Steuerrecht

Rückforderung der ausbezahlten Vergütung eines Lehrauftrags

Aktenzeichen  M 5 K 16.3469

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7637
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 812
BayVwVfG Art. 35 S. 1, Art. 44 Abs. 1
BayHSchPG Art. 31
LLHVV § 4, § 5

 

Leitsatz

1 Die Bestellung zum Lehrbeauftragten, also die Verleihung des Rechts, Lehrveranstaltungen durchzuführen, stellt für den Lehrbeauftragten einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG dar. Mit der Bestellung zum Lehrbeauftragten wird zugleich die Vergütung pro Lehrveranstaltungsstunde durch einseitigen Ausspruch nach Grund und Höhe festgesetzt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verwaltungsakt ist nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, wenn er sich als offensichtlicher Gefälligkeits-Verwaltungsakt darstellt, der rechtsmissbräuchlich und willkürlich erlassen wurde.  (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Leistungsbescheid der Hochschule für Musik und Theater … vom *. Juli 2016 wird insoweit aufgehoben, als darin ein Betrag über 15.563,55 Euro hinaus zurückgefordert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 3/5, der Beklagte 2/5 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
1. Der Leistungsbescheid der Hochschule vom … Juli 2016 ist – nach Teilaufhebung in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2019 in Höhe von 10.136,50 EUR – insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als darin noch ein Betrag über 15.563,55 EUR hinaus – also 10.230 EUR – zurückgefordert wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Bis einschließlich des Betrags von 15.563,55 EUR ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Hochschule stützt ihre Rückforderung der an den Kläger ausgezahlten Vergütungen für den Lehrauftrag im Fach Musikwissenschaft im Studienjahr 2014/15 nur in Höhe von 15.563,55 EUR zu Recht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
a) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der als eigenständiges Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts in Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist und dessen Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -) entsprechen, dient der Rückabwicklung ohne Rechtsgrund erbrachter Leistungen oder sonstiger rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 48/82 – BVerwGE 71, 85 ff.; BayVGH, U.v. 9.3.1999 – 9 B 96.3716 – juris; U.v. 1.2.2006 – 14 B 00.2202 – BayVBl 2007, 403 ff.). Er ist neben dem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn nach § 48 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) anwendbar, weil er sich von diesem in den Tatbestandsvoraussetzungen und der Rechtsfolge unterscheidet.
b) Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie des weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen (Bayerisches Hochschulpersonalgesetz – BayHSchPG) können zur Ergänzung des Lehrangebots Lehraufträge erteilt werden. An Kunsthochschulen können sie auch zur Sicherstellung des Lehrangebots in einem Fach erteilt werden (Satz 2). Lehrbeauftragte werden in der Regel für ein Semester durch die Hochschule bestellt; sie stehen in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zum Freistaat Bayern (Satz 3). Ein Lehrauftrag ist zu vergüten; dies gilt nicht, wenn Lehrbeauftragte von sich aus auf eine Vergütung verzichten oder wenn die durch den Lehrauftrag entstehende Belastung bei der Bemessung der Dienstaufgaben eines hauptberuflich im öffentlichen Dienst Tätigen entsprechend berücksichtigt wird (Satz 5). Die Lehrbeauftragten nehmen die ihnen übertragenen Aufgaben selbstständig wahr (Art. 31 Abs. 3 Halbsatz 1 BayHSchPG).
aa) Nach Art. 32 BayHSchPG erlässt das Staatsministerium im Benehmen mit den Hochschulen Bestimmungen über die Beschäftigung von Lehrbeauftragten und – im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat – insbesondere über die Lehrauftragsvergütung.
Dem entsprechend ergingen die Lehrauftrags- und Lehrvergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen (Lehrauftr./Lehrverg.-H. – LLHVV) als Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 3. November 2008 (KWMBl 2009 S. 3), geändert durch Bekanntmachung vom 28. August 2012 (KWMBl S. 290).
