Steuerrecht

Streit um Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für selbständige Handelsvertreter

Aktenzeichen  S 1 R 5091/15

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 58697
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 84
SGB IV § 24, § 25 Abs. 1 S. 1, § 28e Abs. 1, § 28p Abs. 1 S. 5

 

Leitsatz

1. Die Verhältnismäßigkeit des Unterlassens weiterer Feststellungen durch den Rentenversicherungsträger unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung, wobei auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen ist (BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R). (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die 30-jährige Verjährungsfrist ist auch anzuwenden, Wird ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig, ist die 30-jährige Verjährungsfrist anzuwenden (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr.7 m.w.N.). (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2015 wird aufgehoben, soweit nicht folgende Personen betroffen sind:
1. P., M.
2. H., M.
3. U., M. P.
4. S.,B.
5. E., M.
6. K., B.
7. W., K.
8. M., A.
9. A., T.
10. O., J.
11. H., S. 12. C., D.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch überwiegend begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 19.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2015 ist zwar insoweit rechtmäßig als er personenbezogene Feststellungen zu den Tenor aufgeführten Personen trifft. Diese Personen sind in Verbindung mit der angegebenen Versicherungsnummer bzw. dem Geburtsdatum identifizierbar; die angegebenen Daten ermöglichen eine personenbezogene Zuordnung der streitigen Beiträge. Im Übrigen ist der Bescheid rechtswidrig, weil nach Überzeugung der Kammer die Beklagte die ihr möglichen und zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat.
Im Einzelnen:
1. Rechtsgrundlage für die angefochtene Beitragsnacherhebung ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift ermächtigt auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen gem. § 24 SGB IV.
Nach § 28 e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI,§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGG III).
2. Die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beiträge Prüfbescheid hat grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen. Hat ein Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- und Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (§ 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Satz 1 gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (Satz 2). Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (Satz 3).
Die in § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV vom Gesetzgeber Zusammenhang mit dem Erlass eines Summenbescheides gebrauchte Formulierung „Kann“ ist dabei Sinne einer Kompetenzzuweisung, nicht aber Sinne der Einräumung von Ermessen zu interpretieren (sogenanntes „Kompetenz-Kann“). Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift, insbesondere Lichte der Gesetzeshistorie (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 09.05.2017 L 7 R 434/15 Rd. Ziff. 61, zitiert nach juris).
3. Auch wenn eine Schätzung grundsätzlich zulässig ist, sind für deren Durchführung bestimmte rechtliche Anforderungen einzuhalten.
Die Schätzung ist so exakt vorzunehmen, wie dies unter Wahrung eines noch verhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes möglich ist. Sie ist nicht zu beanstanden und – bis zum Nachweis der tatsächlichen Höhe des Arbeitsentgelts (§ 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV) – verbindlich, wenn sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründet und nachvollziehbar ist, weil sie insbesondere nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt. Innerhalb dieses Rahmens sind die an eine Schätzung zu stellenden Anforderungen wiederum abhängig von einer Abwägung zwischen der Bedeutung einer größeren Genauigkeit der Schätzung für Versicherte und Arbeitgeber und dem mit einem bestimmten Vorgehen verbundenen Verwaltungsaufwand. Dabei sind die Anforderungen an eine Schätzung umso höher, je größer die für die Versicherten und Arbeitgeber zu befürchtenden Nachteile sind.
Schließlich sind Schätzungsgrundlagen und Berechnungsmethode vom Versicherungsträger in der Begründung seines Bescheides Einzelnen darzulegen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R, RdNr. 60 ff m.w.N.).
4. Den skizzierten Anforderungen an den Erlass eines Summen-/Schätzbescheides genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass die Beklagte keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Der Rentenversicherungsträger kann sich Rahmen der Prüfung beim Arbeitgeber nach § 28 p SGB IV allein auf die Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung stützen. Das Unterlassen einer eigenen Betriebsprüfung beim Arbeitgeber führt als solches nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.06.2017, L 10 R 592/17).
Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Entscheidung sind und es keine Hinweise darauf gibt, dass noch weitere, bisher nicht berücksichtigte Erkenntnismöglichkeiten vorhanden sind. Dies ist hier der Fall. Von Seiten der Klägerin wurde glaubhaft vorgetragen, dass sich in den vom Hauptzollamt beschlagnahmten Akten noch Unterlagen befinden, die eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erlauben. Hierbei geht es nach Auffassung der Kammer nicht darum, mit großem Aufwand nochmals alle Unterlagen und Belege, die bereits vom Hauptzollamt geprüft wurden, auf Verdacht durchzusehen, ob sich darin noch „etwas Verwertbares“ findet. Es scheint der Kammer jedoch plausibel, dass sich aus den beschlagnahmten Unterlagen zumindest Geburtsdaten und evtl. Geburtsort der beschäftigten Personen herausfinden lassen. In diesem Fall wäre dann ein Abgleich, ob bereits ein Versicherungskonto besteht oder die Neuanlage eines Versicherungskontos nötig ist, möglich gewesen. Nicht auszuschließen ist auch, dass diese Informationen noch bei der Firma V. abrufbar wären.
Dieser zusätzliche Verwaltungsaufwand wäre der Beklagten zumutbar gewesen, auch wenn die Gesellschafter der Klägerin sich Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren wenig kooperativ verhalten haben. Allein der Umstand, dass bei einem Arbeitgeber die Entgelte einer großen Anzahl von Arbeitnehmern zu ermitteln sind, begründet für sich genommen noch keinen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand (BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R).
5. Vorliegend hat die Beklagte nicht einmal den Versuch unternommen, an weitere Informationen über die eingesetzten Werber/Verkäufer zu gelangen.
Die allermeisten Betroffenen – mit Ausnahme der Tenor aufgeführten Personen – sind Bescheid nur namentlich mit dem Zusatz „nähere Daten nicht bekannt“ aufgelistet. Eine Zuordnung der nachgeforderten Beiträge zu bestimmten Personen ist damit Regelfall nicht möglich. Nach Auffassung der Kammer wäre die Beklagte hier zu weiteren (eigenen) Ermittlungen verpflichtet gewesen – auch Hinblick auf die teilweise hohen Nachforderungen Einzelfall (z.B. K. R. – lfd. Nummern 21 bis 24: ca. 30.000 Euro). Alle neu eingestellten Mitarbeiter mussten einen Personalfragebogen ausfüllen. Die Kammer geht davon aus, dass sich diese Fragebögen entweder bei den beschlagnahmten Unterlagen oder bei der Firma V. befinden.
Ebenfalls nicht ausreichend „unterfüttert“ sind nach Auffassung der Kammer die Feststellungen bei den sogenannten „Teileverkäufern“.
Insoweit handelt es sich erkennbar um einen kombinierten Summen-/Schätzbescheid, an dessen Zulässigkeit nach der Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen sind. Hier hätte es ebenfalls nahegelegen, wenigstens den Versuch zu unternehmen, die Identität dieser Personen zu ermitteln, z.B. durch gezielte Befragung der namentlich bekannten Zeugen oder auch der Gesellschafter. Dieser zusätzliche Aufwand wäre nach Auffassung der Kammer nicht unverhältnismäßig gewesen.
Die Verhältnismäßigkeit des Unterlassens weiterer Feststellungen durch den Rentenversicherungsträger unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung, wobei auf die Verhältnisse Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen ist (BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R).
Auch wenn vorliegend die Verletzung der der Klägerin obliegenden Aufzeichnungspflichten (vgl. § 28 f Abs. 1 SGB IV) evident ist, durfte sich die Beklagte in Anbetracht der Nachforderungssumme und der Notwendigkeit einer grundsätzlich personenbezogenen Beitragsfestsetzung nicht mit der ausschließlichen Auswertung der Feststellungen des Hauptzollamtes begnügen.
Eine Heilung dieses Mangels gerichtlichen Verfahren war nicht möglich:
Dem steht schon die Vorschrift des § 28 f Abs. 2 Satz 5 entgegen. Danach hat der prüfende Träger der Rentenversicherung einen aufgrund der Sätze 1, 3 und 4 ergangenen Bescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- und Beitragsfreiheit oder Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden.
Darüber hinaus ist ein Gericht aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes nicht verpflichtet, bei einer reinen Anfechtungsklage Ermittlungen nachzuholen, die die beklagte Behörde unterlassen hat, um die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts selbst festzustellen (BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 30/14 R, amtlicher Leitsatz).
6. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit-, Dauer-, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess „verfeinert“ sein.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich, ausgehend von den genannten Umständen, nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, ständige Rechtsprechung).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Kammer keine Zweifel, dass die von der Klägerin beschäftigten Werber bzw. „Teileverkäufer“ in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und persönlich abhängig waren. Sie waren bei ihrer Tätigkeit in jeder Hinsicht weisungsunterworfen, hatten Berichtspflicht und unterlagen teilweise rigiden Kontrollen durch die Arbeitgeberin. Von der Tätigkeit eines ständigen Handelsvertreters auf „niedriger Stufe“, wie die Klägerin glaubend machen möchte, kann keine Rede sein. Die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen hier bei weitem gegenüber denen, an denen sich eine selbständige Tätigkeit festmachen ließe (Anmerkung: Wobei sich die Kammer schwer tut, in Anbetracht der konkreten Umstände der Werbe-/Verkaufstätigkeit überhaupt Merkmale einer echten selbständigen Tätigkeit zu benennen).
Auch das Bayerische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 09.05.2017 – L 7 R 434/15 entschieden, dass Zeitungswerber in einer Drückerkolone regelmäßig abhängig beschäftigt sind.
7. Hinsichtlich der im Tenor aufgeführten Personen sind die Feststellungen angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden. Aufgrund der jeweils angegebenen Versicherungsnummer ist eine Zuordnung der konkreten Beiträge an eindeutig identifizierbare Personen möglich. Rechts- oder Rechenfehler sind insoweit nicht erkennbar, die Beitragshöhe Einzelnen wurde von Klägerseite auch nicht gerügt.
8. Die Forderung ist, soweit sie zu Recht festgestellt wurde, auch nicht verjährt.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für Beiträge, die vorsätzlich vorenthalten worden sind, gilt eine 30-jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Begriff „vorsätzlich“ schließt den bedingten Vorsatz ein. Hierfür ist es ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Die 30-jährige Verjährungsfrist ist auch anzuwenden, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr.7 m.w.N.).
Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist die Verjährung für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides (§ 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV), spätestens aber 6 Kalendermonate nach Abschluss der Prüfung.
Vorliegend wurde der Gesellschafter F. Strafverfahren wegen vorsätzlichem Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gem. § 266 a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt, das Verfahren gegen die Gesellschafterin Regine D. wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Verurteilung lag ein Geständnis des Angeklagten F. zugrunde.
Von vorsätzlichem Handeln ist demnach auszugehen. Dafür, dass Versicherungspflicht der eingesetzten Werber/Teileverkäufer jedenfalls für möglich gehalten wurde, spricht auch der Umstand, dass man den Mitarbeitern Unterschriften abverlangte, durch die sie ihre Selbständigkeit bestätigen sollten.
Auch wenn man mit den Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon ausgeht, dass die Gesellschafter nur nach zivilrechtlichen Grundsätzen haften, ist noch keine Verjährung eingetreten. Gem. § 159 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in 5 Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft des zuständigen Gerichts eingetragen wird (Abs. 2).
Abgesehen davon, dass eine Auflösung der Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt in das Handelsregister eingetragen wurde, ist die 5-jährige Verjährungsfrist auch dann gewahrt, wenn man für den Beginn der Verjährung die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zugrunde legt.
Dass die Betriebsprüfung nicht mit Übersendung des Schlussberichtes durch das Hauptzollamt endete, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin argumentiert, sondern zu diesem Zeitpunkt erst begann, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut.
9. Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Säumniszuschlägen folgt aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Die Klägerin kann nicht glaubhaft machen Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt hätte. Der Begriff des Verschuldens ist in § 276 BGB definiert und umfasst neben Vorsatz auch alle Grade der Fahrlässigkeit. Ist, wie hier, eine rechtsfähige Personengesellschaft Beitragsschuldner, ist in erster Linie auf die Kenntnis der für sie handelnden vertretungsberechtigten Organwalter abzustellen. Dabei ist die Kenntnis zumindest eines der Gesellschafter ausreichend. Außerdem ist das Wissen derjenigen Mitarbeiter zuzurechnen, die mit der Wahrnehmung der Pflichten des Arbeitgebers bei der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gem. § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV beauftragt sind (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.10.2017, L 8 R 515/15).
Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles kann keinesfalls von einer unverschuldeten Unkenntnis der Gesellschafter der Klägerin ausgegangen werden.
Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).


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