Steuerrecht

Steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein nie geliefertes Blockheizkraftwerk

Aktenzeichen  4 K 1105/20

Datum:
27.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7831
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 22 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 32d

 

Leitsatz

Gewerbebetrieb ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.09.2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.09.2011 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.09.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2020 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2010 unter Ansatz zusätzlicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 583 € und unter Minderung der sonstigen Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG um 964 € auf 4.324 € herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage hat teilweise Erfolg.
I.
Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.09.2011 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.09.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2020 sind Einkünfte des Klägers aus dem zunächst beabsichtigten Betrieb des BHKW im Verwaltungsvertragsmodell in Höhe von 583 € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen und die nach Umstellung auf das Verpachtungsmodell sodann erzielten sonstigen Einkünfte aus der Verpachtung von beweglichen Gegenständen von 3.417 € auf 2.453 € herabzusetzen. Dies führt in der Summe zu einer Herabsetzung des zu versteuernden Einkommens um 381 €. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes hat der Kläger durch den beabsichtigten Erwerb eines BHKW im Verwaltungsvertragsmodell zunächst (bis zum 14.11.2010) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
II.
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Ein möglicher Ausfall des Rückzahlungsanspruchs auf die geleistete Kaufpreiszahlung ist nicht im Rahmen der Aufgabe der gewerblichen Betätigung zum 14.11.2010 zu erfassen, da im Zeitpunkt der Umstellung auf das Verpachtungsmodell der Lieferanspruch auf das BHKW aus Sicht des Klägers noch bestand und auch werthaltig war. Er wurde im Rahmen des Verpachtungsmodells als Erfüllungssurrogat an den Pächter abgetreten und es erfolgten daraufhin Pachtzahlungen.
Nach Überführung des Lieferanspruchs hinsichtlich des BHKW in das Privatvermögen durch Wechsel in das Verpachtungsmodell hat der Kläger sodann (ab 15.11.2010) sonstige Einkünfte aus der Verpachtung von beweglichen Gegenständen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erzielt, in deren Rahmen der Ausfall des Anspruchs auf Pachtzahlungen sowie der Ausfall des Rückzahlungsanspruchs auf die geleistete Kaufpreisvorauszahlung für das BHKW zu erfassen sind, allerdings noch nicht im Streitjahr 2010.
1. Der beabsichtigte Erwerb des BHKW mit Bestellung vom 01.07.2010 im Verwaltungsvertragsmodell hat beim Kläger bis zur Aufgabe der gewerblichen Betätigung durch Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen (Wechsel zum Verpachtungsmodell) zum 15.11.2010 zu Einkünften aus Gewerbebetrieb geführt.
a) Gewerbebetrieb ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.09.2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48).
Ob ein Steuerpflichtiger gewerblich tätig wird, bestimmt sich nach der Rechtsprechung danach, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht. Maßgebend hierfür ist neben der Verkehrsanschauung nicht der einzelne Betätigungsakt, sondern das jeweilige, vom Tatsachengericht umfassend zu würdigende Gesamtbild der Verhältnisse (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, vgl. z.B. Beschluss vom 01.04.2009 X B 173/08, BFH/NV 2009, 1260). Zu diesem Gesamtbild gehören auch die der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen. Dies gilt insbesondere, wenn die betreffende Aktivität, wie hier, nicht über das Stadium vorbereitender Maßnahmen hinausgekommen ist, die – wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer beabsichtigten Betriebseröffnung stehen – den Beginn eines Gewerbebetriebs im einkommensteuerrechtlichen Sinne markieren können (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.09.1994 IV R 41/93, BFHE 176, 346).
b) In rechtlicher Hinsicht ist für die Beurteilung des Streitfalls entscheidend, dass die Qualifizierung der Einkunftsart nicht objektiv rückblickend nach den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen ist (also unter voller Berücksichtigung des Umstands, dass die Anlagen nach dem inneren Vorbehalt der für die X-Gruppe handelnden Personen niemals hätten geliefert werden sollen), sondern nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge (vgl. BFH-Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630).
c) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hatte der Kläger bei Bestellung des BHKW mit Bestellschein vom 01.07.2010, dem Abschluss des Darlehensvertrages am 14.07.2010 mit der A-Bank, der Bezahlung des Kaufpreises am 20.07.2010 sowie dem Abschluss des Verwaltungsvertrages, des Mietvertrages und des Premium-Service-Vertrages am 23./28.07.2010 Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich der Erzielung gewerblicher Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Zweckrichtung, mit der der Kläger seine Aufwendungen getätigt hat, sind zwischen den Beteiligten unstreitig auf die Aufnahme einer gewerblichen Betätigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gerichtet. Hierfür spricht der Abschluss des Verwaltungsvertrages, des Mietvertrages und des Premium-Service-Vertrages am 23/28.07.2010, die sowohl ein Unternehmerrisiko als auch eine Unternehmerinitiative des Klägers vorsahen. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes im Urteil vom 07.02.2018, Az. X R 10/16, zur einkommensteuerrechtlichen Einordnung der genannten Verträge des Verwaltungsvertragsmodells. Der Kläger hat hiervon keine abweichenden Verträge geschlossen.
d) Entgegen der Ansicht des Finanzamts hat der Kläger mit der Bestellung und Bezahlung des BHKW, dem Abschluss eines Darlehensvertrages zur Finanzierung der Kaufpreiszahlung mit einer Bank sowie dem Abschluss der weiteren Verträge (Verwaltungsvertrag, Mietvertrag, Premium-Service-Vertrag) auch Einkünfte aus Gewerbetrieb erzielt, da dieses Handeln nach Auffassung des Senats den Beginn des Gewerbebetriebes im einkommensteuerrechtlichen Sinne markiert und über rein interne Vorbereitungsmaßnahmen und Überlegungen hinausgeht. Maßgeblich für den Beginn der gewerblichen Betätigung ist nicht ein bestimmter Zeitpunkt, sondern ein Zeitraum (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.1991 VIII R 126/86, BStBl II 1991, 840). Bei endgültiger Entscheidung zur Betriebseröffnung beginnt einkommensteuerrechtlich der Gewerbebetrieb einer natürlichen Person bereits mit den ersten vorbereitenden Maßnahmen (vgl. Schmidt/Wacker, EStG 38. Aufl., § 15 Rz. 129).
Vorliegend hatte sich der Kläger im Zeitpunkt der Tätigung seiner Aufwendungen endgültig entschieden, Einkünfte aus Gewerbebetrieb („gewerbliche Stromerzeugung“) zu erzielen. In Umsetzung dieser Absicht hat er mit Dritten (X mbH, X EWIV und A-Bank) Verträge geschlossen sowie Vermögensdispositionen getroffen und daher mit seiner gewerblichen Betätigung begonnen. Der Kläger ist für Dritte erkennbar am Markt aufgetreten. Dass sich die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers in eine Erzielung von Einkünften aus Verpachtung des BHKW später geändert hat, lässt die ursprüngliche Absicht, die unzweifelhaft auch nach außen in Erscheinung getreten ist, nicht wieder entfallen. Davon gehen auch die Beteiligten aus. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes ist es für die Annahme des Beginns der gewerblichen Betätigung nicht erforderlich, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen bereits vom Steuerpflichtigen angeschafft wurden, wie sich auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteil vom Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630).
e) Im Abschluss des Pachtvertrages ist zur Überzeugung des erkennenden Senates eine Aufgabe der gewerblichen Betätigung zu sehen, da der Kläger den Liefer- und Herausgabeanspruch auf das BHKW zur Erfüllung seiner vertraglich geschuldeten Übergabe des BHKW an den Pächter abgetreten hat und damit die Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Gewerbetrieb aufgegeben hat. Der Liefer- und Herausgabeanspruch sowie der zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommene Darlehensvertrag wurden mit dem Wechsel in das Verpachtungsmodell in das Privatvermögen überführt, da der Kläger ab dem 15.11.2010 nunmehr eine Einkunftserzielungsabsicht in Form der Erzielung von Pachteinnahmen hatte. Da es bislang noch nicht zu einer Lieferung des BHKW sowie dessen Netzanschluss gekommen war, war mit der Überführung des Liefer- und Herausgabeanspruchs sowie des Darlehensvertrages die bereits begonnene gewerbliche Betätigung auch abgewickelt. Weitere (Abwicklungs-)Maßnahmen waren von Klägerseite nicht erforderlich, jedenfalls wurden keine solchen vorgetragen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die neben dem Kaufvertrag abgeschlossenen weiteren Verträge des Verwaltungsvertragsmodells erst mit Anlieferung des BHKW bzw. Inbetriebnahme zu laufen beginnen sollten, was infolge der unterbliebenen Anlieferung bis zum Abschluss des Pachtvertrages noch nicht erfolgt war. Die Abwicklung eines laufenden Betriebs war daher nicht erforderlich.
Maßgeblich ist aus Sicht des Senats auch hier die Vorstellung des Steuerpflichtigen bei Abschluss des Vertrages (hier: des Pachtvertrages Mitte November 2010). Der Kläger wollte das wirtschaftliche Risiko der Inbetriebnahme des bestellten BHKW nicht mehr tragen, wollte nicht weiterhin als Unternehmer tätig sein, sondern das Risiko aus dem Betrieb der Anlage und deren zufälligen Beschädigung oder Untergang auf den Pächter übertragen. Laut Pachtvertrag (Nr. 1) wurde der Anspruch auf Lieferung und Herausgabe des BHKW an die Pächtergesellschaft übertragen, ebenso wie alle Garantie – und Gewährleistungsansprüche (Nr. 5 des Pachtvertrages). Der Betrieb erfolgte ausschließlich auf Risiko und Gefahr der X mbH als Pächterin, die auch sämtliche Reparaturen auf eigene Rechnungen durchführen musste (Nr. 6 des Pachtvertrages). Der Pachtvertrag begann mit Unterzeichnung des Vertrages (15.11.2010), nicht jedoch vor Beginn der Pachtzahlungen (26.11.2010). Damit begann der Pachtvertrag aufgrund der Pachtzahlungen tatsächlich zu laufen, während im Verwaltungsvertragsmodell keiner der weiteren Verträge zu laufen begann. Weder eine Auslieferung noch eine Inbetriebnahme sind je erfolgt. Im Pachtvertrag wurde die Übergabe des Pachtgegenstandes durch die Abtretung des Lieferanspruchs ersetzt, weshalb der Vertrag auch tatsächlich zu laufen beginnen konnte.
Einer Aufhebung der anderen Verträge (aus dem Verwaltungsmodell) bedurfte es nicht, da diese ohnehin nicht zu laufen beginnen konnten. Mit Abschluss des Pachtvertrages hat der Kläger zur Überzeugung des Senats die Absicht, Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen, aufgegeben. Denn um diese Absicht weiter verfolgen zu können, hätte der Kläger auf Lieferung des BHKW an sich selbst bestehen müssen. Dies konnte er aber mit der Abtretung des Lieferanspruchs an die X mbH nicht mehr verlangen, weshalb er nicht mehr als Betreiber auftreten konnte; der Anspruch stand der X mbH zu.
