Aktenzeichen 11 K 2508/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der vom Kläger geltend gemachte Verpflegungsmehraufwand ist nicht im Rahmen der Werbungskosten zu berücksichtigen. Da der Kläger im Streitfall nicht außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte und nicht an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten im Streitjahr tätig geworden ist, scheidet der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen aus. Die Fahrten des Klägers zu seinen Einsatzstellen am FX sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung nur in Höhe der vom FA bereits berücksichtigten Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehbar.
a. Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, so sind die ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen für Verpflegung pauschal abziehbar. Nach § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG sind zur Abgeltung derselben für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. Der Gesetzgeber geht dabei in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise typisierend davon aus, dass ein etwa beruflich veranlasster Mehr-Aufwand für Verpflegung nicht anzuerkennen ist, solange sich der Arbeitnehmer am Betriebssitz oder an anderen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen aufhält. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Arbeitnehmer im Betriebsgebäude (bzw. auf dem Betriebsgelände) regelmäßig Einrichtungen vorfinden wird, an denen er sich vergleichsweise kostengünstig wird verpflegen können (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Juni 2009 VI R 61/06, BStBl II 2010, 564). Bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt sich der pauschale Abzug nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG auf die ersten drei Monate der Auswärtstätigkeit.
Nach der gesetzlichen Regelung des Streitjahres können Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur mit der Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, höchstens in Höhe von 4.500 €, steuerlich berücksichtigt werden.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Ein Arbeitnehmer kann dabei je Dienstverhältnis nur eine feste Tätigkeitsstätte haben (§ 9 Abs. 4 Satz 5 EStG). Ist der Arbeitnehmer außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte und seines Wohnortes tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor.
Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG und hat er nach den dienst- und arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, kann er für Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ansetzen; für Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes gelten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG entsprechend. Unter diese Regelung fallen beispielhaft Hafenarbeiter und Forstarbeiter (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 24. Oktober 2014 – 2014-10-24 IV C 5-S 2353/14/10002 -, BStBl I 2014, 1412 Rz. 41). Maßgebend ist insoweit, dass der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten auszuüben hat. Auf die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen hat die Festlegung „tätig werden in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet“ keine Einfluss (BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 – 2014-10-24 IV C 5-S 2353/14/10002 -, BStBl I 2014, 1412 Rz. 44).
b. Im Streitfall stellt das Gelände des FX die erste Tätigkeitsstätte des Klägers dar. Die X GmbH gehört zum Servicebereich des FX Konzerns. Sie ist zu 100% eine Tochtergesellschaft der FX GmbH und damit ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes (AktG), da sie im Mehrheitsbesitz der Firma FX GmbH steht. Die X GmbH führt in den Bereichen Terminal 1 und Terminal 2 des FX im Auftrag der Muttergesellschaft die Absicherung der beiden Terminals sowie der Baustelle Satellit und Beschäftigtenkontrollen durch. Im Außenbereich führt diese an den Außenkontrollstellen des Flughafens Personal-, Waren- und Kfz-Kontrollen durch und übernimmt die Sicherheitsabfertigung und Frachtkontrollen für Fluggesellschaften und Absicherungsaufgaben nach § 8 und 9 LuftSiG. Zusätzlich nimmt sie Aufgaben im Sonderkontrollbereich für Amerika-Flüge der DLH wahr und führt Überwachungsmaßnahmen bei der Post und Luftpost durch (vgl. Homepage der X GmbH). Der Kläger war im Streitjahr als Sicherheitskraft bei der Firma X GmbH angestellt und wurde nach einem Dienstplan an täglich wechselnden Einsatzorten ohne festes Schema auf dem FX nach seinen Angaben an Kontrollstellen (z.B. Lufthansa …, bei der Lufthansa …, bei der Lufthansa …, Lufthansa …, LTU/Air Berlin, Cargogate Flughafen X mbH, und FX GmbH) beschäftigt. Diese befanden sich in einer Entfernung von wenigen hundert Metern bis zu etwa 2,5 km von dem Sitz der Firma X GmbH in der …allee und voneinander.
Der FX wird von der FX GmbH betrieben. Der Flughafen X ist in den Geschäftsfeldern Aviation, Commercial Activities und Real Estate tätig. Das Leistungsportfolio des Konzerns deckt nahezu alle am Flughafen-Campus verfügbaren Leistungen ab – vom Flugbetrieb, über die Passagier- und Frachtabfertigung bis hin zu Einzelhandel, Hotelgewerbe und Gastronomie. Der Konzern sieht sich als Full-Service-Provider für die Airlines (Konzernlagebericht und Finanzbericht FX 2015). Der FX ist nach Auffassung des Senats kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i. S. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 24. Oktober 2014 – 2014-10-24 IV C 5-S 2353/14/10002 -, BStBl I 2014, 1412 Rz. 3 und des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 15. Februar 2016 S. 2353.1.1-16/1 St 32, Tz. 4, juris). Er stellt vielmehr eine ortsfeste, d.h. nicht mobile, betriebliche Einrichtung eines verbundenen Unternehmens des Arbeitgebers des Klägers dar (vgl. auch Finanzgericht – FG – Hamburg 6 K 20/16, EFG 2017, 27). Denn das räumlich geschlossene Gelände des FX mit seinen nicht mobilen Infrastruktureinrichtungen ist nach seinen infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder mit einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar. Das Betriebsgelände des FX stellt deshalb eine erste Tätigkeitsstätte des Klägers im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dar.
Der Kläger war durch die den Arbeitsvertrag ausfüllenden Weisungen dem FX als ortsfester betrieblicher Einrichtung dauerhaft zugeordnet (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG). Denn nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG wird die Zuordnung durch die dienst- und arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Der Kläger fuhr im Streitjahr seine Einsatzorte im Gebiet des FX nach vorheriger Weisung durch den Einsatzplan seines Arbeitgebers an. Insoweit handelt es sich um den Arbeitsvertrag ausfüllende Weisungen des Arbeitgebers des Klägers.
Da der Kläger im Streitfall nicht außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte und seinem Wohnort tätig wurde, können weder Verpflegungsmehraufwendungen noch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Reisekostengrundsätzen berücksichtigt werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.