Steuerrecht

Versicherungspflicht des Versicherungsmaklers bei Anbindung an einen Maklerpool

Aktenzeichen  L 1 R 679/14

Datum:
3.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 69908
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
HGB HGB § 93
SGB VI SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9
VVG VVG § 59 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ein Versicherungsmakler, der Versicherungsverträge fast ausschließlich im Rahmen einer Anbindung an einen sog. Maklerpool vermakelt, ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. (amtlicher Leitsatz)
2. Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn sind das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die freie Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 16 R 276/13 2016-05-09 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
II.
Die Klage gegen die Bescheide vom 18. Dezember 2013, 19. Dezember 2014 und 16. Dezember 2015 wird abgewiesen.
III.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2013 abgewiesen. Der Kläger ist ab 2. Februar 2013 gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI bei der Beklagten versicherungspflichtig. Auch der gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Änderungsbescheid (in Bezug auf die Beitragshöhe) vom 18. Dezember 2013, über den das SG mangels Kenntnis von dessen Erlass nicht mitentschieden hat, über den der Senat aber nach den Grundsätzen über das sog. „Heraufholen von Prozessresten“ im Einverständnis der Beteiligten mitentscheiden kann, sowie die gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom 19. Dezember 2014 und vom 16. Dezember 2015 mit der darin jeweils festgelegten Beitragshöhe sind nicht zu beanstanden. Die Klage des Klägers war insoweit vom Senat abzuweisen.
Gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI in der maßgeblichen, ab 1. Januar 2013 gültigen Fassung vom 5. Dezember 2012 sind versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen, die
a) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Der Kläger ist als eingetragener Kaufmann selbstständig tätig und nicht gegen Entgelt abhängig beschäftigt. Selbstständig tätig sind alle Personen, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft oder in einem Gewerbebetrieb oder eine sonstige, insbesondere freiberufliche Arbeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausüben (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1227 Nr. 8).
Selbstständige Tätigkeit wird im Wesentlichen durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Indizien für eine selbstständige Tätigkeit sind etwa auch eigene betriebliche Einrichtungen oder eine eigene Betriebsstätte.
Der Kläger kann im Wesentlichen frei seine Tätigkeiten gestalten und über seine Arbeitszeit bestimmen. Er ist nicht weisungsgebunden, insbesondere auch nicht im Verhältnis zur AG. Er erhält keinen Lohn, sondern Provisionen/Courtagen, die nur im Falle des Zustandekommens eines Versicherungsvertrags zwischen einem seiner Kunden und einer Versicherungsgesellschaft fällig werden. Der Kläger trägt dadurch ein Unternehmerrisiko, da er zwar eigene Arbeitskraft und finanzielle Mittel einsetzt, aber Ungewissheit über deren künftigen Ertrag besteht. Für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers spricht auch, dass er eine eigene Betriebsstätte in A-Stadt unterhält und einen eigenen Internetauftritt (www…..de) pflegt.
Der Kläger beschäftigt auch in Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
Diese Tatsachen stehen für den Senat fest aufgrund der glaubwürdigen und unstrittigen Angaben des Klägers.
Der Kläger ist auch dauernd und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Der Senat teilt die Auffassung des SG und der Beklagten, dass die AG der einzige Auftraggeber des Klägers ist. Die einzelnen Kunden des Klägers sind hingegen nicht Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 b) SGB VI.
Bei der Prüfung der Frage, ob ein Selbstständiger auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Ein eindeutiger Wortsinn lässt sich aus dem Begriff des Auftraggebers im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 9b) SGB VI nicht ableiten. Eine gesetzliche Festlegung (etwa im Sinne einer Legaldefinition) fehlt, auch ist die Bedeutung mangels eines bestimmten juristischen und allgemeinen Sprachgebrauchs offen. Eine an den Strukturmerkmalen des durch das Merkmal der Unentgeltlichkeit geprägten Auftragsvertrags im Sinne des § 662 BGB orientierte Interpretation kommt nicht in Betracht.
Aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI und des § 7 SGB IV lässt sich allerdings entnehmen, dass der Begriff des Auftraggebers jede natürliche oder juristische Person oder Personenmehrheit erfasst, die im Wege eines Auftrags oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI erstreckt die Rentenversicherungspflicht auf selbstständig Tätige, die nach Auffassung des Gesetzgebers nicht weniger sozial schutzwürdig sind als die sonstigen von § 2 S. 1 SGB VI erfassten Selbstständigen. Entscheidend ist dabei nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, sondern das Vorliegen typischer Tätigkeitsmerkmale. Wer ohne versicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beschäftigen selbstständig tätig wird, ist typischerweise nicht in der Lage, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass er sich außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung absichern könnte. Die Voraussetzung der Tätigkeit nur für einen Auftraggeber indiziert eine wirtschaftliche Abhängigkeit und damit ebenfalls typisierende soziale Schutzbedürftigkeit, ohne dass es auf eine konkrete wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit im Einzelfall ankäme (vgl. zusammenfassend Urteil des BSG vom 23. April 2015, B 5 RE 21/14 R, juris Rn. 29 m. w. N.).
Bei Anlegung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seit 2. Februar 2013 laufend im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich die AG, tätig wird. Nach seinen eigenen, zuletzt durch Schriftsatz vom 23. Februar 2016 bekräftigten Aussagen wickelt er nach wie vor mehr als 5/6 seiner Einkünfte über die AG ab. Er hat in diesem nur über einen einzigen Vertragsabschluss berichtet, der unabhängig von der AG zustande gekommen ist. Die AG ist als einziger Auftraggeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI anzusehen, da sie als juristische Person durch ihr Geschäftskonzept dem Kläger die Möglichkeit der Vermittlung von Versicherungs-, Bausparverträgen usw. eröffnet.
Nach diesem Geschäftskonzept stellt die AG dem Kläger die zur Versicherungsvermittlung erforderlichen Unterlagen der jeweiligen Produktpartner zur Verfügung, insbesondere Anträge. Es findet sich in der Vertriebsvereinbarung eine detaillierte und umfangreiche Liste zu beteiligten Produktpartnern der AG. Kommt es durch die Maklertätigkeit des Klägers zu einem Vertragsabschluss zwischen dem Kunden und einer Versicherungsgesellschaft, wird dieser Vertrag im Rahmen des sog. Maklervertragsservice auf die AG umgeschlüsselt und/oder übertragen. Die AG erwirbt dann einen Courtageanspruch gegenüber der jeweiligen Versicherungsgesellschaft, an dem sie den Kläger nach Maßgabe der in
§ 7 der Vertriebsvereinbarung enthaltenen Regelungen teilhaben lässt. Die AG stellt also eine geschäftliche Verbindung zu den einzelnen Versicherungsgesellschaften her und ermöglicht es dem Kläger, an dieser Verbindung zu partizipieren.
Der Kläger hat nachvollziehbar die Gründe offen gelegt, warum er sich an die AG vertraglich im Rahmen der Vertriebsvereinbarung gebunden hat, obwohl die Provisionszahlungen höher wären, wenn er Versicherungsverträge ohne Anbindung an die AG vermakeln würde. Nach seinen für den Senat glaubwürdigen Aussagen ist es – vor allem zu Beginn der Tätigkeit – sehr schwierig, ein breites Spektrum an Gesellschaften zu finden, mit denen eine Zusammenarbeit möglich sei. Neue Vertriebspartner würden eingangs sehr ausführlich im Hinblick auf Rentabilität und Wirtschaftlichkeit geprüft. Auch seien Maklerpools wie die AG in der Lage, ganz andere Volumina bei den Versicherungsgesellschaften zu platzieren, so dass sowohl für die Endkunden in Form besserer Leistungspakete als auch für die Vermittler in Form durchaus geeigneterer Courtagen ein Mehrwert entstehe. Ein Versicherungsprodukt mit einem besseren Leistungspaket könne sich naturgemäß besser verkaufen als ein höherwertiges Leistungspaket, das für den Kunden erheblich höhere Kosten bedeute. Auch könne die AG durch die Zusammenarbeit mit sogenannten Assekuradeuren wie etwa der A.AG in ganz besondere Versicherungspakete konzipieren, die den Interessen der Endkunden eher entsprächen.