f) Die vom Kläger bis zum 14.11.2010 erzielten Einkünfte aus Gewerbetrieb belaufen sich auf 583 €. Nach dem Vortrag des Klägers und seinen Angaben in der Steuererklärung hat er durch den Abschluss des Kaufvertrages über das BHKW einen Anspruch auf Eigenprovisionen (Vermittlung eines Kaufvertrags an sich selbst) in Höhe von 1.440 € netto erworben, der den gewerblichen Einkünften zuzurechnen ist. Hierzu zählt auch die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 273,60 €. Als Einnahmen sind weiterhin die vom Finanzamt erstattete Vorsteuer auf die Anschaffung des BHKW in Höhe von 5.700 € sowie die laut vorliegenden Steuerakten in den Monaten Juli bis Oktober 2010 erfolgten sonstigen Vorsteuererstattungen von 34,20 € zu erfassen. Auf der Ausgabenseite sind zum einen die bis November 2010 entrichteten Darlehenszinsen von 676,50 € zu berücksichtigen und zum anderen die gezahlte/geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von 6.187,80 € (Kaufpreiszahlung BHKW: 5.700 €, Eigenprovision 273,60 € sowie bezahlte Umsatzsteuer auf sonstige Anschaffungen in Höhe von 34,20 € und der dazugehörigen – geschätzten – sonstigen Aufwendungen in Höhe von 180 €). Zwar hat der Kläger Aufwendungen für die sonstigen Anschaffungen bislang nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht, weshalb das Finanzamt diese Aufwendungen nicht berücksichtigt hat, gleichwohl wurden dem Kläger in diesem Umfang die Vorsteuern (bestandskräftig) erstattet. Auch im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung erfolgten diesbezüglich keine abweichenden Feststellungen. Der Senat schätzt daher die entsprechenden getätigten Aufwendungen in Höhe von 180 € netto den gewerblichen Einkünften hinzu.
Die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb stellt sich tabellarisch wie folgt dar:
§ 15 EStG: 06.07.2010 -14.11.2010
(beabsichtigter Betrieb eines BHKW)
Eigenprovisionen
netto
1440,00 €
Umsatzsteuer (Eigenprovision)
273,60 €
Vorsteuererstattung auf Anzahlung
5700,00 €
Sonstige Vorsteuererstattungen
(7-10/2010)
34,20 €
Umsatzsteuer (Eigenprovision)
– 273,60 €
Vorsteuer auf Anzahlung
– 5700,00 €
Sonstige Aufwendungen (geschätzt)
– 180,00 €
bezahlte Vorsteuern
(7-10/2010)
– 34,20 €
Schuldzinsen bis 14.11.2010
– 676,50 €
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
583,50 €
g) Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten hat der Kläger einen möglichen Verlust aus dem Ausfall seines Rückzahlungsanspruchs infolge der Kaufpreisvorauszahlung von 30.000 € zur Überzeugung des Senats nicht im Rahmen der Beendigung seiner gewerblichen Betätigung, sondern im Rahmen der Erzielung von Verpachtungseinkünften realisiert. Soweit der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt hat, dass im Rahmen der vom Kläger bei Betriebsaufgabe zu erstellenden Aufgabebilanz der Anspruch auf Rückzahlung der Kaufpreisvorauszahlung bzw. der Lieferanspruch unter Berücksichtigung der ganzen Betrugssituation als wertaufhellende Umstände mit Null Euro anzusetzen gewesen wären, vermag dem der Senat nicht folgen. Abgesehen davon, dass der Kläger keine Aufgabebilanz vorgelegt hat, hat der Kläger den Liefer- und Herausgabeanspruch nach Überführung dessen in das Privatvermögen an den Pächter abgetreten und daraufhin Pachtzahlungen in Höhe von 2.856 € realisiert. Bereits dieser Umstand spricht gegen die Annahme einer Wertlosigkeit des Anspruchs.
