Steuerrecht

Privates Veräußerungsgeschäft – Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung

Aktenzeichen  IX R 10/20

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.250321.IXR10.20.0
Normen:
§ 22 Nr 2 EStG 2009
§ 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 144 Abs 2 Nr 1 BauGB
§ 144 Abs 2 Nr 3 BauGB
EStG VZ 2013
§ 433 BGB
§ 873 BGB
§ 925 BGB
§ 311b BGB
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

Eine “Anschaffung” bzw. “Veräußerung” i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 10.02.2015 – IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl II 2015, 487).

Verfahrensgang

vorgehend FG München, 7. November 2019, Az: 10 K 2075/18, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 07.11.2019 – 10 K 2075/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitjahr (2013) einen Gewinn aus der Veräußerung eines Immobilienobjekts als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat.
2
Am 20.12.2002 gaben der Kläger und seine Ehefrau ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb einer Eigentumswohnung in X ab, das der Veräußerer mit notariell beurkundeter Annahmeerklärung vom 07.01.2003 annahm. Das vom Kläger und seiner Ehefrau zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzte Immobilienobjekt befand sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet i.S. des § 142 des Baugesetzbuchs (BauGB).
3
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27.12.2012 veräußerten der Kläger und seine Ehefrau die Immobilie. Nach § 4 des Kaufvertrags sollte der Kaufpreis binnen zehn Tagen fällig sein, nachdem den Vertragsparteien die Mitteilung des Notars zugegangen war, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung zum Kaufvertrag nach § 144 BauGB vorliege. Die für die Eigentumsumschreibung erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB wurde von der zuständigen Gemeindebehörde am 05.02.2013 erteilt. Aus der Veräußerung erzielten der Kläger und seine mit ihm im Streitjahr zusammen veranlagte Ehefrau unstreitig einen Gewinn (Einnahmenüberschuss) in Höhe von 203.390 €.
4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) legte im Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 23.02.2016 unter Anrechnung von 97 € Verlustvortrag sonstige Einkünfte des Klägers in Höhe von 203.293 € zu Grunde.
5
Der Einspruch, mit dem der Kläger vortrug, das Objekt sei nach Ablauf der Haltefrist von zehn Jahren veräußert worden, hatte keinen Erfolg.
6
Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers.
7
Während des Klageverfahrens erging unter dem 22.10.2018 aus hier nicht streitigen Gründen ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
8
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 07.11.2019 – 10 K 2075/18 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1614) als unbegründet ab. Es entschied, der Kaufvertrag sei schuldrechtlich am 27.12.2012 für beide Vertragsparteien bindend geworden. Zwar liege nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ein öffentlich-rechtliches Genehmigungserfordernis vor; der Kaufvertrag sei daher bis zur Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung schwebend unwirksam gewesen. Die erteilte Genehmigung wirke aber zurück.
9
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht erfüllt. Das Veräußerungsgeschäft sei bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam gewesen. Die Vertragsparteien hätten während dieser Zeit nicht die Vertragserfüllung verlangen oder Gewährleistungsrechte gelten machen können. Ebenso wenig hätten sie vorhersehen oder beeinflussen können, ob und wann der Vertrag wirksam werde. Mithin seien ihre Willenserklärungen nicht innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist bindend geworden. Auch das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück sei nicht innerhalb dieser Frist übertragen worden. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung verbiete es, einer nach Ablauf der zehnjährigen Veräußerungsfrist erteilten öffentlich-rechtlichen Genehmigung steuerrechtlich Rückwirkung zukommen zu lassen.
10
Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des FG München und die Einspruchsentscheidung des FA vom 28.06.2018 aufzuheben sowie die Einkommensteuer 2013 unter Änderung des zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheids 2013 vom 22.10.2018 ohne Berücksichtigung eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 203.390 € festzusetzen.
11
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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