rechtswidrig gewesen sein könnte, wurde dagegen nicht vorgetragen. Vielmehr sind die Vermietungsbemühungen mit dem Unternehmen L. nach den Angaben des Zeugen in der mündlichen Verhandlung daran gescheitert, dass der Eigentümer eines Nachbargrundstücks sein Grundstück, das L. für Stellplätze benötigt hätte, für einen zu hohen Preis habe verkaufen wollen, und L. deshalb Abstand von weiteren Vertragsverhandlungen genommen habe. Weder die Entscheidung des Eigentümers des Nachbargrundstücks noch des Unternehmens L. kann der Beklagten zugerechnet werden.
Auch der Vortrag, der ehemalige Bürgermeister habe mitgeteilt, dass er während der Ruhephase des Objekts, die Grundsteuer nicht geltend machen werde, kann nicht zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Voraussetzung einer wirksamen Zusicherung ist die Einhaltung der nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG erforderlichen Schriftform. Laut Aussage des Zeugen hat der Bürgermeister seine Aussage zur Möglichkeit eines Steuererlasses jedoch nur mündlich getätigt.
Im Hinblick auf das vorgelegte Bestätigungsschreiben der Immobilienmaklerin K. S. ist wiederum darauf zu verweisen, dass hieraus keine Rückschlüsse auf die Vermietungsbemühungen im Jahr 2010 gezogen werden können, da das Bestätigungsschreiben auf den 29. August 2008 datiert ist. Der Zeuge konnte sich in der mündlichen Verhandlung auch nicht daran erinnern bzw. konkrete Angaben machen, ob die Immobilienmaklerin S. im Jahr 2010 Vermietungen vorgenommen hatte. Überdies wäre, sollte es entsprechende Vermietungsbemühungen gegeben haben, zumindest die Vorlage eines Bestätigungsschreibens der Immobilienmaklerin sowie Unterlagen über durch die Immobilienmaklerin vorgenommene Inserate für das Jahr 2010 zu erwarten gewesen.
Schließlich ist der Kaufvertrag vom 22. November 2010 kein ausreichender Anhaltspunkt bzw. Nachweis dafür, dass im Jahr 2010 mehrfach Vermietungsbemühungen vorgenommen wurden. Hieraus kann lediglich auf eine einzige (erfolgreiche) Verkaufsbemühung geschlossen werden.
Unabhängig davon, ob tatsächlich mindestens 12 öffentliche Vermietungsanzeigen in Zeitungen, im Internet oder anderen Medien zur Vermietung zu fordern waren, wurde für das Jahr 2010 letztlich keine einzige Vermietungsanzeige vorgelegt, so dass der Kläger den Nachweis für ausreichende Vermietungsbemühungen nicht erbringen konnte.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ist zu § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG noch anzumerken, dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt, da es keine Anhaltspunkte für ein eigengewerblich genutztes Grundstück gibt. Zudem ist § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG kein eigenständiger Erlasstatbestand, sondern fordert vielmehr für einen Erlass bei eigengewerblich genutzten Grundstücken, dass zusätzlich zu den Voraussetzungen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 GrStG die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig sein muss.
Im Ergebnis hat der Kläger keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für das Jahr 2010 nach § 33 GrStG.
Auch ein Erlass nach §§ 163, 227 AO kommt nicht in Betracht, da im Falle der Ertragsminderung die sachliche Unbilligkeit abschließend in den §§ 32 ff. GrStG geregelt ist (vgl. VG Greifswald, U.v. 19.2.2003 – 3 A 2650/00 – juris, Rn. 24 m.w.N.; Schneider, GrStG, Stand: Januar 2019, § 33 S. 23). Überdies sind keine Anhaltspunkte für eine möglicherweise bestehende persönliche Unbilligkeit ersichtlich. Soweit das Grundstück letztlich mit Verlust verkauft wurde, erfüllt dies allein nicht die Voraussetzung der persönlichen Unbilligkeit. Die persönliche Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche und persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernsthaft gefährden würde (BFH, U.v. 26.2.1987 – IV R 298/84 – BStBl. II S. 612).
Schließlich sind auch Nr. 2 und Nr. 3 des Widerspruchsbescheids rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO in vollem Umfang abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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