Steuerrecht

Parteiwechsel als Klageänderung

Aktenzeichen  4 ZB 21.1972

Datum:
22.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42471
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 61 Nr. 2, § 74, § 82, § 91, § 124 Abs. 2
HGB § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine GmbH & Co. KG ist kraft Gesetzes eine rechtsfähige Personengesellschaft und ist selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Parteiwechsel ist ein Fall der Klageänderung, weil durch den Wechsel eines Hauptbeteiligten der Streitgegenstand der Klage verändert wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Sachurteilsvoraussetzungen, insbesondere die Einhaltung der Klagefrist, müssen hinsichtlich der geänderten Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden, um die Klageänderung als sachdienlich anzusehen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 K 19.291 2021-05-31 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen gebührenpflichtigen Bescheid vom 28. Januar 2019, mit dem die Beklagte der M. GmbH & Co.KG die Erlaubnis erteilte, auf den städtischen Friedhöfen im Jahr 2019 gewerbliche Arbeiten an Grabmalen vorzunehmen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Mai 2021 ab. Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger nicht geltend machen könne, in seinen Rechten betroffen zu sein. Adressat des Bescheids sei nicht der Kläger, sondern die M. GmbH & Co. KG gewesen. Am 1. März 2021 habe der Kläger einen Parteiwechsel beantragt. Dieser sei als Klageänderung nach § 91 VwGO nicht zulässig, weil weder eine Einwilligung der Beklagten vorliege noch der Parteiwechsel sachdienlich sei. Im Zeitpunkt des Antrags auf Parteiwechsel sei der Bescheid gegenüber der M. GmbH & Co. KG bereits bestandskräftig gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
Der Kläger rügt, es liege keine Klageänderung vor, sondern eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung. Im Übrigen habe die Beklagte in die Klageänderung eingewilligt und die Klageänderung sei sachdienlich.
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende (oder der Berichterstatter) den Kläger zur erforderlichen Ergänzung aufzufordern (§ 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die Klageschrift vom 25. Februar 2019 entsprach diesen Anforderungen, sie bezeichnete Kläger, Beklagten und Streitgegenstand eindeutig. Erst die spätere Prüfung der Berichterstatterin führte zu der Erkenntnis, dass nicht der Kläger Adressat des streitgegenständlichen Bescheids war, sondern die M. Natursteine GmbH & Co. KG.
Eine GmbH & Co. KG ist – anders als eine BGB-Gesellschaft – bereits kraft Gesetzes eine rechtsfähige Personengesellschaft und kann im eigenen Namen klagen und verklagt werden (§ 161 Abs. 2, § 124 Abs. 1 HGB). Sie ist selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten, nicht die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit (Schmidt in: Münchner Kommentar zum HBG, 4. Auflage 2015 § 124 Rn. 1 f.). Demgemäß ist sie im Verwaltungsprozess beteiligungsfähig nach § 61 Nr. 2 VwGO, d.h. sie kann selbst Klägerin oder Beklagte sein.
Mangels unklarer Angaben des im Übrigen anwaltlich vertretenen Klägers scheidet eine bloße Berichtigung oder entsprechende Auslegung der Klage hinsichtlich der Klägerseite aus. Der Klageantrag und seine Begründung enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Kläger für die M. GmbH & Co. KG handeln würde oder wollte.
bb) Die Voraussetzungen eines gewillkürten Beteiligtenwechsels nach § 91 VwGO liegen nicht vor.
Der Parteiwechsel ist in § 91 VwGO nicht unmittelbar geregelt. Es handelt sich jedoch auch um einen Fall der Klageänderung, weil der Parteiwechsel durch den Wechsel eines Hauptbeteiligten den Streitgegenstand der Klage verändert (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 § 91 Rn. 20).
Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält.
aaa) Die Beklagte hat in den vom Kläger mit Schriftsatz vom 27. Februar 2021 hilfsweise erklärten Parteiwechsel nicht eingewilligt. Der bloße Umstand, dass sie bis zur erstinstanzlichen Entscheidung dem Parteiwechsel nicht widersprochen hat, reicht insoweit nicht aus.
Nach § 91 Abs. 2 VwGO ist die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
Das Verhalten der Beklagten außerhalb des Prozesses und im Verfahren bis zum Antrag des Klägers auf Parteiwechsel mit Schreiben vom 27. Februar 2021 an das Verwaltungsgericht ist für die Frage der Einwilligung irrelevant, weil dieses ebenfalls auf der (Fehl-)Vorstellung beruhte, dass der Kläger der „richtige“ Kläger sei. Nach Antragstellung hat die Beklagte lediglich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, jedoch keine ausdrückliche Einwilligung erklärt. Der Klageabweisungsantrag kann nicht als Einwilligung im Sinn von § 91 Abs. 2 VwGO bewertet werden, weil „Einlassung“ eine inhaltliche Erwiderung zur geänderten Klage voraussetzt (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 § 91 Rn. 28).
bbb) Der Klägerwechsel ist auch nicht sachdienlich im Sinn von § 91 Abs. 1 VwGO.
Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien im laufenden Verfahren dient. Führt die Änderung zu einem unzulässigen Antrag, ist sie nicht sachdienlich, weil sie den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten nicht beilegen kann (z.B. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 CN 4.16 – juris Rn. 10). Die Sachurteilsvoraussetzungen müssen hinsichtlich der geänderten Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist des § 74 VwGO (BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 125.09 – juris Rn. 19).
Die angestrebte Klageänderung war danach nicht sachdienlich. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist bestandskräftig geworden, er ist nicht vor Ablauf der Klagefrist des § 74 VwGO vom richtigen Kläger, der GmbH & Co. KG, angegriffen worden. Der Kläger hat den Parteiwechsel erst nach Ablauf der Klagefrist beantragt. Die Klage wäre auch im Falle eines zugelassenen Parteiwechsels als verfristet abzuweisen gewesen, so dass die zwischen den Parteien umstrittenen Fragen der jährlichen Erlaubnisbedürftigkeit der gewerblichen Arbeiten und der Gebührenpflicht für das Befahren von Friedhofswegen in diesem Verfahren nicht hätten geklärt werden können.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen einer Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Eine solche ist vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden und liegt nach obigen Ausführungen nicht vor.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 Abs. 1, 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben