Steuerrecht

Keine Besorgnis der Befangenheit bei Mandatsverhältnis eines Familienmitglieds des Richters mit einem Prozessbevollmächtigten

Aktenzeichen  28 W 1782/18

Datum:
29.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42156
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 41, § 42 Abs. 2, § 46 Abs. 2, § 48, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Persönliche oder geschäftliche Beziehungen eines Richters zum Prozessbevollmächtigten einer Partei sind zwar grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.Entscheidend für die Begründung der Besorgnis der Befangenheit ist die Intensität, die der geschäftliche oder soziale Kontakt zwischen dem Richter und dem Verfahrensbeteiligten bzw. dem Streitstoff aufweist. Da der Ablehnungsgrund hier nicht die Parteien selbst betrifft, sind an die Intensität und Qualität der Beziehung jedoch tendenziell höhere Anforderungen zu stellen. (Rn. 12 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2.  Ein Mandatsverhältnis des Vaters des abgelehnten Richters zu einem der Prozessbevollmächtigten genügt nicht für die Besorgnis der Befangenheit. (Rn. 16 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 30.10.2018, Az. 5 O 1539/18 Bau, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 36.120,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten wegen behaupteter mangelhafter Ausführung von Fliesen- und Natursteinarbeiten Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung geltend und begehrt darüber hinaus die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für etwaige weitere Kosten und Schäden.
Mit Beschluss vom 19.6.2018 übertrug das Landgericht den Rechtsstreit der Einzelrichterin, Richterin am Landgericht Grandl, zur Entscheidung.
Am 16.8.2018 übernahm Richter am Landgericht P. das Referat von Richterin am Landgericht G.
Im Vermerk vom 1.10.2018, welcher den Parteien mit Verfügung vom selben Tag zur Kenntnis gebracht wurde, teilte Richter am Landgericht P. mit, dass der die Klagepartei vertretende Rechtsanwalt W. in der Vergangenheit im Rahmen zahlreicher – ihm im Einzelnen nicht mehr bekannter – Rechtsstreitigkeiten für das Unternehmen seines Vaters, einer „Ein-Personen“ GmbH, deren Tätigkeitsspektrum im Bereich Innenausbau, Malerarbeiten, WDVS etc. liege, als Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Herr Rechtsanwalt W. sei ihm aufgrund mehrerer Besprechungen in den Kanzleiräumlichkeiten sowie eines gemeinsamen Restaurantbesuchs mit seinen Eltern vor ca. 10 Jahren persönlich bekannt.
Daraufhin lehnten die Beklagten zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 10.10.2018 den zuständigen Einzelrichter, Richter am Landgericht P. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dies wurde damit begründet, dass sich angesichts der Mitteilung des abgelehnten Richters bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Zweifel an dessen Objektivität und Unvoreingenommenheit ergeben würden.
Mit Beschluss vom 30.10.2018 wies das Landgericht München II den Antrag der Beklagten auf Ablehnung des Richters am Landgericht P. wegen der Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurück. Die persönliche Bekanntschaft mit dem klägerischen Rechtsanwalt begründe an sich keinen objektiven Grund, eine unsachliche innere Einstellung des abgelehnten Richters anzunehmen. Die Bekanntschaft zwischen dem abgelehnten Richter und dem Klägervertreter gründe auf einen länger zurückliegenden Sachverhalt, die Intensität des Kontakts beschränke sich auf einen geschäftlichen Kontakt zwischen dem Klägervertreter und dem Vater des abgelehnten Richters. Zwar handle es sich bei Letzterem um einen nahen Angehörigen des abgelehnten Richters, jedoch habe sich dessen geschäftlicher Kontakt mit dem Klägervertreter auf die rechtsanwaltliche Vertretung in Rechtsstreitigkeiten des Unternehmens beschränkt, das hauptsächliche Tätigkeitsspektrum des Vaters des abgelehnten Richters sei nicht betroffen.
