Steuerrecht

Widerruf der Gaststättenerlaubnis

Aktenzeichen  22 ZB 17.2341

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138427
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender auch dann, wenn er sich zur Erfüllung beruflich bedingter Pflichten Dritter (hier: Steuerberater) bedient, die die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Gewerbetreibenden das Fehlverhalten des Dritten bekannt sein musste, ohne dass er sogleich für Abhilfe sorgt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 15 Abs. 2 GastG ordnet den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis als zwingende Rechtsfolge der eingetretenen Unzuverlässigkeit eines Gastwirts an; dass ein nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GastG gebotener Erlaubniswiderruf nicht deswegen unterbleiben darf, weil er dem Erlaubnisinhaber die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz nimmt, ist nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes nicht zweifelhaft (Anschluss an BVerwG BeckRS 1987, 31266155). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.3746 2017-10-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin erstrebt im vorliegenden Rechtsstreit die Aufhebung des ihr gegenüber durch Bescheid des Landratsamts S. vom 18. Juli 2016 ausgesprochenen Widerrufs der ihr am 25. Juni 2009 erteilten Gaststättenerlaubnis. Begründet wurde diese auf § 15 Abs. 2 GastG gestützte Behördenentscheidung mit der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit der Klägerin und ihrer daraus folgenden gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit.
Nach Darstellung des Finanzamtes S. entwickelten sich die dort bestehenden Rückstände der Klägerin an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen wie folgt:

Datum
Rückstandshöhe (in Euro)
ergänzende Angaben des Finanzamtes
5. Oktober 2009
796,66

22. März 2010
816,36
seit November 2009 wiederholte, erfolgreiche Kontenpfändungen durch das Finanzamt bei unregelmäßigen freiwilligen Zahlungen der Klägerin
7. April 2011
8471,40
eine ab dem 1. Februar 2011 geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung wurde nicht eingehalten
25. Oktober 2011
6776,99
Vollstreckungsaufschub angesichts monatlich erfolgender Ratenzahlungen
24. April 2012
2763,55
Vollstreckungsaufschub angesichts monatlich erfolgender Ratenzahlungen in Höhe von 800,00 €
29. Oktober 2012
1837,33
vereinbarte Stundungsraten wurden teilweise geleistet
30. März 2015
20.265,92
Abgabe der Offenbarungsversicherung am 28. April 2014;
fruchtloser Pfändungsversuch des Finanzamtes am 22. Januar 2015;
eine Ratenzahlungsvereinbarung wurde nicht eingehalten
23. April 2015
19.780,33
Rückgang des Schuldenstandes beruht auf der Stornierung der Lohnsteuer 2014
04. August 2015
19.905,83
freiwillige Zahlungen am 2. Juli 2015 und am 8. Juli 2015 in Höhe von jeweils 250,00 €
9. November 2015
20.816,58
erneute Offenbarungsversicherung im April 2015;
Vollstreckungsmaßnahmen wegen Vermögenslosigkeit der Klägerin aussichtslos;
Zahlung von 250,00 € an den Vollziehungsbeamten am 19. August 2015;
vier weitere Zahlungen in den Monaten von August bis Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 800,- €
20. Januar 2016
20.955,58
Zahlung von 300,00 € an den Vollziehungsbeamten am 8. Januar 2016;
daneben seit Oktober 2015 weitere Zahlungen in Höhe von 350,- €
4. April 2016
18.771,08