Vielmehr haben sich die Verhältnisse bei der nach der Rechtsprechung vorzunehmenden subjektiven Betrachtungsweise aus Sicht des Steuerpflichtigen bei Beendigung der gewerblichen Betätigung im Vergleich zum Beginn der gewerblichen Tätigkeit – bezogen auf die Betrugsabsichten der X-Gruppe – nicht geändert, weshalb zwischen Eröffnungsbilanz und Aufgabebilanz nicht unterschiedliche Sichtweisen angenommen werden können. Im Zeitpunkt des Beginns der gewerblichen Tätigkeit ist der Kläger von einer Anzahlung von 30.000 € und einem bestehenden Lieferanspruch ausgegangen ebenso wie im Zeitpunkt der Überführung des Liefer- und Herausgabeanspruchs in das Privatvermögen (Wechsel in das Verpachtungsmodell). Weder wusste der Kläger im Zeitpunkt der Umstellung etwas von den Absichten der X-Gruppe noch ging er von einer Wertlosigkeit des Anspruchs aus. Jedenfalls sind hierfür weder gegenteilige Anhaltspunkte ersichtlich noch wurden solche vorgetragen. Die Abtretung des Lieferanspruchs als Erfüllungssurrogat (Übergabe des BHKW) führte zur Realisierung von Pachteinnahmen. Der Kläger wollte durch den Umstieg auf das Verpachtungsmodell frei von jeglichem Risiko aus dem Betrieb der Anlage und deren zufälligen Beschädigung oder Untergang sein und monatlich gleichbleibend hohe Pachteinnahmen erzielen – und zwar möglichst bald. Die Erkenntnisse, dass Pachtzahlungen künftig ausfallen werden und ein BHKW niemals in Betrieb genommen werden würde, hat der Kläger zu einem Zeitpunkt erlangt, als er eine Einkunftserzielungsabsicht in Form der Erzielung von Verpachtungseinkünften hatte und sich diese Absicht auch in der tatsächlichen Vereinnahmung der ersten Pachtzahlungen in Höhe von 2.856 € realisiert hatte, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Vermögensgegenstände bereits in das Privatvermögen überführt worden waren. Ein Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb lässt sich nach Auffassung des Senates bei dieser Fallgestaltung nicht mehr begründen. Der Ausfall des Rückzahlungsanspruchs hinsichtlich der Kaufpreisvorauszahlung sowie der Ausfall des Anspruchs auf weitere Pachtzahlungen betrifft daher den Privat-Bereich. Die Berücksichtigung wertaufhellender Umstände zum Bilanzstichtag kann vorliegend nach Auffassung des Senats nicht den bestehenden Veranlassungszusammenhang (vergeblicher) Aufwendungen zu den sonstigen Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG beenden und eine mögliche Berücksichtigung wertmindernder Umstände bei der zuvor aufgegebenen Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich der Erzielung gewerblicher Einkünfte begründen. Abgesehen davon, dass nicht nur dem Kläger, sondern den Marktteilnehmern insgesamt im Zeitpunkt des Wechsels in das Verpachtungsmodell am 15.11.2010 die Betrugsabsichten der X-Gruppe (noch) nicht bekannt waren, ist der Ausfall einer Forderung bzw. der Anzahlung für ein Wirtschaftsgut nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes erst dann zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass weder eine Gegenleistung noch eine Rückzahlung der Anzahlung zu erlangen ist. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes erfolgt die Berücksichtigung einer ausgefallenen Forderung regelmäßig erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831). Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren erst im Jahr 2011 eröffnet. Das Ausfallrisiko eines möglichen Rückzahlungsanspruchs bestand infolge der zum Zeitpunkt des Wechsels in das Verpachtungsmodell noch nicht bekannten Betrugsabsichten der X-Gruppe weder aus Sicht des Klägers noch aus Sicht anderer Marktteilnehmer, sodass dieser erst später eingetretene Umstand (Bekanntwerden dieser Absichten) nicht zu einer Wertminderung des Lieferanspruchs zum Zeitpunkt des Wechsels ins Verpachtungsmodell führen kann.
