Steuerrecht

Steuerliche Erfassung von Fremdverkehrsbeiträgen

Aktenzeichen  6 K 2916/17

Datum:
20.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49919
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 1
KAG § 7
EStG § 4 Abs. 4

 

Leitsatz

Zusammenfassung gleichartiger Betriebe gewerblicher Art gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG: Betreibt ein Kurort, der Fremdenverkehrsbeiträge erhebt, in einer anderen Gemeinde einen Verkaufsstand (hier: Glühweinstand) mit dem Werbeziel, Touristen auf den Kurort aufmerksam zu machen, kann er den Verkaufsbetrieb mit dem Kurbetrieb auch dann zu einem Betrieb gewerblicher Art zusammenfassen, wenn sich aus den Verkäufen erhebliche Gewinne ergeben.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine Gemeinde, die Fremdenverkehrsbeiträge gemäß Art. 6 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) und Kurbeiträge gemäß § 7 KAG erhebt. Die Einnahmen aus den beiden Kommunalabgaben und die damit zusammenhängenden Ausgaben sowie weitere Einnahmen und Ausgaben fasste die Klägerin steuerlich in dem Regiebetrieb „Kurbetrieb“ zusammen und ermittelte die Einkünfte durch Einnahme-Überschussrechnung. In ihrer Haushaltsrechnung, auf die im Einzelnen verwiesen wird, führte die Klägerin die Ausgaben und Einnahmen im Einzelplan 8 „Wirtschaftliche Unternehmen“ im Abschnitt 86 „Kur- und Badebetriebe“.
Im Abschnitt 8600 der Haushaltsrechnung erfasste die Klägerin die Fremdenverkehrsbeiträge, die Kurbeiträge, Einnahmen aus sonstigen Verkäufen, Mieteinnahmen aus dem Haus des Gastes, sonstige Mieteinnahmen und insbesondere innere Verrechnungen. Größter Einzelposten bei den Ausgaben sind die Aufwendungen für die A-GmbH mit … €.
Die A-GmbH ist die touristische Marketing-Organisation für die Klägerin und weitere Gemeinden. Die A-GmbH betreibt heute eine Internetplattform mit einem umfassenden Informationsangebot für Touristen und der Möglichkeit, Übernachtungen zu buchen. Ferner betreibt die A-GmbH heute einen Onlineshop.
Im Abschnitt 8610 der Haushaltsrechnung erfasste die Klägerin die Pachteinnahmen aus … und im Abschnitt 8620 die Einnahmen und Ausgaben für kurintegrierende Maßnahmen, an denen auch die A-GmbH mitwirkte.
Der Abschnitt 8630 der Haushaltsrechnung listet Ausgaben in Höhe von … € für Fremdenwerbung auf. In Höhe von … € wird ausgeführt, dass es sich um „Übrige Werbung außerhalb der A-GmbH“ handelt.
Der Abschnitt 8640 der Haushaltsrechnung enthält Mieteinnahmen für die Vermietung der Bühne des Kursaals, sowie sonstige Pachteinnahmen sowie Ausgaben. Der Abschnitt 8650 listet die Pachteinnahmen aus einer Kegelbahn nebst Ausgaben auf.
Im Abschnitt 8660 der Haushaltsrechnung hat die Klägerin die Einnahmen „Christbaumspende “ mit … € und Ausgaben in Höhe von … € erfasst.
Die Einnahmen „Christbaumspende“ beruhen auf folgendem Sachverhalt:
Die Klägerin hatte sich bereits vor vielen Jahren bei der Stadt … um das Recht beworben, den Christbaum für den Weihnachtsmarkt aufstellen zu dürfen. Für den Weihnachtsmarkt Y erhielt sie von der Stadt … den Zuschlag. Hieraus ergab sich die Verpflichtung der Klägerin, auf ihre Kosten einen geeigneten Christbaum nach … zu transportieren. Aus dem Fax der Stadt … vom … ergibt sich folgender Ablauf:
Der Christbaum wurde am 12. November … am frühen Morgen von der Feuerwehr … aufgestellt. Nach der Aufstellung des Christbaums fand um ca. 10.00 Uhr ein Fotopressetermin statt, der von der Pressestelle … organisiert wurde. Zur Eröffnung des Christkindlmarkts am 25. November … kam eine Delegation der Klägerin nach … . Mit dem Schluss seines Grußwortes übergab der Bürgermeister der Klägerin den Christbaum formell der Stadt … als Geschenk. Als Beitrag zum Eröffnungsprogramm musste die Klägerin zudem dafür sorgen, dass die Blaskapelle ihres Ortes für musikalische Unterhaltung sorgt (Standkonzert).
