Steuerrecht

Rechtmäßige Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  RN 5 K 17.140

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34506
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 6
StPO § 153 Abs. 2, § 153a, § 170 Abs. 2
VwVfG § 18 Abs. 1, § 21

 

Leitsatz

1. Ein Wechselspiel von Anmeldungen und Abmeldungen eines Gewerbes bei der zuständigen Behörde spricht für die Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse in einem Betrieb und den Einsatz eines “Strohmannes”. (Rn. 59 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ermittlungsergebnisse aus einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, welches letztlich aus Opportunitätsgründen oder mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden ist, können bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden von der zuständigen Behörden einbezogen werden. (Rn. 75 – 86) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse dienender Rechtsformenmissbrauch liegt vor, wenn das für ein Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann gegeben ist. (Rn. 87 – 97) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid des Landratsamtes F … vom 14.12.2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Landratsamts F … vom 14.12.2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Die streitgegenständliche Gewerbeuntersagung ist formell rechtmäßig. Die Klägerin wurde ordnungsgemäß angehört. Sie hat durch ihren anwaltlichen Vertreter auch im Anhörungsverfahren umfassend Stellung genommen.
2. Das Landratsamt konnte der Klägerin nach § 35 Abs. 1 GewO die Ausübung des Gewerbes untersagen, da Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit der Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, und die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich ist.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist nach ständiger Rechtsprechung und Literatur, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, U.v. 19.03.1970 – I C 6.69 – DVBl. 1971, 277; Pielow, Gewerbeordnung 2013, § 35 Rn. 19). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten. Erforderlich ist weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs, noch ein Charaktermangel. Die Unzuverlässigkeit muss sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen ergeben. Die bereits geschehenen Tatsachen hat die Behörde daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen, d.h. ob sie die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit erfordert kein Verschulden des Gewerbetreibenden (BVerwGE 24, 38). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung ist immer der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155/90 – juris Rn. 4). Ein späterer Entfall der Untersagungsvoraussetzungen berührt die Rechtmäßigkeit einer ausgesprochenen Untersagungsverfügung nicht, weil Wohlverhalten nach Bescheidserlass nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden kann.
a. Die Klägerin ist unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 GewO, da sie in dem von dem von ihrer Mutter früher betriebenen und mit Bescheid des Beklagten vom 22.4.2015 rechtskräftig untersagten Gewerbe (Urteil des VG Regensburg vom 12.05.2016 RN 5 K 15.804), das sie nun übernommen hat, die sog. Hinterfrau zusammen mit ihrem Bruder in einem Strohmannverhältnis war.
b. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, so zum Beispiel Urteil vom 2.2.1982- C 14/78-, juris Rn. 41 spricht man „Von einem „Strohmann“ im Gewerberecht, wenn jemand (der Strohmann) zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse als Gewerbetreibender vorgeschoben wird und diese Person ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als seine Marionette am Wirtschaftsleben teilgenommen hat. Danach ist auch der Hintermann in einem Strohmannverhältnis als Gewerbetreibender im Sinne des § 35 Gewerbeordnung anzusehen. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2003 – 6 C 10/03, juris Rn. 25 wird weiter ausgeführt: Das in Frage stehende Gewerbe wird in Wirklichkeit aber von einem anderen betrieben. Die eine Person gibt nur ihren Namen für den Gewerbebetrieb her und dient dem wahren Gewerbetreibenden als „Aushängeschild“. In der Rechtsprechung ist der Strohmann auch als jederzeit steuerbare Marionette bezeichnet worden, die von dem „Hintermann“ vorgeschoben wird, um zwecks Täuschung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktisch-wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verschleiern. Dabei liegt der eigentliche Sinn der rechtlichen Erfassung des Strohmannverhältnis darin, den Hintermann in den gewerblichen Ordnungsrahmen einzubeziehen, nicht darin, den Strohmann daraus zu entlassen. Kennzeichnend ist danach die Teilnahme des Strohmannes/der Strohfrau am Wirtschaftsleben, die von dem Hintermann gesteuert wird. Das Gewerberecht muss im Interesse der Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums an das äußere Bild der gewerblichen Betätigung anknüpfen. Deshalb ist nicht das Betreiben des Geschäfts durch den Strohmann /die Strohfrau auf eigene Rechnung kennzeichnend. Wesentlich ist die nach außen gerichtete Betätigung des Strohmannes, namentlich dadurch, dass die Geschäfte in seinem Namen abgewickelt werden und ihn nicht rechtlich binden sollen (BVerwG, Urt. v. 14. Juli 2003 – 6 C 10/03 -, NVwZ 2004, 103).