2. Mit der Verpachtung des noch nicht gelieferten BHKW an die X mbH im Rahmen des Verpachtungsmodells und der Vereinnahmung von Pachtzahlungen hieraus hat der Kläger ab 15.11.2010 sonstige Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG erzielt.
a) Für die Zuordnung der Tätigkeit des Klägers zur Einkunftsart der sonstigen Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG ist entscheidend, dass die Vermietung von Maschinen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes in der Regel zu sonstigen Einkünften führt (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG 38. Aufl., § 22 Rz. 150 Stichwort „Vermietung beweglicher Gegenstände“), wenn im Einzelfall keine besonderen Umstände hinzutreten, die der Vermieterleistung als Ganzes das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gibt (z.B. BFH-Urteil vom 12.11.1997 XI R 44/95, BStBl II 1998, 774).
b) Vorliegend sieht der Pachtvertrag neben der Überlassung des Blockheizkraftwerks keine weiteren besonderen Tätigkeiten des Klägers vor. Er hat gegenüber seinem Vertragspartner keine weiteren Leistungen zu erbringen. Letztlich ist der Pächter vertraglich verpflichtet, alle im Zusammenhang mit dem Betrieb des Blockheizkraftwerks stehenden Arbeiten selbst zu erbringen. Hierzu wurde vom Kläger der Anspruch auf Lieferung und Herausgabe des BHKW an die Pächtergesellschaft übertragen, ebenso wie alle Garantie – und Gewährleistungsansprüche. Der Betrieb des BHKW erfolgte zudem auf eigene Gefahr der Pächter, die auch sämtliche Reparaturen auf eigene Rechnungen durchführen mussten (vgl. Nr. 5 und Nr. 6 des Pachtvertrages). Damit war der Kläger frei von jeglichem Risiko aus dem Betrieb der Anlage und deren zufälligen Beschädigung oder Untergang. Der Kläger erzielte im Rahmen dieser (neuen) Einkunftsart auch Einnahmen aus der Verpachtung, da am 26.11.2010 die Pachtzahlungen für November und Dezember 2010 in Höhe von 2.856 € auf seinem Konto gutgeschrieben wurden und der Pachtvertrag mit der Zahlung zu Laufen begann (vgl. Nr. 2 des Pachtvertrages). Dass der Kläger mit dem Wechsel in das Verpachtungsmodell Einkunftserzielungsabsicht in Form der Erzielung von Verpachtungseinkünften hatte, wurde bereits unter I. Nr. 1 e) der Urteilsgründe ausgeführt.
c) Der Höhe nach sind für Zwecke der Einkommensteuer 2010 sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG aus der Verpachtung des BHKW in Höhe von 2.453 € anzusetzen, d.h. die bisherigen sonstigen Einkünfte in Höhe von 3.417 € um 964 € zu mindern. Neben den vereinnahmten Pachtzahlungen von netto 2.400 € ist auch die dem Kläger zugeflossene Umsatzsteuer von 456 € hierauf als Einnahme zu erfassen. Als Werbungskosten sind die für die ab diesem Zeitraum entrichteten Schuldzinsen in Höhe von 372,71 € zu berücksichtigen sowie die laut vorliegenden Steuerakten entrichteten Umsatzsteuerbeträge von 4,75 €. Die den Anschaffungen zugrundeliegenden Aufwendungen hat der Kläger nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht. Der Senat schätzt entsprechende Aufwendungen von netto 25,00 € als Werbungskosten hinzu. Da der Kläger laut vorliegenden Akten die Umsatzsteuer auf die erhaltenen Pachtzahlungen erst im Jahr 2011 sowie die Erstattung der Vorsteuer von 4,75 € ebenfalls erst im Jahr 2011 abgeführt bzw. erhalten hat, ergeben sich die Auswirkungen nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG erst im Jahr 2011.
