Steuerrecht

Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Schenkungsteuer

Aktenzeichen  4 K 204/15

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155708
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BewG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1
BGB § 1024, § 1060 , § 1068 Abs. 2
ErbStG § 25

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht im Rahmen des klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheids das (gegenüber der M) nachrangige Nießbrauchsrecht der Klägerin unberücksichtigt gelassen und nicht im Rahmen des § 25 ErbStG a.F. angesetzt.
a) Im Streitfall ist der Nießbrauch der Klägerin, den sie sich im Zusammenhang mit der schenkweisen Übertragung der Beteiligung an der GbR auf die Tochter S im Rahmen der notariellen Vereinbarung vom … 2008 (…) vorbehalten hat (vgl. die o.g. Vereinbarung), als Nießbrauch an einem Recht i.S.v. § 1068 Abs. 1 BGB zu beurteilen (vgl. Herrler in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 1068 Rn. 4; Bayer in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1069 Rn. 7).
aa) Dies hat zur Folge, dass für den im Streitfall zu Gunsten der Klägerin bestellten Rechtsnießbrauch nach § 1068 Abs. 2 BGB die Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen (§§ 1030 ff. BGB) entsprechende Anwendung finden, soweit sich nicht aus den §§ 1069 bis 1084 ein anderes ergibt.
bb) Wennwie im Streitfall – mehrere Nießbrauchsrechte zusammentreffen, ergibt sich mithin aus der Regelung in § 1068 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1060, 1024 BGB, dass der früher (im Streitfall: zu Gunsten der M) entstandene Nießbrauch den Vorrang gegenüber dem später entstandenen Nutzungsrecht (hier: der Klägerin) hat (vgl. Bayer in Erman, a.a.O., § 1060 Rn. 1; Herrler in Palandt, a.a.O., § 1024 Rn. 1). Der danach Vorgehende braucht sich in seinem Recht nicht von den Nachstehenden beschränken zu lassen (vgl. Bayer in Erman, a.a.O., § 1060 Rn. 1; Heinze in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1060 Rn. 1). Erst mit dem Wegfall des vorrangigen Nießbrauchsrechts rückt das nachrangige Nießbrauchsrecht vor und erst dann kann der (bislang) Nachrangige sein Nießbrauchsrecht ausüben.
b) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. wird der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker oder dem Ehegatten des Erblassers (Schenkers) zustehen oder das mit einer Rentenverpflichtung oder mit der Verpflichtung zu sonstigen wiederkehrenden Leistungen zugunsten dieser Personen belastet ist, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. ist die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfällt, bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Die gestundete Steuer kann auf Antrag des Erwerbers nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG a.F. jederzeit mit ihrem Barwert nach § 12 Abs. 3 BewG abgelöst werden.
aa) Die zinslose Stundung setzt eine Nutzungslast – z.B. in Form eines vorbehaltenen Nießbrauchs i.S.d. § 1030 BGB – voraus, die eine Erwerbsschmälerung auf Seiten des Erwerbers zur Folge hat (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 25 Rn. 1, 38).
bb) Keine Berücksichtigung im Rahmen des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. finden aufschiebend bedingte oder befristete Lasten, da diese nach § 6 Abs. 1 BewG im Rahmen des Erwerbs nicht angesetzt werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. September 2000 II B 109/99, BFH/NV 2001, 455). Erst zum Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung i.S.d. § 158 BGB ist die Steuer zinslos zu stunden und die Steuerfestsetzung nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG nachträglich zu ändern (Gebel a.a.O. § 25 Rn. 38). Diese Grundsätze gelten unmittelbar für den Fall, dass ein schenkweise übertragenes Grundstück bereits vor der Übertragung mit einem lebenslangen Nießbrauchsrecht zugunsten eines Dritten belastet ist und sich der Schenker aufschiebend bedingt auf den Tod des Dritten i.S.d. § 158 BGB ebenfalls den lebenslangen Nießbrauch vorbehält. Eine Berücksichtigung der Nießbrauchslast des Schenkers im Wege der zinslosen Stundung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. erfolgt erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung für das Nießbrauchsrecht.
c) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA das Nießbrauchsrecht der Klägerin zu Recht nicht im Rahmen des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. berücksichtigt.
aa) In zivilrechtlicher Hinsicht ist das im Vertrag vom … 2008 (…) zu Gunsten der Klägerin vereinbarte Nießbrauchsrecht in seiner tatsächlichen Ausübung durch die Klägerin bis zum Ableben von M nachrangig gegenüber dem Nießbrauchsrecht der M. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass das Nießbrauchsrecht der M bereits vor der Begründung des Nießbrauchsrechts der Klägerin bestanden hat, in der Folgezeit weder aufgehoben wurde noch erloschen ist, sondern (offensichtlich) bis zum jetzigen Zeitpunkt fortbesteht (vgl. Herrler in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 1024 Rn. 1). Über die (im Übrigen zwischen den Beteiligten dem Grunde nach nicht streitige) Nachrangigkeit des Nießbrauchsrechts der Klägerin ist die Klägerin jedoch an der Ausübung und der – gegebenenfalls zwangsweisen – Durchsetzung des Rechts gegenüber dem vorrangigen und umfassenden Nießbrauchsrecht von M gehindert.
bb) Der Nießbrauch an dem von der Klägerin an die Tochter schenkweise übertragenen Gesellschaftsanteil steht daher der vorrangig berechtigten M lebenslang vollumfänglich ohne jegliche Einschränkungen zu. Letztlich kann bei im Stufenverhältnis zueinander stehenden lebenslangen Nutzungsrechten noch nicht einmal mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das nachrangige Recht jemals zum Tragen kommt. Insoweit liegt eine aufschiebende Bedingung vor (vgl. auch Urteil des FG Münster vom 30. November 1995 3 K 105-106/95 Erb, EFG 1996, 480 sowie das Schrifttum, z.B. Gebel a.a.O., § 25 Rn. 38; Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, § 25 Rn. 31; Eisele in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 25 Rn. 41).
cc) Damit stellt aber das nachrangige Nießbrauchsrecht der Klägerin bis zum Erlöschen des Nießbrauchs der M für die Tochter der Klägerin, S als Beschenkte, auch insoweit keine tatsächliche Belastung des erworbenen GbR-Anteils dar und kann als aufschiebend bedingte Last i.S.d. § 6 Abs. 1 BewG im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. auch nicht berücksichtigt werden.
dd) Diese Beurteilung entspricht im Übrigen auch dem Zweck des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. So ordnet § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. ein Abzugsverbot für bestimmte Belastungen an, die ansonsten – d.h. ohne dieses Abzugsverbot – bereicherungsmindernd zu berücksichtigen wären. Satz 2 der Vorschrift ermöglicht eine Stundung der Steuer auf den Kapitalwert „dieser Belastungen“. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und dem Normzusammenhang kommt daher eine Stundung nur für die auf solche Belastungen entfallende Steuer in Betracht, die sich ohne das in Satz 1 der Vorschrift angeordnete Abzugsverbot bereicherungsmindernd auswirken würden. Dies ist jedoch gerade für aufschiebend bedingte Belastungen (hier das Nießbrauchsrecht zugunsten der Klägerin) nicht der Fall.
ee) Da sich nach Auffassung des Gerichts der Nachrang des Nießbrauchsrechts der Klägerin gegenüber dem Nießbrauchsrecht der M bereits aus dem Umstand ergibt, dass das Nießbrauchsrecht der Klägerin zeitlich erst nach dem Nießbrauchsrecht der M entstanden ist (s.o.), kann dahin gestellt bleiben, ob sich der Nachrang des Nießbrauchsrechts der Klägerin (auch) aus dem Überlassungsvertrag selbst ergibt.
