Steuerrecht

Steuerbarkeit von Stipendienleistungen

Aktenzeichen  13 K 1971/20

Datum:
2.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2022, 88
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
StipV § 1, § 2 Abs. 1, Abs. 3
EStG § 3 Nr. 44, § 19
FGO § 105 Abs. 3
LStDV § 1 Abs. 1

 

Leitsatz

Stipendien sind grundsätzlichen steuerbarkeit, da sie nicht den Ausgleich entfallender (nicht einkommensteuerbarer) Vermögenspositionen bezwecken. Vielmehr dienen sie regelmäßig dazu, Auszubildende, Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler bei der Erfüllung eines bestimmten Forschungs- oder Ausbildungs-/Fortbildungsvorhabens finanziell zu unterstützen. Dies steigert -auch soweit hiervon der Lebensunterhalt bestritten werde-die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten (BFH-Urteil vom 08. Juli 2020 X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten vertreten unterschiedliche Meinungen dazu, ob ein dem Kläger gewährtes Stipendium zu steuerbaren Einkünften in den Streitjahren 2018 und 2019 geführt hat.
Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenpfleger und studiert seit dem 02.09.2016 an der Universität Y in Ungarn allgemeine Humanmedizin.
Wegen der Gewährung eines Stipendiums hatte der Kläger mit dem Klinikum X, einem Eigenbetrieb der Stadt, am 03.08.2017 einen Vertrag über Studienbeihilfe im Rahmen eines Förderprogramms „Klinikstudent“ (StipV) geschlossen.
Nach § 1 StipV wurde dem Kläger eine Studienbeihilfe über die Regelstudienzeit im vorklinischen Abschnitt des Studiums der Humanmedizin (1.-4. Semester) von 300 €/Monat zum Zweck der Unterhaltssicherung eingeräumt, die sich ab Beginn der klinischen Ausbildung (nach dem 1. Staatsexamen) frühestens ab dem 5. Semester auf 400 €/Monat erhöht und längstens bis zum 12. Semester monatlich am Monatsende gezahlt wird. Als Beginn der Vertragslaufzeit wurde der 01.09.2017 vereinbart.
Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger gem. § 2 Abs. 1 StipV, für die Dauer von mindestens drei Jahren nach Abschluss des Medizinstudiums eine Weiterbildungsstelle beim Klinikum anzutreten im Minimum als 50% Teilzeitstelle (vgl. § 4 Abs. 6 Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns). Entsprechend verpflichtete sich das Klinikum (§ 2 Abs. 3 StipV), dem Kläger eine Assistenzstelle auf Grundlage des gültigen Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte anzubieten. Dabei wurde dem Kläger aufgegeben, sich spätestens bis 6 Monate vor Abschluss seines Studiums nach § 2 Abs. 4 StipV aus dem vorgehaltenen Angebot des Klinikums eine Weiterbildungsstelle auszuwählen. Erfolgte keine Auswahl wurde dem Klinikum eingeräumt die geeignete Weiterbildungsstelle festzulegen. Dem Kläger wurde ein kontinuierlicher Ansprechpartner (§ 2 Abs. 2 StipV) und ärztlicher Mentor während des Studiums zur Verfügung gestellt. Es wurde als „erwünscht“ bezeichnet, dass der Kläger die im Rahmen des Studiums vorgesehenen Praktika innerhalb des Klinikums ableiste, wobei für diesen Fall eine Honorierung als vereinbart galt, wie sie sich nach den jeweils gültigen Bedingungen des Klinikums für den jeweiligen Ausbildungsabschnitt als üblich erwiese.
Die vollständige Rückzahlung des Stipendiums war vorgesehen für den ausbleibenden Antritt einer Assistenzstelle (§ 3 Abs. 1 StipV) und im Falle des vollständigen Abbruchs des Studiums der Humanmedizin (§ 3 Abs. 3 StipV). Eine nur teilweise Verpflichtung zur Rückzahlung war für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Dreijahreszeitraums nach § 2 Abs. 1 StipV vereinbart (§ 3 Abs. 2 StipV). In diesem Fall reduzierte sich die Rückzahlungsverpflichtung je Kalendermonat, in welchem das Arbeitsverhältnis vollständig vollzogen war, um jeweils 1/36.