Gegen diesen, ihnen formlos übermittelten Beschluss, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 16.11.2018 sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde damit begründet, dass die Mitteilung des abgelehnten Richters bei vernünftiger Betrachtung den Schluss zulasse, dass dieser eng in die geschäftlichen Angelegenheiten der GmbH seines Vaters involviert gewesen sei und zumindest beratend für diese tätig gewesen sei, für die Beklagten würde sich hieraus das Bild zeichnen, dass der abgelehnte Richter und der Klägervertreter in der Vergangenheit de facto jahrelang zusammengearbeitet hätten. Hinzu komme, dass sich das vorliegende Verfahren genau in dem Bereich des privaten Baurechts abspiele, in dem der abgelehnte Richter und der Klägervertreter in der Vergangenheit zusammengearbeitet hätten. Im Übrigen gebe es den Beklagten zu denken, dass die Zusammenarbeit mit dem Klägervertreter und die hieraus resultierende persönliche und wirtschaftliche Verbindung offenbar so stark gewesen sein müsse, dass dem abgelehnten Richter die Vertretung durch Rechtsanwalt W. bereits bei der erstmaligen Durchsicht der Prozessakte aufgefallen sei und er es sogar selbst für erforderlich gehalten habe, den Parteien die vorgenannte Verbindung anzuzeigen.
Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.11.2018 nicht ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht vor. Es führte aus, dass aus dem Umstand der Offenlegung schwerlich ein Rückschluss auf das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes gezogen werden könne.
II.
A
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 46 Abs. 2 ZPO und form- und fristgerecht eingelegt.
B
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die beklagtenseits vorgebrachten Gründe vermögen eine Ablehnung des Einzelrichters, Richter am Landgericht P., wegen Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen.
1. Das Landgericht hat in seinem angefochtenen Beschluss die Kriterien, welche für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit eines Richters maßgeblich sind, zutreffend dargestellt. Diese werden auch durch die Beschwerde nicht in Frage gestellt, vielmehr wird lediglich deren Anwendung auf den vorliegenden Fall und das Ergebnis der landgerichtlichen Entscheidung angegriffen.
Persönliche oder geschäftliche Beziehungen eines Richters zum Prozessbevollmächtigten einer Partei sind zwar grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Entscheidend für die Begründung der Besorgnis der Befangenheit ist die Intensität, die der geschäftliche oder soziale Kontakt zwischen dem Richter und dem Verfahrensbeteiligten bzw. dem Streitstoff aufweist ( Musielak/Voit, ZPO § 42 Rn. 15, beck-online).
Da der Ablehnungsgrund hier nicht die Parteien selbst betrifft, sind an die Intensität und Qualität der Beziehung jedoch tendenziell höhere Anforderungen zu stellen. Neben einem bloßen Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnis wird daher in der Regel das Hinzutreten weiterer Umstände zu verlangen sein, etwa ein mündlicher Austausch über den Gegenstand des Rechtsstreits im privaten Rahmen oder das Unterlassen einer nach § 48 ZPO gebotenen Anzeige durch den Richter (BeckOK ZPO/Vossler, ZPO § 42 Rn.11 m.w.N. und umfangreicher Kasuistik).
2. Unter Zugrundelegung des Vermerks des abgelehnten Richters vom 1.10.2018 beurteilt der Senat die Intensität und Qualität der Beziehung zwischen diesem und dem Klägervertreter nicht als so groß, dass sie vom Standpunkt der Beklagten aus bei objektiver Betrachtung die Befürchtung wecken können, dass Richter am Landgericht P. dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen gegenübersteht.
a) Weder handelt es sich bei dem dargelegten Verhältnis um ein Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnis noch um ein eigenes geschäftliches Verhältnis des abgelehnten Richters zum Klägervertreter, tatsächlich geht es vielmehr um ein Mandatsverhältnis des Vaters des abgelehnten Richters mit dem Klägervertreter, im Rahmen dessen der abgelehnte Richter an mehreren Besprechungen in den Kanzleiräumen und in einem Fall an einem gemeinsamen Restaurantbesuch mit seinen Eltern und dem Klägervertreter teilgenommen hat.
b) Soweit durch das Kammergericht in dessen Beschluss vom 30.10.2013, Az.: 23 U 121/13 die Auffassung vertreten wird, dass es nahezu ausgeschlossen sei, sich von dem als Mandant gefassten Vertrauen in die fachliche Leistungsfähigkeit des Anwalts als Richter freizumachen (dagegen OLG Köln, Beschluss vom 26.4.2017, Az.: 16 W 26/17) so unterscheidet sich der durch den Senat zu entscheidende Fall davon bereits darin, dass nicht der abgelehnte Richter, sondern dessen Vater den Klägervertreter mandatiert hatte, diesem also auf fachlich-juristischer Ebene Vertrauen entgegengebracht hatte.
c) Aus dem Vermerk des abgelehnten Richters ergeben sich bei objektiver Betrachtung auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser selbst aufgrund der bloßen Teilnahme an Besprechungen und dem einmaligen gemeinsamen Restaurantbesuch ein näheres Vertrauensverhältnis zum Klägervertreter aufgebaut haben könnte, welches seine Unvoreingenommenheit im vorliegenden Verfahren beeinträchtigen könnte.
