Steuerrecht

Keine Sperrwirkung eines Insolvenzverfahrens gem. § 12 S. 1 GewO für Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit aufgrund lebensmittelrechtlicher Pflichtverletzungen

Aktenzeichen  22 ZB 16.255

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52322
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 12 S. 1, § 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Bei der im Rahmen einer Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GewO zu treffenden Prognoseentscheidung für die wirtschaftliche Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden kommt es bei einem kurzfristigen Wohlverhalten darauf an, ob diesem ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept zur nachhaltigen, geordneten und freiwilligen Rückführung bestehender Verbindlichkeiten zugrunde liegt (Anschluss an BVerwG BeckRS 2015, 48135 Rn. 14; Bestätigung von VGH München BeckRS 2016, 46412). (redaktioneller Leitsatz)
2. Über einen längeren Zeitraum hinweg begangene Verstöße des Gewerbetreibenden gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften begründen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Besorgnis, dass der Gewerbetreibende auch künftig gegen grundlegende Hygienevorschriften verstoßen wird und rechtfertigen daher die Annahme gewerblicher Unzuverlässigkeit in Bezug auf das ausgeübte Gewerbe “Abgaben von Speisen und alkoholischen Getränken” (vgl. VGH München BeckRS 2014, 53521 Rn. 16). (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Verbot des § 12 S. 1 GewO, wonach Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ermöglichen, u.a. keine Anwendung in Bezug auf ein Gewerbe finden, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde, hindert nur eine auf ungeordnete Vermögensverhältnisse, nicht aber auf sonstige Unzuverlässigkeitsgründe (hier: lebensmittelrechtliche Pflichtverletzungen) gestützte Gewerbeuntersagung. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 15.2439 2015-12-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung des von ihm ausgeübten Gewerbes „Abgabe von Speisen und alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz)“ und der Ausübung aller sonstigen Gewerbe sowie einer Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person durch Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2015. Diese stützte die Einschätzung des Klägers als gewerberechtlich unzuverlässig zunächst auf vom Finanzamt München am 26. Mai 2015 mitgeteilte Umstände, namentlich Steuerrückstände in Höhe von 6.184,76 Euro, seit dem 11. Oktober 2014 ausbleibende freiwillige Steuerzahlungen, einen jüngsten Vollstreckungsversuch des Finanzamts am 4. Februar 2015 sowie fehlende Jahreserklärungen für die Einkommen- und Umsatzsteuer 2013. Weiter wurde auf eine Mitteilung der Stadtkämmerei der Beklagten gleichfalls vom 26. Mai 2015 Bezug genommen, wonach ein Zahlungsrückstand an öffentlich-rechtlichen Forderungen gegen den Kläger in Höhe von 1.829,28 Euro bestehe und demnächst ein Erzwingungshaftantrag gestellt werde. Bei einer Berufsgenossenschaft liege laut einer Mitteilung vom 27. Mai 2015 ein neuer Beitragsrückstand in Höhe von 2.631 Euro vor. Zwischen dem Kläger und den genannten Gläubigern bestünden keine Ratenzahlungsvereinbarungen. Im Vollstreckungsportal – Schuldnerverzeichnis bestünden Einträge über die „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ vom 26. Februar und 29. April 2014. Am 4. Oktober 2011 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer vom Kläger als alleinigem Geschäftsführer vertretenen GmbH eröffnet worden. Mit Beschluss vom 22. August 2013 sei ein weiteres Insolvenzverfahren betreffend das Vermögen eines Backshops des Klägers eröffnet worden, das noch nicht abgeschlossen sei; das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers gehöre nicht zur Insolvenzmasse. Das Gewerbezentralregister beinhalte nach einer Auskunft vom 22. Mai 2015 acht Einträge, zumeist betreffend die Verhängung von Bußgeldern zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten durch den Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage, die das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 21. Dezember 2015 abwies.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich weder aus den Darlegungen in der Antragsbegründung (vgl. zur deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) noch aus dem sonst berücksichtigungsfähigen Vorbringen des Klägers ergibt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sind.
1. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 7. März 2016 ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Unzuverlässigkeitsprognose könnten die von der Beklagten ermittelten Zahlungsrückstände zugrunde gelegt werden, die nach der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens neu entstanden seien, ferner die Tatsache, dass der Kläger auch nach diesem Zeitpunkt seinen steuerlichen Erklärungspflichten allenfalls sehr schleppend nachgekommen sei. Insofern gelte nach § 12 Satz 2 GewO eine Ausnahme von der Sperrwirkung des § 12 Satz 1 GewO. Der Kläger macht dazu im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, der Kläger habe sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung mit Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen im Rückstand befunden und habe fällige Zahlungen nicht geleistet. Er nimmt hierzu auf ein Schreiben des Finanzamts München vom 4. Februar 2016 Bezug, aus dem sich seines Erachtens ergibt, dass er sich in der Zeit nach dem 29. April 2015 weder mit Einkommensteuer- noch mit betrieblichen Umsatzsteuerzahlungen im Rückstand befunden hat. Weiter legt er zum Nachweis von Zahlungen an das Finanzamt und an Sozialversicherungsträger Kontoauszüge vor. Diese Darlegungen vermögen nicht zu überzeugen.
Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Urteil (UA S. 20) davon ausgegangen, dass einem kurzfristigen Wohlverhalten bei der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anzustellenden Zuverlässigkeitsprognose keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden kann und Zahlungen während des laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens für diese Prognose nur von Bedeutung wären, wenn sie im Rahmen eines tragfähigen Sanierungskonzepts zur nachhaltigen, geordneten und freiwilligen Rückführung bestehender Verbindlichkeiten erfolgen würden. Diese Beurteilung findet ihre Stütze in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – BVerwGE 152, 39 Rn. 14; B. v. 11.12.1996 – 1 B 250/96 – GewArch 1999, 72) und des Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – Rn. 10; B. v. 26.10.2015 – 22 ZB 15.2022 – juris Rn. 12). Die Behauptung des Klägers, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Entscheidung von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen und habe unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seinen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern nachgekommen sei, ist nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr durchaus davon ausgegangen, dass solche Zahlungen während des laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens geleistet wurden. Die vom Kläger konkret angesprochenen Zahlungen im Zeitraum vom 20. April bis 17. August 2015 erfolgten erst nach dessen Anhörung zu einer möglichen Gewerbeuntersagung mit Schreiben der Beklagten vom 2. Februar 2015. Derartigen Zahlungen hat das Verwaltungsgericht jedoch gerade – entsprechend den vorgenannten rechtlichen Maßstäben – keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen.
Weiter wendet sich der Kläger gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Kläger sei den Nachweis für seine Behauptung, es habe zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine gegen ihn gerichteten offenen Forderungen des Finanzamts und von Sozialversicherungsträgern gegeben, schuldig geblieben. Ein solcher Nachweis ergibt sich jedoch auch nicht aus den vom Kläger mit der Antragsbegründung vom 7. März 2016 vorgelegten Dokumenten.
