Steuerrecht

Mitgliedsbeitrag zur IHK

Aktenzeichen  W 6 K 19.235

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43777
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IHKG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 9 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 2
AO § 12
GmbHG § 13 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für die Begründung der Mitgliedschaft in der IHK kommt es allein auf die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht an; die Höhe der Festsetzung des steuerrechtlich zu ermittelnden Gewerbesteuermessbetrages ist für die Zugehörigkeit zur IHK dagegen ohne Bedeutung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, muss die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Betriebsstätte iSd § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg.
1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO. Die Klägerin hat sich in ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2019 der Erklärung der Beklagten angeschlossen und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Bei dem Zusatz „sofern aus Sicht des Gerichts auf eine Beweisaufnahme verzichtet werden kann“ handelt es sich um eine sogenannte unechte Bedingung, da sich für diesen Fall bereits aus dem Gesetz ergibt, dass eine Beweisaufnahme nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen kann, vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 101 Rn. 5). Als Prozesshandlung ist das erklärte Einverständnis grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 6), sodass der mit Schreiben vom 10. Juli 2019 erklärte Widerruf ins Leere ging. Nachdem auch im weiteren klägerischen Schriftsatz vom 30. August 2019 keine neuen Umstände vorgetragen wurden, aus denen sich eine wesentliche Änderung der Prozesslage dergestalt ergeben hätte, die einen Widerruf hätte rechtfertigen können, konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Darauf wurde die Klägerin auch mit richterlichem Schreiben vom 4. September 2019 hingewiesen; eine Äußerung hierzu erfolgte nicht.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der Beitragsbescheid vom 8. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Entgegen ihrer Auffassung ist die Klägerin Kammermitglied und damit beitragspflichtig. Die Höhe der festgesetzten Beiträge ist ebenfalls rechtmäßig.
2.1. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Beitragsbescheides sind §§ 3 Abs. 2, Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-Gesetz – IHKG) vom 18. Dezember 1956, zuletzt geändert durch Art. 93 des Gesetzes vom 29. März 2017, und die von der Vollversammlung der Beklagten beschlossene Beitragsordnung vom 13. Dezember 2007, zuletzt geändert am 5. Dezember 2013, in Verbindung mit der jeweiligen Wirtschaftssatzung der IHK für das Jahr 2015, 2016, 2017 und 2019.
Gemäß § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der IHK entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten (Kammerzugehörige). Die hiernach maßgebliche Veranlagung zur Gewerbesteuer ist in § 2 GewStG geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit. Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 des Körperschaftssteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).
Die Klägerin ist als GmbH eine juristische Person des privaten Rechts (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Sie ist als solche gemäß § 2 Abs. 1 IHKG kraft Gesetzes Mitglied der Beklagten (Kammerzugehörige) und somit kammerbeitragspflichtig, denn sie hat im Bezirk der Beklagten ihren Betriebssitz und damit eine Betriebsstätte. Die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der IHK ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. insbesondere BVerfG, B.v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98; BVerwG, U.v. 19.1.2005 – 6 C 10/04, zuletzt BVerfG, B.v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222).
Die Klägerin gilt allein schon aufgrund ihrer – frei gewählten – Rechtsform als GmbH gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts, der dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, dass sie mit 0,00 EUR der Höhe nach faktisch keine Gewerbesteuer zahlen muss. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19. Januar 2005 (Az. 6 C 10/04 – juris) auch unter Verweis auf die eigene frühere Rechtsprechung sowie unter Hinweis auf die Bestimmung des § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG ausgeführt hat, kommt es für die Begründung der Mitgliedschaft in der IHK allein auf die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht an; die Höhe der Festsetzung des steuerrechtlich zu ermittelnden Gewerbesteuermessbetrages ist für die Zugehörigkeit zur IHK dagegen ohne Bedeutung. Daher verfangen die Ausführungen der Klägerin zu den Regelungen des § 9 GewStG nicht, denn diese haben ausschließlich Bedeutung für die Bemessung der Gewerbesteuer und damit ihrer Höhe. Der Klägerin ist zuzustimmen, dass grundsätzlich jeder Bürger zur Verwirklichung seiner Interessen frei jede vom Gesetzgeber angebotene Rechtsform wählen kann. Doch wer von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, muss die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen (BVerwG, U.v. 19.1.20015 – 6 C 10/04 – juris Rn. 36). Diese Auffassung wird auch in der Rechtsliteratur, soweit ersichtlich, ganz überwiegend vertreten (vgl. etwa Hahn, GewArch 2005, 393 ff, 396; Jahn, GewArch 2005, 169 ff, 176). Auch die erkennende Kammer schließt sich dieser Auffassung an.
