Steuerrecht

Steuerliche Erstattungszinsen und Verrechnung mit steuerfreien Nachzahlungszinsen

Aktenzeichen  6 K 1871/20

Datum:
2.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3743
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 12 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3
AO § 233a Abs. 5 S. 3
BGB § 387
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3

 

Leitsatz

Die gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG als Kapitaleinkünfte zu versteuernden „Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO“ sind der Höhe nach nicht in allen Fällen identisch mit den in einem Zinsbescheid im Festsetzungsteil festgesetzten auszuzahlenden Erstattungsbeträgen. Steuerpflichtige Erstattungszinsen sind die sich materiell-rechtlich gemäß § 233 a AO ergebenden Erstattungszinsen. Eine Verrechnung mit steuerfreien Nachzahlungszinsen (§ 233a Abs. 5 Satz 3 AO) mindert die steuerpflichtigen Erstattungszinsen nicht.

Gründe

I.
Die Kläger sind Ehegatten, die vom Beklagten, dem Finanzamt (FA), im Streitjahr 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2010 hatte das FA in den Jahren vor 2016 Nachzahlungszinsen in Höhe von insgesamt 2.852 € festgesetzt. Diese Nachzahlungszinsen bezahlten die Kläger.
Im Jahr 2016 erließ das FA einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2010. Mit dem Einkommensteuerbescheid erließ das FA auch einen neuen Zinsbescheid unter der Überschrift „Zinsen zur Einkommensteuer“. Betragsmäßig setzte das FA unter der Bezeichnung „verbleibende Steuer“ im Festsetzungsteil des Bescheids einen negativen Betrag in Höhe von -2.617 € fest.
Im Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheids addierte das FA den negativen Betrag in Höhe von 2.617 € mit einem von den Klägern „bereits getilgten“ Betrag von 2.852 € zu einer „zu viel entrichteten“ Summe von 5.469 €. Diesen Betrag überwies das FA auf ein Bankkonto der Kläger.
Im Begründungsteil des Bescheids berechnete das FA unter der Überschrift „Berechnung der Zinsen“ fünf Teilbeträge von zu erstattenden Zinsen mit einer Gesamtsumme von 3.448,19 €. Im Anschluss hieran berechnete das FA eine Minderung der früher festgesetzten Nachzahlungszinsen um fünf Teilbeträge in einer Gesamthöhe von 2.020 €. Aus den früher festgesetzten Nachzahlungszinsen in Höhe von 2.852 abzüglich der Minderung um 2.020 € errechnete das FA einen Anspruch auf Nachzahlungszinsen in Höhe von 832 €.
Sodann verrechnete das FA den Anspruch der Kläger auf Erstattungszinsen in Höhe von 3.448,19 € und seinen Anspruch auf Nachzahlungszinsen in Höhe von 832 €. Gerundet ergab sich aus der Verrechnung ein Betrag in Höhe von -2.617 €. Im Begründungsteil des Bescheids bezeichnete das FA diesen Betrag als „festzusetzende Zinsen (Erstattungszinsen)“:
zu verzinsender Betrag
Zeitraum
Erstattungszinsen in €
1.215 €

