Steuerrecht

Klage einer GmbH gegen einen Körperschaftsteuerbescheid

Aktenzeichen  6 K 1754/20

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2021, 353
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 40 Abs. 2, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Klage einer GmbH gegen einen Körperschaftsteuerbescheid ist mangels Beschwer unzulässig, wenn sich der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung weder auf die Höhe der Körperschaftsteuer noch auf den Verlustvortrag/Verlustrücktrag auswirkt (gegen FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.1.2020, 6 K 1497/16, EFG 2020 S. 4239). (redaktioneller Leitsatz)
2. Über den Grund und die Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung haben das Körperschaftsteuerfinanzamt und das für die Veranlagung der Anteilseigner zuständige Finanzamt jeweils selbständig zu entscheiden. Eine Bindung an einen bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid besteht im Rahmen einer Einkommensteuerfestsetzung auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH nicht und ergibt sich insbesondere nicht aus § 166 AO (Anschluss an BFH, Urteil v. 27.10.1992, VIII R 41/89, BStBl 1993 II S. 569 und BFH, Urteil v. 16.12.2014, VIII R 30/12, BStBl 2015 II S. 858; gegen FG Rheinland-Pfalz v. 23.1.2020, 6 K 1497/16, EFG 2020 S. 4239). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine GmbH. Geschäftsführer der Klägerin war im Streitjahr K, der 49% der Anteile der Klägerin hielt.
Im Körperschaftsteuerbescheid 2018 setzte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und das zu versteuernde Einkommen der Höhe nach unverändert an. Den erklärten positiven Jahresüberschuss setzte das FA dagegen um X € auf einen Verlust herab und rechnete dem Verlust sodann eine verdeckte Gewinnausschüttung in derselben Höhe von X € hinzu.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit der Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin sei durch den Körperschaftsteuerbescheid 2018 nicht beschwert. Denn der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung habe keine Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin begehrt, den Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung rückgängig zu machen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liege nicht vor. Die Klage scheitere auch nicht an der fehlenden Beschwer. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz habe mit Urteil vom 23. Januar 2020 6 K 1497/16, EFG 2020, 423 entschieden, dass ein bestandskräftiger Körperschaftsteuerbescheid für Einkommensteuerverfahren nach Maßgabe des § 166 Abgabenordnung (AO) bindend sei. Die Voraussetzungen des § 166 AO lägen vor, da K als Geschäftsführer Rechtsmittel gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2018 einlegen könne.
II.
Die Klage ist unzulässig.
1. Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hiernach setzt eine Rechtsverletzung im Regelfall voraus, dass die Steuerfestsetzung zu hoch ist. Ob Besteuerungsgrundlagen richtig oder unzutreffend angesetzt sind, ist dagegen unerheblich. Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden (§ 157 Abs. 2 AO). Nach diesen Regelungen sind gesonderte Rechtsmittel gegen Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nicht zulässig. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor, wenn ein FA die richtige Höhe einer Steuer falsch begründet (vgl. Gräber/Teller § 40 FGO Rz. 95).
Im Streitfall ergibt sich nach diesen Grundsätzen aus dem Körperschaftsteuerbescheid keine Beschwer der Klägerin.
a) Die Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, beeinflusst die Höhe der Steuer nicht. Auch ein eventueller Verlustvortrag oder Verlustrücktrag wird nicht beeinflusst. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis, aus dem sich abweichend vom Regelfall die Zulässigkeit der Klage ergeben könnte, wird aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich (vgl. hierzu Gräber/Teller § 40 FGO Rz. 96).
b) Eine Beschwer ergibt sich auch nicht aus einer Bindung des Gesellschafter/Geschäfts-führers im Rahmen seiner Einkommensteuerfestsetzung.
Über den Grund und die Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung haben das Körperschaftsteuerfinanzamt und das für die Veranlagung der Anteilseigner zuständige Finanzamt selbständig zu entscheiden. Eine Bindung an einen Körperschaftsteuerbescheid besteht im Rahmen einer Einkommensteuerfestsetzung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch bei Gesellschafter/Geschäftsführern nicht (vgl. als Beispiele das BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569 und das Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 30/12, BStBl II 2015, 858).
Das Urteil des Finanzgerichts Rheinland vom 23. Januar 2020 6 K 1497/16, EFG 2020, 423, Rz. 98 bis 100, kommt abweichend hiervon zu einer Bindungswirkung des Körperschaftsteuerbescheids für die Einkommensteuerfestsetzung. Mit der ständigen Rechtsprechung des BFH, die zum gegenteiligen Ergebnis kommt, setzt sich das FG nicht näher auseinander. Umgekehrt enthalten die obigen Entscheidungen des BFH keine Ausführungen zu § 166 AO, auf den sich das FG Rheinland-Pfalz stützt.
Der Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung des BFH an. Es ist nicht ersichtlich, dass der BFH die Bedeutung des § 166 AO jahrzehntelang übersehen haben könnte. Aus diesem Grund geht der Senat davon aus, dass der BFH von näheren Ausführungen abgesehen hat, da sich aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 166 AO ohne weiteres ergibt, dass die Norm nicht eingreift.
§ 166 AO lautet: Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
Hiernach muss der Gesellschafter/Geschäftsführer im Streitfall gegen sich gelten lassen, dass die Klägerin dem FA eine Körperschaftsteuer in Höhe von X € schuldet. Da dieser Umstand für die Einkommensteuerfestsetzung des Gesellschafter/Geschäftsführers aber ohne jede Bedeutung ist, ergibt sich hieraus keine Beschwer.
Der Lebenssachverhalt beziehungsweise die Tatsachen, die mit dem Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ zusammengefasst umschrieben werden, sind dagegen keine Steuer, sondern Besteuerungsgrundlagen. Eine Bindungswirkung an Besteuerungsgrundlagen ordnet § 166 AO nach seinem Wortlaut nicht an (vgl. Gosch/Oellerich § 166 AO Rz. 1; Binnewies, GmbHR 2020, 721 und Stbg 2020, 311; Binnewies/Schüller, AG 2020, 433 sowie juris; Levedag, HFR 2020, 807 Anmerkung Nr. 2; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 166 AO Rz. 4, 4b; Martini, EFG 2020, 423, Anm. III; Rode, FR 2020, 984).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision erfolgt wegen Divergenz zum Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Januar 2020 6 K 1497/16, EFG 2020, 423.


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