Daraus wird für den Senat sehr deutlich, dass der Kläger faktisch wirtschaftlich abhängig von der AG ist. Ohne diese wäre es für ihn äußerst schwierig, Versicherungsverträge zu vermakeln. Durch die Anbindung an die AG wird der Kläger nach seinen Worten überhaupt erst in die Lage versetzt, seiner Maklertätigkeit mit hinreichender Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg nachzugehen. Einem Kunden, der den Kläger als Makler ohne Anbindung an die AG in Anspruch nehmen würde, stünde eine deutlich geringere Anzahl an Versicherungsgesellschaften zur Verfügung, unter denen er auswählen könnte. Denn nach den Worten des Klägers ist es schwierig, als Alleinmakler zu einer Zusammenarbeit mit Versicherungsgesellschaften zu gelangen. Entscheidendes Wesensmerkmal eines Versicherungsmaklers (vgl. § 93 HGB, § 59 Abs. 3 VVG) ist es jedoch, dass dieser nicht an eine spezielle Versicherungsgesellschaft gebunden ist. Dessen Kerngeschäft ist es, dem Kunden Angebote verschiedener Versicherungsgesellschaften zu unterbreiten, so dass dieser – nach Beratung – das für ihn günstigste Angebot auswählen kann. Eine erfolgreiche Tätigkeit als Versicherungsmakler ist damit nur dann zu erwarten, wenn dieser über eine Vielzahl mit ihm zusammenarbeitender Versicherungsunternehmen verfügt. Die Zugriffsmöglichkeit auf einzelne Versicherungsunternehmen wird für den Kläger jedoch faktisch allein durch die AG sichergestellt. Einen Marktzugang hat der Kläger letztlich nur durch die Inanspruchnahme der Leistungen der AG erlangt. Zwar hat er einschränkend formuliert, dies sei „vor allem“ (damit aber auch schon „nicht nur“) zu Beginn einer Tätigkeit als Versicherungsmakler der Fall. Die Tatsache, dass der Kläger mehrere Jahre nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler immer noch fast ausschließlich seine Maklertätigkeit über die AG abwickelt, belegt jedoch nach Auffassung des Senats, dass die Möglichkeiten für ihn als mittlerweile berufserfahrenen Versicherungsmakler, selbstständig Abschlüsse etwa mit im Versicherungspool nicht aufgeführten Gesellschaften zu vermitteln, nach wie vor sehr begrenzt sind.
Ohne Bedeutung ist, dass nach den vertraglichen Bestimmungen der Kläger die Möglichkeit hat, sich vertraglich auch an andere Maklerpools zu binden oder Direktabschlüsse mit einzelnen Versicherungsgesellschaften zu vermitteln. Entscheidend ist nämlich nicht die vertraglich abgesicherte rechtliche Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften unabhängig von der AG, sondern vielmehr die faktische wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers zu dieser (BSG vom 23. April 2015, a. a. O., Rn. 31). Der Kläger generiert nahezu sein vollständiges Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit über die AG.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass nach § 1 der Vertriebsvereinbarung eine Pflicht zur Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen oder Beauftragung dazu durch die Gesellschaft gegenüber dem Vertriebspartner nicht stattfindet und mit diesem Vertrag auch nicht verbunden ist. Das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung zur Vermittlung von Versicherungsverträgen usw. gegenüber der AG tritt in den Hintergrund, wenn der Kläger faktisch nahezu ausschließlich Versicherungsverträge usw. im Rahmen der Anbindung an diese Gesellschaft vermittelt. Davon abgesehen liegt es im Wesen einer selbstständigen Tätigkeit, dass eine derartige Verpflichtung nicht besteht. Läge eine solche vor, bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kläger wirklich selbstständig tätig und nicht vielmehr abhängig beschäftigt ist.
Der Kläger hat darüber hinaus nicht nur Marktzugang durch die AG erlangt. Er genießt zudem auch als bereits etablierter Marktteilnehmer durch die Anbindung an die AG deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Maklern, die nicht an die AG oder einen vergleichbaren Maklerpool angebunden sind. Ohne Anbindung an die AG wäre das Angebot des Klägers an einzelnen Versicherungsleistungen nicht so vielfältig und vorteilhaft für seine Kunden. Aufgrund der Marktmacht der AG gegenüber den einzelnen Versicherungsgesellschaften, an der der Kläger als ihr Vertriebspartner mittelbar teilhat, kann er seinen Kunden standardisierte Versicherungsprodukte zu besseren Konditionen sowie besondere individuelle Angebote unterbreiten. Diesen Vorteil genießt der Kläger offenkundig auch nicht nur zu Beginn seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler, sondern während der gesamten Zeit seiner Kooperation mit der AG. Würde diese beendet, ginge er dieser Möglichkeiten verlustig und würde dadurch einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen, bei der AG oder vergleichbaren Maklerpools angebundenen Versicherungsmaklern erleiden.
