Steuerrecht

Leistungen, Versicherungsschutz, Umsatzsteuer, Steuerfestsetzung, Festsetzung, Anspruch, Klinikum, Kenntnis, Vereinbarung, Klage, Mehrwertsteuer, Umfang, Vertragsauslegung, Wahlrecht

Aktenzeichen  12 C 2044/17

Datum:
17.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163866
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist bezüglich Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.715,47 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 812 BGB i.V.m. §§ 86, 194 Abs. 2 VVG zu. Die Bezahlung der in den streitgegenständlichen Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuer erfolgte mit Rechtsgrund.
Mangels vorgetragener anderweitiger Vereinbarung ist vorliegend von einer Brutto-Preisvereinbarung auszugehen. Das heißt, es handelt sich um einen Festpreis unabhängig von der tatsächlich bezahlten Umsatzsteuer. Die auf den Rezepten und in den Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer von 19 Prozent ist insoweit nur ein Rechnungsposten für diesen Bruttopreis.
Es ist auch keine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass bei Kenntnis des später ergangenen BFH-Urteils vom 24.09.2014 über die Steuerfreiheit der Leistungen die entsprechenden Rechnungen ohne Umsatzsteuer erstellt worden wären.
Maßgebend für die ergänzende Vertragsauslegung ist, ob die Parteien bei Kenntnis des nicht bedachten Umstandes, hier des nachträglichen Urteils über die Steuerfreiheit, eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten.
Dafür entscheidend ist die Interessenlage der Parteien. Vorliegend hat die Beklagte selbst Umsatzsteuer für die bezogenen Materialien für die Herstellung der Zytostatika an ihre Lieferanten bezahlt, diese als Vorsteuer geltend gemacht und die restliche Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt.
Dies ergibt sich aus der Vernehmung des Zeugen …. Dieser ist beim Klinikum für die Finanzen einschließlich Buchhaltung zuständig. Er hat plausibel erklärt, dass die Umsatzsteuer beim Klinikum durch IT-gestützte Prozesse erfasst und abgeführt wird, wobei bei der Zytostatika-Herstellung für ambulante Patienten immer eine Rechnung zuzüglich 19 Prozent Umsatzsteuer gestellt werde auf der Basis der Lauertaxe für die Materialpreise und einer Zubereitungspauschale. Es sei immer Umsatzsteuer an die Pharma-Unternehmen für die zur Verfügung gestellten Materialien gezahlt worden. Es werde dann einmal im Monat aus der Buchhaltung ein Bericht über die erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Leistungen des Klinikums mit der Höhe der Umsatzsteuer und der Höhe der Vorsteuer generiert, wobei der Differenzbetrag der Zahlbetrag für die Umsatzsteuer an das Finanzamt sei. Der Vorsteuerabzug sei vom Klinikum geltend gemacht und die Umsatzsteuer abgeführt worden. Dies sei bei allen Rechnungen so gewesen. Er sei sich sicher, dass dies auch bei den streitgegenständlichen Rechnungen so gewesen sei, auch wenn er zu diesen konkret nichts sagen könne. Es bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte, dass diese anders behandelt worden seien.
Da die Beklagte die betreffende Umsatzsteuer selbst an ihre Lieferanten gezahlt hat, besteht für sie ein berechtigtes Interesse, diese Beträge auch von den Versicherten, an die sie die für sie hergestellten Zytostatika-Zubereitungen abgibt, zu erhalten. Diesbezüglich besteht jedenfalls keine Umsatzsteuerfreiheit, da sie nur für die Zubereitungen gilt und nicht für die Materialien. Es ist also naheliegend, dass die Beklagte auch bei Kenntnis von der Steuerfreiheit ihrer Zytostatika-Zubereitungen die an die Lieferanten gezahlten Umsatzsteuerbeträge von den Versicherten der Klägerin verlangt hätte, wohl indem sie dann die Brutto-Einkaufspreise ihren Rechnungen zugrunde gelegt hätte.
Darüber hinaus wurde dieser Betrag von der Beklagten als Vorsteuer geltend gemacht, minderte also ihre Steuerpflicht. Den verbleibenden Differenzbetrag hat sie als Umsatzsteuer abgeführt. Nach dem Erlass des BMF vom 28.09.2016 wurde den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt, ob auf Grund des BFH-Urteils vom 24.09.2014 für Leistungen vor dem 01.04.2017 eine Änderung der Steuerfestsetzung beantragt wird. Die Beklagte ist demnach berechtigt, keine Änderung zu beantragen und es bei der Steuerfestsetzung der Umsatzsteuer (ohne Berücksichtigung der Steuerfreiheit) zu belassen.
Für die Frage der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ist weiter zu beachten, dass für die Beklagte durch die Korrektur ein enormer Aufwand entstehen würde, da sie die Rechnungen an sämtliche Patienten, gesetzliche und privat Versicherte, ändern müsste. Ihr eigenes wirtschaftliches Interesse daran wäre demgegenüber gering, da sie die betreffende Umsatzsteuer überwiegend als Vorsteuerabzug geltend machte und nur zu einem sehr geringen Teil selbst abführen musste.
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen ist also gerade nicht davon auszugehen, dass die Beklagte mit den Versicherten niedrigere Rechnungsbeträge vereinbart hätte, wenn die Steuerfreiheit bereits zum Abgabezeitpunkt der Medikamente bekannt gewesen wäre, so dass die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht vorliegen.
Ein entsprechender Anspruch auf Schadenersatz in gleicher Höhe auf Grund unterlassener Berichtigung der Rechnungen besteht nicht. Dies schon deswegen, da ein eventueller Schaden bereits durch die Zahlung der Rechnungen entstanden wäre und nicht erst durch die spätere unterlassene Rechnungsberichtigung.
Auch der hilfsweise erhobene Anspruch auf Korrektur der Rechnungen ist unbegründet.
Es besteht keine Pflicht der Beklagten zur Korrektur der Rechnungen. Nach dem Erlass des BMF besteht ein Wahlrecht, ob eine Änderung der Steuerfestsetzung beantragt wird. Es liegt also keine Verpflichtung zur Änderung der Steuerfestsetzungen vor. Solange eine derartige Änderung nicht erfolgt ist, ist auch nicht von einem Anspruch auf Änderung der Rechnungen auszugehen. Zu berücksichtigen ist dabei wiederum, dass für die Beklagte durch die Korrektur ein enormer Aufwand entstehen würde, da sie die Rechnungen an sämtliche Patienten ändern müsste, obwohl ihr eigenes Interesse daran gering ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den von Klägerseite zitierten Fällen, da die Beklagte selbst für den weit überwiegenden Teil der Leistungen Umsatzsteuer an ihre Lieferanten bezahlen musste und es sich um eine enorme Vielzahl von betroffenen Rechnungen handelte.
Kosten: § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben