Steuerrecht

Untersagung Gewerbetätigkeiten im Immobilien- und Finanzierungsbereich – erweiterte Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  RN 5 K 18.484

Datum:
20.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2020, 1683
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 34c, § 35 Abs. 1, 7 a
GmbHG  § 6 Abs. 1, § 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 37 Abs. 1, § 51 a
FamFG § 395
VwGO § 84 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 2
GastG § 2
BGB § 173
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3
GmbHG
RDGEG § 3, § 5
BeurkG § 12 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht kann nach Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Voraussetzung des § 84 Abs. 1 VwGO erfüllt sind.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Landratsamts Freyung-Grafenau vom 22.2.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 I 1 VwGO).
A.
Die Gewerbeuntersagung ist rechtmäßig. Insbesondere ist die Klägerin gewerberechtlich unzuverlässig (I) und die Gewerbeuntersagung ist zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und angemessen (II).
I.
1. Die Klägerin ist gewerberechtlich unzuverlässig. Gewerberechtlich unzuverlässig ist nach ständiger Rechtsprechung, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten. Erforderlich ist weder ein Verschulden noch ein Charaktermangel. Die Unzuverlässigkeit muss sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen ergeben. Die bereits geschehenen Tatsachen hat die Behörde daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen, d.h. ob sie die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun.
2. Soll einem Gewerbetreibenden die Unzuverlässigkeit eines Dritten – hier also die Unzuverlässigkeit des ehemaligen Geschäftsführers und dem Alleingesellschafter der Klägerin, KHV – zugerechnet werden, so ist zu unterscheiden, ob ein Strohmannverhältnis vorliegt oder ob der unzuverlässige Dritte einen bestimmenden Einfluss ausübt (OVG Bremen, Beschluss v. 9.10.2012, in NVwZ-RR-213, 30; VG Regensburg, Urteil v. 12.5.2016, RN 5 K 15.804, S. 11). Das OVG Bremen führt dazu Folgendes aus:
Von einem „Strohmann“ spricht man im Gewerberecht, wenn jemand (der Strohmann) zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse als Gewerbetreibender vorgeschoben wird, das in Frage stehende Gewerbe in Wirklichkeit aber von einem anderen betrieben wird. Die eine Person gibt nur ihren Namen für den Gewerbebetrieb her und dient dem wahren Gewerbetreibenden als „Aushängeschild“. In der Rechtsprechung ist der Strohmann auch als jederzeit steuerbare Marionette bezeichnet worden, die von dem „Hintermann“ vorgeschoben wird, um zwecks Täuschung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktisch-wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verschleiern. Ein Strohmannverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt. Dabei liegt der eigentliche Sinn der rechtlichen Erfassung des Strohmannverhältnisses darin, den Hintermann in den gewerblichen Ordnungsrahmen einzubeziehen, nicht darin, den Strohmann daraus zu entlassen. Kennzeichnend ist danach die Teilnahme des Strohmannes am Wirtschaftsleben, die von dem Hintermann gesteuert wird. Das Gewerberecht muss im Interesse der Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums an das äußere Bild der gewerblichen Betätigung anknüpfen. Deshalb ist nicht das Betreiben des Geschäfts durch den Strohmann auf eigene Rechnung kennzeichnend. Wesentlich ist die nach außen gerichtete Betätigung des Strohmannes, namentlich dadurch, dass die Geschäfte in seinem Namen abgewickelt werden und ihn rechtlich binden sollen (BVerwG, NVwZ 2004, 103).