Im Gegenzug sagte die Stadt … zu, dass am Christbaum eine Tafel angebracht wird, aus der hervorgeht, dass die Klägerin die Spenderin ist. Ferner stellte die Stadt … der Klägerin in der Zeit vom 25. November … bis zum 23. Dezember … einen Raum zum Verkauf von Glühwein, Kinderpunsch, Jägertee und Speckbroten zur Verfügung. Dabei war die Klägerin verpflichtet, ortsübliche Preise zu verlangen, um den gewerblichen Händlern nicht zu schaden. Ferner hatte die Klägerin das Recht vereinbart, einen Prospektständer aus Holz neben dem Ausschankfenster aufzustellen. Dies geschah auch. So legte die Klägerin speziell für diese Gelegenheit eigene Image- und Werbebroschüren auf, die im Prospektständer lagen bzw. verteilt wurden.
Im Rahmen des Weihnachtsmarktes veranstaltete die Klägerin ein Preisausschreiben, bei dem die Teilnehmer Loskarten ausfüllen durften. Täglich wurde ein Gewinner ausgelost, der einen Schließfachschlüssel erhielt, der zu einem Schließfach auf dem Gipfel des mit einer Seilbahn erschlossenen Hausberges der Klägerin stand. Als Preise konnten z.B. eine Ballonfahrt in der Region oder ein Aufenthalt in einem Kurhotel gewonnen werden.
Den Verkaufsstand betrieb die Klägerin mit Arbeitskräften, die von den örtlichen Vereinen gestellt wurden. Im Vorfeld informierte die Klägerin die örtlichen Vereine, dass sie ihre Vereinskasse durch Mithilfe beim Christkindlmarkt aufbessern könnten. Die Klägerin stellte die Auskehrung von 85% des erwirtschafteten Überschusses in Aussicht. In der Folge waren täglich sechs bis acht, in der Spitze bis zu zehn, Vereinsmitglieder tätig, um den Verkaufsstand in … zu betreiben. Auch die Fahrten nach … organisierten die Vereine. Im nächsten Jahr erzielte der zweite Bürgermeister der Klägerin in Besprechungen mit den Vereinen Einigkeit, wer wieviel erhält. Mit einstimmigen Beschluss vom … beschloss der Gemeinderat der Klägerin sodann als „Spende“ insgesamt … € an Vereine auszuzahlen. Die Gelder wurden im Haushalt der Klägerin zur Verfügung gestellt.
Die Stadt … genehmigte der Klägerin gemäß dem Gaststättengesetz mit Verwaltungsakt vom … die Abgabe von Speisen (Schmalzbrot; Käsebrot, Nougat-Busserl) und von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken anlässlich des Christkindlmarkts. Aus den Akten wird ferner ersichtlich, dass die zuständige Stelle der Klägerin nach dem Gaststättengesetz ihrem Bürgermeister mit Bescheid vom … die Erlaubnis erteilte, am Dienstag, dem 1. Januar … von 13.00 Uhr bis 24.00 Uhr eine Schank- und Speisewirtschaft zu betreiben, die anlässlich eines Festes berechtigt war, Getränke und kleinere Gerichte wie Brotzeiten, Würstchen sowie Grillgerichte zu verkaufen.
In der Zusammenfassung der Haushaltsrechnung Nummer 86 (= Seite 19) ergab sich für den Kurbetrieb ein Verlust von … €. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), veranlagte den Kurbetrieb zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß.
Im Anschluss fand eine Betriebsprüfung des Kurbetriebs statt. Im Rahmen der Prüfung kam der Prüfer zum Ergebnis, die Einnahmen aus der „Christbaumspende“ seien nicht beim Kurbetrieb zu erfassen. Vielmehr handele es sich um einen eigenständigen Betrieb gewerblicher Art (BgA). Aus diesem Grund ordnete das FA eine weitere Außenprüfung des BgA „Glühweinstand“ an. In den beiden Prüfungsberichten vom … (BgA Kurbetrieb und BgA Glühweinstand) kam der Prüfer zum Ergebnis, dass der BgA Glühweinstand einen Gewinn in Höhe von … € erzielte und die hier angesetzten Einnahmen und Ausgaben beim Kurbetrieb nicht anzusetzen sind.