In beiden Streitjahren war der Kläger im Rahmen eines geringfügigen Arbeitsverhältnisses gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV für das Klinikum tätig; dabei 2018 befristet vom 18.06.2018 bis 8.07.2018 (vgl. Arbeitsvertrag) und im Jahr 2019 entsprechend der erfolgten Entgeltabrechnung.
Für seine Betätigung und wegen des Stipendiums waren dem Kläger von der Klinikverwaltung im Streitjahr 2018 5.957,31 € ausbezahlt worden, dabei 4.000 € wegen des Stipendiums und im Streitjahr 2019 ein Gesamtbetrag von 5.070,97 €, dabei 4.800 € wegen des Stipendiums.
Mit Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger Werbungskosten im Zusammenhang mit dem Medizinstudium und der Tätigkeit am Klinikum geltend und ordnete das erhaltene Entgelt inklusive Stipendium den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit zu.
Mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom 31.05.2019 nahm das Finanzamt Kürzungen bei den erklärten Werbungskosten vor, setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest und erhöhte mit gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2018 den bereits bestehenden Verlustvortrag aus 2017 um 6.686 € auf 25.629 €.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 03.06.2019 (Eingang beim Finanzamt) und beantragte bei den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit einen Betrag von nur 3.157,31 € zu berücksichtigen, sowie die zu berücksichtigenden Werbungskosten höher anzusetzen.
Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 25.06.2019 half das Finanzamt dem Einspruch, wie beantragt, ab und erhöhte mit Änderungsbescheid vom ebenfalls 25.06.2019 den vortragsfähigen Verlust auf 28.887 €.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit weiterem Einspruch vom 01.07.2019 (Eingang beim Finanzamt).
Mit Einkommensteuererklärung 2019 machte der Kläger Werbungskosten im Zusammenhang mit dem Medizinstudium und der Tätigkeit am Klinikum geltend und erklärte keine Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom 28.04.2020 nahm das Finanzamt diverse Kürzungen vor, setzte Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit von 5.136 € an und errechnete eine Einkommensteuer von 0 €. Mit gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2019 vom 28.04.2020 wurde ein Verlustvortrag von 37.194 € festgestellt.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 04.05.2020 (Eingang beim Finanzamt).
Zugunsten des Klägers erfolgte am 15.05.2020 eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 durch Anrechnung von Kapitalertragsteuer unter Fortführung des Einspruchsverfahrens im Übrigen.
Mit seinen Einsprüchen verfolgte der Kläger das Ziel, die im Zuge des Stipendiats gewährten Beträge von 4.000 € (2018) und 4.800 € (2019) bei der Besteuerung außer Betracht zu lassen.
Mit Schreiben vom 07.05.2020 hatte das Finanzamt darauf hingewiesen, dass nach seiner Rechtsauffassung die Studienhilfen als steuerbare Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu qualifizieren seien, für 2018 eine zu niedrige Berücksichtigung erfolgt sei und im Falle einer Einspruchsentscheidung diese auch zu Lasten des Klägers im Wege einer Verböserung erfolgen könnte.