Der Bescheinigung des Finanzamts München vom 4. Februar 2016 ist lediglich zu entnehmen, dass auf der dort genannten Steuernummer ab dem 29. April 2015 keine Säumniszuschläge mehr angefallen sind; die betrieblichen Umsatzsteuerzahlungen seien ab diesem Datum pünktlich erfolgt. Zuletzt hätte die Einkommensteuer 2013 im Rahmen einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Höhe von 2.189,21 Euro zwangsweise eingezogen werden müssen. Der letztmalige Anfall von Säumniszuschlägen (am 29.4.2015) steht nicht zwangsläufig in Widerspruch zur telefonischen Auskunft des Finanzamts gut zwei Monate später (am 6.7.2015), wonach zu diesem Zeitpunkt noch Steuerschulden des Klägers in Höhe von über 4.000 Euro bestanden hätten. Dass ab 29. April 2015 Umsatzsteuerzahlungen und eventuell auch in der Folgezeit fällige Einkommensteuerzahlungen pünktlich erfolgt sind, bedeutet nicht auch, dass vor dem Bescheidserlass am 3. Juni 2015 beim Finanzamt München und bei Sozialversicherungsträgern keine Zahlungsrückstände vorhanden gewesen wären. Auch aus den vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich lediglich, dass bestimmte Zahlungen an entsprechende Empfänger erfolgt sind; inwieweit der Schuldenstand bei diesen Gläubigern hierdurch gesenkt oder nur weitere, nunmehr fällig gewordene Steuerschulden beglichen und dadurch ein weiterer Schuldenanstieg vermieden wurden, ist daraus nicht ersichtlich.
b) Zudem ist das Verwaltungsgericht auch zur Annahme gelangt, dass der Kläger durch sein Verhalten einen eingewurzelten Hang zur Missachtung der ihm in Bezug auf die Gewerbeausübung obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen gezeigt hat (UA S. 20). Das Verwaltungsgericht stellt insbesondere ausführlich dar, welche nach seiner Einschätzung gravierenden und über einen langen Zeitraum hinweg fortlaufend begangenen Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften den gegenüber dem Kläger erlassenen Bußgeldbescheiden zugrunde liegen (UA S. 21 bis S. 24). Es begründet weiterhin, weshalb sich seines Erachtens aufgrund des Verhaltens des Klägers keine grundlegende Bewusstseins- bzw. Verhaltensänderung ableiten lässt. Der Kläger versuche vielmehr, die Bedeutung der ihm zuzurechnenden Hygieneverstöße als geringfügig bzw. nicht relevant darzustellen. Das Verwaltungsgericht stützt hierauf seine Prognose, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass es bei Fortsetzung des Betriebs durch den Kläger auch künftig zu nicht unerheblichen Verstößen gegen grundlegende Hygienevorschriften kommen wird, und folgert hieraus – in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. bezüglich der Beurteilung der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit B. v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 16) – die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers in Bezug auf das von ihm ausgeübte Gewerbe „Abgabe von Speisen und alkoholfreien Getränken“ (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO).
Der Kläger hat keine Bedenken dahingehend geäußert, dass derartige Pflichtverletzungen nicht geeignet wären, eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen. Er zieht vielmehr die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts in Zweifel, wonach kein Zusammenhang zwischen diesen Pflichtverletzungen und dem in Bezug auf sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren besteht. Nach der Gesetzesbegründung zu § 12 Satz 2 GewO könne die Gewerbeuntersagung nicht auf Tatsachen gestützt werden, die zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geführt hätten oder die während der Laufzeit eines solchen Verfahrens bis zur wirksamen Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter eingetreten seien. Bei Beachtung der Sperrwirkung des § 12 Satz 2 GewO hätte das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der behördlichen Unzuverlässigkeitsprognose die Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften nicht berücksichtigen dürfen. Die Bußgeldbescheide zur Ahndung dieser Verstöße seien noch vor der Freigabeerklärung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers ergangen. Dies überzeugt indes nicht.
Gemäß § 12 Satz 1 GewO finden Vorschriften, welche – wie § 35 Abs. 1 Satz 1
GewO – die Untersagung eines Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, u. a. während eines Insolvenzverfahrens keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Daraus folgt die Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten, innerhalb der betreffenden Zeiträume erlassenen Gewerbeuntersagung (BVerwG, U. v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – BVerwGE 152, 39 Rn. 23 und 24). Die Verbotsvorschrift des § 12 Satz 1 GewO greift dagegen bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht ein, soweit eine Gewerbeuntersagung auf Unzuverlässigkeitsgründe gestützt wird, die nicht auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen sind. Im Falle der gegen den Kläger insbesondere wegen Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften ergangenen Bußgeldbescheide besteht nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts kein Zusammenhang mit etwaigen ungeordneten Vermögensverhältnissen des Klägers im Sinne des § 12 Satz 1 GewO (UA S. 18). Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs dargelegt.