– 42,52
14.001 €

– 2.240,16
5.429 €

– 895,78
844 €

– 151,92
561 €

– 117,81
(Summe der Erstattungszinsen; nicht im Bescheid ausgewiesen)
(-3.448,19)
bisher festgesetzte Zinsen
2.852
Minderung der bisher festgesetzten Nachzahlungszinsen:
1.200 € Zeitraum
252
14.000 € …
1.260
5.400 € …
432
800 € …
52
600 € …
24
(Summe: 2.020)
+832
festzusetzende Zinsen (Erstattungszinsen)
– 2.617
Im Einkommensteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2016 vom … erfasste das FA bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (neben unstreitigen weiteren Erstattungszinsen in Höhe von 2.359 € aus dem Jahr 2014) steuerpflichtige Erstattungszinsen in Höhe von 3.449 €. Den Einspruch der Kläger wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, es sei nur ein Betrag in Höhe von 2.617 € steuerpflichtig. Nur in dieser Höhe seien steuerpflichtige Erstattungszinsen festgesetzt worden. Auch seien den Klägern nur 2.617 € zugeflossen. Denn in Höhe von 2.852 € hätte das FA Nachzahlungszinsen steuerfrei zurückbezahlt.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Erstattungszinsen im Sinne des § 233a Abgabenordnung (AO) Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen und damit Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Gemäß § 12 Nr. 3 EStG dürfen bei der Festsetzung der Einkommensteuer die Steuern vom Einkommen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dies gilt auch für die auf die Einkommensteuern entfallenden Nebenleistungen. Nachzahlungszinsen sind solche Nebenleistungen.
Aufgrund dieser Rechtslage gehören Nachzahlungszinsen zum Privatbereich von Steuerpflichtigen, während Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO zur Sphäre der Einkunftserzielung gehören. Diese unterschiedliche Behandlung von Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen ist verfassungsgemäß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. April 2015 VIII R 30/13, juris).
Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen können die gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG steuerpflichtigen „Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO“ nicht aus dem Festsetzungsteil von Zinsbescheiden entnommen werden. Denn aufgrund der Regelung des § 233a Abs. 5 Satz 3 AO kann es bei der Zinsfestsetzung – je nach den Umständen des Einzelfalls – dazu kommen, dass steuerpflichtige Erstattungszinsen und steuerlich nicht relevante Nachzahlungszinsen miteinander verrechnet werden. Der festgesetzte Zinsbetrag kann in solchen Fällen aus um Nachzahlungszinsen gekürzten Erstattungszinsen bestehen. Eine solche Kürzung aber verletzt die klare und eindeutige Regelung des § 12 Nr. 3 EStG. Aus diesem Grund sind als steuerpflichtige „Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO“ die materiell-rechtlich richtigen Erstattungszinsen ohne Kürzung um Nachzahlungszinsen zu ermitteln (vgl. Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 23. Oktober 2003 V 288/01, EFG 2004, 498; nachfolgend: BFH-Urteil vom 8. November 2005 VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527; vgl. ferner BFH-Urteil vom 15. April 2015 VIII R 30/13, juris, Rz. 3; Bayerisches Landesamt für Steuern vom 8. September 2011 zur ertragsteuerlichen Erfassung der Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen gem. § 233a AO, Rechenbeispiel 2, juris).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FA die Erstattungszinsen in zutreffender Höhe angesetzt. Denn wie aus der Zinsberechnung hervorgeht, sind materiell-rechtlich Erstattungszinsen in Höhe von 3.449 € angefallen. Eine Kürzung um die angefallenen Nachzahlungszinsen in Höhe von 832 € ist nicht zulässig.
Die Erstattungszinsen sind den Klägern mit dem Zinsbescheid vom … zugeflossen. Bei Aufrechnungen gemäß § 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erfolgt der Zufluss im Zeitpunkt der durch die Aufrechnungserklärung bewirkten Leistung. Nichts Anderes kann gelten, wenn die Aufrechnung von zwei gesetzlichen Ansprüchen durch eine gesetzliche Regelung – hier § 233a Abs. 5 Satz 3 AO – selbst vorgeschrieben wird und die zuständige Behörde – im Streitfall das FA – durch einen Verwaltungsakt die beiden Ansprüche miteinander verrechnet.
Der Abrechnungsteil des Bescheids vom … bestätigt diese Rechtsansicht. Das FA hat 5.469 € auf ein Konto der Kläger überwiesen, also 3.449 € Erstattungszinsen ausbezahlt und 2.020 € zu viel erhaltene Nachzahlungszinsen steuerfrei zurückgezahlt. Die Ansicht, das FA habe 2.852 € Nachzahlungszinsen zurückbezahlt, ist nicht zutreffend. Wie aus dem Begründungsteil des Bescheids klar und eindeutig hervorgeht, hat das FA mit dem Zinsbescheid die früheren Festsetzungen von Nachzahlungen in Höhe von 2.852 € nur in Höhe von 2.020 € gemindert und Nachzahlungszinsen in Höhe von 832 € verrechnet. Diese Nachzahlungszinsen dürfen die Einkommensteuer nicht mindern.


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