Das Strohmannverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Hintermann zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder eine juristische Person als Marionette vorschiebt. Das für das Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann nötigt zur Gewerbeuntersagung gegen beide Personen. Ist dieser „Verschleierungstatbestand“ erfüllt und der Hintermann daher Gewerbetreibender im Sinne des § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung, so findet diese Vorschrift auf ihn wie auf jeden sonstigen Gewerbetreibenden uneingeschränkt Anwendung, einschließlich der Möglichkeit, die Untersagung auf alle Gewerbe zu erstrecken (so Bundesverwaltungsgericht vom 18.8.1989 -1 B 103/89, juris Rn. 5 u. Leitsatz).
Ein Strohmannverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt.
Die Kammer kommt nach Auswertung der beigezogenen strafverfahrensrechtlichen Akten und Gerichtsakten sowie der Behördenakten zu dem Ergebnis, dass die Mutter der Klägerin Frau Bl … bei der Ausübung ihres Gewerbes nur als Gewerbetreibende zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse von der Klägerin und ihrem Bruder vorgeschoben wurde und nur als Marionette dieser beiden am Wirtschaftsleben teilnahm.
Dies zeigt bereits das Wechselspiel der Anmeldungen und Abmeldungen des streitgegenständlichen Gewerbes bei der zuständigen Behörde. Mit Gewerbeanmeldung vom 15.11.2009 zeigte die am 20.4.1931 geborene Mutter der Klägerin Bl … zum 1.11.2009 das Einzelgewerbe „Handel mit Holz und Holzteilen, Ausführung von land- und forstwirtschaftlichen Dienstleistungen“ bei der Gemeinde P … an.
Zum 31.12.2015 meldete die Mutter der Klägerin das von ihr angemeldete Gewerbe bei der Gemeinde P … ab. Als Grund wurde Erbfolge/Verkauf/Verpachtung angegeben. Zum 1.1.2016 meldete die Tochter (Klägerin), Frau L …, bei der Gemeinde P … das Einzelgewerbe „Handel mit Jagdeinrichtungen, Bayerwaldkanzeln“ an. Bereits zuvor hatte die Klägerin am 1.5.2000 bei der Gemeinde P … das Einzelgewerbe Handel mit Jagdeinrichtungen angemeldet und es am 8.9.2010 rückwirkend zum 1.1.2010 wieder abgemeldet.
Die Gewerbeanmeldung der Klägerin am 1.5.2000 erklärt sich dadurch, dass ihrem Bruder in diesem Zeitraum das Gewerbe untersagt wurde. Die Gewerbeabmeldung rückwirkend zum 1.1.2010 erfolgte deshalb, weil die Mutter der Klägerin dasselbe Gewerbe anmeldete. Als dann der Mutter der Klägerin das Gewerbe mit Bescheid vom 22.4.2015 untersagt wurde, meldete die Mutter noch im laufenden gerichtlichen Verfahren RN 5 K 15.804 das Gewerbe ab und die Klägerin zum 31.12.2015 das Gewerbe wieder an. Dieser enge zeitliche Zusammenhang zwischen einer bestandskräftigen Gewerbeuntersagung gegen den sogenannten Vordermann und die darauf erfolgte Abmeldung des Gewerbes und die Anmeldung des Gewerbes durch einen Dritten, hier der Klägerin ist ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines Strohmannverhältnis (vgl. HessVGH, Urt. v. 30.01.2003 – 8 UE 4048/60, juris Rn. 35, GewArch 2003,197). Durch die Gewerbeanmeldung der Mutter der Klägerin führte die Mutter nach außen hin das Gewerbe und ermöglichte dadurch auch, dass die Klägerin und ihr Bruder im Hintergrund bleiben konnten. Die Mutter der Klägerin war nur vorgeschoben, um zwecks Täuschung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktischwirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verschleiern. Dies spricht für das Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann.
Für die Annahme eines Strohmannverhältnisses sprechen ferner die Tatsachen, die sich aus den Ermittlungen des Landratsamtes und den verschiedenen im Verfahren beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft über die Geschäftsabläufe bei der Firma „Bay …“ ergeben.