Letztlich entschied das Finanzamt mit Einspruchsentscheidungen vom jeweils 17.08.2020 über die Einsprüche, wies diese als unbegründet zurück und berücksichtigte verbösernd die gesamte Studienbeihilfe 2018 als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, wodurch sich der vortragsfähige Verlust 2018 letztlich auf 26.087 € und derjenige für 2019 auf 34.394 € belief.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Zur Begründung trägt er vor, die Ausführung in der Einspruchsentscheidung, dass ein Studium im Inland fortgesetzt werde, sei unzutreffend, er studiere in Ungarn. Die Gewährung seiner Studienbeihilfe sei nach Auffassung der OFD Frankfurt (Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, Rundverfügung vom 23.07.2018 – S. 2121 A – 013 3 St 213, Deutsches Steuerrecht 2018, 1719, 1721) nicht steuerbar. Dort heiße es unter Ziff. 3.7. Studienbeihilfen für Medizinstudenten seien nicht steuerbar, auch wenn sich ein*e Studierende*r nach Abschluss des Studiums verpflichte, in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden. Dies treffe auch auf seinen Fall zu. Dagegen sei sein Fall nicht mit der Steuerbarkeit der sogenannten „Thüringen Stipendien“ vergleichbar, für welche die OFD-Frankfurt eine Steuerbarkeit als sonstige Einkünfte annehme.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheides 2018 vom 25.06.2019 und des geänderten Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2018 vom 25.06.2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2020, Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit von 1.957,31 € zu berücksichtigen und einen vortragsfähigen Verlust von 30.087 € festzustellen, sowie unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom 28.04.2020, geändert am 15.05.2020 und des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2019 vom 28.04.2020, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2020, Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit von 336,97 € zu berücksichtigen und einen vortragsfähigen Verlust von 43.194 € festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidungen verwiesen. Dort wird die Auffassung vertreten, dass sich die Stipendiums Zuwendungen als Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit qualifizierten, da gem. § 2 Abs. 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung als Arbeitslohn alle Einnahmen gälten, die einem Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis zuflössen. Dazu gehörten auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis. Im Streitfall sei der Stipendiengeber zugleich der spätere Arbeitgeber.
Eine Steuerbefreiung im Sinne des § 3 Nr. 44 EStG komme nicht in Betracht, weil nach den vertraglichen Regelungen die Gewährung der Studienbeihilfe an die Verpflichtung zur späteren Arbeitnehmertätigkeit gebunden sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – verwiesen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (Erklärung des Klägers vom 5. September 2020, Schreiben des Finanzamts vom 29.09.2020). Das Gericht entscheidet in Anbetracht des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 90 Abs. 2 FGO.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
1. Die Behörde war berechtigt durch verbösernde Entscheidung im Einspruchsverfahren 2018 die mit Änderungsbescheiden vom 25.06.2019 im Wege von Abhilfebescheiden gewährte Vergünstigung einer teilweisen Nichtberücksichtigung des Stipendiums mit Einspruchsentscheidung vom 17.08.2020 wieder rückgängig zu machen. Denn gegen einen im Einspruchsverfahren erlassenen Änderungsbescheid, mit welchem dem Antrag des Steuerpflichtigen voll entsprochen wird (Vollabhilfebescheid), ist weiterhin der Einspruch statthaft mit der Wirkung einer vollumfänglich neuen Prüfung (vgl. Bundesfinanzhof – BFH-, Urteil vom 18. April 2007 XI R 47/05, BFHE 217, 18, BStBl II 2007, 736). Die Beschränkungen des § 351 Abs. 1 AO werden durch einen Vollabhilfebescheid im Einspruchsverfahren nicht ausgelöst. Hinzukommt, dass auf eine mögliche Verböserung gem. § 367 Abs. 2. Satz 2 AO mit Schreiben des Finanzamts vom 07.05.2020 hingewiesen worden war.
2. Das Finanzamt hat zur Recht die Stipendiums-Zahlungen an den Kläger, basierend auf dem Vertrag vom 03.08.2017, als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit“ qualifiziert.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit der Besteuerung.
Der Begriff der „nichtselbständigen Einkünfte“ erfährt in der maßgeblichen Zuordnungsvorschrift des § 19 EStG keine konkrete Definition, vielmehr wird beispielhaft aufgezählt, welche Bezüge, Zuwendungen und Aufwendungen zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit zählen (vgl. auch Pflüger in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 307. Lieferung 11.2021, § 19 EStG, Rn. 1). Eine Zuordnung von Einnahmen zur Einkunftsart des § 19 EStG erfolgt im Wege einer Qualifikation, ob die zu beurteilenden Einnahmen der beispielhaften Aufzählung des § 19 EStG zuzuordnen sind und durch die Betätigung einer Person als Arbeitnehmer veranlasst sind. Da die Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) nach der ständigen Rechtsprechung des BFH den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegt, sind deren Grundsätze bei der Qualifikation, ob ein Arbeitnehmerverhältnis vorliegt, heranzuziehen (BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 77/12, BFHE 250, 132, BStBl II 2015, 903).
aa) § 1 Abs. 1 LStDV sieht dabei solche Personen als „Arbeitnehmer“ an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein „Dienstverhältnis“ in diesem Sinne liegt vor, wenn die betroffene Person dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung der/s Arbeitgebers/in steht oder im geschäftlichen Organismus des/r Arbeitgebers/in Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV; BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BFHE 236, 464, BStBl II 2012, 511).
