Steuerrecht

Unzulässiger Tatbestandsberichtigungs- und -ergänzungsantrag zu einem Revisionsurteil

Aktenzeichen  2 C 36/16

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:240418B2C36.16.0
Normen:
§ 119 VwGO
§ 120 VwGO
§ 137 Abs 2 VwGO
§ 98 VwGO
§ 314 ZPO
§ 417 ZPO
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung hat der Spruchkörper in der Besetzung aller Richter zu entscheiden, die an dem Urteil mitgewirkt haben, soweit sie dem Gericht noch angehören, auch wenn sie zwischenzeitlich den Spruchkörper gewechselt haben.
2. Der Tatbestand eines Revisionsurteils unterliegt der Tatbestandsberichtigung gemäß § 119 Abs. 1 VwGO nur bezüglich eigener Feststellungen des Revisionsgerichts, auf die sich die urkundliche Beweiskraft des Urteils erstreckt und die für einen nachfolgenden Verfahrensabschnitt bindend wären; dies sind insbesondere Feststellungen zu den Revisionsanträgen und sonstigen Prozesserklärungen in der Revisionsinstanz.
3. Ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines Revisionsurteils ist unzulässig, wenn sich der Antrag lediglich auf die angeblich unrichtige Wiedergabe von Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz bezieht, an die das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden war.
4. Ein Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 18. Juni 2015, Az: OVG 6 B 32.15, Urteilvorgehend VG Cottbus, 28. Februar 2013, Az: 5 K 914/11, Urteil

Gründe

1
Der Senat entscheidet durch Beschluss in seiner Besetzung zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung vom 20. Juli 2017. § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO verlangt, dass alle damals sachbefassten Richter mitwirken müssen, die dem Gericht noch angehören, also auch Richter, die zwischenzeitlich den Spruchkörper gewechselt haben (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 2014, § 119 Rn. 5; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 2014, § 119 Rn. 9; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2014, § 119 Rn. 18).
2
Der auf Berichtigung und Ergänzung des Tatbestands gerichtete Antrag des Klägers ist unzulässig.
3
Der Tatbestand eines Revisionsurteils unterliegt der Tatbestandsberichtigung gemäß § 119 Abs. 1 VwGO nur bezüglich eigener Feststellungen des Revisionsgerichts, auf die sich die urkundliche Beweiskraft des Urteils gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 VwGO, § 417 ZPO erstreckt und die für einen nachfolgenden Verfahrensabschnitt bindend wären. Das sind insbesondere Feststellungen zu den Revisionsanträgen und sonstigen Prozesserklärungen in der Revisionsinstanz. Die revisionsgerichtliche Wiedergabe von Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, an die das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, kann dagegen nicht nach § 119 Abs. 1 VwGO berichtigt werden (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2013 – 2 C 6.11 – NVwZ 2013, 1237 Rn. 2 m.w.N. und vom 12. März 2014 – 8 C 16.12 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.).
4
Die Beweiskraft des Tatbestands des Revisionsurteils erstreckt sich nur auf die darin bezeugten eigenen Feststellungen des Revisionsgerichts und nicht auf die Wiedergabe der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, an die es nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden ist. Selbst wenn die Wiedergabe fehlerhaft sein und sich nicht mehr als Zusammenfassung des von der Vorinstanz angenommenen Sachverhalts darstellen sollte, läge darin noch keine eigene, der urkundlichen Beweiskraft fähige Tatsachenfeststellung des Revisionsgerichts. Mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 119 Abs. 1 VwGO kann auch keine Änderung der Sachverhaltsbewertung oder gar eine Korrektur der rechtlichen Würdigung verlangt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 – 8 C 16.12 – juris Rn. 10 und vom 13. Februar 2012 – 9 B 77.11 – Buchholz 310 VwGO § 108 Abs. 1 Nr. 73 S. 8).
5
Darüber hinaus bestimmt § 120 Abs. 1 VwGO, dass auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen ist, wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen worden ist. Der Antrag auf Ergänzung eines Urteils nach § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird (BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2011 – 3 C 14.11 – Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 10 Rn. 14).
6
Der Tatbestandsberichtigungs- und -ergänzungsantrag des Klägers betrifft keine im Urteil vom 20. Juli 2017 dokumentierten Tatsachenfeststellungen oder Anträge des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 VwGO, § 417 ZPO erstreckt und die deshalb der Entscheidung in einem nachfolgenden Verfahren zugrunde zu legen wären. Stattdessen rügt der Kläger die unrichtige Wiedergabe von Sachverhaltsfeststellungen und Anträgen der Vorinstanz, eine Missachtung der revisionsrechtlichen Bindung an diese Feststellungen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO und die rechtliche Würdigung festgestellter Tatsachen.
7
Die mit der Antragsschrift vom 7. Dezember 2017 erhobenen Einwände des Klägers betreffen die Ausführungen in den Randnummern 1, 2 und 3 des angegriffenen Revisionsurteils. Diese Textpassagen enthalten keine einer Tatbestandsberichtigung zugängliche Darstellung von Prozesserklärungen oder Verfahrenshandlungen im Revisionsverfahren, sondern allein die gedrängte informatorische Wiedergabe der wesentlichen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Auslassungen im Tatbestand, die über die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hinausgehen, rügt der Kläger nicht.
8
Eine Tatbestandsergänzung ist ausgeschlossen, weil kein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten im Revisionsverfahren gestellter Antrag bei der Entscheidung übergangen worden ist. Der Kläger verlangt in der Sache vielmehr die Richtigstellung einer von ihm für falsch gehaltenen Entscheidung. Dazu aber dient das Verfahren nach § 120 VwGO ebenso wenig wie das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 – 2 C 37.17 – juris Rn. 4 ff. in dem den Kläger betreffenden Anhörungsrügeverfahren).


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