So ergibt sich aus dem vom Gericht beigezogenen Strafverfahren 104 Js 9073/12 folgendes:
In diesem Verfahren hat ein Herr S … für seine polnische Firma T … am 27.8.2012 bei der Staatsanwaltschaft P … gegen das „deutsche Unternehmen, Bay …, …; P …, das von Bl … repräsentiert ist, Strafanzeige wegen Betrugs erstattet“. Er habe „viele Male“ nach Bl … gemailt und angerufen, aber für seine Lieferung kein Geld erhalten, Blatt 1 der Strafverfahrensakte. Bereits diese Strafanzeige allein kann als Indiz herangezogen werden, dass die Mutter der Klägerin im Geschäftsverkehr nach außen als Inhaberin des Gewerbes aufgetreten ist. Aufgrund der Strafanzeige wurde dann ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Mutter der Klägerin, dem Bruder der Klägerin und gegen die Klägerin selbst geführt, in welchen der derzeitige Prozessbevollmächtigte der Klägerin als Verteidiger des Bruders vertreten war. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft P … vom 22.2.2013 (Bl. 97/98 der Sta-Akte) wurde dann das Ermittlungsverfahren gegen die Mutter der Klägerin (Bl …), gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In der Verfügung ist vermerkt: „Aufgrund der Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichen der Fa. Bay … die Beschuldigten W … B … und L … sind. Dem Beschuldigten B … W … wurde das Gewerbe „Bay …“ untersagt. Die Beschuldigte L … hatte ein Gewerbe angemeldet mit Handel von Jagdeinrichtungen und Jagdbekleidung. Erst seit 1.11.2009 hat die Beschuldigte Bl … ein Gewerbe angemeldet mit Handel für Holz und Holzteilen sowie Ausführung von landwirtschaftlichen Dienstleistungen. Aufgrund des Alters (81 Jahre) der Beschuldigten Bl … ist davon auszugehen, dass diese nur als Inhaberin vorgeschoben ist und tatsächlich die beiden anderen Beschuldigten im Geschäftsverkehr auftreten und auch verantwortlich sind. Beide Beschuldigte L … und Bl … wohnen am selben Ort. Die Bestellung erfolgt für die „Fa. Bay …“.
Auch diese staatsanwaltliche Verfügung zeigt, dass nach dem Ergebnis der Staatsanwaltschaftsermittlungen nach außen hin die Mutter der Klägerin als Strohfrau das Gewerbe führte, aber die maßgeblichen Gewerbetreibenden im Hintergrund ihre Kinder, also auch die Klägerin, waren. Gegen den Bruder der Klägerin und gegen die Klägerin selbst erging dann am 28.2.2013 Strafbefehl durch das Amtsgericht F … Az. Cs 104 Js 9073/12 wegen Betrugs, Blatt 100 – 106 der Strafverfahrensakte. Dagegen legten die beiden Einspruch ein. Mit Beschluss des Amtsgerichts F … vom 2.6.2013 wurde dann das Verfahren gegen den Bruder der Klägerin vorläufig gemäß § 153 a StPO eingestellt und dem Bruder auferlegt bis zum 15.7.2013 500,- EUR an die Staatskasse und bis zum 15.8.2013 an die geschädigte Fa. T …, zu Händen des Geschäftsführers, 1048,89 € zu zahlen.
Das Verfahren gegen die Klägerin wurde gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt, Blatt 156 der Strafakten. Obwohl das Verfahrens gegen den Bruder gegen Auflagen und das Verfahrens gegen die Klägerin unter Auferlegung der Kosten auf die Staatskasse eingestellt wurden, können die dortigen Ermittlungsergebnisse für die Frage eines Strohmannverhältnis im gewerberechtlichen Untersuchungsverfahren verwertet werden. Die Grenze zwischen der nach deutschem Recht straffreien Nichterfüllung von Vertragspflichten und des strafbaren Eingehungsbetrugs wird im subjektiven Tatbestand gezogen, so dass der Betrugsvorsatz im Strafverfahren schwer nachweisbar ist, was wohl zur Einstellung des Strafverfahrens gegen die Klägerin geführt hat. Im gewerberechtlichen Verfahren geht es aber darum, ob der Verschleierungstatbestand eines Strohmannverhältnis vorliegt. Dafür ergeben sich aber aus den oben angeführten Dokumenten und auch aus der in diesem Akt befindlichen zivilrechtlichen Klage der polnischen Firma gegen die Klägerin und ihrem Bruder belastbare Beweise. Denn die zivilrechtliche Klage vom 1.4.2013 ist nur gegen diese beide erhoben. Offenbar kommt die Klägerseite im Zivilprozess zu der Auffassung, dass diese die verantwortlichen Betreiber des Gewerbes sind, und nicht deren Mutter. Siehe Klageschrift mit Anlagen K1 bis 9 Blatt 124 – 142).