Für eine enge Involvierung des abgelehnten Richters in die geschäftlichen Angelegenheiten der GmbH seines Vaters bzw. eine beratende Tätigkeit für dieselbe oder gar eine jahrlange enge Zusammenarbeit zwischen dem Klägervertreter im Bereich des privaten Baurechts und dem abgelehnten Richter ergeben sich aus dessen Vermerk vom 1.10.2018 keine zureichenden Anhaltspunkte.
d) Schließlich ist zu sehen, dass der Klägervertreter damals nicht mit Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten des Vaters des abgelehnten Richters befasst war, sondern mit solchen im Zusammenhang mit dessen Geschäftsbetrieb, bei welchen im Regelfall eine geringere emotionale Komponente mitspielt, als dies bei persönlichen Angelegenheiten möglicherweise der Fall gewesen wäre.
e) Des Weiteren ist zu sehen, dass die durch den abgelehnten Richter mitgeteilten Kontakte mit dem Klägervertreter bereits ca. 10 Jahre zurückliegen.
Zusammengefasst kann dem Vermerk des abgelehnten Richters vom 1.10.2018 bei objektiver Betrachtung bereits kein Freundschaftsverhältnis oder ein irgendwie geartetes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zum Klägervertreter entnommen werden. Der „böse Schein“ von Voreingenommenheit (BVerfGE 108,122) kann bei ruhiger und vernünftiger Betrachtung aus Sicht der Beklagten nicht entstehen.
3. Auch fehlt es an jeglichen weiteren Umständen, welche Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit aufkommen ließen.
Ein solcher Umstand ist jedenfalls nicht darin zu sehen, dass dem abgelehnten Richter bei Durchsicht der Prozessakte die Vertretung der Klagepartei durch Rechtsanwalt W. aufgefallen ist und dass er es für erforderlich hielt, den Parteien seine Verbindung zu diesem anzuzeigen.
Die Erfassung des Akteninhalts und damit auch der Parteien und deren Prozessbevollmächtigten ist ureigenste Aufgabe des Richters. Nimmt er diese Aufgabe ernst, wird ihm, wie geschehen, die Person des Klägervertreters zur Kenntnis gelangen.
4. Aus dem Umstand, dass der abgelehnte Richter seine Anzeigepflicht gem. § 48 ZPO erfüllt hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass dieser selbst von seiner Befangenheit ausging.
Eine Anzeige nach § 48 Alt. 1 ZPO ist veranlasst, wenn der Richter das Vorliegen eines gesetzlichen Ausschließungstatbestandes nach § 41 ZPO oder eines Befangenheitsgrundes nach § 42 Abs. 2 ZPO in seiner Person ernsthaft für möglich hält, wobei in dem zuletzt genannten Fall auf die „Sicht der Prozessparteien bei vernünftiger Betrachtungsweise“ abzustellen ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Richter zu einer Anzeige nicht nur berechtigt; vielmehr handelt es sich um eine dienstliche Verpflichtung, welche ihm auch gegenüber den Parteien obliegt und die daher verfahrensrechtliche Bedeutung hat.
Durch die Abgabe der Erklärung bringt der Richter nicht zum Ausdruck, dass er sich selbst als befangen ansieht, sondern nur, dass dies ernsthaft in Betracht kommen könnte, so dass eine förmliche Entscheidung hierüber notwendig erscheint (BeckOK ZPO/Vossler ZPO § 48 Rn. 2, 3 m.w.N.).
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 100 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert bei Ablehnung eines Richters entspricht gemäß § 3 ZPO dem Gesamtstreitwert des Rechtsstreits (Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 3 ZPO, Rn. 16, Stichwort „Ablehnung“ m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).


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