Im Falle des bestimmenden Einflusses eines unzuverlässigen Dritten wird dieser gerade nicht als faktisch Gewerbetreibender in den gewerberechtlichen Ordnungsrahmen einbezogen (vgl. BVerwG, NVwZ 1982, 557 = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 40). Eine Gewerbeuntersagung ergeht nur gegenüber dem Gewerbetreibenden selbst, dessen Unzuverlässigkeit darin begründet liegt, dass er sich dem Einfluss des Dritten nicht entziehen konnte. Unzuverlässig ist, wer Dritten, welche die für diesen Beruf erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, einen Einfluss auf die Führung des Gewerbebetriebs einräumt oder auch nur nicht willens oder nicht in der Lage ist, einen solchen Einfluss auszuschalten. Dies rechtfertigt nämlich den Schluss, dass der Gewerbetreibende selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, alle Voraussetzungen für eine einwandfreie Führung des Betriebs zu schaffen, also auch in seiner eigenen Person keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Betriebsführung bietet (vgl. BVerwGE 9, 222). Neben dem bestimmenden Einfluss des Dritten und dessen Unzuverlässigkeit (dazu u. bb) setzt diese Fallgruppe voraus, dass der Einfluss auf demselben Gebiet des betrieblichen Rechts- oder Wirtschaftsverkehrs zutage tritt, auf dem der Dritte unzuverlässig ist (Heß, in: Friauf, GewO, § 35 Rdnr. 97). Zudem muss der Gewerbetreibende die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit des Dritten begründen, kennen (BVerwG, Beschluss vom 16. 6. 1970 – I B 44/70, in: Buchholz 451.40 § 2 GastG Nr. 21= BeckRS 1970, 31279530).
Beide Fallgruppen unterscheiden sich nur graduell. Entscheidend ist für die Annahme eines Strohmannverhältnisses letztlich, dass die Beherrschung durch den Hintermann so umfassend ist, dass dieser selbst als der Gewerbetreibende erscheint. Während der „Vordermann“ und tatsächliche Gewerbetreibende beim maßgeblichen Einfluss eines Dritten in Teilbereichen noch gewisse Möglichkeiten einer eigenbestimmten Handlungsweise besitzt, wird der Strohmann als Marionette vorgeschoben und gesteuert. Er hat keinen autonom bestimmten Handlungsspielraum (Heß, in: Friauf, GewO, § 35 Rdnr. 101).
a) Eine Zurechnung über ein Strohmannverhältnis kommt hier nicht in Betracht. Der derzeitige Geschäftsführer RKL kann nicht als Strohmann für den Alleingesellschafter KHV angesehen werden. Für die Annahme eines Strohmannverhältnisses bestehen keine ausreichenden Indizien.
Ein Indiz für das Vorliegen eines Strohmannverhältnisses ist ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Strohmann und Hintermann. Denn in der Regel erleichtert ein Verwandtschaftsverhältnis aufgrund der emotionalen Bindung die Einflussnahme des Hintermanns auf den Strohmann (VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, S. 15; VG Regensburg, Urteil vom 12.5.2016, RN 5 K 15.804, S. 13 f.). KHV und RKL sind nicht verwandt.
Auch eine mangelnde Fachkunde und fehlendes Verständnis der Geschäftsführung, wie es für einen Strohmann typisch ist (HessVGH vom 20.12.1982, in GewArch 1983, 189), können im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
Bei der Klägerin handelt es sich auch nicht um einen Familienbetrieb, der durch RKL fortgeführt werden sollte. So besteht auch nicht der Anschein, dass die Übernahme der Geschäftsführung nur ein familiärer Gefallen ist und lediglich pro forma erfolgte.
Es ist bisher nicht feststellbar, dass KHV „die Fäden in der Hand hält“ und RKL ohne jeden autonomen Handlungsspielraum lediglich als Marionette fungiert. Insbesondere konnte die Erlaubnisbehörde nicht substantiieren, dass KHV und nicht RKL die maßgeblichen Entscheidungen im täglichen Geschäftsablauf (Personalentscheidungen, Kassenabschluss, Entgegennahme der Geschäftspost) trifft, wie das für ein Strohmannverhältnis kennzeichnend ist. So vertrat RKL etwa beim Grundstückskauf (Urk.R.Nr. 1870/2017) vom 7.8.2017 die Klägerin.
Auch Indizien wie ein hohes Alter, Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit, sprechen dafür, dass ein Geschäftsführer lediglich als Marionette fungiert und in Wahrheit ein anderer die Fäden in der Hand hält (VG Regensburg, Urteil vom 12.5.2016, RN 5 K 15.804, S. 14). Anzeichen für eine Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit des RKL bestehen nicht. Zwar war der am 2.11.1948 geborene RKL im Zeitpunkt seiner Bestellung zum Geschäftsführer am 27.12.2016 mit einem Alter von 68 Jahren nicht mehr jung, allerdings ist dies noch weit von dem Alter entfernt, bei dem man altersbedingte Ausfallerscheinungen, die eine Unfähigkeit zur Geschäftsführung nahelegen, vermuten könnte.
b) Eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin ergibt sich aber unter dem Gesichtspunkt einer bestimmenden Einflussnahme eines unzuverlässigen Dritten auf die Geschäftsführung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auch dann gegeben ist, wenn der Gewerbetreibende einem unzuverlässigen Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung einräumt oder auch nur nicht willens oder in der Lage ist, einen derartigen Einfluss auszuschalten, wodurch er sich selbst als unzuverlässig erweist (VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, S. 16. Grundlegend: BVerwG vom 16.10.1959, GewArch 1962, 154; Marcks, in Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 69 mvN aus Rspr und Lit.). Diese Grundsätze sind auch anwendbar, wenn der Gewerbetreibende, wie hier, eine juristische Person ist (VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, S. 16. Marcks, Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 69).
Diese Konstruktion ist vorliegend erfüllt, da alle vier Voraussetzungen (OVG Bremen, Beschluss vom 9.10.2012, 2 B 240/12, in NVwZ-RR 2013, S. 31, 32) gegeben sind. Vorausgesetzt ist erstens, dass der Dritte einen bestimmenden Einfluss auf die Führung des Gewerbes ausübt (1), zweitens die Unzuverlässigkeit des Dritten (2), drittens, dass der Geschäftsführer die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit des Dritten begründen, kennt (3) und viertens, dass der Einfluss auf demselben Gebiet des betrieblichen Rechts- oder Wirtschaftsverkehrs zutage tritt, auf dem der Dritte unzuverlässig ist (4).
1) Ein bestimmender Einfluss liegt hier vor. Bei der Frage, ob ein unzuverlässiger Dritter bestimmenden Einfluss auf eine GmbH hat, kommt es nicht darauf an, ob der vertretungsberechtigte Geschäftsführer unzuverlässig ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die GmbH rechtlich (a.) oder tatsächlich (b.) so strukturiert ist, dass der unzuverlässige Alleingesellschafter bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt (Marcks, Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn 69. VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJWZ 2006, 51. VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, S. 16 OVG Bremen, Beschluss vom 9.10.2012, 2 B 240/12, in NVwZ-RR 2013, S. 31.
a. KHV hat einen rechtlich bestimmenden Einfluss auf die Klägerin.
Für einen rechtlich bestimmenden Einfluss des Gesellschafters spricht bereits die Konzeption des GmbH-Gesetzes an sich. Das GmbH-Gesetz gestaltet das Machtverhältnis zwischen den GmbH-Gesellschaftern und dem GmbH-Geschäftsführer zu Gunsten der GmbH-Gesellschafter aus. Das GmbHG gewährt den GmbH-Gesellschaftern eine besonders einflussreiche und mächtige Stellung.
Konkret sieht das so aus: Der GmbH-Geschäftsführer vertritt die GmbH zwar gerichtlich und außergerichtlich (vgl. §§ 6 Abs. 1, 35 Abs. 1 GmbHG), aber seine Stellung im Verhältnis zu den Gesellschaftern unterliegt erheblichen Beschränkungen. So ist der Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG nicht nur an den Gesellschaftsvertrag und an Gesellschafterbeschlüsse gebunden, sondern er ist sogar Einzelweisungen der Gesellschafter unterworfen (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 50. Roth/Altmeppen,GmbHG, 3. Aufl., § 37 Rn. 3). Das GmbH-Gesetz weist den Geschäftsführern nicht einmal einen Kernbereich an Aufgaben zu, welcher einer Einflussnahme durch die Gesellschafter entzogen ist. Es ist nicht Aufgabe der Geschäftsführer, die GmbH vor ihren Gesellschaftern zu schützen (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 50. Roth/Altmeppen, § 37 Rdnr. 1, § 45 Rdnr. 5, § 6 Rdnr. 4). Gesellschafter (auch der Alleingesellschafter) können sich nach Belieben Geschäftsführungsangelegenheiten generell vorbehalten oder im Einzelfall an sich ziehen. Das Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer ist inhaltlich nahezu unbeschränkt und findet erst bei einem dem Geschäftsführer angesonnenen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften seine Grenze (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 50; Roth/Altmeppen, § 37, Rn. 4).
Das Argument der Klägerin, die gesetzlichen Rechte des Gesellschafters beschränkten sich auf das im § 51a GmbHG genannte Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter, verkennt damit das Konzept der Machtverteilung, das dem GmbHG zugrunde liegt.