Ferner ließ ein weiterer Kunde der Firma Bay …, Herr S … R … durch seinen Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft P … Strafanzeige gegen die Mutter der Klägerin und gegen den oder die namentlich nicht bekannten Handelnden der Firma Strafanzeige wegen Eingehungsbetrugs erstatten. Aus der dazugehörigen staatsanwaltschaftlichen Akte Az.32 Js 18251/15 lässt sich entnehmen, dass dieser Kunde für die bestellten 13 offenen Jagdkanzeln eine Anzahlung von 1000,- € geleistet hatte, aber eine Lieferung nicht erfolgte. Die Pfändung des Kontos der Mutter der Klägerin verlief ergebnislos. In der Strafanzeige des anwaltlichen Vertreters wird davon ausgegangen, dass die mittlerweile 84-jährige Mutter der Klägerin lediglich auf dem Papier „den Handel mit Jagdkanzeln über das Internet betreibt. Deshalb richte sich die Strafanzeige auch gegen die namentlich unbekannten, tatsächlich für die Firma handelnden Personen, Blatt 2 – 3 dieser Strafakte. Aus der Strafverfahrensakte lässt sich auch entnehmen, dass zivilrechtliche Klage beim Amtsgericht F … gegen die Mutter der Klägerin eingereicht wurde und diese dann mit Versäumnisurteil das Amtsgericht F … Az.1 C 275/15 am 23.6.2015 zu einer Zahlung von 1000,- € nebst Zinsen verurteilt wurde, Blatt 16 der Akte. Aus dem Ermittlungsbericht des PHM Bi … (Bl. 26) ergibt sich, dass dieser mit dem geschädigten Kunden „R …“ telefonische Rücksprache genommen hat. Daraufhin habe Herr R … angegeben, neben dem E-Mail Verkehr auch einige Telefonate geführt zu haben. „Meistens meldete sich eine ältere Frau am Telefon, die jedoch in der Sache nicht Bescheid wusste. Einmal sagte diese zu ihm, dass die Chefin „ihre Tochter“, momentan nicht zu sprechen sei“. „Ein anderes Mal habe dieser Kunde mit einer männlichen Person gesprochen, weil sie sich mit „Bl …“ gemeldet habe. Diese Person könnte nach seiner Einschätzung ca. 50 Jahre alt gewesen sein. Er sprach sehr langsam, stottermäßig, wie mit einem Sprachfehler oder nach einem Schlaganfall. Dieser wusste offenbar genau über Details Bescheid, wechselte aber dann gleich auf E-Mail Verkehr“. Der Bericht des PHM Bi … stützt sich nicht auf Ermittlungen des Landratsamtes, wie die Klägervertretung behauptet, sondern auf eigene Ermittlungen, hier Aussagen des Kunden „R …“.
Auch dies ist wiederum ein weiteres Indiz dafür, dass die Mutter der Klägerin nur nach außen hin als Marionette aufgetreten ist, im Hintergrund die Klägerin und ihr Bruder das Gewerbe tatsächlich betrieben haben. Die Aussage des Kunden zeigt, dass die Mutter der Klägerin über Aufträge und Verhandlungen mit Kunden nicht Bescheid wusste. Telefonanrufe von Kunden konnte sie nicht beantworten, sondern verwies auf ihren Sohn oder ihre Tochter. In der Sache wusste sie nicht Bescheid. Hierbei handelte es sich nicht nur um zum Teil größere Bestellungen, sondern regelmäßig um Beschwerden von Kunden, die nicht beliefert wurden und um Verhandlungen mit ihnen. Unter üblichen Verhältnissen ist zu erwarten, dass der verantwortliche Gewerbetreibende vor allem bei Problemen mit Kunden in der Sache Bescheid weiß. Zudem führten die Kinder der Klägerin Tätigkeiten im Gewerbebetrieb aus, wie die Annahme von Aufträgen oder die Erteilung von Lieferaufträgen.
An dieser Erkenntnis ändert auch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft P … vom 19.4.2016 gemäß § 170 Abs. 2 StPO (Bl. 69) gegenüber der Mutter der Klägerin nichts. Denn auch dort ist ausgeführt, dass die Ermittlungen ergeben haben, dass die Beschuldigte und die auf die laufende Firma Bay … nur durch ihre beiden Kinder als Strohfrau vorgeschoben wurde. Es ist zumindest nicht nachweisbar, dass die Beschuldigte vorliegend irgendwie geartete betrügerische Aktivitäten vorgenommen hat: Auch dies ist ein weiteres Indiz weiteres Indiz, dass die Klägerin und ihr Bruder die Mutter nur als Gewerbetreibende als Strohfrau vorgeschoben hatten, nicht zuletzt auch um strafrechtlichen Verurteilungen zu entgehen.
