Steuerrecht

Unbeschränkte Steuerpflicht – Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes bei wiederholten Auslandseinsätzen – Innehaben einer Wohnung

Aktenzeichen  5 K 1350/15

Datum:
1.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt 5. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 EStG 2009
§ 8 AO
EStG VZ 2012
Spruchkörper:
undefined

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die unbeschränkte Steuerpflicht der Klägerin im Jahr 2012.

Seit dem 01.04.2005 mietet die unverheiratete Klägerin eine 69 qm große Wohnung in Z wo sie auch im streitigen Veranlagungsjahr gemeldet war. Die Wohnung verfügt über zwei Zimmer, Küche, Bad und Balkon. Von dort erledigt die Klägerin alle notwendigen Arztbesuche, Behördengänge und Postangelegenheiten.

Die Klägerin ist beruflich für das in Y, Schweiz, ansässige tätig. In ihrer Funktion bereist die Klägerin verschiedene Länder der Erde. Die Aufenthaltsdauer in diesen Ländern beträgt durchschnittlich zwischen sechs und zwölf Monaten.
Vom 01. Januar 2012 bis zum 23. November 2012 war die Klägerin in der Demokratischen Republik Kongo (Kongo) im Einsatz. Den Rest des Jahres – fünf Wochen und zwei Tage – verbrachte sie in Z bzw. auf Reisen zu ihrer Mutter bzw. ihrem Bruder.

Am 24. Februar 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung. Ihren Antrag begründete sie damit, dass die in Deutschland unterhaltene Wohnung nur organisatorischen Zwecken diene. Insbesondere sei eine inländische Meldeanschrift zur Bewältigung diverser Visa- und Passformalitäten notwendig. Ihren Lebensmittelpunkt unterhalte sie nicht in Z. Verwandte habe sie dort ebenfalls nicht. Die Wohnung in Z werde nur jeweils für eine kurze Zeit zwischen zwei Auslandseinsätzen genutzt.

Mit Schreiben vom 11. März 2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliege. Sie unterhalte eine Wohnung und damit einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenordnung (AO). Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Kongo, dass die dort erzielten Einkünfte steuerfrei stelle, existiere nicht. Unter den Auslandstätigkeitserlass falle die Klägerin nicht. Sofern sie keine Steuererklärung für 2012 abgebe, werde der Beklagte eine Schätzung vornehmen.

Mit Bescheid vom 05. Juni 2014 schätzte der Beklagte die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auf Euro und setzte darauf eine Einkommensteuer in Höhe von Euro sowie Solidaritätszuschlag, Zinsen und evangelische Kirchensteuer fest.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 2014 Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trug die Klägerin dann weiter vor, in der Wohnung lediglich ihre Möbel zu lagern. Die Wohnung diene als inländische, postalische Adresse. Die Aufenthalte in Deutschland seien für die Klägerin so etwas wie Urlaub. Die jeweils kurzen Verweildauern in Deutschland würden nicht ausreichen, einen Wohnsitz zu begründen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03. November 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 8 AO seien erfüllt. Auf die Verweildauer komme es nicht an. Eine Freistellung der erzielten Einkünfte durch ein Doppelbesteuerungsabkommen sei nicht gegeben. Die Vorschrift des § 34c Einkommensteuergesetz (EStG) und der Auslandstätigkeitserlass fänden keine Anwendung.

Am 14. Dezember 2015 hat die Klägerin beim Finanzgericht Klage erhoben.
Zur Begründung führt die Klägerin wie bereits im behördlichen Vorverfahren aus, einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu unterhalten. Sie sei selten mehr als einmal im Jahr in der Wohnung in Z. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei es für das Innehaben eines Wohnsitzes aber erforderlich, mindestens zwei Mal im Jahr diesen aufzusuchen. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin sei immer dort, wo sie sich für ihre Missionen aufhalte. Sie sei über das krankenversichert. Die Rentenversicherung erfolge in der Schweiz. Lohnsteuer oder eine vergleichbare Steuer sei weder in der Schweiz noch im Kongo einbehalten worden. Das habe ein Abkommen mit dem Kongo abgeschlossen, wonach im Kongo keine Lohn- oder vergleichbare Steuer auf Einkünfte dort tätiger Mitarbeiter erhoben würden.