Die bereits aufgrund des GmbH-Gesetzes starke Stellung der Gesellschafter wird hier durch eine Besonderheit des Falles noch verstärkt. Die Klägerin hat nicht etwa mehrere Gesellschafter, die sich im Zuge einer kollektiven Willensbildung gegenseitig kontrollieren. Vielmehr ist KHV Alleingesellschafter. Er wird durch keinen anderen Gesellschafter in seinen Entscheidungsmöglichkeiten kontrolliert oder beschränkt. In der Rechtsprechung gilt eine Art „Vermutungsregel“. Demnach wird grundsätzlich von einem bestimmenden Einfluss eines unzuverlässiger Dritter aufgrund seiner 100% Gesellschaftsanteile ausgegangen (VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148). Nur ausnahmsweise und zwar dann, wenn sämtliche oder die Mehrzahl der Gesellschaftsanteile an zuverlässige Dritte übertragen sind, wäre dies wohl anders (vgl. OVG Bremen vom 21.9.2018, 2 B 244/18, in NVwZ-RR 2019, 557 f.). Genau an einer solchen Übertragung fehlt es hier aber.
b. Ein tatsächlich bestimmender Einfluss kann im vorliegenden Fall weder bejaht noch verneint werden. Ob ein Alleingesellschafter tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH hat, bestimmt sich nach einer Gesamtschau mehrerer Indizien (sh.(1) bis (6)) (OVG Bremen, Beschluss vom 9.10.2012, 2 B 240/12, in NVwZ-RR 2013, S. 32). Doch diese Indizien sind bei ihrer Gesamtwürdigung im vorliegenden Fall nicht eindeutig, sondern ambivalent.
(1) Ein Indiz für einen bestimmenden Einfluss des Alleingesellschafters ist, wenn dieser als (angeblicher) Geschäftsführer im Außenverhältnis auftritt. Der Dritte wird nach außen als faktischer Repräsentant des Gewerbetreibenden tätig. Er tritt unmittelbar gegenüber den Kunden oder Geschäftspartnern des Gewerbetreibenden auf und gibt Erklärungen ab, von denen die Geschäftsführer des Gewerbetreibenden nicht abrücken können sollen. Es kann offen bleiben, ob man eine Duldungsvollmacht annehmen kann, ob dieses Kriterium erfüllt ist. Der Beklagte behauptet, dass KHV aufgrund einer Duldungsvollmacht agieren würde. Eine Duldungsvollmacht setzt ein mehrmaliges Auftreten des vollmachtlosen Vertreters im Namen des Vertretenen voraus, wobei der Vertretene dieses Auftreten kennt und duldet. Hier sind keine Geschäftsvorgänge substantiiert belegt, bei denen KHV die Klägerin gegenüber Kunden oder Geschäftspartnern vertreten hat.
Andererseits gelingt es der Klägerin aber auch nicht, ein Auftreten des KHV nach außen zu widerlegen. Zwar führt die Klägerin aus, ausschließlich RKL trete nach außen auf. Sie versucht dies mit einem notariellen Kaufvertrag zu belegen, in dem RKL und gerade nicht KHV die Klägerin vertreten hat. Jedoch hat die Vertretung bei einem notariellen Geschäft geringe Indizwirkung. Denn ein Notar beurkundet einen Vertrag nur, wenn der Vertretungsberechtigte handelt, vgl. § 12 S. 1 BeurkG. Es war der Klägerin daher unmöglich zu der notariellen Beurkundung einen Vertreter ohne Vertretungsmacht bzw. einen Vertreter, der lediglich aufgrund einer Duldungsvollmacht handelt, vorzuschicken.
(2) Ein weiteres Indiz für einen maßgeblichen Einfluss des unzuverlässigen Dritten (Alleingesellschafter) ist, wenn die GmbH rechtlich (durch Gesellschaftsvertrag/ Gesellschafterbeschluss) oder in der tatsächlichen Handhabung der Geschäftsführung nicht sicherstellt, dass nur zuverlässige Personen die gewerberechtlich bedeutsamen Geschäftsvorgänge wahrnehmen (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 51). Bedeutsame Geschäftsvorgänge sind insbesondere Verhandlungen mit Geschäftspartnern und mit dem Finanzamt, Aufbewahrung der Geschäftspapiere und die Entgegennahme der Geschäftspost, Zeichnungsbefugnis gegenüber der Bank, Entscheidungen bezüglich des Personals und die Beherrschung des täglichen Geschäftsablaufs (Abrechnung mit den Angestellten, täglicher Kassenabschluss) (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 51).