14. Juli 2016
31.748,62

Die gegen den Bescheid vom 18. Juli 2016 erhobene Anfechtungsklage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 4. Oktober 2017 als unbegründet ab.“
Die Klägerin beantragt, gegen diese Entscheidung die Berufung zuzulassen, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden.
II.
Über den Antrag konnte ohne Anhörung des Beklagten entschieden werden, da sich bereits aus dem der Begründung dieses Rechtsbehelfs dienenden Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich zunächst nicht aus der in der Antragsbegründung aufgestellten Behauptung, die aufgelaufenen Steuerschulden würden maßgeblich auf einer zeitweiligen Arbeitsüberlastung der Klägerin sowie darauf beruhen, dass ein ehemaliger Steuerberater der Klägerin trotz rechtzeitiger Überlassung der Unterlagen an ihn Steuererklärungen verspätet abgegeben habe, so dass Säumniszuschläge in erheblicher Höhe angefallen seien.
Der Glaubwürdigkeit des erstgenannten Einwands steht entgegen, dass die Klägerin – wie unmittelbar aus der Tabelle in Teil I der Gründe dieses Beschlusses ersichtlich ist – dem Grunde nach bereits seit der am 20. April 2009 erfolgten Aufnahme des Gaststättenbetriebs mit der Entrichtung von Steuern in Rückstand war, also nicht nur „zeitweilig“.
Aus den Schreiben des Finanzamtes S. an das Landratsamt vom 30. März 2015, vom 4. August 2015, vom 9. November 2015 und vom 20. Januar 2016 geht zwar hervor, dass die Klägerin jedenfalls in jüngerer Zeit außer der Steuerentrichtungs- auch die Steuererklärungspflicht verletzt hat; mehreren dieser Mitteilungen zufolge beruhten die entstandenen Steuerschulden auf Schätzbescheiden. Die Richtigkeit der Feststellung, dass die Klägerin im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (d.h. bei Erlass des Widerrufsbescheids; vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1973 – I C 36.71 – DVBl 1973, 861/863; U.v. 28.7.1978 – I C 43.75 – BVerwGE 56, 205/208; B.v. 16.12.1987 – 1 B 144.87 – GewArch 1988, 233; B.v. 25.1.1994 – 1 B 212.93 – GewArch 195, 121) unzuverlässig im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG war, würde jedoch nicht in Frage gestellt, wenn es zutreffen sollte, dass die unterbliebene Einreichung von Steuererklärungen auf die Untätigkeit eines ehedem mandatierten Steuerberaters zurückzuführen ist. Denn unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender auch dann, wenn er sich zur Erfüllung beruflich bedingter Pflichten Dritter bedient, die die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Gewerbetreibenden das Fehlverhalten des Dritten bekannt sein musste, ohne dass er sogleich für Abhilfe sorgt (BayVGH, B.v. 22.3.2017 – 22 ZB 17.374 – juris Rn. 8; B.v. 12.5.2017 – 22 ZB 17.786 – juris Rn. 9). Die E-Mails der Klägerin an das Landratsamt vom 22. Juni 2015 und vom 24. August 2015 belegen, dass ihr die Tatsache der ausstehenden Einreichung von Steuererklärungen durch ihren damaligen Steuerberater bekannt war. Sie trägt jedoch weder selbst vor, dass sie bereits vor dem Erlass des Widerrufsbescheids die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit die ausstehenden Steuererklärungen dem Finanzamt ohne weiteren Aufschub zugingen, noch ergeben sich aus den Akten dahingehende Anhaltspunkte. Die erstmals während des gerichtlichen Verfahrens – und erneut in der Begründung des Zulassungsantrags – geltend gemachte Beauftragung eines anderen Steuerberaters und die in der Klageerwiderung des Landratsamts vom 29. August 2017 erwähnte Einreichung von Steuererklärungen durch ihn vermögen an der Tatsache der eingetretenen Unzuverlässigkeit nichts zu ändern, da es sich hierbei um nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt liegende Umstände handelt. Dass eine etwaige Untätigkeit des früheren Steuerberaters dann nicht pflichtwidrig gewesen sein muss, wenn sie darauf zurückzuführen gewesen sein sollte, dass die Klägerin das geschuldete Honorar nicht entrichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2017 – 22 ZB 17.374 – juris Rn. 8), ist bei allem dem nur ergänzend festzuhalten.
2. Ebenfalls eine nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt liegende – und im vorliegenden Rechtsstreit damit unbehelfliche – Entwicklung stellt die der Klägerin am 15. November 2017 vom Finanzamt S. gewährte Ratenzahlungsmöglichkeit dar.
3. Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung werden schließlich durch das Vorbringen aufgezeigt, der Bescheid vom 18. Juli 2016 sei deshalb unverhältnismäßig, weil für die im Jahr 1953 geborene Klägerin angesichts ihres Lebensalters praktisch keine Aussicht bestehe, eine Anstellung als Arbeitnehmerin zu finden; sie werde auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein und keine Möglichkeiten besitzen, ihre Steuerschulden zurückzuführen. Mit diesem Einwand kann die Klägerin bereits deshalb nicht gehört werden, weil § 15 Abs. 2 GastG den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis als zwingende Rechtsfolge der eingetretenen Unzuverlässigkeit eines Gastwirts anordnet; dass ein nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG gebotener Erlaubniswiderruf nicht deswegen unterbleiben darf, weil er dem Erlaubnisinhaber die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz nimmt, ist nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes nicht zweifelhaft (BVerwG, B.v. 16.12.1987 – 1 B 144.87 – GewArch 1988, 233). Unverhältnismäßig ist der Entzug der Gewerbeberechtigung gerade im Fall der Klägerin auch deshalb nicht, weil es ausgeschlossen erscheint, dass sie bei unterstelltem Fortbestand der Befugnis zum Betrieb ihrer Gaststätte jemals in der Lage gewesen wäre, ihre Steuerschulden wegzufertigen. Nach unwidersprochen gebliebener Darstellung in der Klageerwiderung vom 29. August 2017 verringerten sich ihre Steuerrückstände beim Finanzamt S. zwar bis zu jenem Tag (unter Einschluss steuerlicher Nebenforderungen) auf 11.841,45 €. Jedoch sei bekannt geworden, dass sie dem Finanzamt München Steuern in Höhe von 22.628,16 € zuzüglich 3.380,00 € an Säumniszuschlägen schulde. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Klägerin nach gleichfalls unwidersprochen gebliebener Darstellung in der Klageerwiderung vom 29. August 2017 zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 20. April 2017 nur 1.011,00 € an das Finanzamt S. entrichtet hat (die zudem mit Ausnahme von 35,00 € allesamt durch den Vollziehungsbeamten beigetrieben werden mussten), kann keine Rede davon sein, der streitgegenständliche Bescheid vereitle sowohl eine realitätsnahe Sanierungschance der Klägerin als auch die Aussicht der Steuergläubiger auf eine künftige Befriedigung ihrer Forderungen.
4. Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in der Nummer 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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