(1) Daher ist es unbeachtlich, dass die Parteien des Überlassungsvertrags den Begriff der aufschiebenden Bedingung i.S.d. § 158 BGB nicht ausdrücklich verwendet haben. Vielmehr haben die Vertragsparteien ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Überlassungsvertrags das Verhältnis der beiden Nießbrauchsrechte dergestalt beschrieben, dass das Nießbrauchsrecht der M vorrangig gegenüber dem Nießbrauchsrecht der Klägerin ist. Da die Mutter der Klägerin, M, nicht Vertragspartei des Überlassungsvertrags war und ein Vertrag zu Lasten Dritter zivilrechtlich ohnehin auch nicht möglich ist (vgl. Grüneberg in Palandt a.a.O., § 328 Rn. 10 m.w.N.), heißt es in …bzw. Seite 4 des Überlassungsvertrags lediglich auch deklaratorisch wie folgt: „Der Schenker hat die Beteiligung (…) schenkweise von seiner Mutter, M, unter dem Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs übertragen erhalten. Dieser Nießbrauch besteht noch fort. M ist mit der Übertragung der hälftigen Beteiligung (…) auf S unter Fortdauer des Nießbrauchs einverstanden.“ Weiter heißt es …: „Demgemäß entfallen ab heute die Ergebnisse der Beteiligung auf die Beschenkte, soweit sie nicht aufgrund des bestehen bleibenden Nießbrauchs auf M bzw. (…) auf den Schenker als Nießbraucher entfallen.“
(2) Das Gericht musste daher auch nicht den Prozessbevollmächtigen der Klägerin, … als Zeugen zur Frage eines etwaigen fehlenden Regelungscharakters der vertraglichen Erwähnung des Nachrangs des Nießbrauchs der Klägerin vernehmen. Selbst wenn die vertragliche Erwähnung des Nachrangs des Nießbrauchs der Klägerin lediglich einen „deklaratorischen Hinweis auf die faktische Nachrangigkeit“ darstellen würde, ändert sich hieran nach Auffassung des Gerichts nichts an der zwingend vorgeschriebenen – vertraglich nicht abdingbaren – Priorität des „älteren“, d.h. früher begründeten Nießbrauchsrechts von M und an der Nichtberücksichtigung des nachrangigen Nießbrauchsrechts der Klägerin im Rahmen des § 25 ErbStG a.F. Daher war das Gericht mangels Erheblichkeit nicht verpflichtet, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag (vgl. Seite 2 der Niederschrift) nachzukommen (vgl. Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 76 Rn. 28). So darf nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein gestellter Beweisantrag u. a. dann unberücksichtigt bleiben, wenn es auf die Beweistatsache nach Auffassung des Gerichts – wie im Streitfall – nicht ankommt (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2009 VII B 82/08, BFH/NV 2009, 970).
ff) In schenkungsteuer- bzw. bewertungsrechtlicher Hinsicht hat das FA das nachrangige und in seiner Ausübung aufschiebend bedingte Nießbrauchsrecht der Klägerin damit zu Recht nicht im Rahmen des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. berücksichtigt, sondern als zunächst aufschiebend bedingte Last i.S.d. § 6 Abs. 1 BewG im Steuerentstehungszeitpunkt unbeachtet gelassen. Ob und gegebenenfalls inwieweit das Nießbrauchsrecht der Klägerin im Fall des Eintritts der Bedingung nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. im Rahmen der Schenkungsteuerfestsetzung gegenüber den Klägern zu berücksichtigen wäre, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden.
d) Sonstige auf eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 18. März 2015 (…) hindeutende Anhaltspunkte sind weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer erfolgte – abgesehen von der streitigen Frage der steuerlichen Berücksichtigung des nachrangigen Nießbrauchsrechts der Klägerin – erklärungsgemäß, der steuerpflichtige Erwerb ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (BFH-Beschluss vom 20. September 2000 II B 109/99, BFH/NV 2001, 455), noch sind die tatbestandlichen Merkmale des § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO erfüllt.


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