Zudem ergibt sich aus den Strafakten der Staatsanwaltschaft P …, Az. 32 Js 4900/16, dass die Klägerin und ihr Bruder (W … B …) wegen gemeinschaftlichen Betrugs angeklagt wurden (Anklageschrift vom 19.4.2016, Strafakten der Staatsanwaltschaft P …, Az. 32 Js 4900/16; Tatzeitpunkt Februar 2014). In der Anklageschrift (Bl. 43/44) wird das Geschäftsmodell der „Bay …“ wie folgt beschrieben: „Die Mutter der Klägerin sei seit längerer Zeit nur mehr formale Firmeninhaberin. Sie selbst tätige keine Rechtsgeschäfte mehr. Vielmehr handelten im Namen der Firma die beiden Kinder der Klägerin, die ihre Mutter nur als „Strohfrau“ vorschieben. Die Kinder nehmen im Namen der Firma Bay … Aufträge an und forderten hierbei zum Teil auch Anzahlungen. Teilweise würden die Aufträge sodann vorgefasster Absicht entsprechend nicht ausgeführt und die erlangten Anzahlungen nicht zurückbezahlt. Komme es zu rechtlichen Inanspruchnahmen, so liefen diese gegen die genannte Firma bzw. die Klägerin. Erwirkte Titel könnten jedoch – was die Kinder der Klägerin wissen würden – mangels Vermögen der Firma bzw. der Klägerin nicht vollstreckt werden“.
„Gemäß diesem Modell hätten die beiden Angeschuldigten eine Bestellung über 13 Jagdkanzeln zum Preis von 3.170,90 € angenommen, eine Anzahlung von 1.000,- € verlangt und erhalten, aber nicht geliefert. Die Anzahlung hätten sie nicht zurückbezahlt, die Zwangsvollstreckung aufgrund des auf die Klage des Geschäftspartners hin ergangenen Versäumnisurteils sei ergebnislos verlaufen“.
Auch wenn die Klägerin mit Urteil des Amtsgerichts F … vom 15.9.2016, rechtskräftig seit 23.9.2016 Az. 1 Ds 32 4900/16 freigesprochen worden ist, weil die durchgeführte Beweisaufnahme keinerlei objektive Anhaltspunkte für eine Täterschaft oder mittäterschaftliche Beteiligung an einem Betrug ergeben hat, können die für die Anklage maßgeblichen Fakten für das gewerberechtliche Untersagungsverfahren verwertet werden, weil es im gewerberechtlichen Verfahren nicht um die Frage des Betruges geht, sondern darum geht, ob ein Strohmannverhältnis vorliegt. Aus den strafrechtlichen Verfahrensakten ergibt sich auch, dass offenbar die Klägerin und der Bruder der Klägerin dem damaligen Käufer S … R … 1000,- € und später noch Teilbeträge überwiesen hatten. Auch dies zeigt, dass der Sachverhalt zum Kaufvertrag und zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis und zu den Eintragungen wahr war. Im Übrigen wurde das Verfahren gegen den Bruder der Klägerin im Hinblick auf die Verurteilung durch das Amtsgericht Deggendorf vom 23.9.2014 Az. 1 Ls 4 5488/12 nach § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. In den Gründen wird ausgeführt, dass die Strafe in Anbetracht der Gesamtstrafenfähigkeit und in dem dortigen Urteil verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiele (Bl. 77).
Auch dies zeigt, dass bei dem anderen Hintermann sogar eine Strafbarkeit vorlag.
Aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 32 Js 4900/16 ergibt sich aus dem Sachverhaltsbericht des Polizeihauptkommissar Bi … vom 1.3.2016 zudem, dass eine Auskunft aus dem Vollstreckungsportal eingeholt worden ist. Dabei wurde für die Klägerin und ihrem Bruder kein Eintrag festgestellt. Hingegen wurde im Schuldnerregister der Mutter der Klägerin, Frau Bl … insgesamt 17 Einträge gefunden (Zeitraum vom 1.1.2013 bis 1.3.2016). Dies ergibt sich auch aus dem vorgelegten Behördenakten. Dies ermöglichte der Klägerin und ihrem Bruder in der Praxis finanzielle Problemfälle auf die formal als Gewerbetreibende eingetragene Mutter der Klägerin abzuwälzen und daraus resultierende Forderungen von Geschädigten somit gleichzeitig ins Leere laufen zu lassen. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Nachdem die Klägerin einen bestimmenden Einfluss auf ihre Mutter hatte, hätte sie leicht erreichen können, dass das Gewerbe ihrer Mutter viel früher abgemeldet wurde wie es tatsächlich erfolgt ist.