Die Klägerin beantragt,den Bescheid über Einkommensteuer 2012 vom 06. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2015 und den geänderten Bescheid vom 31. August 2021 über Einkommensteuer 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz finde keine Anwendung, da die Klägerin nicht in der Schweiz tätig gewesen sei. Für eine Anwendung von § 50d Abs. 8 EStG fehle es vorliegend an einem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kongo. Die Anwendung des § 34c EStG scheide aus, weil die Klägerin weder im Kongo noch in der Schweiz Steuern auf ihren Arbeitslohn entrichtet habe und ein Nachweis für einen Verzicht des Kongo auf die Steuererhebung nicht vorliege. Für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses fehle es an einem inländischen Arbeitgeber.

Das Gericht hat den Beklagten um Vorlage einer Probeberechnung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Werbungskosten in Höhe von insgesamt Euro (Verpflegungsmehraufwendungen:  Euro, Reise- und Reisenebenkosten:  Euro, Steuerberatungskosten: Euro und Umzugskosten:  Euro) gebeten. Danach reduzierte sich die festzusetzende Einkommensteuer auf Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Probeberechnung verwiesen.

Das Gericht hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 02. Oktober 2019 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird Bezug genommen.

Unter dem 31. August 2021 hat der Beklagte den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2012 entsprechend der Probeberechnung geändert.

Dem Gericht lag ein Band Rechtsbehelfsakte vor, auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist zwar zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid über Einkommensteuer 2012 vom 06. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 31. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Beklagte hat die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit aus ihrer Tätigkeit in der Demokratischen Republik Kongo im Veranlagungsjahr 2012 dem Grunde und der Höhe nach zu Recht der Einkommensteuer unterworfen.

1. Die Klägerin unterliegt im Streitjahr mit ihren Einkünften gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland. Voraussetzung dafür ist, dass sie entweder ihren gewöhnlichen Aufenthalt, § 9 AO, oder einen Wohnsitz, § 8 AO, in der Bundesrepublik Deutschland hat.

a. Die Klägerin hatte im Streitjahr ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 9 Abs. 1 AO nicht in der Bundesrepublik Deutschland, weil sie sich abweichend von § 9 Abs. 1 Satz 2 AO lediglich fünf Wochen und zwei Tage in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat.

b. Die Klägerin hatte 2012 in Z aber einen Wohnsitz gemäß § 8 AO in der Bundesrepublik Deutschland.

Einen Wohnsitz hat nach § 8 AO jemand dort, wo er eine Wohnung (dazu unter aa.) unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (dazu unter bb.). Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff stellt dabei auf die tatsächliche Gestaltung ab und knüpft an äußerliche Merkmale an. Subjektive Momente sind dagegen unbeachtlich (vgl. BFH, Beschl. v. 05. November 2001 – VI B 219/00 – BFH/NV 2002, S. 311). Die Frage der Wohnsitzbegründung kann dabei nur nach den Verhältnissen des jeweiligen Streitjahres beurteilt werden. Die Entwicklung der Verhältnisse in den Folgejahren bleibt daher unberücksichtigt (vgl. BFH, Urt. v. 06. März 1968 – I 38/65 – BStBl. II 1968, S. 439).

aa. Die Wohnung der Klägerin in Z erfüllt den Wohnungsbegriff des § 8 AO. Dieser setzt eine Wohnung mit geeigneten Räumlichkeiten voraus, die zum dauerhaften Wohnen geeignet sind und insgesamt den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechen (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 8 Rn 5 m.w.N.). Eine im Inland belegene, vollständig eingerichtete Wohnung erfüllt diese Voraussetzungen, wenn sie dem Steuerpflichtigen zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht und regelmäßig genutzt wird (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –, Urt. v. 19. März 2002 – I R 15/01 – BFH/NV 2002, S. 1411; BFH, Beschl. v. 05. November 2001 – VI B 219/00 – BFH/NV 2002, S. 311). Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht ebenso wenig aus, wie eine Schlafstelle in Betriebsräumen (vgl. BFH, Urt. 06. Februar 1985 – I R 23/82 – BStBl. II 1985, S. 331; Avvento in Gosch, Kommentar zur AO, § 8 Rn 16). Die von der Klägerin in Z angemietete, 69 qm große, volleingerichtete und nach eigenem Bekunden möblierte Zweizimmerwohnung mit Bad, Küche und Balkon ist zum dauerhaften Wohnen geeignet und erfüllt damit bereits den Wohnungsbegriff im Sinne der Vorschrift.

bb. Die Klägerin hatte nach Überzeugung des Senats die Wohnung im Streitjahr auch inne. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum Begriff des Innehabens der Wohnung, der sich der Senat anschließt, muss der Steuerpflichtige die maßgebliche Wohnung beibehalten und benutzen (vgl. BFH, Urt. v. 13. November 2013 – I R 38/13 – BFH/NV 2014, S. 1046).