Die Zusammenarbeit des Klägers mit der AG hat nach alledem entgegen seiner Auffassung nicht nur eine untergeordnete Bedeutung, die etwa mit der Zusammenarbeit eines Zahnarztes mit einer „zahnärztlichen Verrechnungsstelle“ zu vergleichen wäre. Ein Zahnarzt, der eine „zahnärztliche Verrechnungsstelle“ mit der Abrechnung seiner Vergütungsansprüche betraut, lagert ausschließlich reine Büroarbeiten aus, die er auch durch eigenes Personal erledigen lassen könnte. Die „zahnärztliche Verrechnungsstelle“ verschafft dem Zahnarzt weder faktisch einen Marktzugang noch verbessert sie seine Wettbewerbsposition am Markt gegenüber Zahnärzten, die ihre Abrechnungen durch eigenes Personal erstellen lassen. Der Kläger nimmt zwar auch Bürodienstleistungen der AG wie etwa die Archivierung von Geschäftsvorgängen in Anspruch. Darin erschöpft sich aber nicht seine Geschäftsbeziehung mit der AG. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Kläger durch die Zusammenarbeit mit der AG erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber etablierten freien Alleinmaklern genießt.
Davon abgesehen liegt in der weitgehenden Entlastung des Klägers von sog. „backoffice- Tätigkeiten“ durch die AG auch ein weiterer Baustein in der bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeit des Klägers von dieser. Der Kläger hat erklärt, im Bereich der Versicherungsvermittlung sei es in den letzten Jahren zu nachhaltigen Verschärfungen von Dokumentationsanforderungen usw. gekommen. Der administrative Aufwand habe erheblich zugenommen. Dies habe wiederum zur Folge, dass der Versicherungsmakler, der alle administrativen Themen selbst bearbeite, hierfür erhebliche Zeit aufzuwenden habe, die ihm für seine eigentliche Tätigkeit, nämlich die Beratung und den Vertrieb, fehlten. Der Kläger könnte zwar eine Person für die administrativen Arbeiten einstellen. Aufgrund seiner Bestandsgröße, seiner eigenen Infrastruktur und der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens sei für den Kläger eine generelle Umstrukturierung im Falle eines Wegfalls der Kooperation mit der AG derzeit schwerlich denkbar. Der Kläger ist damit letztlich auch auf die Erledigung administrativer Arbeiten durch die AG angewiesen, damit er seine Tätigkeit als freier Versicherungsmakler mit wirtschaftlichem Erfolg ausüben kann.
Diese vom Kläger selbst offengelegten Zusammenhänge dokumentieren, dass er in erheblichem Umfang von der AG wirtschaftlich abhängig und damit in typischer Weise sozial schutzbedürftig ist.
Unterstrichen wird dies noch durch den weiteren Umstand, dass der Kläger seine Vergütung von der AG erhält. Das BSG hat festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9b) SGB VI einen Vergütungsanspruch nicht begriffsnotwendig voraussetzt und ein solches Auftragsverhältnis auch ohne direkten Vergütungsanspruch wirtschaftliche Abhängigkeit und damit soziale Schutzbedürftigkeit indizieren kann (BSG, Urteil vom 4. November 2009, B 12 R 3/08 R, juris Rn. 28). Ein Fehlen eines direkten Vergütungsanspruchs spricht also nicht durchgreifend gegen ein Auftragsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung. Umgekehrt ist jedoch das Bestehen eines derartigen unmittelbaren und wirtschaftlichen nahezu ausschließlichen Vergütungsanspruchs des Klägers gegenüber der AG durchaus ein Indiz für ein alleiniges Auftragsverhältnis zur AG selbst. In der Vertriebsvereinbarung sind die Voraussetzungen für die Auszahlung der Provision und deren Höhe festgelegt. Dieser Umstand indiziert eine wirtschaftliche Abhängigkeit und damit ebenfalls typisierend soziale Schutzbedürftigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 23 April 2015, B 5 RE 21/14 R, juris Rn. 28).
