Steuerrecht

Rechtsschutz gegen die Vollstreckung staatlicher Forderungen durch die Finanzämter nach der Abgabenordnung

Aktenzeichen  M 10 K 16.1676

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 40 Abs. 1, § 173
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1
FGO FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 25 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Für Rechtsmittel gegen die Zwangsvollstreckung von Leistungsbescheiden des Staates durch die Finanzämter nach der Abgabenordnung ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten und nicht zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (Art. 25 BayVwZVG).  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Verwaltungsrechtweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Finanzgericht München verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich im Kern gegen durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen.
Mit Telefax vom 11. April 2016, ergänzt am 12. April 2016, erhob der Kläger Klage gegen die im Rahmen einer Zwangsvollstreckung erfolgte Pfändung eines PKW BMW 740 D, amtliches Kennzeichen …, nebst Fahrzeugschlüsseln und Zulassungsbescheinigung Teil II Nr. … sowie eines Fahrzeugbriefs Nr. … und eines Motorradschlüssels „Honda“.
Zur Begründung machte er geltend, die der Pfändung zugrundeliegenden angeblichen Forderungen könnten nicht nachvollzogen werden, sie bestünden nicht und würden ausdrücklich bestritten. Auch sei die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts … vom 8. Dezember 2015 nach § 287 Abs. 6 AO bzw. § 758a Abs. 5 ZPO nicht vorgezeigt worden, lediglich am Schluss der Vollstreckung sei eine Kopie übergeben worden, so dass die Vollstreckung insgesamt unzulässig gewesen sei. Eine Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht erfolgt, ein Durchsuchungsprotokoll sei trotz Aufforderung nicht ausgehändigt worden. Im Übrigen übersteige der Wert der gepfändeten Gegenstände die angeblich zu vollstreckende Summe von 2.400,00 € bei weitem, so dass nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine unzulässige Überpfändung vorliege.
Als Anlage zu seiner Klageschrift legte der Kläger eine Quittung des Finanzamtes … vom 11. April 2016 über die gepfändeten Gegenstände vor; ferner legte er die Kopie der Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts … – Abteilung Mobiliarvollstreckung – vom 08. Dezember 2015 (Az. 2 M 5033/15) vor.
Mit Schreiben vom 14. April 2016 forderte das Gericht den Kläger zur Klarstellung seines Rechtschutzziels auf. Gleichzeitig wies es die Beteiligten darauf hin, dass für das Verfahren bei der Vollstreckung staatlicher Leistungsbescheide durch die Finanzämter die Vorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung Anwendung fänden, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer etwaigen Verweisung des Rechtsstreits an die Finanzgerichtbarkeit.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 nahm der Beklagte zu der Klage Stellung und teilte mit, die vom Finanzamt … am 11. April 2016 durchgeführte Zwangsvollstreckung habe auf Leistungsbescheiden des Staates (Staatsoberkasse …, Zentrale Bußgeldstelle des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes, Landratsämter … und … – vgl. Auflistung in der Durchsuchungsanordnung) beruht und sei nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchgeführt worden. Da kein anderer Rechtsweg ausdrücklich gegeben sei, finde die Finanzgerichtsordnung Anwendung. Das Verwaltungsgericht sei damit sachlich nicht zuständig.
Beim Finanzgericht München (Az. 10 V 1164/16) habe der Kläger am 2. Mai 2016 einen „Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung“ gestellt, der am 12. Mai 2016 vom Finanzamt für erledigt erklärt worden sei, nachdem durch Einzahlung vom 9. Mai 2016 der Kläger seine sämtlichen Rückstände getilgt habe und die Vollstreckung daraufhin eingestellt worden sei.
Eine Verweisung der Klage an das zuständige Finanzgericht werde deshalb nicht für sinnvoll gehalten. Sollte der Kläger die Klage nicht zurücknehmen, werde beantragt,
die Klage als unzulässig abzuweisen.
Der gerichtlichen Empfehlung, die Klage zurückzunehmen, kam der Kläger nicht nach; auch hat er weder sein Rechtschutzbegehren konkretisiert noch sich zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits geäußert.
II.
Nach § 173 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und der Rechtsstreit an das zuständige Finanzgericht München zu verweisen.
Für das vorliegende Verfahren ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderem Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Eine solche Zuweisung ist im vorliegenden Fall gegeben:
Der Kläger erhebt im Kern sinngemäß (§ 88 VwGO) Einwendungen gegen die (Art und Weise der) Pfändung diverser Gegenstände (PKW BMW 740 D, amtliches Kennzeichen …, nebst Fahrzeugschlüsseln und Zulassungsbescheinigung Teil II Nr. …, Fahrzeugbrief Nr. …, Motorradschlüssel Honda) im Rahmen einer auf Ersuchen verschiedener Behörden des Freistaats Bayern am 11. April 2016 durchgeführten Zwangsvollstreckung durch das Finanzamt …. Auch wenn der Kläger die fehlende Nachvollziehbarkeit der vollstreckten Forderungen rügt, ist seinem Vortrag nicht zu entnehmen, dass er im Einzelnen gegen die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden jeweiligen Verwaltungsakte/Leistungsbescheide vorgehen will; solche Rechtsbehelfe – sofern noch nicht eingelegt – dürften wohl auch zwischenzeitlich unzulässig sein.
Da vorliegend die Zwangsvollstreckung auf Leistungsbescheiden des Staates beruht, sind insoweit die Finanzämter zu ihrer Durchführung berufen; für das Verfahren der Finanzämter gelten die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend (Art. 25 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG i. V. m. §§ 249 ff Abgabenordnung – AO). Soweit nicht ein anderer Rechtsweg ausdrücklich gegeben ist, findet hierbei die Finanzgerichtsordnung Anwendung (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Damit wird den Finanzämtern in diesen Fällen die ihnen vertraute Verfahrensordnung zugewiesen (VG Ansbach, B. v. 10.11.2004 – AN 11 K 04.01535 – juris; VG Leipzig, B. v. 24.2.1998 – NVwZ-RR 1999,158) und insoweit eine Rechtswegzuweisung vorgenommen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO).
Der Rechtsstreit ist daher nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an des nach §§ 35, 38 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) sachlich und örtlich zuständige Finanzgericht München zu verweisen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 17b GVG der Entscheidung des Finanzgerichts vorbehalten.


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