Steuerrecht

(Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG)

Aktenzeichen  II R 18/19 (II R 62/14), II R 18/19, II R 62/14

Datum:
22.8.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:U.220819.IIR18.19.0
Normen:
§ 6a GrEStG 1997 vom 22.06.2011
§ 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997
§ 1 Abs 1 Nr 1 UmwG
§ 2 Nr 1 UmwG
§ 20 Abs 1 Nr 1 UmwG
§ 20 Abs 1 Nr 2 S 1 UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 2 UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 3 UmwG
Art 107 Abs 1 AEUV
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind .
2. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen verschmolzen wird .
3. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können .
4. Bei der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an der verschmolzenen abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) muss in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann .

Verfahrensgang

vorgehend FG Nürnberg, 16. Oktober 2014, Az: 4 K 1059/13, Urteilvorgehend BFH, 30. Mai 2017, Az: II R 62/14, EuGH-Vorlagevorgehend EuGH, 19. Dezember 2018, Az: C-374/17, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 16.10.2014 – 4 K 1059/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine aktiv tätige AG, ist an einer Vielzahl von Gesellschaften als Alleingesellschafterin beteiligt. U.a. war sie Alleingesellschafterin der B-GmbH, die in Bezirken verschiedener Finanzämter gelegenen Grundbesitz hielt. Die B-GmbH war ihrerseits Alleingesellschafterin einer weiteren GmbH.
2
Mit Verschmelzungsvertrag vom 01.08.2012 wurde die B-GmbH als übertragender Rechtsträger nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf die Klägerin als übernehmender Rechtsträger verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 24.09.2012 in das Handelsregister eingetragen. Die Beteiligung der Klägerin an der B-GmbH hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als fünf Jahren in Höhe von 100 % bestanden. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister ging das Vermögen der B-GmbH auf die Klägerin über; die B-GmbH erlosch (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Satz 1 UmwG).
3
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah in dem Übergang der Grundstücke der B-GmbH auf die Klägerin einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Jahr 2012 geltenden Fassung (GrEStG) und stellte zuletzt durch Änderungsbescheid vom 13.08.2013 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG der Klägerin gegenüber fest. Dabei versagte das FA die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Der Einspruch blieb erfolglos.
4
Das Finanzgericht (FG) gab der auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG gerichteten Klage statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 424 veröffentlicht.
5
Mit der Revision vertritt das FA unter Hinweis auf Tz. 5 Abs. 1 und Beispiel 1 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.06.2012 (BStBl I 2012, 662) die Ansicht, § 6a GrEStG sei nicht anwendbar, da der “Verbund” der am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger aufgrund der Verschmelzung beendet worden sei.
6
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es stellt keinen Antrag.
9
Der Senat hat mit Beschluss vom 30.05.2017 – II R 62/14 (BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG eine nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbotene Beihilfe ist. Der EuGH hat mit dem Urteil A-Brauerei vom 19.12.2018 – C-374/17 (EU:C:2018:1024) die Frage verneint.


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