Es mag zwar sein, dass der Kläger auch rechtlich die Möglichkeit hat, nach Maßgabe einer Honorarvereinbarung abzurechnen. Derartiges ist in den aktuellen Maklerverträgen mit den einzelnen Kunden in der Nr. 7 ausdrücklich geregelt. Eine wirtschaftliche Bedeutung hat diese bloße rechtliche Möglichkeit für den Kläger aber nicht.
Selbstverständlich hat im wirtschaftlichen Ergebnis letztlich der Endkunde die Vergütung des Klägers durch seine Versicherungsprämien zu finanzieren. Wie hoch der Anteil des Klägers an dieser wirtschaftlich durch den Endkunden finanzierten Vergütung ist, wird aber wiederum maßgeblich durch die AG bestimmt. Darüber hinaus hat die Tatsache, dass ein Endkunde durch seine Versicherungsprämien den von der AG an den Kläger ausgekehrten Vergütungsanteil in wirtschaftlicher Hinsicht finanziert, ihren wesentlichen Grund auch wiederum darin, dass der Kläger durch seine Anbindung an die AG überhaupt erst in die Lage versetzt wird, diesen Endkunden als Prämien- und damit wirtschaftlichen Vergütungszahler zu gewinnen.
Als Auftraggeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 b) SGB VI sind damit nicht die einzelnen Maklerkunden des Klägers anzusehen, sondern die AG. Diese werden nur deshalb Kunden des Klägers, weil dieser selbst Kunde der AG ist. So sind etwa auch die einzelnen Kunden eines Franchiseunternehmers, die bei diesem Produkte erwerben, nach der Rechtsprechung des BSG nicht dessen Auftraggeber. Ein Franchiseunternehmer ist vielmehr auch nur für einen einzelnen Auftraggeber, nämlich den Franchisegeber als „Absatzherren“, tätig (BSG vom 4. November 2009, BSGE 105, 46). „Absatzherr“ in diesem Sinne ist für den Kläger die AG. Ohne deren geschäftliche Verbindung zu den einzelnen Versicherungsgesellschaften, ohne die durch die Marktmacht der AG bedingten und dem Kläger durch seine Anbindung an die AG zugute kommenden Wettbewerbsvorteile und ohne die Erledigung administrativer Arbeiten des Klägers durch die AG im Rahmen des „backofficemanagements“ könnte der Kläger seine derzeitige Tätigkeit als Versicherungsmakler in der ausgeübten Art und Weise nicht betreiben und würde keine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in nennenswertem Umfang erzielen.
Eine Einvernahme des Zeugen Y. konnte unterbleiben. Der Senat kann als wahr unterstellen, dass Herrn Y. kein Fall bekannt ist, in dem ein Versicherungsmakler mit der beim Kläger vorliegenden Konstellation der Versicherungspflicht gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI unterfällt. Auswirkungen für die Entscheidung des Senats hat dies jedoch nicht.
Schließlich ist auch unerheblich, ob und inwieweit die IHK oder die BaFin bei der Zugrundelegung der hier vertretenen Auffassung, der Kläger sei selbstständiger Versicherungsmakler, werde aber nur für einen Auftraggeber tätig, ihre Aufsichtspflichten verletzen. Ob der Kläger mit der vorliegenden Vertragsgestaltung die gesetzlichen Bestimmungen einhält, über die von diesen Institutionen gewacht wird, ist allein von diesen zu entscheiden. Die Beklagte ist hingegen allein gehalten, der sich aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ergebenden rentenversicherungsrechtlichen Rechtslage Geltung zu verschaffen.
Der Kläger ist damit ab 2. Februar 2013 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Einwände gegen die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Beiträge hat der Kläger nicht erhoben. Fehler bei der Berechnung sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Der Bescheid vom 8. März 2013 sowie die weiteren Bescheide vom 18. Dezember 2013, 19. Dezember 2014 und 16. Dezember 2015, in denen die Höhe der Beiträge (neu) festgesetzt wurde, sind daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.


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