Es muss somit davon ausgegangen werden, dass die Sperrwirkung des § 12 Satz 1 GewO bezüglich der lebensmittelrechtlichen Pflichtverletzungen ohnehin nicht greift. Auf eine Ausnahme von dieser Sperrwirkung nach § 12 Satz 2 GewO, gegen die sich der Kläger in diesem Zusammenhang wendet, kommt es demnach hinsichtlich der lebensmittelrechtlichen Pflichtverletzungen nicht an.
c) Weiter rügt der Kläger, im angefochtenen Urteil sei zu Unrecht angenommen worden, dass wegen der Vernachlässigung steuerrechtlicher Verpflichtungen und dem gezeigten Umgang mit finanziellen Angelegenheiten sowie seiner Einstellung gegenüber öffentlichen, sozialen und rechtlichen Belangen zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Voraussetzungen für die erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO vorgelegen hätten. Zu diesem Zeitpunkt hätten solche Pflichtverletzungen nicht vorgelegen. Damit hat der Kläger Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht dargelegt.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (UA S. 26 und 27) das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erstreckung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO insbesondere auf die Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten gestützt. Wie vorstehend (unter 1. a)) ausgeführt, stellen die Darlegungen des Klägers in der Antragsbegründung vom 7. März 2016 die Annahme dieser Pflichtverletzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht mit nachvollziehbaren Argumenten in Frage.
2. Der Kläger sieht besondere tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) darin begründet, dass das Verwaltungsgericht die Frage, ob sich der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung mit Zahlungen an das Finanzamt und an Sozialversicherungsträger in Rückstand befand, weiter hätte aufklären müssen, u. a. angesichts der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung des Finanzamtes und mehrerer Zahlungsbelege. Besondere rechtliche Schwierigkeiten sieht er in einer Berücksichtigung von Bußgeldbescheiden wegen Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften im Hinblick auf § 12 Satz 2 GewO begründet. Diese Darlegungen vermögen jedoch nicht zu überzeugen.
Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Feststellung zu bestehenden Zahlungsrückständen bei öffentlich-rechtlichen Forderungen besondere tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufwerfen würde. Die Ergebnisse verwaltungsbehördlicher Ermittlungen hierzu sind in den meisten verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend Gewerbeuntersagungen von Bedeutung; regelmäßig werden auch telefonische Mitteilungen der bei der zuständigen Behörde bekannten öffentlich-rechtlichen Gläubiger einerseits und des betreffenden Gewerbetreibenden als Schuldner andererseits ausgewertet. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, inwieweit die Sachverhaltsaufklärung hier besondere Schwierigkeiten aufgeworfen hätte, so dass sich die Einholung schriftlicher Auskünfte aufgedrängt hätte (vgl. auch unten 4.). Weiter kann die Anwendung des § 12 Satz 2 GewO auf die lebensmittelrechtlichen Pflichtverletzungen keine besondere Schwierigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen, da diese Vorschrift für die Begründung des angefochtenen Urteils insoweit ohne Bedeutung ist (siehe dazu oben unter 1. b)).