Ob eine steuerpflichtige Person mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer*in ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661). Beim Begriff des „Arbeitnehmers/in“ als nichtselbständig Tätigem handelt sich um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 5/06, BFHE 218, 233, BStBl II 2009, 931, unter II.1.). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale von Bedeutung, die für eine Arbeitnehmer*inneneigenschaft sprechen können (vgl. die Aufzählungen in den BFH-Urteilen in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, und vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493, unter II.1.; hierauf Bezug nehmend auch die neuere Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 218, 233, BStBl II 2009, 931, unter II.1., und vom 29. Mai 2008 VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933, unter II.2.a aa): -persönliche Abhängigkeit, – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, -feste Arbeitszeiten, -Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, -feste Bezüge, -Urlaubsanspruch, -Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, -Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, -Überstundenvergütung, -zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, -Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, -fehlendes Unternehmerrisiko, -fehlende Unternehmerinitiative, -kein Kapitaleinsatz, -keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, – Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, -Eingliederung in den Betrieb, -geschuldet wird die Arbeitskraft, nicht aber ein Arbeitserfolg, – Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist (BFH, Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BFHE 236, 464, BStBl II 2012, 511, Rn. 31).
bb) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird für eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden ist. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist gegeben, wenn sich die Einnahmen im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der arbeitenden Person erweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 22. März 1985 VI R 26/82, BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641; vom 25. Mai 1992 VI R 18/90, BFHE 169, 22, BStBl II 1993, 45; vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; BFH, vom 14. April 2005 VI R 134/01, BFHE 209, 361, BStBl II 2005, 569).
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV sind auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis zu berücksichtigen.
cc) Was die Zuordnung von Stipendien zur Einkünftespähre anbelangt, spricht sich ein Großteil des steuerrechtlichen Schrifttums gegen eine Steuerbarkeit mit dem Argument aus, es fehle an einem Leistungsaustausch (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 39. Aufl., § 22 Rz 1, 51 (14); Wernsmann/Neudenberger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff -KSM -, EStG, § 22 Rz B 281; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 8 Rz 124; Ernst/Schill, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2008, 1461, 1462 ff.; Steck, Deutsche Steuer-Zeitung – DStZ – 2009, 384, 391; Betz/Stiegler, Internationales Steuerrecht – IStR – 2016, 850, 851; Birk, IStR 2017, 932, 933; wohl auch Knaupp, Deutsches Steuerrecht – Steuerrechtliche Rechtsprechung kurzgefasst 2018, 326).
Andererseits wird eingewandt, dass das Veranlassungsprinzip im Falle von Stipendien die gleiche Reichweite entfalten müsse, wie es für die Abzugsfähigkeit von Studienkosten reicht (Heigl, FR 2020, 724). Der Stipendiat bereite sich mit seinem Studium (/der Promotion/Habilitation) auf die spätere Erwerbstätigkeit vor. Das Studium sei auf die zukünftige Erzielung von Einkünften gerichtet und werde, abgesehen von der Erstausbildung, der Erwerbssphäre zugeordnet. Alle Ausgaben und Einnahmen, die in hinreichend engem Kausalzusammenhang mit diesem Verhalten stehen, um als durch das Studium „veranlasst“ zu gelten, seien folglich der zukünftigen Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Dies gelte unstrittig für die mit dem Studium verbundenen Kosten, welche im Grundsatz als vorweggenommene Erwerbsaufwendungen abziehbar seien. Die konsequente Anwendung des Veranlassungsprinzips verlange daher auch eine entsprechende Behandlung der durch das Studium veranlassten Einnahmen. Stipendien