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LLHVV entscheidet über die Erteilung von Lehraufträgen der Fakultätsrat; dieser kann die Entscheidung auf den Dekan oder die Dekanin übertragen. Für den Fall, dass die Hochschule nicht in Fakultäten gegliedert ist, entscheidet die Hochschulleitung (Satz 2). Die Bestellung der Lehrbeauftragten obliegt dem Präsidenten oder der Präsidentin der Hochschule, der oder die diese Aufgabe an andere Mitglieder der Hochschule delegieren kann.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LLHVV sind Lehraufträge – mit Einschränkungen – zu vergüten. Lehrveranstaltungen können mit einem Höchstbetrag je tatsächlich abgehaltener Einzelstunde von 55 EUR vergütet werden (Abs. 2 Satz 1). Für die Festsetzung der Vergütung erlässt die Hochschule Richtlinien, in denen insbesondere sichergestellt wird, dass der Vergütungsrahmen nur in Ausnahmefällen ausgeschöpft wird (Abs. 2 Satz 3). Bei der Bemessung der Höhe der Vergütung sind insbesondere der Inhalt der Lehrveranstaltung, die erforderliche Vor- und Nachbearbeitung, Umfang und Intensität der Veranstaltungsabschlussprüfungen und die Bedeutung der Lehrveranstaltung im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnung zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 3). In Fächern, in denen ein angemessenes Lehrangebot auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, beträgt der Höchstbetrag 66 EUR (Abs. 3). In besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Hochschule Lehraufträge abweichend von den Abs. 2 und 3 vergeben (Abs. 4 Satz 1). Die Erteilung entsprechender Lehraufträge ist dem Staatsministerium anzuzeigen (Abs. 4 Satz 2).
bb) Die Richtlinien für die Vergütung von Lehraufträgen der Hochschule für Musik und Theater … vom … Oktober 2009 (Richtlinien 2009) sehen eine Staffelung der Lehrauftragsvergütungen je abgehaltener Unterrichtsstunde von 27,50 EUR über 30,50 EUR bis 39 EUR vor (Nr. 1, 2 und 3). In besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Hochschulleitung auf Vorschlag eines Fachgruppensprechers höhere Lehrauftragsvergütungen festsetzen. Besonders begründete Ausnahmefälle liegen nur bei Dozenten vor, die das Profil der Hochschule schärfen oder deren Renommee steigern (Nr. 4). Nach Nr. 5 Satz 1 der Richtlinien 2009 werden nur gegebene Stunden vergütet.
Die Richtlinien für die Vergütung von Lehraufträgen der Hochschule für Musik und Theater … vom *. Juli 2015 (Richtlinien 2015) sehen zum … März 2015 eine Staffelung der Lehrauftragsvergütungen je abgehaltener Unterrichtsstunde von 36 EUR bis 45 EUR vor (Nr. 1, 2 und 3). Die Regelungen in Nr. 4 und Nr. 5 Satz 1 blieben gegenüber denen in den Richtlinien 2009 unverändert.
Bis zum … Oktober 2014 wurden von der Hochschule für Lehraufträge nur für zwei Personen Stundensätze ab 55 EUR bezahlt, nämlich für einen Herrn A. 55 EUR und eine Frau B. 110 EUR (vgl. Blatt 17 der Behördenakte).
cc) Der Kläger hingegen erhielt auf Grundlage der maßgeblichen Bestellung zum Lehrbeauftragten für das Wintersemester 2014/15 bzw. für das Sommersemester 2015 mit Schreiben des Präsidenten vom … November 2014 einen Vergütungssatz im Fach Musikwissenschaft von 277,35 EUR. Zudem sollte nach Beschluss der Hochschulleitung vom … November 2014 (der noch den zunächst – angeblich unzutreffend – errechneten Betrag von 221 EUR pro gehaltener Stunde enthielt) eine pauschale Vergabe ohne Abrechnung einzelner gegebener Stunden erfolgen.
c) Die Bestellung zum Lehrbeauftragten, also die Verleihung des Rechts, Lehrveranstaltungen durchzuführen, stellt für den Lehrbeauftragten einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) dar, denn das Lehrauftragsverhältnis wird nicht durch Vertragsabschluss, sondern aufgrund öffentlich-rechtlicher Rechtsnorm durch einseitige hoheitliche Maßnahme begründet. Mit der Bestellung zum Lehrbeauftragten wird zugleich die Vergütung pro Lehrveranstaltungsstunde durch einseitigen Ausspruch nach Grund und Höhe festgesetzt (VG München, B.v. 8.7.2016 – M 3 S 16.2664 – juris Rn. 32; so auch BAG, U.v. 15.4.1982 – 2 AZR 1111/79 – juris Rn. 23 f., NdsOVG, U.v. 6.10.1994 – 10 L 5100/91 – juris Rn. 18 [mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt] und VG Köln, U.v. 29.7.2015 – 3 K 3789/13 – juris Rn. 28; a.A. BayVGH, U.v. 23.6.1999 – 7 B 98.2272 – juris Rn. 12, der von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgeht, da sich die Beteiligten deswegen in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber stünden, weil die Lehrbeauftragten die ihnen übertragenen Aufgaben selbstständig wahrnehmen).