Wie bereits oben ausgeführt; können die im Verfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs im Verfahren mit dem Az. 32 Js 4900/16 vor dem Amtsgericht F … dort ermittelten Tatsachen trotz eines Freispruchs für die Klägerin, im Untersagungsverfahren bzw. im Verwaltungsprozess verwertet werden (vgl. BayVGH vom 16.11.2015 – 10CS 15.1564, juris Rn.19).
Ebenfalls herangezogen werden können ermittelte Tatsachen, wenn das Verfahren etwa wegen Geringfügigkeit oder unter Auflagen eingestellt worden ist (§§ 153, 153a StPO; dazu BayVGH B.v. 8.2.2012, Az. 22 ZB 11.2360 Rn. 13). Hintergrund ist, dass nicht die strafgerichtliche Verurteilung als solche Grundlage der Gewerbeuntersagung ist, sondern die Prognose der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die sich auf die vorliegenden Tatsachen stützt (Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung 8. Auflage 2011 § 35 Gewerbeordnung Rn. 37). Damit können die Tatsachen aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Passau mit dem Az. 104/Js 9073/12 herangezogen werden, das letztendlich gegenüber dem Bruder der Klägerin unter Auflagen nach § 153a Abs. 2 StPO und gegenüber der Klägerin wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Diese Einstellungen enthalten zwar keine Schuldfeststellungen, gleichwohl erfolgen sie auch dann, wenn noch ein gewisser Grad an Tatverdacht verbleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.3.2017-2 2 BvR 2282/16 Rn. 12 u.13). Der verbleibende Tatverdacht kann auch in den strafrechtlichen Kostenentscheidungen Berücksichtigung finden. Doch können auch dann die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden, wenn ein begründeter Antrag des Verteidigers dazu führt, dass sich die Schwere des Tatvorwurfs reduziert, sodass das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt werden kann (vgl. AG Backnang, Beschluss vom 16.10.2012 – 2 DsJs 111153/11).
Die Einstellungsentscheidungen entfalten für die Verwertung von Tatsachen daraus bei der Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit keine Bindungswirkung, weil diese nicht in § 35 Abs. 3 Gewerbeordnung genannt sind (vgl. BVerwG vom 26.3.1996-1 C 12/95). Der Verwertung steht auch die Unschuldsvermutung nicht entgegen, da im Strafverfahren nicht die gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit überprüft wird und das gewerberechtlichen Verfahren der Gefahrenabwehr dient und damit einen anderen Zweck hat als die Strafverfolgung (so auch VGH BW vom 9.1.2012- 1 S 2823/ 11, juris Rn. 34).
Selbst die ermittelten Tatsachen, die zu einer staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO wegen fehlender Feststellbarkeit des Verschuldens geführt haben, können im Gewerbeuntersagungsverfahren verwertet werden. Dies liegt darin begründet, dass für das Herbeiführen der Tatsachen, die zur Unzuverlässigkeit führen können, aus gewerberechtlicher Sicht ein Verschulden nicht erforderlich ist (BayVGH B.v. 8.2.2012, Az. 22 ZB 11.2360 Rn. 13). Auch die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft P … mit dem Az. 32 Js 1296/2/14 gegen die Klägerin sowie ihre beiden Kinder wegen Betrugs können herangezogen werden, obwohl gegen alle drei eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt ist, da der Betrugsvorsatz nicht nachzuweisen gewesen sein soll. Zum einen ist ein Verschulden für die Herbeiführung der zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führenden Tatsachen unerheblich. Zum anderen ist das Gericht an die Beurteilung der Staatsanwaltschaft nicht gebunden, eine Bindungswirkung nach § 35 Abs. 3 GewO besteht nicht. Auch gilt der Grundsatz in dubio pro reo in Verwaltungsprozessen nicht. Für die Annahme eines Betrugsvorsatzes spricht insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft in der Verfügung vom 05.12.2014, Bl. 25 der Akte) diesen lediglich deshalb als nicht erwiesen angesehen hat, weil die geleistete Anzahlung des Vertragspartners letztendlich zurückbezahlt worden war. Dies geschah aber erst, als der anwaltliche Vertreter des Kunden und Anzeigeerstatters R … F … im Schriftsatz vom 25.11.2014 der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, dass die Klägerin die Gesamtforderung in dem Verfahren inklusive aller Zinsen und Zwangsvollstreckungskosten gezahlt habe und die Verhaftung zur Abgabe der Vermögensauskunft kurz bevorstand. Der Haftbefehl sei laut Mitteilung des Amtsgerichts F … am 19.11.2014 bereits erlassen worden. Laut Auskunft der Gerichtsvollzieherin H … handele es sich offensichtlich um eine gängige Vorgehensweise der Kinder der Mutter der Klägerin (Blatt 24 der Akte).