Die Ermittlung der sonstigen Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG stellt sich tabellarisch wie folgt dar:
§ 22 Nr. 3 EStG: ab 15.11.2010
Verpachtung
Pachterträge
netto
2400,00 €
Umsatzsteuer (Pacht)
456,00 €
Sonstige Aufwendungen (geschätzt)
– 25,00 €
bezahlte Vorsteuern
– 4,75 €
Schuldzinsen ab 15.11.2010
– 372,71 €
Sonstige Einkünfte
2453,54 €
d) Die verlorene Nettoanzahlung auf das Blockheizkraftwerk (30.000 €) ist vorliegend nicht im Streitjahr 2010, sondern frühestens im Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der verkaufenden X mbH als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abzuziehen (vgl. Beschluss des Großen Senat des BFH vom 04.07.1990, GrS 1/89, BStBl II 1990, 830). Nach dieser Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, ist der Ausfall einer Forderung bzw. der Anzahlung für ein Wirtschaftsgut (hier die vergeblich geleistete Anzahlung auf den Kaufpreis des Blockheizkraftwerkes) als Betriebsausgabe/Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass weder eine Gegenleistung noch eine Rückzahlung der Anzahlung zu erlangen ist. Davon ist nach der Rechtsprechung regelmäßig erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831). Der Bundefinanzhof hat in den Urteilsgründen hierzu ausgeführt, dass von einem Forderungsausfall erst dann auszugehen ist, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus.
Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-Gruppe erst am 01.03.2011 eröffnet und damit nicht mehr im vorliegenden Streitjahr 2010. Nach der oben zitierten Rechtsprechung kommt nach Ansicht des Senats die Berücksichtigung der verlorenen Netto-Anzahlung auf das BHKW nicht bereits im Streitjahr in Betracht, da dieser Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt und nicht feststand, dass weder eine Gegenleistung noch eine Rückzahlung der Anzahlung zu erlangen ist. Immerhin wurde das Insolvenzverfahren im März 2011 eröffnet, weshalb vom Vorliegen einer gewissen Insolvenzmasse auszugehen ist. Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten kann nicht allein aufgrund der medienwirksamen Durchsuchung des Betriebs der X-Gruppe durch die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit seiner Gegenleistung bzw. einem Rückzahlungsanspruch ausfallen wird, da insbesondere der Verbleib der eingenommenen Gelder noch nicht vollständig aufgeklärt war. In der Regel steht dies nach der zitierten Rechtsprechung erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens fest.
Insoweit weist die Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. Urteil des FG-München vom 24.07.2018 6 K 1754/18, EFG 2018, 1700) hier ohnehin schon die Besonderheit auf, dass der Verlust bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X berücksichtigt wurde. Das Abstellen auf einen noch früheren Zeitpunkt als den der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist nach Ansicht des Senats im vorliegenden Streitfall nicht gerechtfertigt, da sich auch aus dem Vortrag des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben, dass er bereits im Jahr 2010 eine so umfassende Kenntnis der Vermögenssituation der X gehabt hatte, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darlegen zu können, dass seine Anzahlung endgültig ausgefallen ist und er auch nicht einmal mehr teilweise mit einer Rückzahlung rechnen konnte. Immerhin wurden die laut Pachtvertrag vom 15.11.2010 geschuldeten Pachtzahlungen für November und Dezember 2010 noch erbracht.
III.
Die Einkommensteuer berechnet sich für das Streitjahr 2010 demnach und wird wie folgt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO festgesetzt:
Berechnung Einkommensteuer 2010 laut Urteil:
zu versteuerndes Einkommen laut FA:
25.425 €
+ Einkünfte aus Gewerbebetrieb § 15 EStG:
583 €
– Minderung sonstige Einkünfte § 22 Nr. 3 EStG:
– 964 €
zu versteuerndes Einkommen laut FG:
25.044 €
Einkommensteuer Grundtabelle:
4.118 €
§ 32d EStG
206 €
Einkommensteuer laut FG:
4.324 €
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Soweit der Kläger obsiegt hat – Minderung der festgesetzten Einkommensteuer um 112 € – sind ihm ebenfalls die Kosten aufzuerlegen, da das Finanzamt insoweit nur zu einem geringen Teil, nämlich unter 5%, unterlegen ist.


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