Dabei ist es unerheblich, ob der Gegenstand des Unternehmens gewerblich ist bzw. ob überhaupt aktuell eine Gewerbetätigkeit ausgeübt wird, denn § 2 Abs. 1 IHKG knüpft die IHK-Mitgliedschaft einer Kapitalgesellschaft, wie hier der Klägerin als GmbH, gerade nicht an eine gewerbliche Tätigkeit (BVerwG, U.v. 19.1.2005 – 6 C 10/04 – juris, B.v. 21.10.2004 – 6 B 60/04 – GewArch 2005, 24), sondern daran an, ob die betreffende Kapitalgesellschaft – jedenfalls dem Grunde nach – zur Gewerbesteuer veranlagt wird. Indem die Klägerin unbestritten zur Gewerbesteuer veranlagt wird, erfüllt sie die tatbestandlichen Voraussetzungen.
Aus der – im Interesse der Verwaltungsvereinfachung bestehenden (vgl. etwa BVerwG, U.v. 19.1.2005, a. a. O.) – Anknüpfung der Kammerzugehörigkeit einer GmbH unter anderem an die Veranlagung zur Gewerbesteuer nach Maßgabe des oben Ausgeführten ergibt sich – ebenfalls der zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung folgend – ferner der Verweis auf den steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriff gemäß § 12 AO, nachdem das IHKG selbst keine eigene Definition des Begriffs der Betriebsstätte enthält. Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Die Klägerin ist mit ihrem Betriebssitz in Z* im Handelsregister eingetragen. Nachdem sowohl die Beklagte als auch das Gericht die Klägerin unter dieser Anschrift postalisch erreichen konnten, und die Klägerin selbst auf ihrem Briefkopf und ihrem geschäftlichen Briefpapier diese Adresse angibt, ist davon auszugehen, dass die Klägerin dort ihrem Geschäftsbetrieb nachgeht und damit ihren Betriebssitz hat. Daher kommt es entgegen der klägerischen Auffassung auch nicht darauf an, inwiefern dort tatsächlich im allgemeinen Sprachgebrauch ein Gewerbe betrieben wird. Dies korrespondiert auch mit der Tatsache, dass der Bundesfinanzhof beispielsweise eine Plakatsäule oder eine Büroecke in einer privaten Wohnung als Betriebsstätte angesehen hat (Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 12 Rn. 41 m.w.N.).
Soweit moniert wird, dass vor dem Jahr 2015 keine Mitgliedsbeiträge von der Beklagten erhoben worden sind, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich, da nicht verfahrensgegenständlich, denn der angefochtene Bescheid als Streitgegenstand betrifft die Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2015 bis 2017 und eine vorläufige Veranlagung für 2019. Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass sich dieser Umstand jedenfalls zu Gunsten der Klägerin auswirkt.
Der Verweis auf § 25 GewStDV ist ebensowenig wie der Verweis auf § 5 Abs. 1 der Beitragsordnung der Beklagten zielführend, da hierin keine Ungleichbehandlung der Klägerin erkennbar ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nämlich unerheblich, welchen Gewerbeertrag die Klägerin als Kapitalgesellschaft erwirtschaftet, da sie von Gesetzes wegen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gewerbesteuerpflichtig ist und folglich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 GewStDV eine Gewerbesteuererklärung abgeben muss. Aufgrund ihrer Stellung als Kapitalgesellschaft fällt sie auch nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 der Beitragsordnung der Beklagten, der im Übrigen nur die Frage der Beitragsfreistellung, nicht jedoch der Kammerzugehörigkeit regelt.
Die Zulässigkeit des Austauschs der Daten ist in § 9 Abs. 2 IHKG geregelt, wonach die Industrie- und Handelskammern und ihre Gemeinschaftseinrichtungen, die öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes sind, berechtigt sind, zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit und zur Festsetzung der Beiträge der Kammerzugehörigen Angaben zur Gewerbesteuerveranlagung, wie sie auch zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 IHKG erforderlich sind, sowie die nach § 3 Abs. 3 IHKG erforderlichen Bemessungsgrundlagen bei den Finanzbehörden zu erheben.
2.2. Die Höhe des festgesetzten Mitgliedsbeitrags in Höhe von insgesamt 540,00 EUR begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Beiträge für die Jahre 2015 bis 2017 und 2019 sind in ihrer Höhe zutreffend ermittelt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG erheben Industrie- und Handelskammern Grundbeiträge und Umlagen. Nach § 1 Abs. 3 der Beitragsordnung der Beklagten setzt die Vollversammlung jährlich in der Wirtschaftssatzung die Grundbeiträge und den Hebesatz der Umlage fest. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 der jeweiligen Beitragsordnung i.V.m. der Nummer II.2.2 der für das jeweilige Kalenderjahr maßgeblichen Wirtschaftssatzung der Beklagten beträgt der Grundbeitrag für Kammerzugehörige, die im Handelsregister eingetragen sind, in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 130,00 EUR, in den Jahren 2017 und 2019 jeweils 140,00 EUR, sodass der festgesetzte Grundbetrag i.H.v. 540,00 EUR richtig ist. Da die Gewerbeerträge mit 0,00 EUR jeweils unter dem Freibetrag von 15.340 EUR blieben, war nach Nr. 3 der jeweiligen Wirtschaftssatzung keine Umlage anzusetzen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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