Nach der Überzeugung der Kammer hatte die Mutter der Klägerin keinen eigenbestimmten Handlungsspielraum bei der Führung des auf sie angemeldeten Gewerbes mehr. Sie wurde von ihren Kindern als Marionette vorgeschoben und gesteuert. Ein weitere Anhaltspunkt ist hier die Tatsache, dass die Klägerin die Tochter der damals bereits über 80 Jahre alten Strohfrau ist. Denn in der Regel erleichtert ein Verwandtschaftsverhältnis die Einflussnahme des Hintermanns auf den Strohmann. In einem Eltern-Kind-Verhältnis kann auch ein Indiz für das Vorliegen eines Strohmannverhältnisses gesehen werden, da die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern für ein Strohmannverhältnis häufig ausgenutzt wird. Nach der Rechtsprechung ist aber auch bei einer Ehe mit einem unzuverlässigen Ehegatten nicht allein dadurch von der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auszugehen, sondern es müssen vielmehr weitere Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass der unzuverlässige Hintermann Einfluss auf die Führung des Betriebs nehme (BVerwG U.v. 16.10.1959, GewArch 1962, 154). Dies muss auch für ein Eltern-Kind-Verhältnis gelten. Solche weiteren Indizien ergeben sich, wie oben ausgeführt, aus den Kundenbeschwerden und Strafanzeigen der Kunden und den strafrechtlichen Ermittlungsergebnissen.
Hinzu kommt noch, dass die Mutter der Klägerin nach Auskunft der Gerichtsvollzieherin (Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft P … Az. 32 Js 4900/16, Beiakten 32 Js 18251/15, dort Blatt 31) als teilweise teilweise pflegebedürftig und als nicht haftfähig eingestuft wurde. Allein diese äußeren Umstände lassen es als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass die Klägerin noch selbst die Fäden des auf sie angemeldeten Gewerbes in der Hand hielt. Das Verwaltungsgericht muss nicht feststellen, ob die Mutter der Klägerin tatsächlich pflegebedürftig war, wie der Klägervertreter meint, denn das Gewerberecht muss im Interesse der Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums an das äußere Bild der gewerblichen Betätigung anknüpfen. Deshalb ist auch das von einem Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsverfahren festgestellte äußere Erscheinungsbild des Gewerbetreibenden ein verwertbares Beweismittel.
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung Einsicht in die beigezogenen strafrechtlichen Akten beantragte, hat das Gericht diese Akteneinsicht abgelehnt, da der Klägervertreter während des gerichtlichen Verfahrens, spätestens bei Ladung zur mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht hätte beantragen können und Akteneinsicht hätte nehmen können. Zudem war der Klägervertreter in zwei strafrechtlichen Verfahren als Verteidiger beteiligt. Wenn der Klägervertreter Einsicht in die Erkenntnisquellen, die im streitgegenständlichen Bescheid angeführt sind, hätte nehmen wollen, hätte er dies im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht rechtzeitig entweder schon bei Klageerhebung oder während des gerichtlichen Verfahrens beantragen müssen. Nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung hatte er aber bereits im behördlichen Verfahren Akteneinsicht genommen.
Ein weiteres Indiz für ein Strohmannverhältnis ist auch daran zu sehen, dass beim Auftreten des klägerischen Gewerbebetriebs nach außen regelmäßig versucht wird, den Inhaber sowie die wahren Verhältnisse zu verschleiern. Dies wird schon darin erkennbar, dass beim Impressum des Internetauftritts zeitweise kein Inhaber angegeben war oder auf den Rechnungen kein Inhaber angegeben wird (z.B. Rechnung der Bayerwaldkanzeln an den Kunden S … R … vom 28.01.2014 der Akten 32 Js 4900/16 im Verfahren RN 5 K 15.804 in Ablichtung vorhanden Geheft, BA Bl. 9). Weiter kam es zu Nachfragen beim Landratsamt, wer denn nun Inhaber des Gewerbes sei (z.B. Schreiben des Diplom Kaufmanns und Steuerberaters C … K … vom 04.11.2015 im GA RN 5 K 15.804 Bl. 20). Die Kommunikation mit den Kunden erfolgt hauptsächlich über E-Mails, die stets nur mit dem Familiennamen „Bl …“ unterschrieben wurden, so dass unklar bleibt, ob es sich dabei um die Klägerin oder um ihren Sohn handeln soll.