Auch das Schreiben des Präsidenten der Hochschule vom … November 2014 enthält mit der Bestellung des Klägers zum Lehrbeauftragten im Fach Musikwissenschaft (sowie auch – hier jedoch nicht mehr relevant – im Fach Liedgestaltung) einen solchen Verwaltungsakt. Denn darin wurden der Zeitraum der Bestellung (Wintersemester 2014/15 und Sommersemester 2015; offizielle Dauer des Studienjahrs: …10.2014 bis …9.2015), der Umfang des Lehrauftrags (3,00 Wochenstunden) und der Vergütungssatz (277,35 EUR je Wochenstunde) festgesetzt. Daraufhin wurden dem Kläger 25.793,55 EUR gezahlt (Abrechnungen vom …2.2015 und …6.2015).
Dieser Verwaltungsakt ist jedoch nichtig und damit unwirksam (Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG).
aa) Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
(1) Besonders schwerwiegend ist ein Fehler, der in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte. Der Verstoß muss nach Art und Ausmaß ein Gewicht haben, dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Stabilität des Verwaltungsakts und damit der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend auf den Rang der Rechtsvorschrift an, gegen die der Verwaltungsakt verstößt; nicht nur der Verstoß gegen Verfassungsrecht führt zur Nichtigkeit (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 8). Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt beispielsweise vor, wenn ein offensichtlicher Gefälligkeits-Verwaltungsakt erlassen wurde, dem keinerlei rechtfertigender Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 10).
(2) Zusätzlich zur besonderen Schwere des Fehlers ist es im Interesse der Rechtssicherheit – gewissermaßen als Ersatz für die Klärung der Frage der Rechtswidrigkeit in einem Rechtsbehelfsverfahren – erforderlich, dass der Fehler offenkundig sein muss. Offenkundigkeit bedeutet, dass die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein, sich geradezu aufdrängen muss. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ sein, d.h. es darf die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt doch rechtmäßig sein könnte, nach Lage der Dinge für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, weder besonders sach- noch rechtskundigen, aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht bestehen. Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze ist nicht Voraussetzung. Es genügt, dass im Sinne der strafrechtlichen Theorie der Parallelwertung in der Laiensphäre ein gerecht und billig denkender, aufgeschlossener Staatsbürger ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen zu dem Schluss kommen muss, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 12).
(3) Nichtig sind auch Verwaltungsakte, die unter offensichtlichem und schwerem Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des formellen oder materiellen Rechts erlassen wurden, zum Beispiel bei Entscheidung durch Verwaltungsakt statt durch Verordnung oder in sonstigen Fällen groben Formenmissbrauchs, bei reiner Willkür oder wenn die Behörde sich über Vorschriften bewusst hinwegsetzt, um dem Betroffenen die Möglichkeit rechtzeitigen Rechtsschutzes zu nehmen und vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 24).
(4) Wie sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 44 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG ergibt, bleibt es bei der Regelung des Abs. 1 in Fällen des Handelns in eigener Sache gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG, wenn also ein Beteiligter in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig geworden ist (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 54). Nach Art. 9 BayVwVfG ist Verwaltungsverfahren die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist. Es schließt den Erlass des Verwaltungsakts oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein. Beteiligter ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG derjenige, an den die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat.