setzten die Durchführung eines Studiums voraus, zu dessen Förderung sie gerade bestimmt seien. Zwischen Studium und Stipendium bestehe damit ein enger objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang, d.h. der Bezug des Stipendiums sei durch das Studium veranlasst. Die Zuordnung des Studiums zur zukünftigen Erwerbstätigkeit erfasse in der Folge auch das Stipendium, da es mit der zukünftigen Erwerbstätigkeit in einem Veranlassungszusammenhang stehe. Soweit Kosten des Studiums vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben darstellten, seien auch die Stipendienzahlungen spiegelbildlich steuerbare vorweggenommene Erwerbseinnahmen (Heigl, FR 2020, 724, 731). Als maßgeblich für die Beurteilung, ob und wenn ja, welche Art von Einkunftsquelle sich durch die Gewährung eines Stipendiums eröffne, erwiesen sich die Vereinbarungen zwischen Förderorganisation und Stipendiat. Im Falle unentgeltlicher Stipendien komme ein Sinn zum Ausdruck, der dem Stipendiaten eine möglichst freie Gestaltung seiner Ausbildung oder Forschung ermögliche. Der Stipendiat verwende dann seine Arbeitskraft rein eigennützig und erbringe keine Leistung gegenüber dem Förderer. Er erweise sich in seiner Arbeit weder weisungsgebunden, noch in den geschäftlichen Organismus des Stipendiengebers eingegliedert (Heigl, FR 2020, 724, 726).
Der BFH vertritt die Auffassung einer grundsätzlichen Steuerbarkeit von Stipendien, da sie nicht den Ausgleich entfallender (nicht einkommensteuerbarer) Vermögenspositionen bezweckten. Vielmehr dienten sie regelmäßig dazu, Auszubildende, Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler bei der Erfüllung eines bestimmten Forschungs- oder Ausbildungs-/Fortbildungsvorhabens finanziell zu unterstützen. Dies steigere -auch soweit hiervon der Lebensunterhalt bestritten werdedie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten (BFH-Urteil vom 08. Juli 2020 X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557).
Die differenzierenden Regelungen in § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG belegten, dass vom Grundsatz jeder regelmäßig wiederkehrende Zufluss, der mit einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit verbunden ist, steuerbar sei. Eine Ausnahme hiervon mache das Gesetz in § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG („… sind … nicht dem Empfänger zuzurechnen“) nur für den Fall, dass die wiederkehrenden Bezüge freiwillig, aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden; Rückausnahmen hiervon enthält Halbsatz 2 Buchst. a und b der Vorschrift. Wiederkehrend gewährte Stipendien u.Ä. seien somit nur dann nicht steuerbar, wenn sie nicht einer vorrangigen Einkunftsart des § 2 Nr. 1 bis 6 EStG zuzuordnen sind oder nicht die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG vorliegen und andererseits eine Rückausnahme nach Halbsatz 2 der Vorschrift eingreife (BFH, Urteil vom 08. Juli 2020 X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557).
b) Vorstehende Rechtsgrundsätze und Rechtserwägungen berücksichtigend, qualifizieren sich die Stipendiatszahlungen an den Kläger als Einnahmen des Klägers, die im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit bezogen wurden.
aa) Nach Gestaltung des Vertrags über die Studienbeihilfe ist bereits während des Studiums eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb des Förderers angelegt, auch wenn die Eingliederung nicht im Sinne einer verbindlichen Einklagbarkeit durch den Förderer ausgestaltet ist. So begleitet ein ärztlicher Mentor den Kläger bereits während des Studiums und es wird erwartet, dass die abzuleistenden Praktika beim Förderer erfolgen. Die Auslobung einer Beschäftigung und Entlohnung derartiger Praktika nach den jeweils gültigen Bedingungen orientiert sich an den Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer des Klinikums und vermittelt dem Kläger insofern eine klassische Arbeitnehmerstellung auch in steuerrechtlicher Hinsicht.
bb) Ebenso ist in dem Vertrag über die Studienbeihilfe bereits ein konkretes Weisungsrecht im Hinblick auf die künftige Beschäftigung verankert, als der Förderer das Recht hat, den Einsatzbereich des Klägers als Weiterbildungsarzt zu bestimmen, wenn der Kläger nicht sechs Monate vor Abschluss seines Studiums eine eigene Wahl aus dem Angebot an Weiterbildungsstellen trifft.