In der Konsequenz dieser Vorgehensweise beim Gewerbebetrieb der Klägerin wurden – wie oben ausgeführt – mehrere Ermittlungsverfahren gegen sie nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass die Mutter der Klägerin selbst nicht innerhalb ihres Gewerbebetriebs handelte, sondern dass die wahren Handelnden der Sohn und die Tochter sind. Damit wurde die Mutter der Klägerin zur Überzeugung der Kammer nur als Strohfrau von ihren Kindern vorgeschoben.
Allein daraus folgt die Unzuverlässigkeit von Strohmann und Hintermann. Es müssen beim Hintermann nicht noch zusätzliche Unzuverlässigkeitsgründe vorliegen. Der eigentliche Sinn der rechtlichen Erfassung des Strohmannverhältnisses ist es nach dem Bundesverwaltungsgericht, den Hintermann in den gewerblichen Ordnungsrahmen einzubeziehen, nicht aber den Strohmann daraus zu entlassen (BVerwG, Urt. v. 2. Februar 1982 Az. – 1 C 3/81 – BVerwGE 65, 12). Das für das Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann nötigt zur Gewerbeuntersagung gegen beide Personen. Ist dieser „Verschleierungstatbestand“ erfüllt und der Hintermann daher Gewerbetreibender im Sinne des § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung, so findet diese Vorschrift auf ihn wie auf jeden sonstigen Gewerbetreibenden uneingeschränkt Anwendung, einschließlich der Möglichkeit, die Untersagung auf alle Gewerbe zu erstrecken (so Bundesverwaltungsgericht vom 18.8.1989 -1 B 103/89-, juris Rn. 5 u. Leitsatz).
Ein der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse dienender Rechtsformenmissbrauch liegt vor. Dies hat die Gesamtschau der oben angeführten strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse und die Familienverhältnisse ergeben. Das für das Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann nötigt zur Untersagung gegen beide Personen.
Unabhängig davon liegt aber für die Klägerin noch ein weiterer Unzuverlässigkeitsgrund darin, dass sie ihre Mutter als Strohfrau im Gewerbebetrieb agieren ließ, obwohl die Mutter 17 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis hatte. Die Mutter war somit nicht leistungsfähig. Dies muss sich die Klägerin zurechnen lassen. Wie sich aus dem Ermittlungsbericht des PHK Bi … vom 1.3.2016 im staatsanwaltschaftlichen Verfahren 32 JS 4900/16 ergibt, verlief eine aufgrund des Versäumnisurteils das Amtsgericht F… veranlasste Pfändung des Bankkontos der Firma ergebnislos. Das Konto wurde als Pfändungsschutzkonto geführt. Zudem lagen bereits vorrangige Pfändungen in Höhe von insgesamt 5708,66 € vor. Auch die beantragte Mobiliarvollstreckung verlief erfolglos, Blatt 4 und 5 der Akte. Die Klägerin hätte dies wie es von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden erwartet wird, von Anfang an verhindern müssen und nicht noch eine leistungsunfähige Strohfrau, nämlich ihre Mutter als Gewerbetreibende pro forma als Gewerbetreibende vorschalten dürfen. Ziffer 1 und 2 des angefochtenen Bescheides sind damit rechtmäßig.
Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlagen hierfür sind die Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 31 und 36 VwZVG. Gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bestehen aus Sicht der entscheidenden Kammer keine Bedenken. Im Übrigen hat auch die Klägerin insoweit nichts vorgetragen.
Insbesondere war die die Klägerin eingeräumte Frist zur Betriebseinstellung angemessen im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Diese beträgt nach der Unanfechtbarkeit des Bescheids eine Woche. Aufgrund des bereits über einen längeren Zeitraum laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens war der Klägerin bekannt, dass die Unanfechtbarkeit der Gewerbeuntersagung bevorstand. Sie konnte sich damit bereits darauf einstellen. Es konnte der Klägerin billigerweise zugemutet werden, in dieser Frist ihr zum Zeitpunkt der Anordnung ausgeübtes Gewerbe abzuwickeln.
Die Kostenentscheidung im angegriffenen Bescheid begegnet keinen rechtlichen Bedenken und basiert auf den Art. 1, 2, 5 und 6 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses. Der Kostenrahmen für die Gewerbeuntersagung beträgt danach 50,- € bis 2.000,- €. Die vom Beklagten angesetzte Gebühr in Höhe von 200, – € bewegt sich im unteren Bereich dieses Kostenrahmens. Die Auslagenfestsetzung betrifft die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides und beruht auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
2. Da die Klage erfolglos war, war sie abzuweisen und es waren gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der unterlegenen Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.


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