(5) Nach Art. 44 Abs. 3 Nr. 3 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt jedoch nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Mangel in diesen Fällen in der Regel den Beteiligten nicht bekannt ist und die Annahme der Nichtigkeit des Verwaltungsakts mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und gegebenenfalls des Vertrauensschutzes nicht vereinbar wäre (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 55). Beschlüsse im Sinne der Vorschrift sind sowohl solche, auf denen der Verwaltungsakt unmittelbar beruht und deren „Vollzug“ er darstellt, als auch sonstige Beschlüsse, mit denen ein bei der Behörde gebildeter Ausschuss einem beabsichtigten Verwaltungsakt zustimmt oder dazu Stellung nimmt. Dem Fehlen eines Beschlusses ist die Nichtigkeit des Beschlusses sowie eine etwa noch vor Erlass des Verwaltungsakts erfolgte Aufhebung gleichzusetzen (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 56). In einem Fall des Art. 44 Abs. 3 Nr. 3 BayVwVfG kann sich jedoch die Nichtigkeit durch das Hinzutreten weiterer Umstände ergeben (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 51).
bb) Nach diesen Grundsätzen wäre der Verwaltungsakt der Bestellung des Klägers zum Lehrbeauftragten im Fach Musikwissenschaft durch den Präsidenten der Hochschule vom 10. November 2014 nicht allein deswegen nichtig, weil der Kläger – damals selber noch Präsident der Hochschule – an der Sitzung der Hochschulleitung am … Mai 2014 auch zu TOP 32 teilgenommen hat. Im Hinblick auf die Mitwirkung des Klägers als Beteiligter an der Beratung und möglicherweise auch Beschlussfassung könnte der damals gefasste Beschluss selber zwar unwirksam sein. Das wäre jedoch im Hinblick auf den später erlassenen Verwaltungsakt lediglich einem fehlenden Beschluss im Sinne des Art. 44 Abs. 3 Nr. 3 BayVwVfG gleichzustellen. Außerdem ist festzustellen, dass sich die Hochschulleitung in ihrer Sitzung am *. November 2014 unter TOP 5 nochmals mit dieser Thematik befasst und damit – nunmehr allerdings ohne Mitwirkung des von seinem Amt als Präsident zurückgetretenen und mittlerweile beurlaubten Klägers – den Beschluss vom … Mai 2014 quasi bestätigt hat.
cc) Der Verwaltungsakt ist jedoch deswegen nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, weil er sich zur Überzeugung des Gerichts als offensichtlicher Gefälligkeits-Verwaltungsakt darstellt, der rechtsmissbräuchlich und willkürlich erlassen wurde. Er stellt einen solch schweren und offenkundigen Verstoß gegen die Regelungen über die Erteilung eines Lehrauftrags bzw. die Bestellung eines Lehrbeauftragten und die entsprechende Vergütung hierfür dar, dass ihm im oben dargestellten Sinne die Fehlerhaftigkeit „auf der Stirn geschrieben steht“. Jeder billig und gerecht denkende unvoreingenommene Beobachter muss zu dem Schluss kommen, dass die mit Schreiben vom … November 2014 erfolgte Bestellung des Klägers zum Lehrbeauftragten im Fach Musikwissenschaft zu dem hierfür festgesetzten Vergütungssatz von 277,35 EUR unter keinen Umständen rechtens sein kann.
(1) Dies ergibt sich, unter Einbeziehung der Vorgänge in den Sitzungen der Hochschulleitung am *. Mai 2014 und … November 2014, schon allein aus der Höhe des Vergütungssatzes. Nach den oben dargestellten einschlägigen Regelungen in § 5 LLHVV können Lehrveranstaltungen – und das auch nur je tatsächlich abgehaltener Einzelstunde – grundsätzlich nur mit einem Höchstbetrag von 55 EUR, ausnahmsweise mit einem Höchstbetrag von 66 EUR vergütet werden. Nur in besonders begründeten Ausnahmefällen kann eine Hochschule hiervon abweichen und hat dies auch dem Staatsministerium anzuzeigen. Die Richtlinien der Hochschule selbst sahen grundsätzlich nur einen Höchstbetrag von 39 EUR (Richtlinien 2009) bzw. ab dem … März 2015 von 45 EUR (Richtlinien 2015) vor. Nr. 4 der Richtlinie regelte zwar die Möglichkeit höherer Lehrauftragsvergütungen in besonders begründeten Ausnahmefällen. In der bisherigen Verwaltungsübung der Hochschule waren jedoch nie mehr als 110 EUR im Falle einer besonders renommierten Künstlerin als Vergütungssatz festgesetzt worden. Im Falle des Klägers wurde nun jedoch noch einmal das Zweieinhalbfache festgesetzt. Das kann nur damit erklärt werden, dass der Kläger bei der dem Vorgang ursprünglich zugrunde liegenden Sitzung am *. Mai 2014 noch Präsident der Hochschule und damit Dienstvorgesetzter der übrigen Mitglieder der Hochschulleitung war und seine Rückkehr an die Hochschule nach einem Jahr der Beurlaubung, spätestens aber nach vier Jahren zu erwarten stand. Daraus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass dieser exorbitante Vergütungssatz nur aus Gefälligkeit dem Kläger gegenüber festgesetzt wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vergütung eines Lehrauftrags nicht dazu dient, den Lebensunterhalt des Lehrbeauftragten zu sichern. Sie soll lediglich ein – auch im Hinblick auf begrenzte Haushaltsmittel der Hochschulen – ausreichender Anreiz sein, Lehrveranstaltungen abzuhalten.