cc) Letztlich wurde mit dem Fördervertrag auch ein konkreter Veranlassungszusammenhang des Stipendiums mit einer Entlohnung der künftig vorgesehenen Beschäftigung als Arzt auf einer Weiterbildungsstelle begründet. Der Vertrag ist – anders als das sogenannte „Thüringen Stipendium“ (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2020 IX R 33/18, BFHE 271, 63, BStBl II 2021, 488) – nicht lediglich darauf ausgerichtet, auf die Willensbildung des Klägers einzuwirken, damit dieser nach Abschluss seiner Ausbildung eine Beschäftigung beim Förderer auf einer Weiterbildungsstelle eingehen werde. Vielmehr wurden der Behalt der Stipendiatszahlungen auflösend bedingt an eine tatsächliche dreijährige Arbeitsleistung auf einer Weiterbildungsstelle beim Förderer geknüpft. Die Verknüpfung erweist sich im Streitfall als synallagmatisch, als mit jedem Monat der Arbeitsleistung auf der Weiterbildungsstelle der an die tatsächliche Arbeitsleistung geknüpfte Rückzahlungsgrund für 1/36 des Stipendienumfangs entfällt. Bleibt die tatsächliche Betätigung des Klägers durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinter einem zeitlichen Umfang von 36 Monaten zurück, ist für jeden dieser Monate das Stipendium anteilig zurückzuzahlen. Dergestalt erweisen sich die Stipendiatszahlungen als teilweise Vorleistungen auf eine künftige Arbeitnehmertätigkeit des Klägers beim Förderer, die im Rahmen der Assistenzarztstelle pro rata temporis zu erdienen sind.
3. Die Zahlungen auf das Stipendium erweisen sich auch nicht als nach § 3 Nr. 11 EStG oder § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei.
a) Nach § 3 Nr. 11 EStG sind Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern.
Die Bezüge des Klägers in Form des Stipendiums entstammen bereits weder öffentlichen Mitteln, noch Mitteln einer öffentlichen Stiftung i.S. des § 3 Nr. 11 EStG.
Der Kläger erhält die Mittel vom Klinikum Passau als einem Betrieb gewerblicher Art. Selbst Hochschulkliniken qualifizieren sich einheitlich als Betrieb gewerblicher Art im Sinne § 4 KStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (vgl. OFD Köln v. 3.9.1984, StEK AO 1977 § 52 Nr. 32; ebenso bereits Gutachten des RFH v. 9.7.1937, RStBl. 1937, 1306; BFH v. 2.7.1938, RStBl. 1938, 743; Erhard in Blümich, § 4 Rz. 131 [8/2018]; Bott in Bott/Walter, § 4 Rz. 228 [8/2019]; Bürstinghaus in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 307. Lieferung 11.2021, § 4 KStG, Rn. 78) und stellen keine Hoheitsbetriebe i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG dar. Die mit der Forschung und Lehre als Ausübung öffentlicher Gewalt untrennbar verbundene Patientenversorgung führt zu einer überwiegend wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Klinikbetriebs (Bott in: Bott/Walter, KStG, 1. Aufl. 1996, 156. Lieferung, § 4 KStG, Rn. 228).
Hinzukommt, dass, wie bereits unter II. 2. b) der Gründe dargestellt, die Gewährung der Stipendiatenmittel auch nicht wegen Hilfsbedürftigkeit des Klägers oder als Beihilfe zu dem Zweck gewährt wird, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern. Vielmehr sind sie als Gegenleistung für eine künftige Beschäftigung ausgestaltet.
b) Nach § 3 Nr. 44 EStG sind steuerfrei Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das Gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes gegeben werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass
a) die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden,
b) der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist.
Auch insoweit kommt eine Steuerfreistellung für den Streitfall nicht in Betracht, da sich die Zuwendungen, wie bereits ausgeführt, als Gegenleistung für eine künftige Arbeitnehmertätigkeit qualifizieren und daher § 3 Nr. 44 Satz 3 b) EStG einer Steuerfreistellung entgegensteht.
3. Der Kläger hat gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.


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