3. Der Kläger hat auch nicht dargetan, inwieweit der Rechtsfall eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Er spricht in diesem Zusammenhang die Frage an, ob eine gewerberechtliche Untersagung im Hinblick auf § 12 Satz 2 GewO auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hatten oder die während der Laufzeit des Insolvenzverfahrens bis zur wirksamen Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter eingetreten sind. Da es, wie oben (Nr. 1. b)) näher ausgeführt, auf die Anwendbarkeit des § 12 Satz 2 GewO hinsichtlich der gegen den Kläger ergangenen Bußgeldbescheide nicht entscheidungserheblich ankommt, weil eine aus der Missachtung lebensmittelrechtlicher Vorschriften hergeleitete Unzuverlässigkeit von vornherein nicht der Sperrwirkung des § 12 Satz 1 GewO unterfällt, handelt es sich bereits um keine durch den Rechtsfall aufgeworfene, in einem Berufungsverfahren klärungsfähige Frage im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
4. Der Kläger hat schließlich nicht dargelegt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Er führt hierzu aus, das Verwaltungsgericht habe dadurch gegen die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, dass es den Vortrag des Beklagten zu entscheidungserheblichen Tatsachen nicht im gebotenen Umfang überprüft habe, obwohl der Kläger diesen Vortrag insbesondere hinsichtlich der angeblichen Zahlungsrückstände beim Finanzamt und bei den Sozialversicherungsträgern mehrfach bestritten und hierzu in der mündlichen Verhandlung Kontoauszüge im Original vorgelegt habe. Diese Darlegungen sind bereits nicht schlüssig, da von (laufenden) Zahlungen an die Gläubiger nicht auf die vollständige Tilgung von Zahlungsrückständen geschlossen werden kann. Der Kläger hat auch im vorliegenden Zulassungsverfahren nicht konkret und nachvollziehbar dargelegt, inwieweit durch diese Zahlungen nicht nur zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt aktuell fällig gewordene neue Forderungen beglichen, sondern darüber hinaus bereits bestehende Schulden getilgt worden sind.
Im Übrigen ist zwar zutreffend, dass der Kläger u. a. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 1. Dezember 2015 behauptet hat, seines Wissens habe zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine Steuerschuld bestanden, und er habe „die Steuererklärungen“ eingereicht gehabt (Niederschrift über die öffentliche Sitzung S. 2). Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger allerdings eine Schriftsatzfrist bis zum 14. Dezember 2015 eingeräumt, die sich erkennbar auf die vorgenannte Behauptung bezogen hat. In einem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 14. Dezember 2015 wiederholte der Kläger die Behauptung zu fehlenden Zahlungsrückständen. Weiter legte er u. a. ein Schreiben des Finanzamtes München vom 3. Dezember 2015 vor, in dem die Einreichung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuererklärung jeweils für 2013 am 27. Mai 2015 sowie der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuererklärung jeweils für 2014 am 18. Juni 2015 bestätigt wird. Dieses Schreiben enthält dagegen keine Aussagen zum Stand etwaiger Steuerschulden vor Bescheidserlass. Im Hinblick auf die in der Behördenakte (Bl. 145 mit Rückseite) durch einen Aktenvermerk dokumentierten Sachstandsmitteilungen der Gläubiger (z. B. des Finanzamtes vom 26. Mai 2015) u. a. zum damaligen Bestehen von Zahlungsrückständen des Klägers ist nicht ersichtlich, inwieweit sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dies gilt insbesondere angesichts fehlender konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass diese Informationen zu Schuldenständen unzutreffend gewesen sein könnten. Derartige Anhaltspunkte hat der Kläger nicht substantiiert in der Antragsbegründung vom 7. März 2016 dargelegt und sind auch sonst aufgrund der dortigen Ausführungen nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Steuerschulden hat das Verwaltungsgericht zudem im angefochtenen Urteil (UA S. 20) nachvollziehbarer Weise eine Mitteilung des Finanzamtes vom 6. Juli 2015 als weiteren Hinweis dafür gewertet, dass die Beklagte bei Anordnung der Gewerbeuntersagung von zutreffenden Tatsachen ausgegangen ist. Demnach bestand zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf die insolvenzfreie Steuernummer (weiterhin) ein Zahlungsrückstand von 4.107,44 Euro nach erfolgten Pfändungsmaßnahmen.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: §§ 47, 52 Abs. 1 GKG, Nrn. 54.2.1, 54.2.2 des Streitwertkatalogs 2013.


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