Dem Betriebsprüfungsbericht für den Kurbetrieb folgend, erhöhte das FA den Verlust des Streitjahres auf … € und erließ am … für den Kurbetrieb einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und eine entsprechende Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer.
Für den BgA Glühweinstand erließ das FA am … einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und einen Bescheid, mit dem das steuerliche Einlagekonto in Höhe von Null festgestellt wurde. Ferner erließ das FA am … einen Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens korrigierte der Betriebsprüfer seine Gewinnermittlung und errechnete einen Gewinn des BgA Glühweinstand in Höhe von … Das FA folgte auch dieser Ansicht des Betriebsprüfers. Die Einsprüche der Klägerin wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom … zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin macht geltend, ein eigenständiger BgA Glühweinstand liege nicht vor. Die Tätigkeiten seien vielmehr ein Teil der Aktivitäten des BgA Kurbetrieb. Zum Kurbetrieb gehörte auch Werbung für den Tourismus. Der Kurbetrieb diene der Tourismusförderung des innergemeindlichen Kur-, Gast-, Erholungs- und Hotelgewerbes. Im Rahmen der Tourismusförderung würden auch Tätigkeiten zur Bewerbung der eigenen Naherholungsregion anfallen. Eine solche Tätigkeit stelle auch der Betrieb des Glühweinstandes dar. Die Christbaumspende sei nur erfolgt, um Werbung für den örtlichen Tourismus zu machen. Allein der Umstand, dass die Werbeausgaben auch zu Einnahmen geführt hätten, die gewisse Umsatzgrenzen überschritten, rechtfertige es nicht, die Ausgaben und Einnahmen aus dem Kurbetrieb auszugliedern. Nähme man zwei Betriebe an, dürfe die Klägerin diese zusammenfassen. Die Veranlassung der Tätigkeiten durch Werbeabsicht zeige sich insbesondere am Gewinnspiel, mit dem die Gewinner/Teilnehmer dazu bewegt werden sollten, in den örtlichen Bereich der Klägerin zu fahren. Zudem lasse es das bayerische Kommunalrecht (Art. 87 bayerische Gemeindeordnung -BayGO-) auch nicht zu, dass die Klägerin allein mit der Absicht, Gewinne zu erwirtschaften, außerhalb ihres Gemeindebetriebs ein (gewerbliches) Unternehmen betreibe.
Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Zahlungen an die Vereine seien in Höhe von … € als Betriebsausgaben anzusetzen. Ferner seien die Aufwendungen den Christbaum in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte als Betriebsausgaben anzusetzen.
Das FA führt aus, dass die Verkaufstätigkeiten in … alle Voraussetzungen erfüllen, die erforderlich sind, um einen eigenständigen BgA anzunehmen. Dies sei auch geboten. Die Klägerin habe die Einnahmen und Ausgaben getrennt vom Kurbetrieb erfasst. Vor allem aber sei eine Zusammenfassung der Betriebe nicht zulässig. Aufgrund der gebotenen tätigkeitsbezogenen Beurteilung würden keine gleichartigen Betriebe vorliegen. Für eine Trennung sprächen die Höhe der Einnahmen und der Umstand, dass der Kurbetrieb ortsbezogen auf den Gemeindebereich durchgeführt werde, während der Glühweinverkauf weit entfernt in einer anderen Gemeinde erfolge. Das Ziel, Werbung zu betreiben, führe zu keiner Verbindung technischer Art, rein subjektive Vorstellungen der Klägerin seien unbeachtlich.
II.
Die Klage ist begründet.
1. Gemäß § 4 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sind alle Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts BgA, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Nicht zu den BgA gehören Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe; § 4 Abs. 5 KStG).
a.) Eine Einrichtung ist jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dient. Letztlich ist allein maßgeblich, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts sich erwerbswirtschaftlich betätigt, nicht dagegen in welcher organisatorischen Form die Betätigung stattfindet (vgl. Gosch/Märtens § 4 KStG Rz. 37 und 38). Die verschiedenen Tätigkeiten der juristischen Person des öffentlichen Rechts sind für sich zu beurteilen. Verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten sind als Einheit anzusehen, wenn dies der Verkehrsauffassung entspricht (R 6 Abs. 3 KStR 2008 und R 4.1 Abs. 3 KStR 2015). Ein wichtiges Merkmal für die Annahme einer Einrichtung ist darin zu sehen, dass der Jahresumsatz aus der wirtschaftlichen Tätigkeit den Betrag von 130.000 € übersteigt (vgl. R 6 Abs. 4 Satz 2 KStR 2008 und R 4.1 Abs. 4 Satz 2 KSTR 2015). In der Tatsache, dass der Jahresumsatz 30.678 € übersteigt, ist ein wichtiger Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass die Tätigkeit von einigem wirtschaftlichen Gewicht ist (vgl. R 6 Abs. 5 Satz 1 KStR 2008; 35.000 € gemäß R 4.1 Abs. 5 Satz 1 KStR 2015).
b.) Grundsätzlich ist für jeden BgA gesondert ein zu versteuerndes Einkommen zu ermitteln. Die Rechtsprechung hat jedoch seit jeher die Zusammenfassung von Gewerbebetrieben zugelassen, wenn sie
– gleichartig sind oder einander ergänzen (z.B. BFH-Urteil von 11. Februar 1997 I R 161/94, BFH/NV 1997, 625; Gosch/Märtens § 4 KStG Rz. 118; zur Ergänzung siehe z.B. BFH-Urteile vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901 und zuletzt BFH-Urteil vom 17. Juni 2020 X R 15/18, juris)
– oder wenn zwischen mehreren Betrieben nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2794, ist diese Praxis im neu geschaffenen § 4 Abs. 6 KStG gesetzlich verankert worden. Der Senat schließt sich der Literaturansicht an, dass nach Einführung von § 4 Abs. 6 KStG die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Gleichartigkeit fortzuführen ist (vgl. Gosch/Märtens § 4 KStG Rz.118 bis 118c und Bott/Walter KStG § 4 KStG Rz. 147). Auch die Verwaltung ist der Ansicht, dass ihre bisherigen Verwaltungsgrundsätze gesetzlich festgeschrieben wurden (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen -BMFvom 12. November 2009 zu Anwendungsfragen zu den Regelungen im Jahressteuergesetz 2009 zur Besteuerung von BgA und Eigengesellschaften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, BStBl I 2009, 1303, Rz. 1).
c.) Gemäß § 4 Abs. 6 KStG kann ein Betrieb gewerblicher Art mit einem oder mehreren Betrieben gewerblicher Art zusammengefasst werden, wenn
– sie gleichartig sind,
– zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder
– Betriebe gewerblicher Art im Sinne des Absatzes 3 vorliegen, es sich also um Betriebe handelt, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen.
Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit ist auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 1983 V R 3/79, BStBl II 1983, 491 Rz. 33). Die Betriebszwecke müssen sich entsprechen und die Tätigkeit muss demselben Gewerbezweig angehören (Gosch/Märtens § 4 KStG Rz. 118b; Bott/Walter § 4 KStG Rz. 147; Bürstinghaus in Herrmann/Heuer/Raupach § 4 KStG Anm. 84). Die Verpachtung eines Ratskellers kann nicht mit einem Kurbetrieb zusammengefasst werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1967 I 267/63, BStBl III 1967, 679).
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen zwei Betrieben kann darüber hinaus aber auch dann vorliegen, wenn sich die beiden Betriebe stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz hierfür kann darin gesehen werden, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänzt oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden (zuletzt BFH-Urteil vom 17. Juni 2020 X R 15/18 Rz. 23, juris und vom 15. September 2010 X R 21/08, BFH/NV 2011, 235 zur Kundengewinnung bei einem Elektrobetrieb, der eine Photovoltaikanlage betreibt).
Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BFH die Würdigung aller Gesamtumstände. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass bei der Zusammenfassung von BgA gemäß § 4 Abs. 6 KStG auf eine organisatorische Zusammenfassung nicht mehr abzustellen ist. Eine eigenständige Gewinnermittlung für den zusammengefassten Betrieb hält die Verwaltung für erforderlich (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 2009 BStBl I 2009, 1303 Rz. 1 und 3). Die Ausübung des Wahlrechts zur Zusammenfassung mehrerer Tätigkeiten setzt danach im Wesentlichen nur noch eine eigenständige steuerliche Ermittlung für die zusammengefasste Einheit voraus (Bott/Walter § 4 KStG Rz. 147.1).