(2) Bei genauer Bewertung der Protokolle der Sitzungen der Hochschulleitung vom … Mai 2014 und *. November 2014 ging es in der Sache auch gar nicht um einen Lehrauftrag im eigentlichen Sinne. Dem Kläger ging es nicht nur darum, das Lehrangebot der Hochschule durch Lehrveranstaltungen zu ergänzen. Vielmehr schwebte ihm vor, dass er im Fach Musikwissenschaft in der „Lehre an der Hochschule weiter vertreten sein möchte“. Hierzu wollte er im Wechsel Seminare und Vorlesungen abhalten. Außerdem wollte er ein Dissertandenseminar betreuen, im Promotionsausschuss tätig werden und die Leitung eines Instituts übernehmen. Ihm schwebte vor, diese Verpflichtungen „mit einem Viertel-Deputat (zu) erfüllen, honoriert mit einem Viertel seines jetzigen Honorars“. Der Kläger wollte so gestellt werden, als würde er nur zu drei Vierteln teilbeurlaubt. Dafür spricht auch ein Aktenvermerk des Staatsministeriums vom … Februar 2016, in dem es auf Seite 1 (Blatt 48 der Behördenakte) heißt, der Kläger habe ursprünglich nur zu drei Vierteln beurlaubt und zu einem Viertel seiner Arbeitszeit weiter an der Hochschule lehren wollen. Das habe sich jedoch aus rechtlichen Gründen nicht realisieren lassen. Daraufhin habe er die Hochschulleitung gebeten, ihm für das Wintersemester 2014/15 und Sommersemester 2015 einen Lehrauftrag mit einer Bezahlung in Höhe eines Viertels seines Gehalts als Professor zu geben.
(3) Daraus ist ersichtlich, dass die Bestellung des Klägers zum Lehrbeauftragten vom … November 2014 dem Anliegen des Klägers der Sache nach Rechnung getragen hat. Unter der rechtsmissbräuchlichen Bezeichnung als Lehrauftrag wurde der Kläger im Fach Musikwissenschaft bezügemäßig so gestellt, als wäre er nur zu drei Vierteln beurlaubt worden. Der Verwaltungsakt stellt sich daher über die reine Gefälligkeit hinaus auch als rechtsmissbräuchlich und willkürlich, weil grob gleichheitswidrig gegenüber der bisherigen Verwaltungsübung der Hochschule, dar.
dd) Dem vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2019 gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht nachzukommen. Denn die Frage, ob die übrigen Mitglieder der Hochschulleitung, die an der Sitzung vom *. Mai 2014 teilgenommen haben, deswegen Konsequenzen erfahren haben, spielt für die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsakts vom … November 2014 keine Rolle. Deren Einvernahme als Zeugen zu dem Beweisthema ist daher unerheblich.
d) Der Rechtsgedanke des § 814 BGB steht der Rückforderung dem Grunde nach vorliegend nicht entgegen. Nach dieser Norm kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es ist bereits fraglich, ob man die Vorschrift des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (auch ihrem Rechtsgedanken nach) überhaupt nicht (vgl. OVG NRW, B.v. 9.11.2015 – 6 A 500/13 – juris), nur eingeschränkt (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.1989 – 4 S 3048/86 – juris – für den Fall der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch eine Privatperson gegen die öffentliche Hand) oder uneingeschränkt für anwendbar hält. Es wäre dem Kläger jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich hierauf zu berufen. Denn es würde dem auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BayVGH, U.v. 11.11.1998 – 6 B 95.2137 – juris) widersprechen, wenn der Kläger einem Rückforderungsbegehren entgegenhalten könnte, sein Dienstherr habe – wegen der Nichtigkeit des Verwaltungsakts, die ja nicht nur einen besonders schweren, sondern auch offensichtlichen Fehler voraussetzt – von dem Fehlen des Grundes gewusst. Denn dem Kläger musste – nachdem er seit 2003 Präsident der Hochschule gewesen war – klar sein, dass die Festsetzung einer Lehrauftragsvergütung in dieser noch nie da gewesenen Höhe und orientiert an seinem ursprünglichen regulären Honorar rechtlich keinen Bestand haben kann.
e) Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt allerdings vorliegend den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Höhe nach (vgl. BayVGH, U.v. 11.11.1998, a.a.O.). Denn der Kläger hat die Leistungen tatsächlich erbracht, die Gegenstand des „Lehrauftrags“ waren. Das ergibt sich aus einem Schreiben des Kanzlers der Hochschule an das Staatsministerium ohne Datum (Blatt 35 der Behördenakte) und einem weiteren Schreiben vom … November 2015 (Blatt 36).
(1) Dem Kläger ist daher eine Vergütung in (noch) angemessener Höhe zu belassen, was die Hochschule bereits in ihrem Leistungsbescheid vom … Juli 2016 zu berücksichtigen gehabt hätte. Als (noch) angemessen kann dabei ein Vergütungssatz von 110 EUR angesehen werden unter der Annahme, dass der Kläger im Studienjahr 2014/15 das Renommee der Hochschule in gleichem Maße gesteigert hat wie die einzige Person, die diesen Vergütungssatz bis dahin ebenfalls erhalten hat. Überdies ist dem Kläger mit Schreiben des Präsidenten der Hochschule vom … November 2015 erneut ein Lehrauftrag im Fach Musikwissenschaft für das Studienjahr 2015/16 zu diesem Vergütungssatz erteilt worden. Die diesbezügliche Vergütung zurückzufordern hat auch das Staatsministerium in seinem Schreiben vom *. April 2016 von der Hochschule nicht verlangt. Auch das ist ein Beleg dafür, dass der Vergütungssatz von 110 EUR (noch) als angemessen erachtet werden kann.
(2) Daraus ergibt sich für das Wintersemester 2014/15 bei 48 erbrachten Stunden ein Betrag von 5.280 EUR. Für das Sommersemester 2015 ergibt sich bei 45 erbrachten Stunden ein Betrag von 4.950 EUR. In der Summe sind das 10.230 EUR. Diese sind von dem nach Teilaufhebung des Leistungsbescheids noch verbliebenen Rückforderungsbetrag von 25.793,55 EUR in Abzug zu bringen, was einen rechtlich nicht zu beanstandenden Rückforderungsbetrag von 15.563,55 EUR ergibt.
f) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auch nicht erloschen (zum Erlöschen vgl. VG Augsburg, U.v. 30.1.2014 – Au 5 K 10.2044 – juris Rn. 151 und VG Bayreuth, U.v. 19.2.2007 – B 3 K 04.1410 – juris Rn. 45, beide unter Verweis auf BVerwG, U.v. 10.11.1972 – VII 53.71 [Rn. 17]). Die Hochschule hatte von der Bestellung des Klägers und der Vergütung für das Studienjahr 2014/15 im Jahr 2014 Kenntnis. Die dreijährige Frist begann erst mit Ablauf des Jahres 2014, weswegen der am … Juli 2016 zugestellte Leistungsbescheid vom … Juli 2016 das Erlöschen rechtzeitig gehemmt hat (Art. 71 Abs. 1 und 2 Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs – AGBGB -, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
g) Ob neben dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch eine Rückzahlung der Vergütung für den Lehrauftrag Musikwissenschaft im Studienjahr 2014/15 auch auf einen Schadensersatzanspruch nach § 48 BeamtStG gestützt werden könnte, ist vorliegend hinsichtlich des oben dargestellten Betrags von 15.563,55 EUR nicht mehr entscheidungserheblich. Im Hinblick auf den diesen Betrag übersteigenden weiteren Betrag von 10.230 EUR ist wegen der vom Kläger tatsächlich erbrachten Leistungen jedenfalls kein Schaden entstanden ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Obsiegen des Klägers in Höhe von 10.230 EUR steht zu seinem Unterliegen in Höhe von 15.563,55 EUR in einem Verhältnis von etwa 2/5 zu 3/5.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1, 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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