Vorliegend spricht für einen maßgeblichen Einfluss des KHV, dass die Klägerin nicht sichergestellt hat, dass nur zuverlässige Personen die gewerberechtlich bedeutsamen Geschäftsvorgänge wahrnehmen. Zwar ist die organschaftliche Vertretungsmacht des KHV ausgeschlossen. Allerdings ist weder ein Handeln aufgrund rechtsgeschäftlicher Vollmacht noch aufgrund Duldungsvollmacht rechtlich ausgeschlossen. So hätte die Klägerin ihre Geschäftspartner und Kunden über die fehlende Vertretungsmacht des KHV i.S.d. § 173 BGB informieren können und damit rechtlich einen Einfluss im Außenverhältnis ausschließen können.
Hinsichtlich einer Einflussmöglichkeit auf den bedeutsamen Geschäftsvorgang der Personalentscheidung und Personalführung ergibt sich kein klares Bild. Die Klägerin möchte eine solche faktische Einflussnahme des KHV durch Anführung eines Beispiels widerlegen. So trägt sie vor, dass die gewerberechtlich bedeutsame Erteilung der Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) an die Bürokraft CS nicht durch KHV, sondern durch RKL erteilt worden sei. Jedoch widerlegt dies nicht die Einflussmöglichkeit des KHV. Berechtigt zur Erteilung der Handlungsvollmacht ist die Handelsgesellschaft vertreten durch ihren organschaftlichen Vertreter (Hopt, Baumbach/Hopt, HGB 30. Auflage 2018, § 54 Rn. 6; Weber, EBJS, HGB, 4. Auflage 2020, § 54 Rn. 3). Da die Handlungsvollmacht hier notariell beurkundet worden ist, ist es auch hier unausweichlich (§ 12 Abs. 1 BeurkG) gewesen, den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer RKL als dem Erteilungsberechtigten vorzuschicken und nicht KHV.
(3) Ein weiteres Indiz für einen maßgeblichen Einfluss des Alleingesellschafters ist, wenn dieser im Innenverhältnis Einfluss nimmt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Dritte den Arbeitnehmern der Gewerbetreibenden Anweisungen erteilt, zu deren Befolgung sich diese verpflichtet sehen oder wenn der Dritte das Tätigwerden der Geschäftsführer bestimmt (OVG Bremen, Beschluss vom 9.10.2012, 2 B 240/12, in NVwZ-RR 2013, S. 32).
Hier ist nicht konkret vorgetragen, ob KHV den Arbeitnehmern Weisungen erteilt. Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich darauf, dass RKL vertrauensvoll mit der Büroangestellten CS zusammenarbeite und er ihr Handlungsvollmacht erteilt habe. Das lässt aber keinen Schluss darauf zu, dass KHV keinen Einfluss auf CS hat.
Hier ist nicht klar, ob KHV das Tätigwerden des Geschäftsführers RKL bestimmt. Die Klägerin trägt hierzu vor, dass RKL die Geschäftsführertätigkeit alleinig und eigenverantwortlich ausübe. Einziger und nur eingeschränkt gewichtiger Anhaltspunkt für diese Behauptung ist die gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach RKL alleinvertretungsbefugt ist und nicht etwa in Gesamtvertretungsbefugnis mit dem Alleingesellschafter KHV handelt.
Auch wenn die obigen Ausführungen zu (1) bis (3) nicht immer eindeutige Indizien für einen tatsächlich bestimmenden Einfluss des KHV ergeben, so ist die Klägerin rechtlich wegen des § 37 Abs. 1 GmbHG nicht in der Lage, sich einen bestimmenden tatsächlichen Einfluss des unzuverlässigen Dritten zu entziehen, wie oben unter 1) a. ausgeführt.
(4) Zudem ist ein Indiz für einen maßgeblichen Einfluss des Alleingesellschafters, wenn der Alleingesellschafter den Geschäftsablauf der Klägerin in erheblichen Umfang steuert. Das ist insbesondere der Fall, wenn der bestellte Geschäftsführer (wegen Ortsabwesenheit, beruflicher Überlastung, mangelnder Vorbildung etc.) zur verantwortlichen Wahrnehmung dieser Aufgabe gar nicht in der Lage ist oder wenn der Alleingesellschafter die Entscheidungen seiner Geschäftsführer durch eine eigene Entscheidung ersetzt oder sich einzelne Aufgabenbereiche (z.B. den gesamten Zahlungsverkehr) vorbehält (VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004, 6 S 593/04, in NJOZ 2006, 51).
Ob RKL in der Lage ist, die Geschäftsführung verantwortlich wahrzunehmen, kann nicht ernsthaft angezweifelt werden.
Es bestehen keine Zweifel an der Fähigkeit des RKL was die körperliche und geistige Fitness des RKL anbelangt. Denn es bestehen keine Anzeichen für Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit des RKL. Auch altersbedingte Ausfallerscheinungen sind nicht ersichtlich. Zwar war der am 2.11.1948 geborene RKL im Zeitpunkt seiner Bestellung zum Geschäftsführer am 27.12.2016 mit seinem Alter von 68 Jahren nicht mehr jung, allerdings ist dies noch weit von dem Alter entfernt, bei dem man altersbedingte Ausfallerscheinungen vermuten könnte, die eine Unfähigkeit zur Geschäftsführung nahelegen würden.
Eine berufliche Überlastung des RKL kann nicht generell daraus gefolgert werden, dass Herr RKL nicht nur Geschäftsführer der Klägerin ist, sondern auch Geschäftsführer der Firma … GmbH und der Firma … Hotels Betriebsgesellschaft m.b.H.
Für eine mangelnde berufliche Vorbildung bestehen keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil spricht seine Geschäftsführertätigkeit in anderen Firmen für die nötige Berufserfahrung.
Eine Ortsabwesenheit ist gegeben. Herr RKL wohnt in … in Österreich. Die Klägerin hat ihren Firmensitz in … in Deutschland. Allerdings beträgt die Entfernung lediglich 50 km.
(5) Weiterhin ist für einen maßgeblichen Einfluss indiziell, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit und dem Austausch der Geschäftsführer besteht (VG Regensburg, Urteil vom 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, S. 17).
Hier legt der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Widerruf der Gewerbeerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit des KHV und dem Austausch der Geschäftsführer es nahe, dass KHV seinen Einfluss nicht verlieren wollte und sollte, sondern dass der Austausch nur taktische Erwägungen hatte, um das Gewerbe weiterbetreiben zu können. Ursprünglich hatte KHV alle Geschicke der Klägerin in der Hand. Er war nicht nur Alleingesellschafter, sondern vom 11.9.1989 bis zum 13.6.2016 auch einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Am 7.6.2016 (Az.: 30-826/16-116) wurde der Klägerin die erteilte Gewerbeerlaubnis wegen erwiesener gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit ihres damaligen gesetzlichen Vertreters KHV gem. Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3 BayVwVfG widerrufen. Am 14.6.2016 wurde dessen Vertretungsbefugnis gem. § 395 FamFG gelöscht. Der Widerrufsbescheid ist seit dem 14.7.2016 bestandskräftig. Schon am 27.12.2016 wurde WL zum neuen gesetzlichen Vertreter bestellt. Am 6.2.2017 wurde dieser durch RKL als gesetzlichen Vertreter ersetzt.
(6) Zuletzt indiziert ein starkes Interesse des Dritten an der Einflussnahme auf das Gewerbe einen bestimmenden Einfluss. Ein solches Interesse ist in der Regel zu bejahen, wenn der Dritte ein Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbetreibenden hat (OVG Bremen, Beschluss vom 9.10.2012, 2 B 240/ 12, in NVwZ-RR 2013, S. 33.).
KHV hat ein sehr starkes Interesse an einer maßgeblichen Einflussnahme auf die Geschäftsvorgänge der Klägerin, weil sein Gewinn als (Allein-)Gesellschafter gem. § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GmbHG unmittelbar von einer gekonnten Geschäftsführung, die zum wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin führt, abhängt. (Kersting, Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 29 Rn. 26).
2) An der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des KHV bestehen keine Zweifel. Seine Unzuverlässigkeit steht fest aufgrund des seit dem 14.7.2016 bestandskräftigen Bescheids vom 7.6.2016 (Az.: 30-826/16-116).
3) Der Geschäftsführer RKL kannte die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit des KHV begründen.
4) Der Einfluss trat auch auf demselben Gebiet des betrieblichen Rechts- oder Wirtschaftsverkehrs zutage, auf dem der Dritte unzuverlässig ist.
II.
Die Gewerbeuntersagung ist zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, da die Gefährdung nicht durch mildere Mittel (z.B. durch Abmahnung, Auflagen, Kontrollen, Teiluntersagung) abgewendet werden kann. Soweit es um die Zurechnung fremder Unzuverlässigkeit bei juristischen Personen geht, gebietet die Verhältnismäßigkeit die Prüfung, ob die Maßgabe genügt, die unzuverlässige Person als vertretungsberechtigten Organwalter abzuberufen (Brüning, BeckOK, GewO, 48. Auflage 2019, § 35 Nr. 37).
Hier kommt das nicht in Betracht, da KHV bereits seit 2016 nicht mehr vertretungsberechtigter Geschäftsführer ist und sein Einfluss dennoch nicht unterbunden worden ist. Das weniger eingreifende Mittel hat sich damit bereits als nicht genauso wirksam wie die Gewerbeuntersagung erwiesen.
Die Klägerin beruft sich auch erfolglos auf die Unangemessenheit der Gewerbeuntersagung. Grundsätzlich besteht bei konsequenter Prüfung der § 35 Abs. 1 GewO kein Raum mehr für Abwägungen im Sinne der Angemessenheit als letzter Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Nur in Ausnahmefällen kann deshalb trotz Unzuverlässigkeit und trotz Untersagungserforderlichkeit der Einwand der Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots durchgreifen.
Die Klägerin sieht die Unangemessenheit der Gewerbeuntersagung darin begründet, dass die Zahlungsrückstände, sofern sie überhaupt bestanden hätten, gering seien. Dieses Argument nimmt nicht die hohe Hürde, die die Unangemessenheit als einem absoluten Ausnahmefall stellt. Gerade ein einwandfreies Finanzgebaren ist für Gewerbe unabdingbar. Zudem nehmen die Zahlungsrückstände sehr wohl Formen an, die als nicht ordnungsgemäße Gewerbeausübung angesehen werden können. Dass Forderungen zum Teil niedergeschlagen worden sind, kann der Klägerin auch nicht zu Gute gereicht werden, weil die Niederschlagung der Forderung im Grunde erfolgte, weil keine Beitreibungsmöglichkeit mehr bestand und so gerade nicht das Finanzgebaren der Klägerin in ein besseres Licht rückt.
III.
Auch die erweiterte Gewerbeuntersagung in Ziffer 2 des Bescheides ist rechtmäßig. Zu den Anforderungen an eine erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Gewerbeordnung hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.02.1982-BVerwG 1 C 17.79 unter anderem ausgeführt, dass eine Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten keine positiven Anhaltspunkte dafür voraussetze, dass der Betroffene nach der Untersagung des von ihm betriebenen Gewerbes eine andere selbstständige gewerbliche Tätigkeit ausüben werde. Die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung folge nämlich schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festhalte; denn durch sein Festhalten an dem tatsächlich ausgeübten Gewerbe habe er regelmäßig seinen Willen bekundet, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen. Eine erweiterte Gewerbeuntersagung ist deshalb zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausüben wird.
Die Klägerin hat bereits bisher mit der Konstruktion eines unzuverlässigen Dritten als maßgeblichen Gesellschafter bereits verschiedene Gewerbe ausgeübt. Das lässt den Schluss zu, dass die Klägerin auch nach der Untersagung der konkreten Gewerbe auf andere Gewerbe ausweichen wird. Eine erweiterte Gewerbeuntersagung setzt nicht voraus, dass der Betroffene sein gewerberechtswidriges Verhalten genau in derselben Art und Weise, quasi im genau denselben Geschäftsmodell fortsetzen werde. Vielmehr reicht es aus, dass der die Klägerin treffende Unzuverlässigkeitsvorwurf sich gewerbeübergreifend durchschlägt. Insoweit gibt jedoch das Vorbringen und das bisherige Verhalten der Klägerin keinen Anhalt für die Annahme, dass sich die Klägerin zukünftig nicht auch außerhalb des konkret untersagten Gewerbes betätigen werden wird. Dies genügt für eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig. Auch gegen die Androhung eines Zwangsgeldes und gegen die Kostenentscheidung ist nichts zu erinnern. Die Klägerin trägt dazu auch nichts vor.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm § 709 ZPO.


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