2. Für den Streitfall ergibt sich aus diesen Grundsätzen Folgendes:
a.) Das FA geht zu Recht davon aus, dass der Betrieb des Verkaufsstands alle Kriterien einer eigenständigen Einheit erfüllt, die grundsätzlich als eigenständiger BgA angesehen werden könnte. Die Zusammenfassung kommt im Streitfall nur gemäß § 4 Abs. 6 Nr. 1 KStG wegen Gleichartigkeit in Betracht. Denn zwischen dem Verkaufsstand am Christkindlmarkt und dem Kurbetrieb bestehen keinerlei Zusammenhänge technischer Art, wie sie in § 4 Abs. 6 Nr. 2 KStG vorausgesetzt werden.
Bei der Frage, nach welchen rechtlichen Kriterien die Zusammenfassung zu beurteilen ist, macht es keinen Unterschied, ob ein neugegründeter Betrieb – hier der Verkaufstand – ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit oder ein bereits länger bestehender Betrieb mit einem seit langem geführten BgA – hier dem Kurbetrieb – zusammengefasst werden soll. § 4 Abs. 6 Nr. 1 KStG ist damit im Streitfall ohne Besonderheiten anzuwenden.
b.) Bei der Prüfung geht der Senat vom Vortrag der Klägerin, dass der Betrieb des Verkaufsstandes durch das Ziel veranlasst ist, für den Fremdenverkehr Werbung zu machen, als nachgewiesen aus. Hierfür spricht, dass tatsächlich Werbung erfolgte (z.B. Prospektverteilung; Gewinnspiel; Grußwort des Bürgermeisters mit Musikkapellen vom Ort der Klägerin; Tafel am Christbaum) und es auch bei Regiebetrieben nicht zulässig ist, dass die Klägerin allein mit dem Ziel, Gewinne zu erzielen, einen Verkaufsstand betreibt, der mit privaten Gewerbebetrieben im Wettbewerb steht (vgl. VG München vom 27. September 2007 M 12 K 06.2141, Juris, Rz. 91. ff. zur Anwendung der Art. 86 und 87 BayGO bei Regiebetrieben). Im Übrigen spricht für die Veranlassung der Tätigkeit durch Werbeabsicht der Umstand, dass der Verkaufsstand in X betrieben wird und damit die Bürger der Klägerin – anders als bei einem Verkaufsstand im Ortsbereich der Klägerin – von der Tätigkeit keinen Vorteil haben.
c.) Den Fremdenverkehrsbeitrag darf die Klägerin gemäß Art. 6 des bayerischen KAG für die Fremdenverkehrsförderung von selbständig tätigen Personen erheben, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen. Betriebsausgaben, die zu diesem BgA gehören, sind somit alle Aufwendungen, die der Fremdenverkehrsförderung dienen. Dazu gehören auch Aufwendungen für Werbung.
Den Kurbeitrag darf die Klägerin gemäß § 7 des bayerischen KAG für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, erheben. Abgabepflichtig sind alle Personen, die sich im Kurgebiet zu Kur- und Erholungszwecken aufhalten ohne dort eine Hauptwohnung im Sinne des Melderechts zu haben und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten ist. Betriebsausgaben, die zu diesem BgA gehören, sind somit alle Aufwendungen im Zusammenhang mit Einrichtungen und Veranstaltungen des Kurbetriebs, die von den Kurgästen genutzt werden können.
Den sich aus der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags ergebenden BgA und den sich aus der Erhebung des Kurbeitrags ergebenden BgA konnte die Klägerin zusammenfassen, da beide Kommunalabgaben letztlich die Aufwendungen aus dem Kurbetrieb abgelten: Der Fremdenverkehrsbeitrag behandelt die Aufwendungen aus der Sicht der Gewerbetreibenden, der Kurbeitrag aus der Sicht der Kunden der Gewerbetreibenden (Kurgäste).
d.) Im Streitfall hat die Klägerin in dem einheitlichen Kurbetrieb erhebliche Werbeaufwendungen getätigt und zwar im Wesentlichen durch die Finanzierung der A-GmbH als Marketingorganisation (Abschnitt 8600 der Haushaltsrechnung der Klägerin) und in kleinerem Umfang durch eigene Werbetätigkeiten (Abschnitt 8630 der Haushaltsrechnung). Da die Aufwendungen für den Verkaufsstand im Christkindlmarkt durch das Ziel der Werbung veranlasst sind, können sie damit ohne weiteres als Betriebsausgaben der Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag angesehen werden. Dem kann nur entgegengehalten werden, dass der Verkaufsstand am Christkindlmarkt ein eigener BgA ist, dem die Ausgaben vorrangig zuzurechnen sind.