Dazu muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit, d.h. wann immer er es wünscht, als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem von ihm zu einer entsprechenden Nutzung, d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden persönlichen Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH, Urt. v. 19. März 1997 – I R 69/96 – BStBl. II 1997, S. 447).

Für die Beurteilung ist auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen. Die Würdigung derjenigen tatsächlichen Umstände, die im Einzelfall für das Inne- oder Nichtinnehaben der Wohnung sprechen, obliegt dabei dem Finanzgericht (BFH, Urt. v. 12. November 2020 – III R 6/20 – BFH/NV 2021, S. 646; BFH, Beschl. v. 17. Dezember 2010 – III B 141/10 – BFH/NV 2011, S. 576). Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem zeitlichen Umfang der Steuerpflichtige die Wohnung nutzt und ob er in oder an dieser Wohnung auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat (vgl. BFH, Urt. v. 24. Januar 2001 – I R 100/99 – BFH/NV 2001, S. 1402). Vielmehr maßgeblich ist allein das objektive Zurverfügungstehen und die subjektive Nutzungsbestimmung.

Nach der hier vom Gericht vorgenommenen Würdigung der Gesamtumstände hat die Klägerin im Jahr 2012 die Wohnung benutzt, beibehalten und auch nicht aufgegeben.

aaa. Die Wohnung in Z stand der Klägerin im Jahr 2012 nach ihrem eigenen Vortrag jederzeit als Bleibe zur Verfügung. Den Akten ist ebenfalls nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die seit 2005 angemietete 69 qm große Zweizimmerwohnung mit Küche, Bad und Balkon wurde im Streitjahr ausschließlich von der Klägerin genutzt. Sie wurde von der Klägerin möbliert und eingerichtet. Eine Untervermietung hat im Jahr 2012 nicht stattgefunden. Anderweitige Ausschlüsse von der Nutzungsbefugnis sind von der Klägerin weder vorgetragen noch sonst für den Senat aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich.

bbb. Nach Überzeugung des Senats hat die Klägerin die Wohnung auch in subjektiver Hinsicht zu ihrer jederzeitigen Wohnnutzung bestimmt.
Im Jahr 2012 hat sich die Klägerin zumindest zwischen dem 24.11.2012 und dem 31.12.2012, das heißt fünf Wochen und zwei Tage, auch in der Wohnung aufgehalten und diese zu Wohnzwecken tatsächlich genutzt. Dem steht auch der klägerische Vortrag, die Wohnung habe zwischenzeitlich lediglich zum Unterstellen der Möbel gedient, nicht entgegen, weil die Wohnung nach der Erkenntnis des Senats nicht ausschließlich zum Unterstellen der Möbel durch die Klägerin genutzt wurde.

Aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH, Beschl. v. 05. Januar 2012 – III B 42/11 – BFH/NV 2012, S. 978; BFH, Beschl. v. 17. Mai 2013 – III B 121/12 – BFH/NV 2013, S. 1381; BFH, Urt. v. 08. Mai 2014 – III R 21/12 – BStBl. II 2015, S. 135 und BFH, Urt. v. 12. November 2020 – III R 6/20 – BFH/NV 2021, S. 646) zur überjährigen Abwesenheit von Arbeitnehmern und anderen vormals unbeschränkt Steuerpflichtigen von ihren Wohnungen lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass die Klägerin im Jahr 2012 ihre Wohnung nicht innehatte. Denn anders als im hier zu entscheidenden Fall war u.a. eine mehrjährige Entsendung bzw. überjährige Abwesenheit der Kläger ins Ausland Gegenstand der vorgenannten Verfahren vor dem Bundesfinanzhof. Zwischen den Beteiligten ist jedoch unstreitig und aus den dem Senat vorgelegten Akten ist auch nichts Gegenteiliges zu entnehmen, dass die Klägerin jedes Jahr für mehrere Wochen zwischen ihren Einsätzen die Wohnung in Z aufsuchte. Im Jahr 2012 waren es fünf Wochen und zwei Tage. Die Klägerin ist von ihrem Arbeitgeber auch nie für mehrere Jahre am Stück zu Einsätzen ins Ausland geschickt worden, sondern war nach eigenem Bekunden immer zwischen sechs und zwölf Monaten im Ausland tätig. Danach kehrte sie für mehrere Wochen in ihre Wohnung zurück. Das kann insoweit dann auch nicht mit Heimaturlauben an verschiedenen Orten verglichen werden. Denn die klägerische Wohnung blieb der Mittelpunkt jeder Rückkehr.

Auch die Grundsätze des Urteils des FG Hamburg vom 18. Juni 2014 (Az.: 1 K 134/12 – zitiert nach juris –) finden hier keine Anwendung. Im dort zu entscheidenden Fall hatten die Kläger bei ihren Besuchen in Deutschland nämlich ausschließlich in einem Hotel Unterkunft genommen, obwohl ihnen in ihrem eigenen Haus eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung gestanden hätte. Im hier vorliegenden Fall war die Klägerin 2012 fünf Wochen und zwei Tage in Deutschland, die sie auch in ihrer Wohnung und nicht in einem Hotel verbracht hat.
Dieser Zeitraum liegt zwar deutlich hinter den in § 9 AO formulierten sechs Monaten für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts, jedoch tritt dieser Umstand hier dahinter zurück, dass die Klägerin ihr außerberufliches Leben (Ärzte, Familie, Freunde etc.) vollständig von Z organisierte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin innerhalb der Verweildauer in Deutschland auch Reisen zu ihrer Mutter und ihrem Bruder unternahm, was die tatsächliche Verweildauer in der Wohnung in Z zusätzlich verkürzte. Jedoch teilt der Senat die klägerische Auffassung nicht, die Aufenthalte in Z hätten ausschließlich Erholungszwecken gedient (vgl. BFH, Beschl. v. 05. Januar 2012 – III B 42/11 – a.a.O.). Denn ein über drei Wochen hinausgehender Aufenthalt im Jahr spricht bereits gegen ein bloßes Ferienquartier und für einen Wohnsitz (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 8 Rn 6).

ccc. Der Wohnsitz wurde durch die Klägerin auch nicht durch ihre immer wiederkehrenden Abreisen aufgegeben. Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Auslandsaufenthalten von Kindern (u.a. BFH, Beschl. v. 30. November 2005 – III S 15/05 – BFH/NV 2006, S. 495) und deren Auswirkungen auf den inländischen Wohnsitz Bezug nimmt, kann ihr nicht gefolgt werden. Soweit ersichtlich hat der Bundesfinanzhof nicht über Kindergeldfälle entschieden, in denen die Kinder eigene Wohnungen unterhielten.

3. Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 31. August 2021 auf der Grundlage der von der Klägerin am 09. Januar 2017 mitgeteilten Einkünfte (Einnahmen und Werbungskosten) die Einkommensteuer für das Jahr 2012 auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

a. Die Ausnahme der Einkünfte aus der Tätigkeit im Kongo von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG scheidet hier aus. Denn die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nicht nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen.
Gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nicht selbst ständiger Arbeit nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden.
Die Bundesrepublik Deutschland hat aber weder ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Kongo abgeschlossen, noch findet das zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen in der Fassung vom 27.10.2010 (DBA Schweiz) Anwendung. Denn nach Art. 15 DBA Schweiz fehlt es hier an der Ausübung der Tätigkeit in der Schweiz bzw. in der Bundesrepublik Deutschland.

b. Ein Steuerabzug nach den Regelungen des Auslandstätigkeitserlasses (BMF vom 31.10.1983 – IV B 6 – S 2293 – 50/83, BStBl. I 1983, S. 470) scheidet ebenfalls aus. Denn die Klägerin ist nicht bei einem inländischen Arbeitgeber angestellt. Das hat seinen Sitz in Y in der Schweiz mithin nicht in der Bundesrepublik Deutschland.

c. Die Anrechnung einer im Ausland festgesetzten und gezahlten, der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer gemäß § 34c Abs. 1 EStG scheidet ebenfalls aus. Denn bereits nach den Ausführungen der Klägerin fehlt es an der Festsetzung und Zahlung einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer im Kongo. Den Akten ist dazu auch nichts zu entnehmen. Vielmehr liegt eine E-Mail Korrespondenz mit dem dazu vor, wonach der Kongo aufgrund eines Abkommens mit dem auf die Erhebung von Steuern auf die Löhne der dort tätigen Mitarbeiter verzichtet.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.


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