Das Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG ist indes nicht nur für den Abzug von Betriebsausgaben maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. August 2016 VIII R 4/14, BStBl II 2017, 310, Rz. 20) ist das Veranlassungsprinzip auch für die Zuordnung von Betriebseinnahmen maßgeblich. Damit können auch die durch die Werbemaßnahme in … ausgelösten Einnahmen dem BgA Fremdenverkehrsbeiträge zugeordnet werden.
Der alleinige Betriebszweck beim Verkaufsstand, die „Touristenwerbung“, ist beim Kurbetrieb (nur) ein Teil des wesentlich weitergehenden Betriebszwecks und der umfassenderen Tätigkeiten. Im Punkt Touristenwerbung überschneiden sich die Betriebszwecke der beiden BgA. Dies rechtfertigt die Annahme der Gleichartigkeit der Tätigkeiten. Zumindest aber ergänzt der Betrieb des Verkaufsstands die Werbeaktivitäten des Kurbetriebs. Denn es handelt sich um eine einmalige Werbeaktion, die die laufenden Werbeaktionen über die A-GmbH und die eigenen ständigen Werbeaktionen erweitert, indem die zahlreichen Besucher des Christkindlmarkts angesprochen werden.
Der Umstand, dass beim Verkaufsstand neben Ausgaben auch Einnahmen anfallen, ändert daran nichts. Auch bei der im BgA geführten Kegelbahn, dem Minigolfplatz und dem Haus des Gastes fallen Einnahmen an ohne dass jeweils selbstständige BgA angenommen werden. Allein die Besonderheit, dass die Einnahmen beim Verkaufsstand im Christkindlmarkt sehr hoch sind, die in den Körperschaftsteuerrichtlinien als Indizien auflisteten Umsatzgrenzen übersteigen und zu einem größeren Gewinn führen, rechtfertigt nach Ansicht des Senats im Streitfall keine andere Beurteilung. Denn es handelt sich um eine einmalige Werbeaktion außerhalb des Ortsbereichs der Klägerin, die nicht ständig wiederholt werden kann und für die Bürger im Ortsbereich der Klägerin keine Vorteile bringt. Vor allem letzteres verdeutlicht, dass alle Einnahmen und Ausgaben maßgeblich durch den Kurbetrieb veranlasst sind. Es liegt kein Sachverhalt vor, in dem eine Mitveranlassung von im Ortsbereich einer Gemeinde erzielten Einnahmen durch andere Vorteile für die Gemeinde oder für ihre Bürger gegeben ist, die nichts mit dem Fremdenverkehr zu tun haben.
3. Da der Hauptantrag begründet ist, braucht der Senat über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. Er weist aber darauf hin, dass gegebenenfalls die Aufwendungen für den Christbaum in voller Höhe zu berücksichtigen wären. Der Senat sieht – wenn ein eigenständiger BgA bejaht werden sollte – die maßgebliche Veranlassung der Aufwendungen ausschließlich im BgA Glühweinstand. Denn die Existenz dieses BgA setzt voraus, dass die Aufwendungen für den Christbaum in voller Höhe getragen werden.
Personalkosten wären dagegen im Streitjahr nicht anzusetzen. Die Aufklärung hat ergeben, dass der Gemeinderatsbeschluss und die Auszahlungen erst im nächsten Jahr erfolgten. Die Klägerin hat aber beim Kurbetrieb die Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung gewählt und damit auch für die darin enthaltenen Aufwendungen für den Glühweinstand die Gewinnermittlung auf diese Art und Weise vorgenommen. Vor allem aber entspricht die Haushaltsrechnung der Gewinnermittlungsart Einnahme-Überschussrechnung.
4. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben